Bundesgerichtshof:
Urteil vom 2. April 2009
Aktenzeichen: Xa ZR 52/05

(BGH: Urteil v. 02.04.2009, Az.: Xa ZR 52/05)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. November 2004 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das europäische Patent 294 730 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 5 in Rückbeziehung auf die Patentansprüche 1, 2 und 4, soweit letzterer nicht auf Patentanspruch 3 rückbezogen ist, entfällt und die Patentansprüche 1, 2 und 4, soweit letzterer nicht auf Patentanspruch 3 rückbezogen ist, die folgende Fassung erhalten:

Patentanspruch 1:

1. Raumlufttechnisches Gerät mit 1.1 einem Gehäuse (1), 1.2 jeweils mindestens einem Rückluftanschluss (7), Außenluftanschluss (8), Fortluftanschluss (11) und Zuluftanschluss (10), 1.3 unabhängig voneinander antreibbaren Zuluftventilatoren (42) und Fortluftventilatoren (41) für getrennte Zuluft- und Fortluftströme, 1.4 einem Kondensator (32), einem Verdampfer (33) und/oder einem Wärmerohr (34) sowie wahlweise einem oder mehreren Filtern (31), 1.5 mehreren Klappensystemen (64, 65) und 1.6 einem zusätzlichen Klappensystem (60), das in einem zusätzlichen Rückluftanschluss (9) angeordnet ist.

2. In dem Gehäuse sind zwei Kammern (23, 24) strömungsseitig nebeneinander angeordnet und gegenseitig abgeschottet, wobei 2.1 die erste Kammer (23) mit dem Außenluftanschluss (8) verbunden ist, 2.2 die zweite Kammer (24) mit dem Rückluftanschluss (7) verbunden ist und 2.3 beide Kammern (23, 24) mit den Klappensystemen (64, 65) verbunden sind.

3. Die Klappensysteme (64, 65)

3.1 sind auf der Saugseite der Ventilatoren (41, 42) angeordnet und 3.2 steuern die Luftströme in Abhängigkeit von der Außenlufttemperatur und der gewünschten Raumlufttemperatur und -feuchtigkeit.

4. Die Klappensysteme (64, 65) sind so angeordnet und steuerbar, dass folgende Betriebsweisen des raumlufttechnischen Geräts möglich sind:

4.1 ein reiner Umluftbetrieb mit wahlweiser Zuschaltung des Verdampfers (33), Kondensators (32) und/oder Wärmerohrs (34), 4.2 ein reiner Außenluftbetrieb, bei dem Außenluft (AL) über den Verdampfer (33) und/oder das Wärmerohr (34) und den Zuluftventilator (42) an den Zuluftanschluss (10) und Rückluft (RL) über den Kondensator (32) und/oder das Wärmerohr (34) und den Fortluftventilator (41) an den Fortluftanschluss (11) abgegeben wird, oder 4.3 ein Mischbetrieb mit einer Mischung der Außenluft und Rückluft, bei dem zwei Rückluftströme (RL) und/oder Außenluftströme (AL) unabhängig voneinander sowohl über den Verdampfer (33) und/oder das Wärmerohr (34) in den Zuluftstrom (ZL) als auch über den Kondensator (32) und/oder das Wärmerohr (34) in den Fortluftstrom (FL) einspeisbar sind.

5. Das zusätzliche Klappensystem (60)

5.1 ist auf der Druckseite der Ventilatoren (41, 42) angeordnet und 5.2 steuert die Fortluftmenge oder den Rückluftanteil des Fortluftstroms (FL).

Patentanspruch 2:

Raumlufttechnisches Gerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das zusätzliche Klappensystem (60) druckabhängig arbeitet und beim Erreichen eines bestimmten Raumluftdrucks öffnet.

