Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Juni 2011
Aktenzeichen: 9 W (pat) 334/06

(BPatG: Beschluss v. 06.06.2011, Az.: 9 W (pat) 334/06)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das am 31. Juli 2003 angemeldete und am 6. Oktober 2005 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Notbetriebseinrichtung zur Verstellung von Rotorblättern für eine Windkraftanlage"

ist von der B... AG am 17. Dezember 2005 schriftlich mit Begründung Einspruch erhoben worden.

Die Patentinhaberin verteidigt ihr Patent in der mündlichen Verhandlung mit Hauptantrag und fünf Hilfsanträgen.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag (erteilte Fassung) lauten:

"1. Notbetriebseinrichtung (1) für eine Windkraftanlage, wobei die Windkraftanlage Rotorblätter (54) aufweist, welche mittels zumindest eines elektrischen Motors (64) verstellbar sind, wobei der elektrische Motor (64) mittels eines Umrichters (3) speisbar ist, wobei der Umrichter (3) einen Gleichrichter (11), einen Zwischenkreis und einen Wechselrichter aufweist und wobei die Notbetriebseinrichtung einen Energiespeicher aufweist, welcher zur Energieversorgung des elektrischen Motors (64) einsetzbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Energiespeicher (17) mittels des Gleichrichters (11) aufladbar ist "

"7. Windkraftanlage welche eine Notbetriebseinrichtung (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 6 aufweist."

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 nach Hauptantrag dadurch, dass der Energiespeicher der Notbetriebseinrichtung spezifiziert ist durch Ergänzung des betreffenden Merkmals, welches hier lautet (Unterstreichung zur Hervorhebung der Ergänzung hinzugefügt):

"und wobei die Notbetriebseinrichtung außerhalb des Umrichters (3) einen Energiespeicher (17) aufweist".

Der nebengeordnete Patentanspruch 7 stimmt mit Patentanspruch 7 nach Hauptantrag überein.

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet wie folgt:

"1. Windkraftanlage, welche Rotorblätter (54) aufweist, wobei die Rotorblätter (54) mittels eines elektrischen Motors (64) verstellbar sind und der elektrische Motor (64) mittels eines Umrichters (3) speisbar ist, wobei der Umrichter (3) einen Gleichrichter (11), einen Zwischenkreis und einen Wechselrichter aufweist, und wobei die Windkraftanlage eine am Zwischenkreis angeschlossene Notbetriebseinrichtung (1) mit einem Energiespeicher (17) aufweist, welcher zur Energieversorgung des elektrischen Motors (64) einsetzbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Energiespeicher (17) mittels des Gleichrichters (11) aufladbar ist."

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 lautet bei gleichem Oberbegriff wie Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 in seinem kennzeichnenden Teil wie folgt (Abweichungen zu Hilfsantrag 2 durch Unterstreichung hervorgehoben):

"dadurch gekennzeichnet, dass der Energiespeicher (17) mittels des Gleichrichters (11) aufladbar ist und über einen Schalter (25) vom Zwischenkreis trennbar ist."

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 lautet wie folgt (Abweichungen zu Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 durch Streichung und Unterstreichung hervorgehoben):

"1. Windkraftanlage, welche Rotorblätter (54) aufweist, wobei die Rotorblätter (54) mittels eines elektrischen Motors (64) verstellbar sind und der elektrische Motor (64) mittels eines Umrichters (3) speisbar ist, wobei der Umrichter (3) einen Gleichrichter (11), einen Zwischenkreis und einen Wechselrichter aufweist, und wobei die Windkraftanlage eine am Zwischenkreis angeschlossene Notbetriebseinrichtung (1) mit einem Energiespeicher (17) Ultrakondensator (17) aufweist, welcher zur Energieversorgung des elektrischen Motors (64) einsetzbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Energiespeicher (17) Ultrakondensator (17) mittels des Gleichrichters (11) aufladbar ist und über einen Schalter (25) vom Zwischenkreis trennbar ist, und dass die Notbetriebseinrichtung (1) zumindest eine Sicherung (19) aufweist."

