Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 5. Juli 2012
Aktenzeichen: III-2 Ws 136/12

(OLG Hamm: Beschluss v. 05.07.2012, Az.: III-2 Ws 136/12)

Tenor

1.

Dem Beschwerdeführer wird von Amts wegen auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfest­setzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Bochum vom 10.01.2012 gewährt.

2.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Die von dem durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 21.09.2011

(II-5 KLs - 30 Js 67/11 - 47/11) rechtskräftig verurteilten Y an den für die Nebenklägerin X als Beistand bestellten Beschwerdeführer Rechtsanwalt T in C zu zahlenden (Wahl-)Gebühren werden auf 2.496,62 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 28.11.2011 festgesetzt.

3.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

4.

Der Beschwerdewert wird auf 2.237,20 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Verurteilte Y wurde durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 21.09.2011, das seit dem 29.09.2011 rechtskräftig ist, wegen Totschlags zu einer Ju­gendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dem Verurteilten wurden außerdem die Kosten des Verfahrens, die Kosten der Nebenklage und seine eigenen notwendigen Auslagen auferlegt. In den Urteilsgründen wird dazu ausgeführt, dass die Kosten- und Auslagenentscheidung auf den §§ 465, 472 StPO beruhe.

Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Verurteilte am 03.04.2011 die mit ihm be­freundete und am ...1993 geborene K, nachdem er auf­grund einer Notiz auf dem iPhone der Geschädigten entdeckt hatte, dass diese offensichtlich eine Liebensbeziehung zu einem anderen Mann unterhielt, mit beiden Händen mit derartiger Intensität gewürgt, dass K kurze Zeit später erstickte und verstarb. Nach der Tat entkleidete der Verurteilte die Getötete und führte mit ihr den Geschlechtsverkehr aus. Die Mutter der Getöteten, Frau X, wurde durch Beschluss des Landgerichts Bochum vom 19.08.2011 als Nebenklägerin zugelassen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer der Neben­klägerin als Beistand nach § 397 a Abs. 1 Nr. 2 StPO bestellt.

Durch Verfügung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Landgerichts Bochum vom 18.11.2011 wurde entsprechend dem Antrag des Beschwerdeführers die an diesen als gerichtlich bestellten Beistand der Nebenklägerin zu zahlende Ver­gütung (Gebühren und Auslagen) aus der Staatskasse auf 4.921,30 € (Gebühren­anteil ohne Mehrwertsteuer: 3712,00 €) festgesetzt und die Auszahlung dieses Betrages angewiesen.

Mit Schriftsatz vom 24.11.2011 beantragte der Beschwerdeführer, „die Kosten des Nebenklägers gegen den Verurteilten Y festzusetzen“, und zwar in Höhe von 2.496,62 €, wobei dieser Betrag unter Abzug der aus der Staatskasse bereits gezahlten 4.921,30 € berechnet worden war.

Wegen der Einzelheiten dieses Festsetzungsantrags wird zur Vermeidung von Wie­derholungen auf diesen Bezug genommen.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum hat mit dem angefochtenen Kosten­festsetzungsbeschluss vom 10.01.2012 unter Zurückweisung des Antrags im Übri­gen die aufgrund des Urteils des Landgerichts Bochum vom 21.09.2011 von dem Verurteilten an die Nebenklägerin zu erstattenden Kosten auf 249,52 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 28.11.2011 festgesetzt. Wegen der Einzelheiten dieses Beschlusses wird zur Ver­meidung von Wiederholungen auf diesen Bezug genommen.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss enthält die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen ihn, für den Fall, dass der Beschwerdewert von 200,- € überschritten werde, die sofortige Beschwerde, anderenfalls die befristete Erinnerung, zulässig sei sowie, dass Rechtsbehelfe binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung bei Gericht eingegangen sein müssten und auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden könnten.

Gegen den ihm am 27.01.2012 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.01.2012 hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 09.02.2012, der am 10.02.2012 beim Landgericht Bochum eingegangen ist, sofortige Beschwerde ein­gelegt, der der Rechtspfleger mit Verfügung vom 23.03.2012 nicht abgeholfen hat.

II.

1.

Als Beschwerdeführer ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht die Nebenklä­gerin X, vertreten durch Rechtsanwalt T, sondern dieser selbst anzusehen. Er ist auch beschwerdebefugt.