Patentanspruch 4:

Verfahren zum Betrieb eines raumlufttechnischen Gerätes nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Fortluftventilator (41) temperaturabhängig geschaltet wird, wobei bei Stillstand des Fortluftventilators (41) und Überdruck im zu klimatisierenden Raum die Rückluft (RL) über das zusätzliche Klappensystem (60) zur Fortluft (FL) geleitet wird.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte, die von der Klägerin wegen Patentverletzung gerichtlich in Anspruch genommen wird, ist Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung in Deutschland vom 8. Juni 1987 am 4. Juni 1988 angemeldeten, inzwischen durch Ablauf der Höchstschutzdauer erloschenen, auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 294 730 (Streitpatents), das ein "raumlufttechnisches Gerät" betrifft. Patentanspruch 1 lautet in der Fassung, die er im europäischen Einspruchsverfahren auf Grund einer Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer (T 551/94 - 3.2.3) erhalten hat ("B2-Schrift"), wie folgt:

"Raumlufttechnisches Gerät mit einem Gehäuse (1), in dem unabhängig voneinander antreibbare Zuluftventilatoren (42) und Fortluftventilatoren (41) für getrennte Zuluft- und Fortluftströme, ein Kondensator (32), ein Verdampfer (33) und/oder ein Wärmerohr (34) sowie wahlweise ein oder mehrere Filter (31) und mehrere die Luftströme in Abhängigkeit von der Außenlufttemperatur und der gewünschten Raumlufttemperatur und -feuchtigkeit steuernde, auf der Saugseite der Ventilatoren angeordnete Klappensysteme (64, 65) vorgesehen sind, das mindestens einen Außenluftanschluß (8), Fortluftanschluß (11), Rückluftanschluß (7) und Zuluftanschluß (10) und zwei strömungsseitig nebeneinander angeordnete und gegenseitig abgeschottete Kammern (23, 24) aufweist, wobei die erste Kammer (23) mit dem Außenluftanschluß (8) und die zweite Kammer (24) mit dem Rückluftanschluß (7) und beide Kammern mit den Klappensystemen (64, 65) verbunden sind, die so angeordnet und steuerbar sind, daß das raumlufttechnische Gerät im reinen Umluftbetrieb mit wahlweiser Zuschaltung des Verdampfers (33), Kondensators (32) und/oder Wärmerohres (34), im reinen Außenluftbetrieb oder in einem Mischbetrieb mit einer Mischung der Außenluft und Rückluft betreibbar ist, und zwei Rückluftströme (RL) und/oder Außenluftströme (AL) unabhängig voneinander sowohl in den Zuluftstrom (ZL) als auch in den Fortluftstrom einspeisbar sind."

Wegen der (teilweise) gleichfalls angegriffenen abhängigen Patentansprüche 2, 4 und 5 des Streitpatents wird auf die Patentschrift verwiesen.

Die Klägerin hat insbesondere geltend gemacht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei durch einen - erstmals im Nichtigkeitsverfahren genannten - Prospekt der Ate Klimatechnik Alfred Teves GmbH in Frankfurt am Main "Jupiter Klimaschränke mit freier Kühlung" (D1) vorweggenommen, zumindest aber nahegelegt. Sie hat sich weiter u.a. auf die Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 402 163 (D4) gestützt. Sie hat beantragt, das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 1, 2, 4 und 5, soweit die letztgenannten nicht unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 3 rückbezogen sind, für nichtig zu erklären.

Die Beklagte hat das Streitpatent mit einer beschränkten Fassung des Patentanspruchs 1 verteidigt (Einfügungen unterstrichen; in eckigen Klammern im angefochtenen Urteil vorgenommene Korrektur einer offenbaren Unrichtigkeit):

"Raumlufttechnisches Gerät mit einem Gehäuse (1), in dem unabhängig voneinander antreibbare Zuluftventilatoren (42) und Fortluftventilatoren (41) für getrennte Zuluft- und Fortluftströme, ein Kondensator (32), ein Verdampfer (33) und/oder ein Wärmerohr (34) sowie wahlweise ein oder mehrere Filter (31) und mehrere die Luftströme in Abhängigkeit von der Außenlufttemperatur und der gewünschten Raumlufttemperatur und -feuchtigkeit steuernde, auf der Saugseite der Ventilatoren angeordnete Klappensysteme (64, 65) vorgesehen sind, das mindestens einen Außenluftanschluß (8), Fortluftanschluß (11), Rückluftanschluß (7) und Zuluftanschluß (10) und zwei strömungsseitig nebeneinander angeordnete und gegenseitig abgeschottete Kammern (23, 24) aufweist, wobei die erste Kammer (23) mit dem Außenluftanschluß (8) und die zweite Kammer (24) mit dem Rückluftanschluß (7) und beide Kammern mit den Klappensystemen (64, 65) verbunden sind, die so angeordnet und steuerbar sind, daß das raumlufttechnische Gerät im reinen Umluftbetrieb mit wahlweiser Zuschaltung des Verdampfers (33), Kondensators (32) und/oder Wärmerohres (34), im reinen Außenluftbetrieb, bei dem Außenluft (AL) über den Verdampfer (33) und/oder das Wärmerohr (34) und Zuluftventilator (42) an den Zuluftanschluß (10) und Rückluft (RL) über den Kondensator (32) und/oder das Wärmerohr (34) und den Fortluftventilator (41) an den Fortluftanschluß (11) abgegeben wird, oder in einem Mischbetrieb mit einer Mischung der Außenluft und Rückluft betreibbar ist, und zwei Rückluftströme (RL) und/oder Außenluftströme (AL) unabhängig voneinander [sowohl] über den Verdampfer (33) und/oder das Wärmerohr (34) [sowohl] in den Zuluftstrom (ZL) als auch über den Kondensator (32) und/oder das Wärmerohr (34) in den Fortluftstrom einspeisbar sind."

