Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Dezember 2010
Aktenzeichen: 12 W (pat) 302/06

(BPatG: Beschluss v. 14.12.2010, Az.: 12 W (pat) 302/06)

Tenor

Das Patent 103 15 627 wird widerrufen.

Gründe

I Gegen das am 4. April 2003 angemeldete und am 18. August 2005 veröffentlichte Patent 103 15 627 mit der Bezeichnung "Transportband" hat der Einsprechende am 17. November 2005 Einspruch eingelegt.

Er verweist unter anderem auf folgende Druckschrift: E5: DE 102 32 965 A1. Der Einsprechende macht geltend, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 seinicht neu. Er beantragt schriftsätzlich, das Patent 103 15 627 zu widerrufen. Die Patentinhaberin beantragt schriftsätzlich sinngemäß, das Patent 103 15 627 aufrechtzuerhalten.

Sie führt im Wesentlichen aus, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Transportband (1), beispielsweise zum Transportieren von Schüttgütern, Einzelteilen oder Baugruppen, das über mindestens eine Leitung verfügt, die innerhalb des Transportbandes (1) über dessen gesamte Länge verläuft, dadurch gekennzeichnet, dass die Leitung zur Versorgung von mindestens einem auf dem Rücken des Transportbandes (1) angeordneten Verbrauchers ausgelegt ist, wobei jeder der Verbraucher über mindestens eine Einrichtung zur Entnahme von Energie oder Informationen aus der Versorgungsleitung (9, 11) oder zur Einspeisung von Energie oder Informationen in die Versorgungsleitung (9, 11) verfügt.

Wegen der Fassung der Unteransprüche 2 und 3 und wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die ordnungsgemäß geladenen Beteiligten haben den Termin der mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen. Die Patentinhaberin hatte dies bereits schriftlich angekündigt.

II Der zulässige Einspruch hat Erfolg.

1.

Formale Bedenken gegen die erteilten Patentansprüche bestehen nicht.

2.

Die Erfindung betrifft ein Transportband, das insbesondere zum Transportieren von Gütern ausgebildet ist.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Transportband anzugeben, auf dessen Bandrücken Energie zur Verfügung steht und das zum Austausch von Informationen geeignet ist (Abs. [0010] der Patentschrift).

Diese Aufgabe wird mit einem Transportband mit folgenden Merkmalen gelöst:

a) Transportband (1), a1) beispielsweise zum Transportieren von Schüttgütern, Einzelteilen oder Baugruppen, b) das über mindestens eine Leitung verfügt, c) die innerhalb des Transportbandes (1) über dessen gesamte Längeverläuft, dadurch gekennzeichnet, d) dass die Leitung zur Versorgung von mindestens einem Verbraucherausgelegt ist, e) der auf dem Rücken des Transportbandes (1) angeordnet ist, f1) wobei jeder der Verbraucher über mindestens eine Einrichtung zur Entnahmef1a) von Energief1b) oder Informationen aus der Versorgungsleitung (9, 11) verfügtoder (eine Einrichtung)

f2a) zur Einspeisung von Energief2b) oder Informationen in die Versorgungsleitung (9, 11) verfügt.

3. Zum Verständnis der Lehre des Patentanspruchs 1.

Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur (FH) der Fachrichtung Fördertechnik mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Transportbändern.

Mit dem Anspruch 1 wird allgemein ein Transportband angegeben, der Transport von Schüttgütern, Einzelteilen oder Baugruppen gemäß Merkmal a1 ist lediglich beispielsweise genannt und beschränkt daher den Anspruch nicht. Unter den Anspruch 1 fallen damit alle Bänder, die für irgendeinen Transportzweck geeignet sind. Das Transportband verfügt über mindestens eine Leitung, die innerhalb des Transportbandes über dessen gesamte Länge verläuft (Merkmale b und c). Merkmal d ist so zu verstehen, dass die Leitung zur Versorgung eines Verbrauchers geeignet sein muss, beispielsweise einen ausreichenden Querschnitt aufweist, um einen elektrischen Strom zu einem Verbraucher leiten zu können, ohne zu stark erwärmt zu werden, was sonst zu einer Beschädigung des üblicherweise aus Kunststoff bestehenden Transportbandes führen könnte.

