Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 11. März 2010
Aktenzeichen: 6 U 198/09

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 11.03.2010, Az.: 6 U 198/09)

Tenor

Die Berufung des Antragstellers gegen das am 16.09.2009 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

I.

Das Landgericht hat gegen die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 31.07.2009 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der es der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde, Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Roxithromycin damit zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, dass eine A Verordnung für den Wirkstoff Roxithromycin nicht durch ein Fertigarzneimittel mit demselben Wirkstoff der Firma B substituiert werden darf, solange keine Gleichheit des Gesamtindikationsbereiches vorliegt oder zumindest eine Übereinstimmung für die konkrete Indikation des Patienten € ggf. nach Rücksprache mit dem Arzt € festgestellt ist, insbesondere wie als Anlage AST 5 der Antragsschrift (Bl. 109 d. A.) wiedergegeben. Bei der Anlage AST 5 handelt es sich um ein Informationsblatt für Apotheker, auf welchem es unten links heißt: €A Verordnung darf nicht substituiert werden, solange keine Gleichheit des Gesamtindikationsbereiches vorliegt oder zumindest eine Übereinstimmung für die konkrete Indikation des Patienten € ggf. nach Rücksprache mit dem Arzt € festgestellt ist.€

Mit seiner Erwiderung auf den Widerspruch hat der Antragsteller seinen Eilantrag dahingehend erweitert, es der Antragsgegnerin auch zu verbieten, Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Roxithromycin wörtlich oder sinngemäß wie folgt zu bewerben und/oder bewerben zu lassen: €Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Roxithromycin der A GmbH dürfen gemäß dem €-Rabattvertrag nur dann substituiert werden, wenn € soweit das dann abgegebene Arzneimittel nicht bereits mindestens dem Gesamtindikationsbereich des Fertigarzneimittels der A GmbH umfasst € der Apotheker zumindest eine Identität der konkreten, der ärztlichen Verordnung zugrunde liegenden Indikation des Patienten € ggf. nach Rücksprache mit dem Arzt € feststellt.

Mit seinem Urteil vom 16.09.2009 hat das Landgericht die im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und sowohl den Antrag auf ihren Erlass als auch den weiteren Antrag vom 20.08.2009 zurückgewiesen.

Sowohl bei dem Arzneimittel X der Antragsgegnerin als auch bei dem Arzneimittel X der Firma B handelt es sich um generische Arzneimittel. Das originale Referenzprodukt besitzt mehrere nationale Zulassungen unterschiedlichen Zuschnitts. Die Antragsgegnerin leitet die Zulassung für ihr Arzneimittel in Deutschland von der deutschen Zulassung des originalen Referenzprodukts ab, welches relativ weitgehende Indikationen enthält. Dagegen hat die Firma B ihre Zulassung in Deutschland auf der Grundlage eines Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung Deutschlands mit einem ausländischen Referenz-Mitgliedsstaat erlangt, die aufgrund eines engeren Indikationsbereichs der Zulassung im Referenz-Mitgliedsstaat entsprechend auch für Deutschland einen engeren Indikationsbereich aufweist.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Antragsteller stehen die geltend gemachten Verfügungsansprüche nicht zu; solche folgen weder aus § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 Satz 1 HWG noch aus § 5 UWG.

Der Streitgegenstand einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage bestimmt sich nach dem Antrag und dem dazu vorgetragenen Lebenssachverhalt. Bei einer auf Irreführung gestützten Klage setzt sich der maßgebliche Lebenssachverhalt € ungeachtet der rechtlichen Würdigung, die dem Gericht obliegt € aus der beanstandeten Werbemaßnahme und der dadurch erzeugten Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise zusammen; durch die Behauptung einer bestimmten Fehlvorstellung wird der Streitgegenstand entsprechend eingegrenzt (BGH GRUR 2001, 181, 182 € dentalästhetika).

Sowohl dem mit der Antragsschrift gestellten Unterlassungsantrag als auch der Begründung in der Antragsschrift lässt sich entnehmen, dass der Antragsteller nicht etwa davon ausgeht, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die angegriffene Passage dahin, dass eine A Verordnung nur substituiert werden dürfe, wenn eine Gleichheit des Gesamtindikationsbereiches vorliege, sondern richtigerweise dahin, dass diese Substitution auch dann erlaubt sei, wenn zumindest eine Übereinstimmung für die konkrete Indikation des Patienten festgestellt ist. Gleichwohl beanstandet der Antragsteller die Werbung als irreführend, weil er der Auffassung ist, dass eine Substitution noch weitergehend auch dann vorzunehmen sei, wenn entweder die Ersetzung eines originalen Arzneimittels durch ein generisches oder die Ersetzung eines generischen Arzneimittels durch ein anderes generisches Arzneimittel, welche beide auf das gleiche Originalarzneimittel zurückgehen, in Betracht kommt und das verordnete sowie das zu ersetzende Arzneimittel für irgendeine Indikation übereinstimmend zugelassen sind, auch wenn es sich hierbei nicht um die konkrete Indikation des Patienten handelt.