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent, soweit beantragt, für nichtig erklärt.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit sie das Streitpatent verteidigt. Hilfsweise soll Patentanspruch 1 folgende Fassung erhalten (Einfügungen kursiv):

1. Raumlufttechnisches Gerät mit 1.1 einem Gehäuse (1), 1.2 jeweils mindestens einem Rückluftanschluss (7), Außenluftanschluss (8), Fortluftanschluss (11) und Zuluftanschluss (10), 1.3 unabhängig voneinander antreibbaren Zuluftventilatoren (42) und Fortluftventilatoren (41) für getrennte Zuluft- und Fortluftströme, 1.4 einem Kondensator (32), einem Verdampfer (33) und/oder einem Wärmerohr (34) sowie wahlweise einem oder mehreren Filtern (31), 1.5 mehreren Klappensystemen (64, 65) und 1.6 einem zusätzlichen Klappensystem (60), das in einem zusätzlichen Rückluftanschluss (9) angeordnet ist.

2. In dem Gehäuse sind zwei Kammern (23, 24) strömungsseitig nebeneinander angeordnet und gegenseitig abgeschottet, wobei 2.1 die erste Kammer (23) mit dem Außenluftanschluss (8) verbunden ist, 2.2 die zweite Kammer (24) mit dem Rückluftanschluss (7) verbunden ist und 2.3 beide Kammern (23, 24) mit den Klappensystemen (64, 65) verbunden sind.

3. Die Klappensysteme (64, 65)

3.1 sind auf der Saugseite der Ventilatoren (41, 42) angeordnet und 3.2 steuern die Luftströme in Abhängigkeit von der Außenlufttemperatur und der gewünschten Raumlufttemperatur und -feuchtigkeit.

4. Die Klappensysteme (64, 65) sind so angeordnet und steuerbar, dass folgende Betriebsweisen des raumlufttechnischen Geräts möglich sind:

4.1 ein reiner Umluftbetrieb mit wahlweiser Zuschaltung des Verdampfers (33), Kondensators (32) und/oder Wärmerohrs (34), 4.2 ein reiner Außenluftbetrieb, bei dem Außenluft (AL) über den Verdampfer (33) und/oder das Wärmerohr (34) und den Zuluftventilator (42) an den Zuluftanschluss (10) und Rückluft (RL) über den Kondensator (32) und/oder das Wärmerohr (34) und den Fortluftventilator (41) an den Fortluftanschluss (11) abgegeben wird, oder 4.3 ein Mischbetrieb mit einer Mischung der Außenluft und Rückluft, bei dem zwei Rückluftströme (RL) und/oder Außenluftströme (AL) unabhängig voneinander sowohl über den Verdampfer (33) und/oder das Wärmerohr (34) in den Zuluftstrom (ZL) als auch über den Kondensator (32) und/oder das Wärmerohr (34) in den Fortluftstrom (FL) einspeisbar sind.

5. Das zusätzliche Klappensystem (60)

5.1 ist auf der Druckseite der Ventilatoren (41, 42) angeordnet und 5.2 steuert die Fortluftmenge oder den Rückluftanteil des Fortluftstroms (FL).

Dabei sollen sich die Rückbeziehungen in den nachgeordneten Patentansprüchen 1, 2 und 4 auf den derart eingeschränkten Patentanspruch beziehen; Patentspruch 5 soll nach dem Hilfsantrag entfallen.

Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen. Sie stützt sich im Berufungsverfahren u.a. auch auf die deutsche Offenlegungsschrift 30 27 447 (E9).