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 in seinem Oberbegriff und kennzeichnenden Teil wie folgt (Abweichungen zu Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 durch Streichung und Unterstreichung hervorgehoben):

"... einen Zwischenkreis mit einem Zwischenkreiskondensator (7) und einen Wechselrichter aufweist, ..." "dadurch gekennzeichnet, dass der Ultrakondensator (17) mittels des Gleichrichters (11) aufladbar ist und über einen Schalter (25) ein Schütz (25) vom Zwischenkreis trennbar ist, und dass die Notbetriebseinrichtung (1) zumindest eine Sicherung (19) aufweist."

Den selbständigen Patentansprüchen des jeweiligen Antrags schließen sich rückbezogen weitere Patentansprüche an. Hierzu wird auf die Akte verwiesen. Die Patentinhaberin sieht die Zulässigkeit dieser Patentansprüche sowie die Patentfähigkeit ihrer Gegenstände als gegeben an.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag,

-das Patent aufrecht zu erhalten (Hauptantrag), -hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit Patentansprüchen 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag 1, -weiter hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit Patentansprüchen 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 2, -weiter hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit Patentansprüchen 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 3, -weiter hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 4, -weiter hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 6. Juni 2011 und mit Beschreibung und Figuren 1 und 2 jeweils gemäß Patentschrift.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Sie bestreitet die Klarheit des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 und sieht in dessen Gegenstand eine unzulässige Erweiterung gegenüber sowohl der anmeldungsgemäßen Ursprungsoffenbarung als auch gegenüber der erteilten Fassung des Streitpatents. Zudem ist sie der Meinung, der jeweilige Gegenstand der selbständigen Patentansprüche aller Anträge sei nicht patentfähig gegenüber dem Stand der Technik. Hierzu verweist sie u. a. auf folgende Druckschriften:

-US 5 907 192 A (E6) -WO 01/88 637 A1 (E8) -DE 100 33 029 A1 (E2) -EP 0 847 124 A1 (E4).

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch §1 47 Abs. 3 Satz 1 PatG in den vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2006 geltenden Fassungen begründet.

Der zulässige Einspruch hat Erfolg durch den Widerruf des Patents.

1. Das Patent betrifft eine Notbetriebseinrichtung zur Verstellung von Rotorblättern einer Windkraftanlage.

In der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift ist ausgeführt, dass sich durch Verstellen der Rotorblätter die Leistung einer Windkraftanlage innerhalb eines Bereiches von Windgeschwindigkeiten annähernd konstant halten lässt. Bei Erreichen einer Grenzwindgeschwindigkeit, für die die Windkraftanlage konstruktiv ausgelegt ist, müsse die Leistung allerdings begrenzt werden. Dies sei notwendig, um die Windkraftanlage vor Schäden infolge mechanischer Überbeanspruchung zu schützen. Ein weiterer Belastungsfall sei der plötzliche Wegfall der elektrischen Last durch den Hauptgenerator. Ursache dafür könne z. B. der Ausfall des Stromnetzes, des Umrichters oder auch des Hauptgenerators selbst sein. Wegen des dann fehlenden Gegenmomentes des Hauptgenerators könne es zu einem sehr schnellen Anstieg der Rotordrehzahl über ihre zulässige Grenze hinaus kommen, was eine mechanische Überbelastung der Windkraftanlage zur Folge hätte. In einem solchen Fall würden üblicherweise die Rotorblätter in die sogenannte "Fahnenstellung" gedreht, wodurch ein antreibender Auftrieb an dem Blattprofil verhindert sei. Allerdings müsse in dieser Notsituation eine Energieversorgung für die Verstellantriebe der Rotorblätter gewährleistet sein. Hierzu sei die Verwendung von Akkumulatoren bekannt. Der Akkumulator sei durch ein Netzteil ladbar, welches einen Gleichrichter darstelle. Ein solches Ladenetzteil erhöhe die Kosten und die Fehleranfälligkeit der Windkraftanlage. Die Bereitstellung eines solchen Ladegeräts nur für die seltenen Fehlerfälle bzw. Notsituationen stelle demnach einen Nachteil dar. Bei einer Windkraftanlage nach der DE 200 20 232 U1 sei ein Hilfsgenerator zur Auskopplung elektrischer Energie aus der kinetischen Energie zumindest der Rotorwelle vorgesehen, wobei eine Umschalteinrichtung im Störfalle vom Hilfsgenerator erzeugte Energie an einen Stellmotor zur Verstellung zumindest eines Rotorblattes in die Fahnenstellung leite.

