Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Februar 2003
Aktenzeichen: 26 W (pat) 50/01

(BPatG: Beschluss v. 05.02.2003, Az.: 26 W (pat) 50/01)

Tenor

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Kostenantrag des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Marke 396 53 023 RED LION für die Waren

"Bier; Brausen, Limonaden, Tafelwasser, alkoholfreie Fruchtsaftgetränke, Fruchtsäfte, Biermischgetränke, Mineralwässer"

ist Widerspruch erhoben worden aus der u.a. für die Waren

"Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)"

eingetragenen Marke 2 081 750 RED BULL.

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch und die Erinnerung der Widersprechenden zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht bestehe zwischen den beiderseitigen Marken keine Ähnlichkeit, die eine Verwechslungsgefahr begründen könne. Auch die Gefahr der Verwechslung wegen einer gedanklichen Verbindung der Marken bestehe nicht, weil es sich bei der Widerspruchsmarke um einen Gesamtbegriff handele, der nicht allein durch den Bestandteil "RED" geprägt werde. Der Verkehr werde sich vielmehr in erster Linie an den Tierbezeichnungen orientieren und erst in einem weiteren Gedankenschritt unter Umständen an Kraft denken. Eine Gleichsetzung der Tierbezeichnungen aufgrund des Umstands, dass der Bulle in der chinesischen Astrologie ähnlich wie der Löwe in der westlichen Astrologie gewertet werde, sei nicht zu erwarten. Ein synonymer Sinngehalt beider Bezeichnungen liege nicht vor.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die Marken würden wegen der großen Bekanntheit der Widerspruchsmarke und des Umstands, dass das Wort "RED" allein für die Widersprechende Kennzeichnungskraft erlangt habe, zumindest gedanklich miteinander in Verbindung gebracht. In einer Verkehrsbefragung sei festgestellt worden, dass ein großer Teil aller Befragten und der überwiegende Teil der Konsumenten von sog. Energy-Drinks den Begriff "RED" kenne und der Auffassung sei, ein unter diesem Begriff vertriebener Energy-Drink werde von der Widersprechenden produziert . Das Wort "RED" sei deshalb als Stammbestandteil anzusehen, der Hinweischarakter auf das Unternehmen der Widersprechenden besitze. Der Eindruck eines Serienzeichens könne entstehen, sobald der Verkehr einem zweiten Zeichen mit dem gleichen Wortstamm begegne, wenn sich dieser Wortstamm dem Verkehr bereits als Bestandteil eines weithin bekannten Zeichens eingeprägt habe (BGH GRUR 1959, 538 - Rheumalind). Für die Gefahr einer gedanklichen Verbindung sei es dabei nicht erforderlich, dass der Stammbestandteil den Gesamteindruck der Marke allein präge (BGH GRUR 1974, 93 - Räuber). Die erhebliche Bekanntheit der Widerspruchsmarke sei von der Markenstelle nicht hinreichend berücksichtigt worden. Beiden Marken sei auch begrifflich gemeinsam, dass sie die Namen von Tieren verwendeten, die über Kraft, Energie und Schnelligkeit verfügten. Die assoziative Wirkung dieser Elemente, verbunden mit dem gemeinsamen, für die Widersprechende bekannten Element "RED", verstärke den Eindruck, dass es sich bei der angegriffenen Marke um eine Abwandlung der Widerspruchsmarke handele. Die Widersprechende beantragt unter Verweisung auf Urteile der Landgerichte Hamburg und Köln sowie des Handelsgerichts des Kantons Zürich (Schweiz) die Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse und die Anordnung der Löschung der angegriffenen Marke. Sie regt ferner die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Der Inhaber der angegriffenen Marke ist der Ansicht, dem Bestandteil "RED" der Widerspruchsmarke komme schon wegen seines beschreibenden Begriffsinhalts als mögliche Farbangabe für einen Energy-Drink nur geringe Kennzeichnungskraft zu, weshalb ihm auch der notwendige Hinweischarakter auf das Unternehmen der Widersprechenden fehle. Er bestreitet den Beweisgehalt der von der Widersprechenden vorgelegten Verkehrsbefragung, weil diese erst nach dem Anmeldetag der angegriffenen Marke in Auftrag gegeben und durchgeführt worden sei. Im übrigen schließt er sich der Begründung der angefochtenen Beschlüsse an und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen sowie der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht keine Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr i.S.d. genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon).

Ausgehend von diesem Grundsatz bedarf es im vorliegenden Fall für die Verneinung einer Verwechslungsgefahr wegen der teilweisen Identität und im übrigen erheblichen Ähnlichkeit der beiderseits beanspruchten Getränke sowie wegen der infolge der umfangreichen Benutzung der Widerspruchsmarke für einen sog. Energy-Drink überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft dieser Marke eines deutlichen Markenabstandes. Dieser wird von der angegriffenen Marke jedoch eingehalten.