Im Auftrag des Senats hat Professor Dr.-Ing. M. S. , Institut für Gebäudetechnik der Universität Stuttgart, Lehrstuhl für Heiz- und Raumlufttechnik, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Gründe

I. Das Streitpatent betrifft ein raumlufttechnisches Gerät und ein Verfahren zum Betreiben eines solchen Geräts.

1. Die Beschreibung des Streitpatents verweist dabei zunächst auf die französische Patentanmeldung 2 402 163 (D4), die ein raumlufttechnisches Gerät nach Art einer Wärmepumpe zeige, das unabhängig voneinander antreibbare Zuluftventilatoren und Fortluftventilatoren aufweise, weiter einen Kondensator, einen Verdampfer sowie wahlweise einen oder mehrere Filter und mehrere die Luftströme in Abhängigkeit von der Außenlufttemperatur und der gewünschten Raumlufttemperatur und -feuchtigkeit steuernde Klappensysteme, die auf der Saugseite der Ventilatoren angeordnet seien, sowie mindestens einen Außenluftanschluss, einen Fortluftanschluss, einen Rückluftanschluss und einen Zuluftanschluss. Die Klappensysteme seien so angeordnet und steuerbar, dass das Gerät im reinen Umluftbetrieb mit wahlweiser Zuschaltung des Verdampfers oder Kondensators, im reinen Außenluftbetrieb oder in einem Mischbetrieb mit einer Mischung der Außenluft und der Rückluft betrieben werden könne (Beschr. Sp. 1 Absätze 1, 2). Zur Steuerung der verschiedenen Funktionen sollten die Klappensysteme so eingestellt werden, dass ein Teil der über den Außenluftanschluss zugeführten Außenluft dem Zuluftventilator bzw. ein Teil der über den Rückluftanschluss zugeführten Rückluft dem Fortluftventilator zugeführt werde.

2. Durch das Streitpatent soll ein raumlufttechnisches Gerät bereitgestellt werden, bei dem eine variable Regelung des Rückluftmengenanteils bei der Zufuhr der Rückluft und der Außenluft in den verschiedenen Betriebsarten möglich ist; dadurch soll der Wirkungsgrad des Geräts erhöht werden (vgl. Beschr. Sp. 2 dritter Absatz).

3. Hierzu soll durch Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner verteidigten Fassung ein raumlufttechnisches Gerät zur Verfügung gestellt werden 1. mit folgenden Komponenten: 1.1 einem Gehäuse, 1.2 jeweils mindestens einem Außenluftanschluss, Fortluftanschluss, Rückluftanschluss und Zuluftanschluss, 1.3 unabhängig voneinander antreibbaren Zuluftventilatoren und Fortluftventilatoren für getrennte Zuluft- und Fortluftströme, 1.4 einem Kondensator, einem Verdampfer und/oder einem Wärmerohr sowie wahlweise einem oder mehreren Filtern und 1.5 mehreren Klappensystemen, wobei 2. in dem Gehäuse zwei Kammern strömungsseitig nebeneinander angeordnet und gegenseitig abgeschottet sind und 2.1 die erste Kammer mit dem Außenluftanschluss und 2.2 die zweite Kammer mit dem Rückluftanschluss und 2.3 beide Kammern mit den Klappensystemen verbunden sind;

3. die Klappensysteme 3.1 sind auf der Saugseite der Ventilatoren angeordnet und steuerbar und 3.2 steuern die Luftströme in Abhängigkeit von der Außenlufttemperatur und der gewünschten Raumlufttemperatur und -feuchtigkeit;

4. die Klappensysteme ermöglichen damit folgende Betriebsweisen:

4.1 einen reinen Umluftbetrieb mit wahlweiser Zuschaltung des Verdampfers, Kondensators und/oder Wärmerohrs, 4.2 einen reinen Außenluftbetrieb, bei dem Außenluft über den Verdampfer und/oder das Wärmerohr und Zuluftventilator an den Zuluftanschluss und Rückluft über den Kondensator und/oder das Wärmerohr und den Fortluftventilator an den Fortluftanschluss abgegeben wird, 4.3 oder einen Mischbetrieb mit einer Mischung der Außenluft und Rückluft, bei dem zwei Rückluftströme und/oder Außenluftströme unabhängig voneinander über den Verdampfer und/oder das Wärmerohr sowohl in den Zuluftstrom als auch über den Kondensator und/oder das Wärmerohr in den Fortluftstrom einspeisbar sind.