Dies ist im Kern auch der Angriff, der mit dem zweiten Unterlassungsantrag verfolgt wird.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Gefahr einer Irreführung der Apotheker jedoch nicht gegeben, weil die insoweit maßgebende Bestimmung des § 129 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht dementsprechend ausgelegt werden kann. Dort heißt es: €In den Fällen der Ersetzung durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel haben die Apotheken ein Arzneimittel abzugeben, das mit dem verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch sowie für den gleichen Indikationsbereich zugelassen ist und ferner die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzt.€ Bereits der Wortlaut dieser Vorschrift legt es angesichts der Tatbestandsvoraussetzung €gleicher Indikationsbereich€ nahe, dass es nicht ausreicht, wenn sich die Indikationsbereiche des verordneten und des zu ersetzenden Arzneimittels nur hinsichtlich eines beliebigen Anwendungsgebietes überschneiden. Das von dem Antragsteller für seine Position angeführte Argument, im Falle der Ersetzung eines originalen Arzneimittels durch ein Generikum oder auch, wie im zugrunde liegenden Fall, im Falle der Ersetzung eines Generikums durch ein anderes, welche beide auf das gleiche originale Arzneimittel zurückgehen, sei es eine reine Förmelei, die Substitution an Unterschieden in der Zulassung scheitern zu lassen, verfängt nicht. Dabei muss der Senat nicht entscheiden, ob Unterschiede in der Zulassung irrelevant für die Anwendbarkeit des § 129 SGB V sind, wenn das wirkstoffgleiche preisgünstige Arzneimittel jedenfalls für diejenige Einzelindikation zugelassen ist, für welche das auszutauschende Arzneimittel verordnet wurde (so OLG Hamburg, GRUR-RR 2010, 63). Denn der Eilantrag des Antragstellers hat nur dann Erfolg, wenn es ausreichen würde, dass irgendeine Einzelindikation übereinstimmt.

Dagegen, dass § 129 Abs. 1 Satz 2 SGB V jedenfalls im Falle der Substitution eines Originalarzneimittels durch ein Generikum oder der eines Generikums durch ein anderes, noch preisgünstigeres Generikum, welche beide auf das gleiche Originalarzneimittel zurückgehen, derart weitgehend auszulegen ist, spricht aber neben dem Erfordernis des €gleichen Indikationsbereichs€, dass es sich außerdem ohnehin um wirkstoffgleiche Arzneimittel handeln muss. Der Senat verkennt nicht, dass der Sinn und Zweck des § 129 SGB V, die zunehmende Belastung des Gesundheitswesens mit Kosten für Arzneimittel zu dämpfen, am ehesten erreicht wird, wenn eine Substitution in dem vom Antragsteller für richtig gehaltenen Umfang erfolgt. Gegen eine derart weitgehende Auslegung spricht aber neben dem Wortlaut der Norm, dass der Apotheker unter den in § 129 Abs. 1 Satz 2 SGB V normierten Voraussetzungen nicht nur befugt, sondern in jedem Fall verpflichtet ist, die Ersetzung vorzunehmen, soweit nicht der Arzt auf dem Rezeptbogen das €aut-idem€-Feld angekreuzt hat. Da es jedoch keineswegs ausgeschlossen ist, dass unterschiedliche Zulassungen nicht nur auf Formalien der Zulassungsverfahren beruhen, sondern sachlich begründet sind, ist eine solche Auslegung nicht vertretbar. So erscheint es durchaus möglich, dass der Hersteller des Originalarzneimittels in unterschiedlichen Ländern deshalb unterschiedliche Zulassungen beantragt hat, weil sein Arzneimittel länderspezifische Besonderheiten aufweist.

Die Rechtsauffassung des Antragstellers wird auch nicht durch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (BT-Ds. 14/8685, S. 7, Nr. 29) gestützt. Danach soll der unbestimmte Rechtsbegriff €gleicher Indikationsbereich€ so zu verstehen sein, dass sich die Indikationen des verordneten und des abgegebenen Arzneimittels inhaltlich zu entsprechen haben, aber nicht wortgenau identisch sein müssen. Die Bundesregierung zieht eine Parallele zu den Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung im Nacht- und Notdienst der Apotheken. Diese sieht in § 17 Abs. 5 a vor, dass der Apotheker bei der Dienstbereitschaft während der allgemeinen Ladenschlusszeiten ein anderes, mit dem verschriebenen Arzneimittel nach Anwendungsgebiet und nach Art und Menge der wirksamen Bestandteile identisches sowie in der Darreichungsform und pharmazeutischen Qualität vergleichbares Arzneimittel abgeben darf. Mithin genügt es auch nach dieser Vorschrift nicht, wenn der Indikationsbereich bzw. das Anwendungsgebiet sich lediglich überschneiden.

Der Eilantrag ist auch nicht deshalb begründet, weil jedenfalls die Zulassungen der sich konkret gegenüberstehenden Arzneimittel derart weitgehend überschneiden, dass von einem €gleichen Indikationsbereich€ ausgegangen werden könnte.

Zweifelhaft ist bereits, ob diese Frage streitgegenständlich ist. Denn der Antragstellerin begründet seine Anträge nicht mit der Ähnlichkeit der beiden konkret betroffenen Arzneimittel, sondern abstrakt mit der Ähnlichkeit von Referenzarzneimittel und Generikum bzw. zweier auf das gleiche Referenzarzneimittel zurückgehender Generika. Jedenfalls sind die Unterschiede in den Zulassungen nicht derart marginal, dass ein quasi gleicher Indikationsbereich angenommen werden könnte. So sind die durch Roxithromycin-empfindliche Erreger verursachten Infektionen, für deren Behandlung das von B hergestellte Arzneimittel zugelassen ist, in der Zulassung abschließend aufgezählt, während das von der Antragsgegnerin hergestellte Arzneimittel für alle durch Roxithromycin-empfindliche Erreger verursachten Infektionen zugelassen ist, die im Folgenden nur beispielhaft aufgezählt werden.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 11.03.2010
Az: 6 U 198/09


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