Für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist prinzipiell von der registrierten Form der Marken auszugehen. Ein Elementenschutz eines aus einer älteren mehrgliedrigen Marke herausgelösten Bestandteils ist dem Markenrecht fremd (BGH GRUR 1996, 775, 776 - Sali Toft; GRUR 1999, 583, 584 - LORA DI RECOARO). Ein einzelner Markenbestandteil kann nur dann eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung haben, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt. Dies setzt allerdings voraus, dass der fragliche Bestandteil innerhalb der Gesamtbezeichnung eine eigenständig kennzeichnende Funktion aufweist und die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (BGH aaO - Sali Toft; GRUR 2000, 233, 234 - RAUSCH / ELFI RAUCH).

Bei den beiderseitigen Bezeichnungen "RED LION" und "RED BULL" kann unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze nicht davon ausgegangen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise sie unter Vernachlässigung der Wörter "LION" bzw "BULL" jeweils auf das Wort "RED" verkürzen und sich maßgeblich hieran orientieren werden. Bei beiden Marken handelt es sich um englischsprachige Gesamtbegriffe, deren Bedeutung auf Grund der Tatsache, weil sie jeweils aus Wörtern des englischen Grundwortschatzes gebildet sind, auch dem deutschen Verkehr weithin verständlich ist. Marken, die sich als einheitliche Gesamtbegriffe darstellen, werden vom Verkehr erfahrungsgemäß aber nicht auf einen ihrer Bestandteile verkürzt (BGH GRUR 1998, 932, 933 f - MEISTERBRAND; OLG Düsseldorf MarkenR 1999, 105 - City Plus). Auch dann, wenn zugunsten der Widersprechenden davon ausgegangen wird, dass ein rechtlich noch beachtlicher Teil der deutschen Verkehrskreise die Bedeutung der Marken nicht versteht, bestehen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für deren alleinige Prägung durch das in ihnen enthaltene Wort "RED"; denn in diesem Falle stehen die Markenwörter gleichrangig nebeneinander. Allein aus dem Umstand, dass Markenbestandteile nicht zu einem Wort verbunden oder räumlich voneinander getrennt sind, kann noch nicht auf die prägende Eigenschaft eines einzelnen Teils der Marke geschlossen werden (BGH aaO - Sali Toft).

Insgesamt unterscheiden sich die beiderseitigen Marken aufgrund der in ihnen enthaltenen abweichenden Bestandteile "LION" und "BULL" klanglich und schriftbildlich deutlich voneinander, da diese Bestandteile mehr als die Hälfte der Gesamtlänge der Marken ausmachen und sich im Klang und im Schriftbild erheblich voneinander abheben. Eine weitere deutliche Reduzierung der Verwechslungsgefahr ist erfahrungsgemäß zu erwarten, wenn die Marken einen dem Verkehr verständlichen abweichenden Begriffsinhalt aufweisen, weil die klanglichen und bildlichen Unterschiede in diesem Fall vom Verkehr schneller und besser erfasst werden und deutlicher in Erinnerung bleiben (BGH GRUR 1992, 130, 132 - Bally/BALL). Die beiderseitigen Marken weisen, wie bereits festgestellt wurde, mit ihren Bedeutungen "Roter Löwe" bzw "Roter Bulle" einen solchen deutlich unterschiedlichen Begriffsinhalt auf, so dass - ohne dass es hierauf wegen der ohnehin bestehenden erheblichen klanglichen und schriftbildlichen Unterschiede noch entscheidend ankommt - auch wegen dieser Bedeutungsunterschiede nicht damit zu rechnen ist, dass der Verkehr die angegriffene Marke für die Widerspruchsmarke hält.

Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die Marken i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Unter dieses Schutzhindernis, das ausschließlich Fälle einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr umfasst, fallen nicht alle wie auch immer gearteten gedanklichen Assoziationen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma). Vielmehr ist wegen der im Vordergrund stehenden Herkunftsfunktion der Marke (EuGH aaO - Sabèl/Puma) Voraussetzung für die Bejahung der Gefahr einer gedanklichen Verbindung von Marken, dass der Verkehr, der die Marken als solche nicht verwechselt, aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände der Auffassung sein kann, es handele sich um Marken ein und desselben Unternehmens oder - z.B. konzernmäßig - miteinander verbundener Unternehmen.

Im vorliegenden Fall liegen keine ausreichenden Tatsachen für die Annahme vor, der Verkehr werde die angegriffene Marke als weitere Marke der Widersprechenden ansehen.

Die Widersprechende hat nicht geltend gemacht, dass sie außer der Widerspruchsmarke andere Marken benutzt, die unter Verwendung der Bezeichnung "RED" und des Namens einer Tierart oder -gattung gebildet sind. Der Verkehr hat deshalb keine Veranlassung, in dem Bestandteil "RED" der Widerspruchsmarke den Stammbestandteil einer Markenserie der Widersprechenden zu sehen.