Ein erfindungsgemäßes Gerät im Längsschnitt, in Draufsicht und in Stirnseitenansicht zeigen Figuren 8 bis 10 der Zeichnungen des Streitpatents:

Dabei bezeichnen die Bezugszeichen 64 und 65 die beiden Klappensysteme und 23, 24 die mit diesen verbundenen Kammern, während die Bezugszeichen 7 den Rückluftanschluss, 8 den Außenluftanschluss, 10 den Zuluftanschluss und 11 den Fortluftanschluss bezeichnen. Mit 41 ist der Fortluftventilator und mit 42 der Zuluftventilator bezeichnet.

Derartige Geräte, die beispielsweise in Räumen, die für den längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, aber auch in Fernmeldevermittlungsanlagen u.ä. eingesetzt werden, entnehmen der äußeren Umgebung Außenluft und geben Fortluft in die Umgebung ab. Sie führen den zu klimatisierenden Innenräumen Zuluft (darunter ist die gesamte dem Raum zuströmende Luft zu verstehen) zu, die entweder aus der Außenluft oder aus den zu klimatisierenden Räumen entnommener Rück- oder Abluft (der gesamten aus dem Raum abströmenden Luft) besteht; der "wiederverwendete" Teil der Abluft wird als Umluft bezeichnet. Beim Durchgang durch das klimatechnische Gerät kann die Luft je nach den vorgegebenen Sollwerten klimatechnisch behandelt, nämlich gefiltert, gekühlt, erwärmt, getrocknet oder befeuchtet werden. Die Geräte können im reinen Außenluftbetrieb, im reinen Umluftbetrieb und im Mischbetrieb gefahren werden. Verdampfer und Kondensatoren sind gängige Elemente klimatechnischer Geräte; Verdampfer entziehen der Umgebung Energie und führen somit eine Abkühlung herbei, während Kondensatoren Wärme an die vorbeistreichende Luft abgeben. Wärmerohre können die Funktion von Verdampfern und von Kondensatoren erfüllen.

II. Gegen die in erster Instanz vorgenommenen Einfügungen bestehen, was ihre ursprüngliche Offenbarung und ihren den Schutzbereich nicht erweiternden Charakter betrifft, keine Bedenken. Dies gilt auch für die Einfügungen in der in zweiter Instanz hilfsweise verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1.

III. Im Streit steht, soweit das Patent angegriffen ist, für die Beurteilung des Nichtigkeitsgrunds mangelnder Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 Int-PatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ) nur, ob der Gegenstand des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ). Dies ist für seine in erster Linie verteidigte Fassung zu verneinen. Insoweit hat das angefochtene Urteil daher Bestand, wobei der Senat in Absatz 2 der Urteilsformel entsprechend § 319 ZPO, § 95 PatG eine offenbare Unrichtigkeit der verkündeten Fassung seines Urteils berichtigt hat, in der nicht berücksichtigt worden ist, dass die Patentansprüche 4 und 5 mit der Nichtigkeitsklage nicht angegriffen sind, soweit sie auf Patentanspruch 3 rückbezogen sind.

1. Das Patentgericht hat zur Patentfähigkeit ausgeführt, der Ate-Prospekt (D1) beschreibe ein Klimagerät, bei dem abgesehen von strömungsmäßig nebeneinander angeordneten Kammern (gemäß Merkmal 2) und einer Führung der Rückluft zum Fortluftanschluss über den Kondensator (gemäß Merkmal 4.2) alle Merkmale des verteidigten Patentanspruchs 1 verwirklicht seien. Dies gelte insbesondere auch für die voneinander unabhängige Steuerbarkeit der Klappensysteme, die es erlaube, die verschiedenen Luftströme im Mischbetrieb unabhängig voneinander einzuspeisen (Merkmal 4.3), wie aus der Darstellung der den Klappensystemen zugeordneten Servomotoren und der verschiedenen Funktionszustände des Klimageräts folge. Für die beiden (teilweise) fehlenden Merkmale bekomme der Fachmann, ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus der Fachrichtung Heizungs- und Klimatechnik, einen Hinweis aus der Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 402 163 (D4). Bei dem dort beschriebenen Gerät seien zwei übereinander und strömungsseitig nebeneinander angeordnete Kammern verwirklicht. Der Fachmann habe diese rein bauliche Maßnahme, die im Übrigen keinen Beitrag zur Problemlösung liefere, bei Bedarf (etwa aus Platzgründen) wählen und auf das raumlufttechnische Gerät nach dem Ate-Prospekt übertragen können. Die Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung zeige aber auch die Abgabe der Rückluft über den Kondensator an den Fortluftanschluss im Außenluftbetrieb. Sei es für den Fachmann wichtig, das Gerät nach dem Ate-Prospekt auch im reinen Außenluftbetrieb mit der Kältemaschine einzusetzen, um z.B. in der Übergangszeit eine Kühlung der von außen zugeführten Frischluft vorzunehmen, könne er auf das Vorbild der Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung zurückgreifen. Denn durch die Anordnung des Kondensators nach dieser werde die Kältemaschine auch beim Außenluftbetrieb einsetzbar. Die Übertragung dieser Maßnahme auf das Klimagerät nach dem Ate-Prospekt sei demzufolge naheliegend.

2. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, da der Kondensator des Ate-Prospekts wegen seiner Anordnung im "Bypass" nur von Außenluft, nicht aber von Abluft durchströmt werde, könne die mechanische Kühleinrichtung nur im reinen Umluftbetrieb die volle Kühlleistung erbringen. Hingegen sei im reinen Außenluftbetrieb keine und im Mischbetrieb nur eine eingeschränkte mechanische Kühlung der Zuluft möglich, da die vom Verdampfer aufgenommene Wärmemenge über den Kondensator vollständig abgeführt werden müsse. Dies beeinträchtige den Wirkungsgrad schon deshalb, weil damit eine Nutzung der kühlen, weil bereits klimatisierten Abluft entfalle. Es fehle daher auch das Merkmal 3.2, denn eine unabhängige Klappensteuerung setze voraus, dass die mechanische Kühlung in jedem Betriebszustand einsetzbar sei. Weiter sei Merkmal 4.3 nicht verwirklicht, weil dieses aus "mehreren Unterkombinationen" bestehe und nach dem Ate-Prospekt nur zwei Außenluftströme, nicht aber zwei Rückluftströme unabhängig voneinander über Verdampfer und Kondensator geführt werden könnten. Das schriftsätzliche Vorbringen, dass die Wärmepumpe nach der Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung zur Umgestaltung der Vorrichtung nach dem Ate-Prospekt nicht anregen könne, weil sie ausschließlich darauf ausgerichtet sei, im Sommer eine maximale Kühlleistung und im Winter eine maximale Heizleistung zu erbringen, und mit der Zwangskopplung der Klappen einen Mischbetrieb mit einer Mischung unterschiedlicher Luftströme, insbesondere in stufenloser Form, nicht zulasse, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung fallengelassen.

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten legt der Ate-Prospekt auch die Merkmale 2 und 3.2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in seiner in erster Linie verteidigten Fassung nahe. Auch die weiteren Merkmale 4.2 und 4.3 ergeben sich für den vom Patentgericht zutreffend bestimmten Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

a) Dass die Anordnung der Kammern (Merkmal 2), wie das Bundespatentgericht angenommen hat, eine bloße Frage baulicher Zweckmäßigkeit war, stellt auch die Berufung nicht ernsthaft in Frage. Der Senat tritt insoweit der Auffassung der Vorinstanz bei.

b) Merkmal 3.2 sieht vor, dass die Klappensysteme die Luftströme in Abhängigkeit von der Außenlufttemperatur und der gewünschten Raumlufttemperatur und -feuchtigkeit steuern. Daraus folgt entgegen der Auffassung der sich insoweit auf die Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts stützenden Berufung nicht, dass die Klappen notwendigerweise voneinander unabhängig in jede Position steuerbar sind. Auch eine eingeschränkte Steuerbarkeit kann dieses allgemeiner formulierte Merkmal ausfüllen.