Auf dem Rücken des Transportbandes ist gemäß Merkmal e mindestens ein Verbraucher (z. B. Prüfungseinrichtung 5) angeordnet, der aus der Leitung über eine Einrichtung mit Energie (Merkmal f1, f1a) oder Informationen (Merkmale f1, f1b) versorgt wird. Alternativ ("oder") kann der Verbraucher über entsprechende Einrichtungen Energie (Merkmal f2a) oder Informationen (Merkmal f2b) in die Versorgungsleitungen einspeisen. Anspruch 1 beschreibt damit vier Alternativen. Vom Anspruch 1 ist als eine davon auch ein Band umfasst, das allein dazu ausgebildet ist, Energie an einen Verbraucher abzugeben.

4. Das Transportband gemäß Anspruch 1 ist nicht neu gemäß § 3 PatG.

Die deutsche Patentanmeldung 102 32 965 mit älterem Zeitrang (Prioritätstag 11. März 2002, Anmeldetag 19. Juli 2002, Offenlegung 9. Oktober 2003) gilt in der beim Deutschen Patentamt ursprünglich eingereichten Fassung als Stand der Technik (PatG § 3 Abs. 2 Nr. 1). Nachfolgend wird auf die zugehörige Offenlegungsschrift DE 102 32 965 A1 (E5) Bezug genommen, deren Offenbarungsgehalt nach Überprüfung durch den Senat mit den am 19. Juli 2002 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereichten Unterlagen übereinstimmt.

Der E5 ist ein Zahnriemen (vgl. Anspruch 15) zu entnehmen, der Teil eines Linearschlittens sein kann (vgl. Abs. [0005]). Derartige Vorrichtungen werden in verschiedenen technischen Systemen eingesetzt, beispielsweise in Lagersystemen oder als lineare Transportvorrichtungen, um Produkte oder Maschinenteile von einer Stelle zu einer anderen zu transportieren, was der Fachmann als mögliche Anwendung mitliest. Der Zahnriemen nach der E5 ist daher auch als Transportband im Sinne des angegriffenen Patents anzusehen (= Merkmal a). Die Merkmale b und c sind ebenfalls verwirklicht, was sich aus den Ausführungsbeispielen Fig. 1 bis 3 (Leiter 3) i. V. m. Abs. [0008] ergibt. Nach Abs. [0054] kann über die Leitung (Leiter 3) ein Verbraucher versorgt werden, was eine Auslegung der Leitung im Sinne des Merkmals d beinhaltet (vgl. Abs. [0042]). Da dem Linearschlitten Strom zugeführt werden soll (vgl. Abs. [0005] und [0006]), ist der Schlitten als Verbraucher im Sinne des angegriffenen Patents anzusehen. Der Linearschlitten ist zudem üblicherweise auf dem Rücken des Transportbandes angeordnet (= Merkmal e). Die Stromversorgung des Linearschlittens als Verbraucher bedingt außerdem zwangsläufig eine Einrichtung zur Entnahme von Energie (Strom) aus der Leitung. Auch die Merkmale f1 und f1a sind daher in der E5 offenbart.

Sämtliche Merkmale der Alternative des Anspruchs 1, die ein Transportband umfasst, das geeignet ist, Energie an einen Verbraucher abzugeben, sind damit der E5 zu entnehmen, was auch die Patentinhaberin in ihrem Schriftsatz vom 23. März 2007 eingeräumt hat. Der Patentgegenstand gemäß Anspruch 1 gilt deshalb nicht mehr als neu, denn durch die E5 ist zumindest eine seiner möglichen Ausführungsformen bereits Stand der Technik. Der erteilte Anspruch 1 hat daher keinen Bestand.

Die von der Patentinhaberin hervorgehobenen Unterschiede des Patents gegenüber der E5 können die Patentfähigkeit nicht begründen, da sie sich auf das Ausführungsbeispiel des angegriffenen Patents beziehen, auf das der Patentgegenstand jedoch wegen der "oder"-Verknüpfungen im erteilten Anspruch 1 nicht beschränkt ist.

Das Patent war daher zu widerrufen.

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BPatG:
Beschluss v. 14.12.2010
Az: 12 W (pat) 302/06


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