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht darin (Absatz 0007), eine Notbetriebseinrichtung zu schaffen, durch welche die Ausfallwahrscheinlichkeit der gesamten Windkraftanlage reduziert wird bzw. auch die Kosten für die Windkraftanlage reduziert werden.

Gelöst werden soll diese Aufgabe durch die Notbetriebseinrichtungen bzw. Windkraftanlagen der jeweiligen selbständigen Patentansprüche gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 5.

Für die Interpretation der durch diese Patentansprüche jeweils definierten Lösung sowie für die Beurteilung der Relevanz des Standes der Technik ist das Verständnis des zuständigen Fachmanns zugrunde zulegen. Als Fachmann sieht der Senat einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik, der bei einem Hersteller von Windenergieanlagen bzw. bei einem Hersteller von Notbetriebseinrichtungen für elektrische Antriebe mit der Entwicklung und Auslegung derartiger Notbetriebseinrichtungen befasst ist und auf diesem Gebiet über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.

Nach dem Verständnis dieses Fachmanns ist die streitpatentgemäße Notbetriebseinrichtung vorgesehen, um im Falle eines Ausfalls der regulären Energieversorgung Hilfsenergie für die Betätigung der Stellmotoren für die Verstellung der Rotorblätter der Windkraftanlage zur Verfügung zu stellen. Die Stellmotoren werden im regulären Betrieb mittels eines Umrichters gespeist, der einen Gleichrichter, einen Zwischenkreis und einen Wechselrichter aufweist. Die Notbetriebseinrichtung als solche enthält einen Energiespeicher, der durch den Gleichrichter aufladbar ist. Der Fachmann sieht demnach in dem Energiespeicher ein Bauelement, das -mittelbar oder unmittelbar -eingangsseitig mit dem Gleichrichter (zwecks "Befüllung") und ausgangsseitig mit den Stellmotoren (zwecks Versorgung derselben unter "Entleerung" seiner selbst) verbunden ist.

Energiespeicher aufweisende Notbetriebseinrichtungen in dieser allgemein definierten Art kommen dort zum Einsatz, wo ein ununterbrochen fortgesetzter Betrieb bei Ausfall der regulären Energieversorgung gewährleistet sein muss. Der Fachmann weiß, dass der prinzipielle Aufbau dieser Einrichtungen unabhängig von dem Einsatzgebiet des zu versorgenden Verbrauchers und demnach nicht auf die Verwendung an Windenergieanlagen eingeschränkt ist. Der Fachmann kennt die Verwendung entsprechender Einrichtungen für eine Vielzahl unterschiedlicher Einsatzgebiete und sieht die in ihrer allgemeinen Form beanspruchte Notbetriebseinrichtung deshalb auch losgelöst vom konkret angegebenen Verbraucher (hier Stellmotor für die Rotorblattverstellung einer Windkraftanlage).

Die mit Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 vermittelte Lehre ist für den Fachmann insofern klar, als er den beanspruchten Energiespeicher "außerhalb des Umrichters" als zum regulären Betrieb des Umrichters an sich nicht notwendige Baukomponente versteht. In dieser Lehre liegt nach seinem Verständnis nicht die Forderung nach räumlicher Trennung von Energiespeicher und Umrichter. Aus Figur 1 der Streitpatentschrift geht nämlich hervor, dass der Energiespeicher 17 parallel zum Zwischenkreiskondensator 7 geschaltet ist, somit an sich funktionell gerade nicht außerhalb des Umrichters angeordnet ist und ohne Weiteres innerhalb des Zwischenkreises liegen kann. In diesem Lichte interpretiert der Fachmann "außerhalb des Umrichters" den Energiespeicher als zu den für den regulären Betrieb des Umrichters notwendigen Komponenten zusätzlich vorgesehenes Bauteil. Dabei schreibt er dem in dieser Figur 1 dargestellten Kondensator 7 die für den ordnungsgemäßen Betrieb eines Umrichters erforderliche Funktion des Glättens zu. Entsprechend versteht der Fachmann bei den weiteren Hilfsanträgen "eine am Zwischenkreis angeschlossene Notbetriebseinrichtung", wobei zudem der so verstandene zusätzliche Energiespeicher als Ultrakondensator ausgebildet und über einen Schalter bzw. ein Schütz vom Zwischenkreis trennbar sowie durch eine Sicherung abgesichert sein kann.

