Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 23. Dezember 2003
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 24/02

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 23.12.2003, Az.: VI-U (Kart) 24/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Urteil entschieden, dass die Berufung der Beklagten gegen ein Zwischenurteil des Landgerichts Köln zurückgewiesen wird. Die Beklagte wurde außerdem dazu verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

In dem Fall ging es um eine Klage der Klägerin gegen die Beklagte, die ein Telekommunikationsnetz betreibt. Die Beklagte hatte in der Vergangenheit die Verbindungsentgelte der Klägerin abgerechnet und eingezogen. Nachdem die Beklagte jedoch neue Verträge angeboten hatte, in denen diese Leistungen eingeschränkt wurden, führte die Regulierungsbehörde ein Missbrauchsverfahren gegen die Beklagte durch. In diesem Verfahren wurde die Beklagte dazu aufgefordert, die früheren Leistungen weiterhin zu erbringen.

Die Klägerin hatte zunächst sowohl gegen die Regulierungsbehörde als auch gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Regulierungsbehörde, geklagt. Das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage ab. Daraufhin beantragte die Klägerin im vorliegenden Verfahren beim Landgericht Köln, dass die Beklagte verpflichtet wird, das Fakturierungs- und Inkassoverfahren fortzuführen. Das Landgericht Köln gab diesem Antrag statt, woraufhin die Beklagte Berufung einlegte.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied nun, dass die Klage zulässig ist und wies die Berufung der Beklagten ab. Es ist zuständig, über kartellrechtliche Streitigkeiten zu entscheiden und die Verwaltungsgerichte sind nicht zuständig. Außerdem besteht keine anderweitige Rechtshängigkeit, da der Gegenstand der vorliegenden Klage und der verwaltungsgerichtlichen Klage der Klägerin nicht identisch sind. Das Gericht entschied auch, dass die Klägerin den Antrag umgestellt hat und nun die Feststellung begehrt. Die Revision wurde nicht zugelassen und die Kosten des Berufungsverfahrens müssen von der Beklagten getragen werden. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Urteil v. 23.12.2003, Az: VI-U (Kart) 24/02


Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Juli 2002 verkündete Zwischenurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten aufer-legt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte unterhält ein bundesweites Telekommunikationsnetz mit rund 47 Millionen Telefonanschlüssen (Teilnehmernetz). Die Klägerin betreibt ein Telekommunikationsnetz ohne Teilnehmeranschlüsse (Verbindungsnetz im Sinne von § 3 Nr. 23 TKG). Sie bietet im Verkehr Sprachtelefondienste und Mehrwertdienste im Callby-Call-Verfahren an. In der Vergangenheit rechnete die Beklagte die für die Klägerin - wie auch die für andere Verbindungsnetzbetreiber - entstehenden Verbindungsentgelte aufgrund von Fakturierungs- und Inkassoverträgen ab. Hiernach oblag der Beklagten neben der Rechnungsstellung die Entgegennahme, Einziehung und Weiterleitung der Verbindungsentgelte sowie die Forderungsverfolgung (vorgerichtliche Mahnungen und gerichtliche Beitreibung) der Verbindungsentgelte. Aufgrund eines sog. Sideletter erbrachte die Beklagte inhaltsgleiche Leistungen auch in Bezug auf die Entgelte für bestimmte Mehrwert- und Auskunftsdienste.

Im März 1999 kündigte die Beklagte die bestehenden Fakturierungs- und Inkassoverträge. Die neuen Verträge, die sie Verbindungsnetzbetreibern wie der Klägerin anbot, sahen Fakturierungs- und Inkassoleistungen nur noch in einem verminderten Umfang vor. Auf Anregung einer Wettbewerberin führte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) daraufhin ein Missbrauchsverfahren gemäß § 33 Abs. 2 TKG gegen die Beklagte durch, zu dem unter anderem die Klägerin beigeladen war.