Nach § 53 Abs. 2 S. 1 RVG steht dem gemäß § 397 a Abs. 1 StPO dem Nebenklä­ger als Beistand bestellten Rechtsanwalt nur gegen den Verurteilten, nicht aber ge­gen den Nebenkläger, ein Anspruch auf Zahlung der Gebühren eines gewählten

Beistands zu (vgl. Hartung in Hartung/Schons/Enders, RVG, § 53, Rdnr. 18 ff.; N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwaltKommentar, RVG, 5. Aufl., § 53 Rdnr. 5; Volpert in Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., § 53 Rdnr. 9; Houben in Baumgärtel/Hergenschröder/Houben, RVG, 15. Aufl., § 53 Rdnr. 4; Kroiß in Mayer/ Kroiß, RVG, § 53 Rdnr. 13). Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass eine rechtskräftige Verurteilung des Angeklagten erfolgt ist (vgl. Hartung in Hartung/ Schons/Enders, RVG, § 53, Rdnr. 18 ff.; N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwaltKommentar, RVG, 5. Aufl., § 53 Rdnr. 5; Volpert in Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., § 53 Rdnr. 9 und 30; OLG Hamm Beschluss vom 18.09.2003 - 3 Ws 346/03 - NJOZ 2004, 1034). Da der gemäß § 397 a Abs. 1 StPO zum Beistand des Nebenklägers bestellte Rechtsanwalt die Gebühren eines gewählten Beistandes gemäß § 53 Abs. 2 S. 1 RVG nicht von seinem Auftraggeber, sondern nur von dem Verurteilten verlangen kann, stellen diese Gebühren keine notwendigen Auslagen des Nebenklägers dar (vgl. KG, Beschluss vom 13.05.2009 - 1 Ws 37/09, 1 AR 311/09 - , zitiert nach juris). Sie können daher auch nicht als von dem Verurteilten dem Nebenkläger zu erstattende notwendige Auslagen gemäß § 464 b StPO festgesetzt werden.

Der dem Nebenkläger als Beistand bestellte Rechtsanwalt kann aber unmittelbar den Verurteilten in Anspruch nehmen.

Der im Wege der Prozesskostenhilfe dem Nebenkläger beigeordnete Rechtsanwalt kann seine über die aus der Staatskasse gezahlten Beträge hinausgehende Vergü­tung gegen den verurteilten Angeklagten gemäß § 126 ZPO selbst beitreiben und gemäß § 464 b StPO selbst festsetzen lassen. Das gleiche Recht hat aber auch der gemäß § 397 a Abs. 1 StPO dem Nebenkläger als Beistand bestellte Rechtsanwalt, wobei dieses Recht entweder unmittelbar aus § 53 Abs. 2 S. 1 RVG hergeleitet (so OLG Hamm, Beschluss vom 18.09.2003 - 3 Ws 346/03 - NJOZ 2004,1034 zu dem in seinem Regelungsgehalt mit § 53 Abs. 2 S. 1 übereinstimmenden § 102 Abs. 2 S. 2 BRAGO; N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwaltKommentar, RVG, 5. Aufl., § 53 Rdnr. 7) oder auf eine entsprechende Anwendung des § 126 ZPO gestützt wird (vgl. Hartung, a.a.O.; Kroiß, a.a.O. Rdnr. 12). Festsetzbar sind die Gebühren eines ge­wählten Beistandes in voller Höhe, soweit die Staatskasse die Gebühren noch nicht bezahlt hat (§ 53 Abs. 2 S. 2 RVG), anderenfalls die Differenz zwischen den Wahlanwaltsgebühren und den von der Staatskasse bezahlten Gebühren (vgl. Hartung, a.a.O.; Kroiß, a.a.O.).

Der Kostenfestsetzungsantrag des Rechtsanwalts T vom 24.11.2011 bein­haltet daher bei zutreffender Auslegung den im eigenen Namen gestellten Antrag, die geltend gemachten Gebühren eines gewählten Beistands, abzüglich der bereits durch die Staatskasse gezahlten Gebühren, gegenüber dem verurteilten Angeklag­ten Y, festzusetzen. Da mit diesem Antrag ein eigener Anspruch des Rechtsbeistands der Nebenklägerin verfolgt wird, ist dieser selbst durch den ange­fochtenen Beschluss beschwert und daher auch selbst beschwerdebefugt.

2.

Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde, die gemäß § 104 Abs. 3 ZPO, § 11 Abs. 3 RPflG i.V.m. § 464 b StPO statthaft ist, ist der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern berufen, und nicht gemäß § 464 b S. 3 StPO i.V.m. § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 2003, 763), wonach gemäß § 464 b S. 3 StPO auf das Verfahren (§§ 103 ff. ZPO) und die Vollstreckung (§§ 794 ff. ZPO) der Kostenfestsetzung die Vor­schriften der Zivilprozessordnung lediglich insoweit Anwendung finden, als sie straf­prozessualen Prinzipien nicht widersprechen. Demgemäß sind für das Beschwerde­verfahren die §§ 304 ff. StPO und nicht die entsprechenden Vorschriften der Zivil­prozessordnung anwendbar (vgl. BGH a.a.O.; OLG Hamm, Beschlüsse vom 04.05.2010 - 2 Ws 52/10 - , BeckRS 2010, 12301, vom 05.06.2007 - 3 Ws 226/07 - m.w.N. - www.burhoff.de - und vom 18.06.2009 - 5 Ws 273/08 - m.w.N.).

3.

Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen unter II. 2 gilt für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.01.2012 die Wochenfrist des § 311 Abs. 2 S. 1 StPO (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 464 b Rdnr. 7 m.w.N.). Diese Frist ist im vorliegenden Verfahren bei der Beschwerdeeinlegung nicht eingehalten worden. Die einwöchige Beschwer­defrist endete am 03.02.2012. Die sofortige Beschwerde vom 09.02.2012 ist jedoch erst am 10.02.2012 beim Landgericht Bochum eingegangen.

Dem Beschwerdeführer war aber von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ge­gen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Bochum vom 10.01.2012 nach den §§ 44, 45 StPO zu gewähren, da den Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der ihm mit dem angefochtenen Beschluss erteilten Rechtsmittelbelehrung, auf die er sich ersichtlich verlassen hatte, an der Fristversäumung kein Verschulden trifft.

4.

Die infolge der gewährten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des zuguns­ten der Nebenklägerin ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses und zu einer Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nunmehr auf den Namen des Be­schwerdeführers und zu einer Festsetzung von Gebühren in der beantragten Höhe gegenüber dem Verurteilten.

a)

Gemäß der amtlichen Vorbemerkung zu Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gelten für die Tätigkeit als Beistand eines Neben­klägers die Vorschriften des RVG entsprechend. Bei den in dem Vergütungsver­zeichnis zu diesem Gesetz aufgeführten Gebühren handelt es sich um Rahmenge­bühren, die ihrer Höhe nach gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG vom Verteidiger bzw. Nebenklägervertreter unter Be­rücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach billigem Ermessen bestimmt werden. Zu den Umständen des Einzelfalles zählen der Umfang und die Schwierig­keit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftragge­ber sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist die Gebühr im Einzelfall nach billigem Ermessen zu bestimmen. Gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG ist die Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts für den Auftraggeber sowie für die erstattungspflichtige Dritte grund­sätzlich verbindlich, es sei denn, dass sie unbillig ist. Dabei werden in der Regel Ab­weichungen von bis zu 20 % von der angemessenen Gebühr noch nicht als unbillig angesehen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 05.12.2008 - 4 Ws 56/08 - m.w.N.; BGH, Urteil vom 08.05.2012 - VI ZR 273/11 -, www.burhoff.de; Onderka in Schneider/Wolf, a.a.O., § 14 RVG Rdnr. 79, 80 und 89).

Die Bedeutung der Angelegenheit ist für die Nebenklägerin als sehr hoch und damit als deutlich überdurchschnittlich einzuschätzen. Als Mutter des Tatopfers hatte sie ein erhebliches persönliches und ideelles und gegebenenfalls auch wirtschaftliches Interesse an dem Ausgang des Strafverfahrens gegen den Verurteilten. Angesichts der gravierenden emotionalen und psychischen Belastung, der die Nebenklägerin durch die Tötung ihrer Tochter ausgesetzt war, ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer der Nebenklägerin nicht ausschließlich rechtlich Beistand zu leis­ten hatte, sondern ihr auch persönlich in der der für sie äußerst belastenden Situa­tion beratend und unterstützend zur Seite zu stehen hatte, so dass die Art der Tätig­keit des Beschwerdeführers als schwierig einzustufen ist.

Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift vom 09.02.2012 hatte er bereits unmittelbar nach Begehung des Tötungsdelikts am 03.04.20211 die Nebenklägerin am Ort des Tatgeschehens aufgesucht, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Im vorbereitenden Verfahren wurden zudem zahlreiche Unterredungen mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Staatsanwalt­schaft Bochum, mit Mitgliedern der eingesetzten Mordkommission, mit Freunden und weiteren Familienangehörige des Tatopfers und die die Nebenklägerin behandelnden Ärzte geführt. Außerdem wurden allein mit der Nebenklägerin bis zur Erhebung der Anklage mit Anklageschrift der Staatsaanwaltschaft Bochum vom 21.06.2011 vor dem Landgericht Bochum mindestens zehn Gespräche geführt, wie mit Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 15.11.2011 ausgeführt worden ist. Die von dem Be­schwerdeführer im vorbereitenden Verfahren erbrachte anwaltliche Tätigkeit ist daher auch als umfangreich einzustufen.

Angesichts dessen sind die von dem Beschwerdeführer in seinem Festsetzungsan­trag vom 24.11.2011 in Ansatz gebrachten Gebühren von 300,00 Euro für die Grund­gebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG und von 250,00 Euro für die Verfahrens­gebühr gemäß Nr. 4104 VV RVG nicht als unbillig hoch anzusehen, und zwar auch unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögenverhältnisse des Verurteil­ten, die nur als unterdurchschnittlich bewerten sind, da er vor der Tatbegehung als Schüler über keine eigenen Einkünfte verfügte, sowie der Einkommens- und Ver­mögenverhältnisse der als Hausfrau tätigen Nebenklägerin, die nur als durchschnitt­lich einzustufen sind.

Hinsichtlich der Grundgebühr hält der Senat allerdings angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer bereits in einem sehr frühen Verfahrens- und Ermittungs­stadium, nämlich unmittelbar nach der Tatbegehung eingeschaltet worden ist, und auch die erste Akteneinsicht nicht zeitnah, sondern erst am 12.05.2011 erfolgt ist, nur eine Gebühr in Höhe von 250,00 Euro (ca. 75 % des Gebührenrahmens) für angemessen. Die geltend gemachte Gebühr von 300,00 Euro liegt aber noch innerhalb des 20 %-Rahmens und ist deshalb als verbindlich zu erachten.

Hinsichtlich der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4104 VV RVG erachtet der Senat unter Berücksichtigung der oben dargelegten Kriterien in Übereinstimmung mit der Kostenfestsetzung durch den Rechtspfleger in dem angefochtenen Beschluss die von dem Beschwerdeführer geltend gemachte Höchstgebühr von 250,00 Euro für angemessen.

Bezüglich der Höhe der Verfahrensgebühr für den ersten Rechtzug vor der Jugend­kammer gemäß Nr. 41118/4119 VV RVG ist nach Auffassung des Senat eine Ge­bühr in Höhe von 485,00 Euro (ca. 73 % des Gebührenrahmens) als angemessen anzusehen. Dabei ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung neben der hohen Bedeutung der Angelegenheit für die Nebenklägerin, der - bereits oben erörterten - Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführes, den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten bzw. der Nebenklägerin in Bezug auf das für die Gebührenbemessung besonders gewichtige Kriterium des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen, dass die Nebenklägerin auf die Hauptverhandlung vorzubereiten war, dass bei dieser nach den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift vom 09.02.2012 auch nach der Erhebung der Anklage gegen den Verurteilten weiterer erheblicher Beratungsbedarf, insbesondere in Bezug auf dessen - nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht wahrheitsgemäßen - Einlassung - zu dem Entkleiden des Tatopfers nach dem Tötungsdelikt bestand, hierzu auch weitere zahlreiche Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung mit der Nebenklägerin, aber auch Be­sprechungen mit anderen Verfahrensbeteiligten geführt wurden und erneute Einsicht in die Akten (drei Bände Hauptakten, ein Sonderband "Gutachten", ein Sonderband "Lichtbilder", eine Spurenakte) sowie Einsicht in das testpsychologisches Gutachten des Sachverständigen Dr. L genommen worden ist.

Die von dem Beschwerdeführer in Ansatz gebrachte Gebühr von 580,00 Euro liegt noch innerhalb des 20 %-Rahmens und ist deshalb nicht als unbillig hoch anzu­sehen.