Eine derartige Steuerbarkeit weist auch das in dem Ate-Prospekt vorbeschriebene Gerät auf. Die Textstelle S. 12 linke Spalte vorletzter Absatz des Ate-Prospekts besagt, dass für das Kühlen mit Außenluft hochwertige, dichtschließende Klappen in die Umluft, Außenluft und Fortluft eingebaut werden können, die über Stellglieder automatisch bewegt werden. Weiter wird auf S. 12 rechte Spalte vierter Absatz ausgeführt, dass Steuerung und Regelung vollautomatisch erfolgen; Steuer- und Regelgeräte und alle Bedienelemente seien in einer Gerätestelltafel eingebaut, ebenda heißt es in der rechten Spalte im vorletzten Absatz, dass die Bedienung der Geräte über ein Schalttableau erfolge; die Funktionen würden vorgewählt und über Lampen würden der Betrieb der einzelnen Komponenten und eventuell auftretende Störungen angezeigt, Temperatur- bzw. Feuchtefühler, angeordnet in der Rückluft, im Raum oder in der Zuluft, sorgten für einen automatischen Betrieb der Klimaschächte. Die mechanische Kühlung ist dabei entgegen der Auffassung der Beklagten in jedem Betriebszustand zur Regelung der gewünschten Raumlufttemperatur und -feuchtigkeit einsetzbar und erbringt die jeweils benötigte Kühlleistung. Auf S. 12 linke Spalte wird im drittletzten Absatz angegeben, dass die mechanische Kühlung über ein komplettes Kältesystem mit luftgekühltem Kondensator erfolge; bis auf die kleinen Geräte bestimmter Modelle seien sämtliche Ausführungen mit einem Sicherheits-Kühlkreislauf versehen, zudem seien Leistungsregelungen lieferbar. Angesichts dieser Ausgestaltung ist die Auffassung der Beklagten, dass bei den Geräten nach dem Ate-Prospekt Einschränkungen des Betriebs vorlägen, nicht nachvollziehbar.

c) Merkmal 4.3 sieht vor, dass die Anlage in einem Mischbetrieb aus Außenluft und Rückluft betrieben werden kann. Ihm sind die von der Beklagten angesprochenen drei "Unterkombinationen" nicht zu entnehmen. Das erste "und/oder" in diesem Merkmal besagt nicht mehr, als dass es genügt, dass zwei Außenluftströme unabhängig voneinander über Verdampfer und Kondensator geführt werden können, wie dies ist auch nach dem Ate-Prospekt der Fall ist. Die Beklagte veranschaulicht dies selbst mit den Anlagen BK2 - 4.

Auch die Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 402 163 erlaubt einen Mischbetrieb mit einer Mischung unterschiedlicher Luftströme in stufenloser Form. Dort wird nämlich ausführlich beschrieben, dass die Klappen (volets) alle Zwischenpositionen zur Mischung von Außenluft und Rückluft im variablen Verhältnis von 0-100% einnehmen können ("... correspondant à un melange d'air neuf et d'air vicie, dans des proportions determinees variables de 0 à 100% ..."; S. 5 Z. 35 - S. 6 Z. 1).

d) Merkmal 4.2 sieht einen reinen Außenluftbetrieb vor, bei dem Außenluft über den Verdampfer und/oder das Wärmerohr und Zuluftventilator an den Zuluftanschluss und Rückluft über den Kondensator und/oder das Wärmerohr und den Fortluftventilator an den Fortluftanschluss abgegeben wird. Dies wird sowohl in der Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 402 163 (siehe die vorgenannte Textstelle, wobei sich aus Figur 1 die Möglichkeit eines Luftflusses über den Kondensator 5 ergibt) als auch in der deutschen Offenlegungsschrift 30 27 447 (E9) gelehrt, bei der ein Wärmetauscher im Fortluftstrom vorgesehen ist, der beim Heizen als Verdampfer und beim Kühlen als Kondensator wirksam ist (Beschr. S. 5 übergehend auf S. 6) und der im Außenluftbetrieb an den Rückluft-Fortluftstrom Wärme abgibt, die dem Außenluft-Zuluftstrom mittels des Zuluft-Wärmetauschers entzogen worden ist (vgl. Beschr. S. 11 mittlerer Absatz und hierzu Fig. 1).