2. Die Zulässigkeit der Patentansprüche aller Anträge kann dahinstehen, denn die jeweiligen Patentansprüche 1 dieser Anträge können keinen Bestand haben bzw. sind nicht gewährbar, weil die mit ihnen beanspruchte, zweifellos gewerblich anwendbare Notbetriebseinrichtung bzw. Windenergieanlage nicht patentfähig ist gegenüber den Stand der Technik.

2.1 Zum Hauptantrag Die Notbetriebseinrichtung nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags ist nicht neu.

Zur Erleichterung von Bezugnahmen ist Patentanspruch 1 nachstehend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben:

1.

Notbetriebseinrichtung (1) für eine Windkraftanlage, 2.

dabei weist die Windkraftanlage verstellbare Rotorblätter (54) auf, 3.

die Rotorblätter (54) sind mittels zumindest eines elektrischen Motors (64) verstellbar, 4.

dabei ist der elektrische Motor (64) mittels eines Umrichters (3) speisbar, 5.

der Umrichter (3) weist einen Gleichrichter (11) auf, 6.

der Umrichter (3) weist einen Zwischenkreis auf, 7.

der Umrichter (3) weist einen Wechselrichter (9) auf, 8.

dabei weist die Notbetriebseinrichtung (1) einen Energiespeicher (17) auf, der zur Energieversorgung des elektrischen Motors (64) einsetzbar ist,

-Oberbegriff 9. der Energiespeicher (17) ist mittels des Gleichrichters (11) aufladbar.

-Kennzeichen -

Eine Notbetriebseinrichtung für eine Windenergieanlage geht aus der US 5 907 192 A hervor (Spalte 2, Zeilen 1, 2 "emergency power system"; --> Merkmal 1). Die Windkraftanlage weist mittels elektrischer Motoren 112 verstellbare Rotorblätter 122 auf (Spalte 3, Zeilen 29, 30; --> Merkmale 2, 3). Der Stellmotor 112 wird sowohl im regulären Betrieb (Kontakte 106, 107 geschlossen/Kontakte 108 geöffnet) als auch im Notbetrieb (Kontakte 106, 107 geöffnet/Kontakte 108 geschlossen) über einen Umrichter gespeist, der einen Gleichrichter 101, einen Zwischenkreis und einen Wechselrichter 102 aufweist (Spalte 2, Zeilen 12 bis 20; vgl. hier wiedergegebene Figur 1). Dem steht nicht entgegen, dass zwischen Umrichter 101/105/102 und Stellmotoren 112 noch ein 3-Phasenumformer 132 und ein Gleichrichter 134 eingeschaltet sind. Denn die Energieversorgung der Stellmotoren geht von besagtem Umrichter aus, die Stellmotoren sind somit -wie anspruchsgemäß gefordert -von diesem speisbar (--> Merkmale 4 bis 7). Zwischen Umrichter und Stellmotor angeordnete weitere Stromrichterkomponenten schließt auch der streitpatentgemäße Patentanspruch 1 im Übrigen nicht aus. Für den Notbetrieb ist ein Kondensator vorgesehen ("DC link capacitor" 105, Spalte 2, Zeilen 5 bis 8), der im Falle eines Netzausfalls zur Energieversorgung der elektrischen Stellmotoren einsetzbar ist (Anspruch 7; -> Merkmal 8). Aufgeladen wird dieser Energiespeicher über den Gleichrichter 101 des Umrichters (Spalte 2, Zeilen 37 bis 39 i. V. m. Zeilen 42 bis 52; --> Merkmal 9).

Demnach ist die mit Patentanspruch 1 beanspruchte Notbetriebseinrichtung mit allen ihren Merkmalen aus der US 5 907 192 A bekannt.