Das wesentliche Kriterium für Terminsgebühren gemäß Nr. 4120 VV RVG ist die Terminsdauer, wobei Warte- und Pausenzeiten grundsätzlich miteinzuberechnen sind (OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.2009 - 4 Ws 56/09 - m. w.N.). Abzustellen ist daher grundsätzlich jeweils auf den richterlich verfügten Beginn des Hauptverhandlungstermins und dem in der Sitzungsniederschrift jeweils vermerkten Ende des Termins. Unter Berücksichtigung der Terminsdauer der Hauptverhandlungstermine am 07.09.2011 (6 Stunden und 42 Minuten), am 09.09.2011 (7 Stunden und 8 Minuten), am 13.09.2011 (6 Stunden und 48 Minuten) und 21.09.2011 (6 Stunden und 3 Minuten) sowie einer - als erforderlich anzusehenden - längeren Vorbereitungszeit sowohl für den ersten Hauptverhand­lungstermin als auch für den Hauptverhandlungstermin am 09.09.2011, da in für diesen Termin die (erneute) Vernehmung der Nebenklägerin vorgesehen war - deren erste Vernehmung war im Termin am 07.09.2011 wegen der damit verbundenen erheb­lichen emotionalen Belastung der Nebenklägerin auf deren Bitte vorzeitig abge­brochen worden - vernommen werden sollte, sowie auch für den Termin am 21.09.2011, da das Plädoyer zu diesem Termin vorbereitet werden musste, hält der Senat für diese Termine Gebühren in Höhe von jeweils 670,00 Euro (ca. 76 % des Gebührenrahmens) für angemessen. Für die Hauptverhandlungstermine vom 14.09.2011(5 Stunden und 47 Minuten ) und 16.09.2011 (5 Stunden) erachtet der Senat unter Berücksichtigung der etwas geringeren Dauer dieser Termine Gebühren in Höhe von jeweils 650,00 Euro ca. 74 % des Gebührenrahmens) für angemessem, wobei hinsichtlich des Termins am 16.09.2011 die kürzere Verhandlungsdauer da­durch aufgewogen wird, dass angesichts des Umstandes, dass sich der damalige Angeklagte in diesem Termin umfassend zur Sache geäußert hat, davon auszu­gehen ist, dass für die Nachbereitung dieses Termins ein deutlich größerer Zeitauf­wand zu veranschlagen ist.

Die von dem Beschwerdeführer in Ansatz gebrachten Terminsgebühren von jeweils 780,00 Euro weichen von den als angemessenen anzusehenen Gebühren nicht mehr als 20 % ab und sind daher für die Gebührenfestsetzung verbindlich.

b)

Soweit der Beschwerdeführerin in seinem Kostenfestsetzungsantrag über die Ge­bühren eines gewählten Beistandes hinaus auch Auslagen in Ansatz gebracht hat, kann er diese nicht von dem Verurteilten erstattet verlangen. Denn der ein­deutige Wortlaut des § 53 Abs. 2 S. 1 RVG lässt nur nur die Geltendmachung von Gebühren eines gewählten Beistands gegen den Verurteilten zu, gewährt aber keinen Anspruch auf Zahlung von Auslagen (vgl. Volpert in Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Auflage, § 53 RVG Rdnr. 4). Die geltend gemachten Auslagen nebst Mehrwertsteuer, die durch die Staatskasse bereits vollständig beglichen worden sind, sind daher bei der Berechnung des Erstattungsanspruches nicht zu berücksichtigen.

c)

Der Erstattungsanspruch berechnet sich daher wie folgt:

Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG 300,00 Euro

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4104 VV RVG 250,00 Euro

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4118 VV RVG 580,00 Euro

Terminsgebühren gemäß Nr. 4120 VV RVG (6 x 780,00 Euro) 4680,00 Euro

5810,00 Euro

abzüglich der durch die Staatskasse gezahlten Gebühren 3712,00 Euro

eines bestellten Beistands

Differenz 2098,00 Euro

zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer 398,62 Euro

2496,62 Euro.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 473 Abs. 3 und 4 StPO.






OLG Hamm:
Beschluss v. 05.07.2012
Az: III-2 Ws 136/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/79873c0a90ed/OLG-Hamm_Beschluss_vom_5-Juli-2012_Az_III-2-Ws-136-12




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share