e) Von einer Zusammenschau dieser Entgegenhaltungen konnte den Fachmann auch nicht der Umstand abhalten, dass die Lage des Kondensators in dem Ate-Prospekt außerhalb des Außenluftstroms bewusst gewählt sein mag, um dadurch zu erreichen, dass der Kondensator keinen zusätzlichen Strömungswiderstand bieten konnte. Wollte der Fachmann nämlich eine universellere Einsetzbarkeit des Geräts, möglicherweise auch nur für eine untergeordnete Betriebszeit, erreichen, lag es für ihn auf der Hand, aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen dafür einen erhöhten Strömungswiderstand in Kauf zu nehmen, zumal der gerichtliche Sachverständige überzeugend angegeben hat, dass zum Anmeldezeitpunkt der Strömungswiderstand nicht im Blickpunkt des Entwicklers stand. Auch bei dem Klimaschrank nach dem Ate-Prospekt kann die Kältemaschine beim Außenluftbetrieb zugeschaltet werden; sie wird dann mittels eines Außenluftteilstroms oder in anderer Weise rückgekühlt. Dass der Fachmann für diese Rückkühlung auch den Rückluftstrom einsetzen konnte, wie dies in der Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 402 163 und der deutschen Offenlegungsschrift 30 27 447 geschieht, lag für ihn auf der Hand. Der Verneinung einer erfinderischen Leistung steht erst recht nicht entgegen, dass die Vorrichtung nach der Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 402 163 als "pompe à chaleur" (Wärmepumpe) bezeichnet ist, denn schon die Beschreibungseinleitung gibt an, dass sich die Erfindung auf Apparate zur Klimatisierung eines Wohn- oder Industrieraums ("aux appareils destines à assurer le conditionnement de l'air d'un local d'habitation ou industriel") bezieht, mithin also auf ein raumlufttechnisches Gerät im Sinn des Streitpatents; demzufolge stimmt auch die Klassifizierung bis in die Unterklasse überein.

IV. Hingegen erlauben die Ergebnisse der Verhandlung und Beweisaufnahme nicht die Wertung, dass auch der Gegenstand der hilfsweise verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 dem Fachmann nahegelegt war.

1. In dieser Fassung werden in Patentanspruch 1 folgende weitere Merkmale eingefügt:

5. Das zusätzliche Klappensystem (60), das in einem zusätzlichen Rückluftanschluss (9) angeordnet ist, 5.1 ist auf der Druckseite der Ventilatoren (41, 42) angeordnet und 5.2 steuert die Fortluftmenge oder den Rückluftanteil des Fortluftstroms (FL).

Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, einen Teil der Rückluft unmittelbar zur Fortluft zu leiten. Damit können Veränderungen des Raumluftdrucks ausgeglichen werden. Dies ermöglicht eine weitgehend voneinander unabhängige Steuerung der Luftströme, ohne dass auf deren ausgeglichene Gesamtbilanz geachtet werden muss. Zwar war aus der Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 402 163 ein zusätzliches Klappensytem in Gestalt der auf der Druckseite der Ventilatoren angeordneten Klappen (28, 29) bekannt. Diese Klappen sind aber keine "Zusatzklappen" für die Leitung der Rückluft zur Fortluft und lassen sich daher nicht ohne Weiteres auf die Lösungen, wie sie der Ate-Prospekt zeigt, übertragen. Für die von der Klägerin angeführte Überlegung, dass ein zusätzliches Klappensystem nur dann sinnvoll sei, wenn es durch einen zusätzlichen Rückluftanschluss ermöglicht werde, den Fortluftventilator zu umgehen, fand sich im Stand der Technik jedoch keine Anregung.

Den vom gerichtlichen Sachverständigen geäußerten Zweifeln an der Ausführbarkeit, die - falls sie durchgriffen - der Beschränkung des Patents entgegenstehen müssten, vermag der Senat nicht beizutreten. Der Sachverständige hat sich darauf gestützt, dass die Ausführbarkeit der Lösung, die Abluft ohne Einsatz eines Ventilators unmittelbar der Fortluft zuzuführen von der Dichtigkeit des zu be- und entlüftenden Raums abhänge. Dies zeigt, dass die nunmehr schutzbeanspruchende Lösung bei entsprechendem Aufwand grundsätzlich ausführbar ist; dass sie immer zum Erfolg führen muss, ist für die Bejahung der Ausführbarkeit nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschl. v. 28.4.1999 - X ZB 12/98, GRUR 1999, 920, 922 - Flächenschleifmaschine).

2. Die mit Patentanspruch 1 in dieser Fassung verteidigten, auf ihn rückbezogenen Patentansprüche werden von ihrer Rückbeziehung getragen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. §§ 91, 92, 97 ZPO.

Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Achilles Berger Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.11.2004 - 1 Ni 15/03 (EU) -






BGH:
Urteil v. 02.04.2009
Az: Xa ZR 52/05


Link zum Urteil:
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