2.2 Zum Hilfsantrag 1 Die Notbetriebseinrichtung nach Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Notbetriebseinrichtung nach diesem Patentanspruch weist alle Merkmale der Notbetriebseinrichtung nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag auf mit der zusätzlichen Forderung, dass der Energiespeicher "außerhalb des Umrichters" vorgesehen ist. Wie oben unter II.1 im Einzelnen dargelegt, versteht der Fachmann unter dieser Formulierung einen Energiespeicher, der als zusätzliche Komponente zu den für den regulären Betrieb des Umrichters notwendigen Komponenten (Gleichrichter, z. B. Glättungskondensator, Wechselrichter) hinzugefügt ist. Eine über die übliche Glättungsfunktion eines Zwischenkreiskondensators hinausgehende "Speicherfunktion" hat allerdings auch schon der Kondensator 105 (main DC link capacitor) gemäß US 5 907 192 A. Denn er speichert genügend Energie, um bei Netzausfall die Stellmotoren für die Blattverstellung betätigen zu können (Anspruch 7). Zumindest im Hinblick auf seine Funktion ist dem Fachmann somit ein Energiespeicher "außerhalb des Umrichters" in der vorstehend beschriebenen Bedeutung bekannt. Diesen dann auch gegenständlich als separaten Schaltungsbaustein auszubilden, liegt im Griffbereich des zuständigen Fachmanns. Denn es bietet sich grundsätzlich an, für eine jeweilige Funktion separate Schaltungsbausteine zu verwenden, um z. B. im Bedarfsfall hinsichtlich Anpassung an eventuell geänderte betriebliche Anforderungen flexibel zu sein. Auch im Hinblick auf die Ergänzung bereits vorhandener Schaltungen durch eine Notbetriebseinrichtung der in Rede stehenden Art ist die Zufügung der entsprechenden Schaltungsbausteine einfacher als die Abänderung der vorhandenen Schaltung. Zusätzliche Energiespeicher "außerhalb des Umrichters" sind zudem im Fachgebiet der Notbetriebseinrichtungen für elektrische Antriebe an sich bekannt und somit ohnehin dem Fachwissen des zuständigen Fachmanns zuzurechnen (WO 01/88 637 A1, Figur 1, Pos. 18, 19). Angesichts dieser Situation vermag das Hinzufügen eines separaten Energiespeichers ("außerhalb des Umrichters") eine patentbegründende Wirkung nicht zu entfalten. Da die übrigen, mit Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag übereinstimmenden Merkmale überdies aus dem Stand der Technik vorbekannt sind (s. o. zum Hauptantrag), konnte der Fachmann von diesem Bekannten ausgehend ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 gelangen.

2.3 Zum Hilfsantrag 2 Die Windkraftanlage nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Zur Erleichterung von Bezugnahmen ist Patentanspruch 1 nachstehend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben:

1.

Windkraftanlage, die eine Notbetriebseinrichtung (1) aufweist, 2.

die Windkraftanlage weist verstellbare Rotorblättern (54) auf, 3.

dabei sind die Rotorblätter (54) mittels eines elektrischen Motors (64) verstellbar, 4.

und dabei ist der elektrische Motor (64) mittels eines Umrichters (3) speisbar, 5.

der Umrichter (3) weist einen Gleichrichter (11) auf, 6.

der Umrichter (3) weist einen Zwischenkreis auf, 7.

der Umrichter (3) weist einen Wechselrichter auf, 8.

die Notbetriebseinrichtung (1) weist einen Energiespeicher (17) auf, der zur Energieversorgung des elektrischen Motors (64) einsetzbar ist, 8.1 die Notbetriebseinrichtung (1) ist am Zwischenkreis angeschlossen,

-Oberbegriff 9. der Energiespeicher (17) ist mittels des Gleichrichters (11) aufladbar.

-Kennzeichen Die Merkmale 1 bis 8 und 9 entsprechen zumindest inhaltlich den Merkmalen 1 bis 9 nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag. Es wird auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen, die hier gleichermaßen gelten. Demnach vermag diese Merkmalskombination eine Patentfähigkeit nicht zu begründen.

Die Notbetriebseinrichtung mit ihrem Energiespeicher soll anspruchsgemäß der Notstromversorgung der Stellmotoren für die Rotorblätter dienen (Merkmale 8, 9). "Am Zwischenkreis angeschlossen" (Merkmal 8.1) versteht der Fachmann dabei unter Einbeziehung der Gesamtoffenbarung, insbesondere Figur 1, als Zufügung einer Einrichtung mit speziell dieser "Notversorgungsfunktion" zusätzlich zu dem in üblicher Weise gestalteten Zwischenkreis. Damit gilt das für den Einsatz des Energiespeichers "außerhalb des Umrichters" nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 Angeführte hier sinngemäß. Die separate, eigenständige Ausbildung einer Notstromeinrichtung für die Verstellung von Rotorblättern als solche ist zudem ohnehin der Kenntnis des Fachmanns zu unterstellen (vgl. DE 100 33 029 A1, Spalte 2, Zeilen 21 bis 26). Der hier beanspruchte Anschluss der Notbetriebseinrichtung am Zwischenkreis geht demnach über eine dem Fachmann bei für ihn typischer Alltagsarbeit ergreifbare Maßnahme nicht hinaus. Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 ist somit ebenfalls nicht gewährbar.