In diesem Verfahren forderte die Regulierungsbehörde die Beklagte durch Beschluss vom 21.2.2000 (Az. BK 3a-99/032) auf (Anl. K 2):

bis zum 31.12.2000 unverändert die Leistungen gemäß derzeit geltenden Fakturierungs- und Inkassoverträgen nebst jeweiligem Sideletter zu den dort vereinbarten Entgelten zu erbringen,

nach Maßgabe der derzeit geltenden Fakturierungs- und Inkassoverträge nebst jeweiligem Sideletter anderen Anbietern von Sprachtelefondienstleistungen, Auskunfts- und Mehrwertdiensten sowie Internetbycall folgende, dort näher bezeichnete Leistungen - mit Ausnahme der außergerichtlichen und gerichtlichen Forderungsverfolgung (Mahnwesen) sowie der Bearbeitung von Beschwerden, Anfragen und Auskünften - auch nach dem 31.12.2000 unverändert und ununterbrochen fortzuführen und diese auf Nachfrage auch auf entgeltpflichtige Auskunftsdienste, Mehrwertdienste und - mit Ausnahme von Punkt (b) - auf Internetbycall zu erstrecken:

Rechnungsstellung unter Aufnahme der einzelnen Produkte; Einzelverbindungsnachweis für sämtliche abgerechneten Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit, soweit vom Kunden ein Einzelverbindungsnachweis gewünscht wurde; Ausweisung einer vom Kunden an die Betroffene (d.h. an die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits) zu entrichtenden Gesamtrechnungssumme; Aufforderung zur Zahlung der Gesamtrechnungssumme an eine einheitliche Bankverbindung der Betroffenen, Entgegennahme der Gesamtrechnungssumme bzw. Ersteinzug der Gesamtrechnungssumme im Lastschriftverfahren; Weiterleitung der eingegangenen Zahlungen;

wobei hinsichtlich Mehrwertdiensten und Internetbycall solche Dienstleistungen nicht erfasst werden müssen, für die über das Verbindungsentgelt hinaus gesonderte Zahlungen anfallen oder für die - mit Ausnahme von Shared-Cost-Diensten - ein einheitliches Verbindungsentgelt erhoben wird, das sich nicht in Abhängigkeit von der Dauer der Verbindung bestimmen lässt; über diese ab 2001 zu erbringenden Leistungen ist bis zum 30.6.2000 ein entsprechendes Vertragsangebot, gerichtet auf Abschluss eines Inkasso- und Fakturierungsvertrages mit dem vorbezeichneten und dem zu Ziff. 3 tenorierten Inhalt abzugeben,

anderen Anbietern von Sprachtelefondienstleistungen, Auskunfts- und Mehrwertdiensten sowie Internetby-Call die für die Durchführung der Reklamationsbearbeitung und der außergerichtlichen und gerichtlichen Forderungsverfolgung erforderlichen aktuellen Bestandsdaten und Verbindungsdaten ihrer Teilnehmernetzkunden entsprechend dem Vertragsangebot vom 10.11.1999 nebst zugehörigem Handbuch mittels einer geeigneten Schnittstelle zu übermitteln.

Unter Ziffer 4. wurde die Beklagte aufgefordert, binnen zwei Wochen zu erklären, dass sie der Aufforderung gemäß den vorstehenden Ziffern 1. bis 3. nachkommen werde (Kursivdruck durch den Senat).

Nachdem die Beklagte eine Erklärung nach Ziffer 4. des Beschlusses abgelehnt hatte, erlegte die RegTP ihr mit weiterem Beschluss vom 14.3.2000 "zur Abstellung des Missbrauchs ihrer marktbeherrschenden Stellung nach § 33 Abs. 2 S. 1 TKG" auf, die im Beschluss vom 21.2.2000 unter den Ziffern 1. bis 3. näher bezeichneten Leistungen zu erbringen.

Gegen die Beschlüsse der RegTP vom 21.2. und 14.3.2000 erhoben sowohl die Beklagte als auch die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln - die Beklagte mit dem Ziel einer Aufhebung der genannten Beschlüsse, die Klägerin (von den übrigen Wettbewerbern, so auch von der Klägerin, im Sinn einer Musterklage verstanden) mit dem Antrag, die beklagte Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die RegTP, zu verpflichten, die Beschlüsse der Regulierungsbehörde vom 21.2. und 14.3.2000 dahin abzuändern, dass sich die der Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits vom 1.1.2001 an aufgegebenen Verpflichtungen außerdem auf folgende Leistungen erstrecken:

Mehrwertdienste und Internetbycall, sofern dafür über das Verbindungsentgelt hinaus gesonderte Zahlungen anfallen und sofern - mit Ausnahme von Shared-Cost-Diensten - ein einheitliches Verbindungsentgelt erhoben wird, das sich nicht in Abhängigkeit von der Dauer der Verbindung bestimmen lässt,

die erste außergerichtliche Mahnung.