Soweit sich die Widersprechende zur Begründung der Gefahr einer gedanklichen Verbindung auf den Umstand beruft, dass die angegriffene Marke insgesamt wegen der Übernahme des Begriffs "RED" aus der Widerspruchsmarke sowie wegen der mit der Widerspruchsmarke korrespondierenden Hinzufügung einer Tierbezeichnung Ähnlichkeit mit dieser aufweise, reicht dies für die Annahme einer Herkunftsverwechslung nicht aus, weil die in den beiden Marken verwendeten Tiergattungen grundverschieden sind. Der von der Widersprechenden in den Vordergrund ihrer Argumentation gestellte Umstand, dass beide Tiergattungen in besonderem Maße Mut und Stärke symbolisierten, setzt analysierende Überlegungen voraus, die die Käufer von Energy-Drinks und anderen Erfrischungsgetränken in der Regel nicht anstellen.

Auch der Umstand, dass ein erheblicher Teil des Verkehrs das Wort "RED" als solches im Bereich der Energy-Drinks nach dem Ergebnis einer von der Widersprechenden in Auftrag gegebenen Verkehrsbefragung dem Herkunftsbereich der Widersprechenden zuordnet, rechtfertigt im vorliegenden Fall nicht die Bejahung der Gefahr einer gedanklichen Verbindung der beiderseitigen Marken. Bei dem Begriff "RED" handelt es sich um eine von Haus aus für Getränke schutzunfähige Angabe, weil sie zur Bezeichnung der Farbe, also der Beschaffenheit von Getränken dienen kann. Das Ergebnis der von der Widersprechenden vorgelegten Befragung ist deshalb - sofern es angesichts der erst nach dem Anmeldetag der angegriffenen Marke erfolgten Durchführung überhaupt verwertbar ist - allenfalls geeignet, der warenbeschreibenden Farbangabe "RED" unter Überwindung ihrer ursprünglichen Schutzunfähigkeit zu einer normalen, d.h. durchschnittlichen Kennzeichnungskraft zu verhelfen. Eine solche Argumentation käme letztlich der Behauptung gleich, ein schutzunfähiger Bestandteil der Widerspruchsmarke habe sich zwischenzeitlich im Verkehr durchgesetzt; ein derartiges Vorbringen ist jedoch im Widerspruchsverfahren unbeachtlich (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl § 42 Rn 48). Nicht nur deshalb läßt das Umfrageergebnis schließlich auch keinen allgemeinen Schluss darauf zu, dass der Verkehr jede unter Verwendung des Wortes "RED" gebildete, aus mehreren Bestandteilen bestehende Marke ebenfalls der Sphäre der Widersprechenden zuordnen würde.

Auch die von der Widersprechenden zur Stützung ihrer Auffassung vorgelegten Urteile anderer Gerichte stellen kein Indiz für das Bestehen einer Verwechslungsgefahr dar, weil sich in den entschiedenen Fällen konkrete Aufmachungen gegenüberstanden, bei denen neben der Übereinstimmung in dem Wort "RED" und der Verwendung einer jeweils anderen Tierbezeichnung auch Annäherungen in der Größe, Form und Farbgebung der Getränkedosen eine für die Entscheidung maßgebliche Rolle gespielt haben. Es kann aufgrund der bereits dargelegten Umstände nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr dann, wenn diese weiteren Ähnlichkeiten in der Aufmachung fehlen, nur wegen der Übereinstimmung in dem Wort "RED" und der beiderseitigen Verwendung einer Tiergattungsbezeichnung eine gemeinsame betriebliche Herkunft vermutet. Daher konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf die Widersprechende gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG besteht keine Veranlassung. Wegen der Bekanntheit der Widerspruchsmarke, der weitgehenden Identität bzw im übrigen großen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und der Übernahme des Wortes "RED" aus der Widerspruchsmarke in die angegriffene Marke kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Widersprechende in einer für sie von vornherein aussichtslosen oder kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation versucht hat, unter Außerachtlassung der ihr obliegenden prozessualen Sorgfalt ihr Interesse an der Löschung der angegriffenen Marke durchzusetzen. Die bloße Tatsache des Unterliegens der Widersprechenden reicht nicht aus, um ihr die Kosten aufzuerlegen, da im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren unabhängig vom Verfahrensausgang gemäß § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG der Grundsatz gilt, dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 MarkenG war kein Raum, weil nicht über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung über Tatfragen des Einzelfalls zu entscheiden war. Der Zulassung der Rechtsbeschwerde bedurfte es auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, da der im Hinblick auf die von der Widersprechenden benannten landgerichtlichen Urteile abweichende Verfahrensausgang nicht auf einer davon abweichenden Rechtsauffassung des Senats, sondern auf den jeweils zu berücksichtigenden unterschiedlichen tatsächlichen Umständen beruht.

Albert Kraft Reker Bb






BPatG:
Beschluss v. 05.02.2003
Az: 26 W (pat) 50/01


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