2.4 Zum Hilfsantrag 3 Die Windkraftanlage nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Windkraftanlage nach diesem Patentanspruch 1 weist alle Merkmale der Windkraftanlage nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 und zusätzlich folgendes Merkmal auf:

10. der Energiespeicher (17) ist über einen Schalter (25) vom Zwischenkreis trennbar.

Zur Kombination der mit Hilfsantrag 2 übereinstimmenden Merkmale wird auf die diesbezüglichen Ausführungen zu Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 verwiesen. Demnach vermag diese Merkmalskombination eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen. In der trennbaren Ankopplung des Energiespeichers an den Zwischenkreis vermag der Senat ebenfalls nichts von patentbegründender Bedeutung zu erkennen. Denn wie vorstehend zu Hilfsantrag 2 ausgeführt, ist die Notbetriebseinrichtung als separat zu den regulären Umrichterkomponenten ausgebildete Schaltungskomponente zu sehen und wird vom Fachmann als solche im Rahmen seiner für ihn typischen Alltagsarbeit vorgesehen. Würde dieser separate Energiespeicher permanent leitend am Zwischenkreis angeschlossen sein, ergäben sich daraus Konfliktwirkungen z. B. mit den ohnehin vorhandenen Glättungskomponenten

(z. B. Glättungskondensator) des Zwischenkreises. Die Trennbarkeit ist somit aus fachlicher Sicht schlussfolgerichtig eine gebotene, zumindest zweckmäßige Maßnahme. Diese durch einen Schalter konstruktiv zu realisieren, geht über rein Handwerkliches nicht hinaus. Denn Schalter gehören zu den "Grundbausteinen", deren Wesensbestimmung die reversible Auftrennung elektrischer Leitungsverbindungen ist. Davon abgesehen ist die Verwendung von Schaltern zur Trennung von Energiespeichern vom Zwischenkreis von Stromrichtern für Notbetriebseinrichtungen elektrischer Antriebe ohnehin nicht neu und dem Fachmann als solche daher geläufig (vgl. EP 0 847 124 B1, Figur 2, Pos. 21, 13). Auch Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 ist angesichts dieser Sachlage nicht gewährbar.

2.5 Zum Hilfsantrag 4 Die Windkraftanlage nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Über die Ausgestaltung nach Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 hinaus ist der Energiespeicher der Windkraftanlage nach diesem Patentanspruch 1 als Ultrakondensator ausgebildet und die Notbetriebseinrichtung mit einer Sicherung abgesichert.

Die Verwendung von Ultrakondensatoren als Energiespeicher speziell für die Notstromversorgung von Stellmotoren für die Rotorblattverstellung ist im einschlägigen Fachgebiet ebenfalls üblich und liegt damit im Fachwissen des Fachmanns (vgl. DE 100 33 029 A1, Spalte 1, Zeilen 31 bis 35 und 40 bis 43). Die Gestaltung des Energiespeichers als Ultrakondensator ist somit nicht mehr als eine dem Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zumutbare Maßnahme. Die Absicherung von Schaltungsbauteilen bzw. Schaltkreisen über Sicherungen ist für jeden im Gebiet der Elektrotechnik Tätigen schon grundsätzlich gang und gäbe. Dem Fachmann ergibt sich die Verwendung von Sicherungen in selbstverständlicher Weise aus einer jeweils konkreten Notwendigkeit des Überlastschutzes. Der Einsatz einer Sicherung zur Absicherung der Notbetriebseinrichtung kann daher lediglich als eine rein handwerkliche Maßnahme des Fachmanns gewertet werden.

Zu den übrigen Merkmalen, die mit denen nach Hilfsantrag 3 übereinstimmen, wird auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen, die hier gleichermaßen gelten.

Im Ergebnis ist daher auch Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 nicht gewährbar.

