Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 15. September 1998
Aktenzeichen: 1 BvR 279/92

(BVerfG: Beschluss v. 15.09.1998, Az.: 1 BvR 279/92)

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer berichtete als verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift "a.", die sich vornehmlich an Künstler richtet, über die im Verlag des Klägers des Ausgangsverfahrens herausgegebene Zeitschrift "K.", die sich ebenfalls an ein kunstinteressiertes Publikum wendet. In dem Bericht werden der Zeitschrift "K." dubiose Geschäftsmethoden vorgehalten.

Das Landgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen wettbewerbswidriger Herabsetzung eines Konkurrenzerzeugnisses gemäß § 1 UWG zur Unterlassung und zum teilweisen Widerruf seines Berichts. Die vom Beschwerdeführer dagegen eingelegte Berufung wies das Oberlandesgericht mit dem angegriffenen Urteil zurück. Zwar sei bei der Beurteilung einer kritischen Äußerung die Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG zu beachten. Da die Äußerungen des Beschwerdeführers aber der Förderung privater Wirtschaftsinteressen und nicht der Informations- und Meinungsbildung gedient hätten, seien sie nicht mehr durch das Grundrecht gedeckt.

Der Beschwerdeführer rügt im wesentlichen eine Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Eine Verletzung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht ersichtlich.

Die Äußerungen des Beschwerdeführers fallen allerdings - wie auch das Oberlandesgericht erkannt hat - in den Schutzbereich des Grundrechts. Die Meinungsfreiheit ist jedoch nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG eine Schranke in den allgemeinen Gesetzen. Zu diesen gehört auch § 1 UWG, auf den die Fachgerichte ihre Verurteilung gestützt haben (vgl. BVerfGE 62, 230 <245>; 85, 248 <263>).

Die Auslegung und Anwendung des § 1 UWG obliegt grundsätzlich den dafür zuständigen Zivilgerichten. Diese haben dabei jedoch, steht ein Eingriff in die Meinungsfreiheit in Frage, den wertsetzenden Einfluß von Art. 5 Abs. 1 GG zu beachten (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>). Das Bundesverfassungsgericht kontrolliert die fachgerichtliche Rechtsanwendung insofern nach ständiger Rechtsprechung nur daraufhin, ob in ihr eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Reichweite des Grundrechts zum Ausdruck kommt (vgl. BVerfGE 32, 311 <316>; 93, 266 <296>).

Im vorliegenden Fall läßt sich eine grundsätzliche Mißachtung des grundrechtlichen Einflusses durch das Oberlandesgericht nicht feststellen. Das Oberlandesgericht hat zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens mit nachvollziehbaren Erwägungen ein Wettbewerbsverhältnis bejaht und in dem Vorwurf, die Zeitschrift "K." arbeite mit dubiosen Geschäftsmethoden, die Herabsetzung eines Konkurrenzprodukts zur Förderung des eigenen Wettbewerbs gesehen. Es hat auch die Unlauterkeit der herabsetzenden Äußerung des Beschwerdeführers bejaht und sich dabei mit dem Einfluß von Art. 5 Abs. 1 GG auseinandergesetzt. Es hat die Grenze zwischen zulässiger und unzulässiger Meinungsäußerung in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dort gezogen, wo eine Kritik nicht mehr Mittel des geistigen Meinungskampfes sei, sondern in eine pauschale Abwertung eines Konkurrenzerzeugnisses ohne sachlichen Anlaß übergehe (vgl. zur Abgrenzung auch BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 1992, S. 1153).

Allerdings ist das Oberlandesgericht bei der gebotenen Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit einerseits und der durch § 1 UWG geschützten Lauterkeit des Wettbewerbs andererseits nicht auf die konkreten Umstände des Falls eingegangen. Dieser Mangel zwingt aber nicht zur Annahme der Verfassungsbeschwerde. Bei dem Bericht des Beschwerdeführers über die Zeitschrift "K." steht nämlich das Interesse an der Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition gegenüber der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit derart deutlich im Vordergrund, daß nicht zu erwarten wäre, daß das Oberlandesgericht bei einer abermaligen Abwägung, die konkreter auf die Umstände des Einzelfalls einginge, der Meinungsfreiheit den Vorzug vor der Lauterkeit des Wettbewerbs gäbe.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.






BVerfG:
Beschluss v. 15.09.1998
Az: 1 BvR 279/92


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