Landgericht Heidelberg:
Urteil vom 26. April 2005
Aktenzeichen: 11 O 30/05 KfH

(LG Heidelberg: Urteil v. 26.04.2005, Az.: 11 O 30/05 KfH)

Tenor

1.Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.2.Der Verfügungskläger trägt die Kosten.3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Der Verfügungskläger darf die Vollstreckung durch die Verfügungsbeklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien handeln mit Kraftfahrzeugen. Die Verfügungsbeklagte hat einen Neuwagen Mercedes OFF-Roader ML 270 CDI am 05.02.2005 im Internet angeboten, ohne Angaben zum Kraftstoffverbrauch und CO²-Emissionen zu machen.

Auf die Abmahnung des Verfügungsklägers vom 08.02.2005 reagierte die Verfügungsbeklagte mit Anwaltsschreiben vom 16.02.2005 (AG 2), hielt der Klägerin eine Serienabmahnung (63 Fälle) vor und machte geltend, die beanstandete Werbung sei nicht geeignet, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, also zu verfälschen.

Der Verfügungskläger weist demgegenüber darauf hin, dass die Beklagte sich einen Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch verschaffe und legt dar, aus welchen Gründen kein Missbrauch gemäß § 8 Abs. 4 UWG vorliege.

Der Verfügungskläger beantragt,

der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten bzw. bei Anordnung von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt, im geschäftlichen Verkehr für den Verkauf von Personenkraftneuwagen - ohne Angabe über den offiziellen Kraftstoffverbrauch (Werte des Testzyklus innerorts und außerorts, sowie kombiniert) und den offiziellen spezifischen CO²-Emissionen im kombinierten Testzyklus zu werben.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus der Vorkorrespondenz und weist ergänzend darauf hin, dass die Werbung bereits am 08.02.2005 aus ihrer Internetplattform entfernt worden sei.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen und Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet aus nachstehenden Erwägungen:

1.

Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Beklagte durch die Art ihrer Werbung gegen die Pkw-EnVKV verstoßen hat, weil sie weder den Kraftstoffverbrauch noch die CO²-Emissionen angegeben hat.

2.

Gemäß § 3 UWG werden Wettbewerbshandlungen, die zur Beeinträchtigung der Interessen der Marktteilnehmer geeignet sind, nur unter der weiteren Voraussetzung vom UWG erfasst, dass die Beeinträchtigung nicht nur unerheblich ist. Damit soll zum Ausdruck kommen, dass die beanstandete Wettbewerbsmaßnahme von einem gewissen Gewicht für das Wettbewerbsgeschehen und die Interessen der Parteien sein muss.

3.

Ob die sogenannte Bagatellgrenze überschritten ist, ist im Rahmen einer alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Wertung festzustellen. Der Gesetzgeber nennt als Kriterien die Art und Schwere des Verstoßes, die zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb, den Schutzzweck des Wettbewerbsrechtes, die Betroffenheit einer Vielzahl von Marktteilnehmern, eine nicht unerhebliche Nachahmungsgefahr,

a)Das erstgenannte Kriterium ist nicht erfüllt, weil glaubhaft gemacht ist, dass die Neuwagenwerbung am 08.02.2005 wieder aus dem Internet entfernt worden ist. Die oben erwähnten Angaben waren endgültig erst ab 01.02.2005 zwingend vorgeschrieben.

b)Die zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb sind, da es sich nur um eine Anzeige für ein einzelnes Fahrzeug handelte, geringer als gering.

c)Wesentlicher Schutzzweck des Wettbewerbsrechtes ist es, die jeweiligen Entscheidungen der Kunden von unsachlichen Erwägungen und unsachlichen Beeinflussungen freizuhalten. Dabei ist von einem verständigen und vernünftigen Durchschnittsverbraucher auszugehen. Ein solcher Verbraucher wird einen Neuwagen dieser Preisklasse aber nicht allein wegen einer wenige Zeilen umfassenden Anzeige und sofort spontan erwerben, sondern sich zuvor über die Vor- und Nachteile dieses Typs und der weiteren Geländewagen oder anderer Fahrzeuge informieren. Entweder sind ihm Verbrauch und Emissionen gleichgültig - dann wird er durch die fehlenden Angaben auf der Internetseite nicht beeinflusst -, oder sie sind ihm aus der Werbung anderer Händler bzw. der Hersteller bekannt. Jedenfalls wird er sich durch die fehlenden Angaben der Beklagten nicht veranlasst sehen, ein Fahrzeug dieses Types überhaupt oder das bereits ausgewählte Fahrzeug bei der Verfügungsbeklagten zu kaufen.

d)Da nur ein einziges Fahrzeug angeboten wurde, sind nicht eine Vielzahl von Marktteilnehmern betroffen.

e)Zu erwägen ist allenfalls die Frage, ob nicht eine nicht unerhebliche Nachahmungsgefahr besteht. Werden durch Gesetz oder Verordnung zwingend vorgeschriebene Kennzeichnungen weggelassen und bleibt dies sanktionslos, so birgt dies grundsätzlich die Gefahr, dass die Vorschriften nicht beachtet werden. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Werbung nur ein einziges Fahrzeug betraf und die Beklagte den Rechtsverstoß erkannt und die Werbung alsbald eingestellt hat. Wer ihre Werbung verfolgt hat, wird aus dem Gesamtverhalten nicht den Schluss ziehen, man könne die Verordnung nicht einhalten, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

f)Auch aus dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch (§ 4 Nr. 11 UWG) ist der Antrag nicht begründet. Denn nicht jeder Regelverstoß, der die wettbewerbliche Lage verändert, ist zugleich unlauterer Wettbewerb. Zwar ist die Pkw-EnVKV ein Gesetz im formellen Sinne, sie hat jedoch keine zumindest sekundär wettbewerbsbezogene, d. h. auf die Lauterkeit des Marktverhaltens bezogene Schutzfunktion. Sie ist nicht (auch) dazu bestimmt, das Marktverhalten zu regeln, sondern soll letztlich dazu führen, dass die Kraftfahrzeuge umweltfreundlicher werden. Damit schützt die Vorschrift im Ergebnis nicht die Interessen der Marktbeteiligten, sondern Interessen der Allgemeinheit. Dies reicht nicht (vgl. BGHZ 144, 255, 267 ff. - Abgasemissionen).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.






LG Heidelberg:
Urteil v. 26.04.2005
Az: 11 O 30/05 KfH


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