2.6 Zum Hilfsantrag 5 Die Windkraftanlage nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Windkraftanlage nach diesem Patentanspruch unterscheidet sich von der nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 dadurch, dass der Zwischenkreis einen Zwischenkreiskondensator aufweist und der Schalter zum Trennen des Ultrakondensators vom Zwischenkreis als Schütz ausgebildet ist. Wie zu Hilfsantrag 3 ausgeführt, versteht der Fachmann die Notbetriebseinrichtung als zu den üblichen Umrichterkomponenten separate, zusätzliche Einrichtung. Diese ist anspruchsgemäß vom Zwischenkreis trennbar. Demnach tragen ihre Schaltungskomponenten nicht zum regulären Umrichterbetrieb bei. Der Umrichter muss daher als solcher für sich funktionsfähig sein. Dazu gehören nach Kenntnis des Fachmanns außer dem Gleichrichter und Wechselrichter Elemente im Zwischenkreis, die die gleichgerichtete Spannung glätten. Diese Elemente sind regelmäßig als Kondensator ausgebildet und als Zwischenkreiskondensator bezeichnet. Es handelt sich hierbei um für den Fachmann an sich selbstverständliche Bestandteile eines Umrichters (vgl. EP 0 847 124 A1, Figur 2, Pos. 13; WO 01/88 637 A1, Figur 1, Pos. 17/20). Auch ein Schütz gehört zu den schaltungstechnischen Grundbausteinen, die dem zuständigen Fachmann schon von seinem fachspezifischen Grundlagenwissen her nach Aufbau und Einsatzweise bekannt sind. In der Realisierung der Trennbarkeit des Ultrakondensators vom Zwischenkreis durch ein Schütz liegt daher nicht mehr als die bestimmungsgemäße Verwendung einer an sich bekannten Schaltungskomponente.

In Verbindung mit den Ausführungen zu Hilfsantrag 4, die die übrigen Merkmale auch des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 betreffen, ergibt sich auch für diesen Patentanspruch die Nichtgewährbarkeit.

2.7 Zusammenfassung Der Senat verkennt nicht, dass bei einer Mehrzahl von Merkmalen und ihrer Kombination nicht die fachmännische Zusammenschau des druckschriftlich vorgelegten Standes der Technik, sondern lediglich das Fachwissen des Fachmanns die Begründung für fehlende Patentfähigkeit ist. Besagte Merkmale betreffen indes einfache Grundbausteine der Schaltungstechnik und ihre übliche Anordnung zu einer vorausberechenbaren Schaltung. Dabei war bereits am Anmeldetag dem Fachmann die Funktion der vorliegend beanspruchten einzelnen Schaltungsbausteine als solchen bekannt, wobei ihre Zusammenstellung in der jeweils beanspruchten Art mit von vornherein ohne Weiteres absehbarem Ergebnis nach hergebrachten Regeln möglich war. Eine überraschende Wirkung ist bei keiner der beanspruchten Schaltungen erkennbar. Diese Beurteilung der Sachlage beruht nicht auf bloßer Annahme des Senats, sondern ist auf Nachweise des Fachwissens durch dieses repräsentierenden druckschriftlichen Stand der Technik gestützt (WO 01/88 637 A1, DE 100 33 029 A1, EP 0 847 124 B1). Der Senat ist angesichts dessen überzeugt, dass die Schaltungsanordnungen, wie sie in den vorliegend beanspruchten Notbetriebseinrichtungen bzw. Windkraftanlagen zum Einsatz vorgeschlagen sind, allenfalls Ergebnisse der für den Fachmann typischen Alltagsarbeit sind, in der die durch Ausbildung erworbenen Kenntnisse nach üblichen Methoden mit vorausberechenbarem Ergebnis angewendet wurden. Eine Patentfähigkeit muss der Senat deshalb verneinen.

3.

Zu den übrigen Patentansprüchen nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 5 Einer Beurteilung der auf den jeweiligen Patentanspruch 1 nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 5 jeweils rückbezogenen Patentansprüche bedarf es nicht, da mit dem jeweils nicht gewährbaren Patentanspruch 1 dem jeweiligen Antrag als Ganzes nicht stattgegeben werden kann (BGH GRUR 1997, 120 ff, "Elektrisches Speicherheizgerät").

Pontzen Bülskämper Paetzold Reinhardt Ko






BPatG:
Beschluss v. 06.06.2011
Az: 9 W (pat) 334/06


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