Das Verwaltungsgericht Köln wies - nachdem es zuvor einen Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abschlägig beschieden hatte - die Klage der Klägerin durch Urteil vom 14.11.2002 (Az. 1 K 2532/00) inzwischen ab (Anl. BB 1). Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Über die Berufung ist noch nicht entschieden.

Parallel zu dem vor dem Verwaltungsgericht Köln geführten Verfahren beantragte die Klägerin - gerichtet an das Landgericht Köln -, der Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzugeben,

das bis zum 30.6.2001 vereinbarte Fakturierungs- und Inkassoverfahren mit Pilotwirkbetrieb über den 30.6.2001 hinaus bis zum endgültigen Abschluss der Klage der T... G... & C... K... gegen die Entscheidungen der RegTP durchzuführen und hierbei insbesondere die Mahnung von ausstehenden Forderungen durchzuführen.

Die Beklagte hatte die Fakturierung und das Inkasso im bisherigen Umfang (einschließlich von Mahnungen und gerichtlicher Forderungsbeitreibung) bis zum 30.6.2001 faktisch fortgeführt, sich für die Zeit seit dem 1.7.2001 jedoch endgültig geweigert, über den ihr durch die Beschlüsse der RegTP vom 21.2. und 14.3.2000 auferlegten Umfang hinaus weitere Inkassoleistungen zu erbringen und namentlich das Mahnwesen durchzuführen. In dem von ihr zugestandenen eingeschränkten Umfang hatte sie mit einigen Verbindungsnetzbetreibern, so auch mit der Klägerin, allerdings die Durchführung eines sog. Pilotbetriebs vereinbart, den die Klägerin durch ihren Verfügungsantrag auf Inkassoleistungen im bisher erbrachten Umfang ausgedehnt wissen wollte.

Das Landgericht Köln erließ die von der Klägerin begehrte einstweilige Verfügung und bestätigte diese auf den Widerspruch der Beklagten (Az. 81 O (Kart) 117/01). Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hob der Senat die einstweilige Verfügung des Landgerichts durch Urteil vom 19.12.2001 auf und verwarf den dahingehenden Antrag der Klägerin (Az. U (Kart) 48/01). Seine Entscheidung begründete der Senat mit der Unzuständigkeit der Zivilgerichte, der Klägerin in der vorliegenden Angelegenheit einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren. Die Kompetenz dafür liege allein bei den Verwaltungsgerichten. Aus § 2 Abs. 3 TKG, wonach die Vorschriften des GWB unberührt bleiben, ergebe sich nichts Gegenteiliges.

Mit ihrer Hauptsacheklage im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin im Sinne einer bloßen Konkretisierung ihrer Antragsfassung im Verfahren der einstweiligen Verfügung (vgl. GA 23) vor dem Landgericht Köln beantragt,

der Beklagten aufzugeben, für sie, die Klägerin, das Fakturierungs- und Inkassoverfahren (erstes und zweites Mahnverfahren und gerichtliche Forderungsverfolgung) durchzuführen,

nämlich gemäß dem Sideletter sowie dem "Handbuch der Arbeitsabläufe zum Fakturierungsvertrag zwischen ihr und Verbindungsnetzbetreibern, Version 2.1, gültig seit dem 01. August 1998" (Anlage 1) zu den in Buchst. B der Zusatzvereinbarung festgelegten Entgelten (gemäß Buchst. B Ziffer 1 [AGB - Anlage 2] sowie Buchst. B Ziffer 2).

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

Das Landgericht hat - abgesondert im Sinne von § 280 ZPO - vorab über die Zulässigkeit der Klage entschieden und hat diese durch ein Zwischenurteil bejaht. Auf die Entscheidungsgründe seines Urteils wird verwiesen.

Die Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt, mit der sie unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie auf die im Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung des Senats die Klage als unzulässig behandelt sehen will. Sie verteidigt jenes Urteil und will die Klage rechtlich in gleicher Weise behandelt sehen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage als unzulässig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, mit der Maßgabe, dass gemäß ihrem im ersten Rechtzug gestellten Klageantrag nicht Leistung, sondern Feststellung von der Beklagten begehrt werde.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die mit diesen vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Klage ist zulässig. Es bestehen mit Rücksicht darauf, dass mit einem (teilweise) deckungsgleichen Prüfungsgegenstand ein Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der Bundesrepublik Deutschland, diese vertreten durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) vor den Verwaltungsgerichten anhängig ist, insbesondere gegen die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, den vorliegenden Streitfall zu entscheiden, keine durchgreifenden Bedenken.

I. Zum prozessualen Gegenstand der vorliegenden Klage und des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten:

a) Die Klägerin hat (im Sinne einer Leistungsklage) im vorliegenden Klageverfahren zunächst den Antrag gestellt,

die Beklagte zu verpflichten, das bis zum 30.6.2001 vereinbarte Fakturierungs- und Inkassoverfahren mit Pilotwirkbetrieb (Vereinbarung vom 20.3./29.3.2001) über den 30.6.2001 hinaus bis zum endgültigen Abschluss ihrer Anfechtungs-/ Verpflichtungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland gegen den Beschluss der RegTP vom 21.2.2000 durchzuführen und hierbei insbesondere die Mahnung von säumigen Forderungen durchzuführen.

Dieser Antrag bezog sich auf Mehrwertdienste und Internetbycall, sofern dafür über das Verbindungsentgelt hinaus gesonderte Zahlungen anfallen und sofern - mit Ausnahme von Shared-Cost-Diensten - ein einheitliches Verbindungsentgelt erhoben wird, das sich nicht in Abhängigkeit von der Dauer der Verbindung bestimmen lässt. Das ergibt sich daraus, dass die Fakturierung und das Inkasso für die aus den genannten Dienstleistungen entstehenden Entgeltforderungen in den Beschlüssen der Regulierungsbehörde ausgeklammert war (Ausspruch zu 2. im Anschluss an (e)) und dass die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten begehrt hat, das bis zum 30.6.2001 vereinbarte Fakturierungs- und Inkassoverfahren, welches die Entgelte für die genannten Dienstleistungen umfasste, fortzuführen.

Aus der Bezugnahme auf die frühere Praxis der Beklagten geht ferner hervor, dass die Klägerin dem Umfang nach eine Verurteilung der Beklagten zur Durchführung der ersten und zweiten Mahnung sowie der gerichtlichen Forderungsverfolgung angestrebt hat. Der "insbesondere"-Teil des Antrags war nicht als eine sachliche Einschränkung aufzufassen, wie namentlich die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 14.2.2002 (GA 23, 24) deutlich machen.

Zuletzt hat die Klägerin im vorliegenden Prozess beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, für sie, die Klägerin, das Fakturierungs- und Inkassoverfahren (erstes und zweites Mahnverfahren und gerichtliche Forderungsverfolgung) durchzuführen,

nämlich gemäß dem Sideletter sowie dem "Handbuch der Arbeitsabläufe zum Fakturierungsvertrag zwischen ihr und Verbindungsnetzbetreibern, Version 2.1, gültig seit dem 01. August 1998" (Anlage 1) zu den in Buchst. B der Zusatzvereinbarung festgelegten Entgelten (gemäß Buchst. B Ziffer 1 [AGB - Anlage 2] sowie Buchst. B Ziffer 2).

Dazu hat die Klägerin erläuternd bemerkt, mit der Antragsumstellung sei eine materielle Änderung der beantragten Verpflichtung der Beklagten nicht verbunden. Die Neufassung diene lediglich einer Konkretisierung des Gewollten (und zwar mit Blick auf die Bestimmtheit des Klageantrags, vgl. GA 24).

b) Der Antrag der Klägerin, die die Beschlüsse der Regulierungsbehörde als einzige Verbindungsnetzbetreiberin angegriffen hat, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren lautet dahin,

die Beklagte zu verpflichten, die Beschlüsse der RegTP vom 21.2. und 14.3.2000 dahin abzuändern, dass sich die der Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits vom 1.1.2001 an aufgegebenen Verpflichtungen außerdem auf folgende Leistungen erstrecken:

Mehrwertdienste und Internetbycall, sofern dafür über das Verbindungsentgelt hinaus gesonderte Zahlungen anfallen und sofern - mit Ausnahme von Shared-Cost-Diensten - ein einheitliches Verbindungsentgelt erhoben wird, das sich nicht in Abhängigkeit von der Dauer der Verbindung bestimmen lässt,

die erste außergerichtliche Mahnung.

Damit decken sich die im vorliegenden Rechtsstreit sowie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Entscheidung gestellten Antragsbegehren im Ergebnis in der Weise, dass sie sich auf die Entgelte aus identischen Telekommunikationsdienstleistungen erstrecken. Nur im Umfang der begehrten Inkassoleistungen der Beklagten weichen die Klageanträge voneinander ab: Während Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens lediglich die erste außergerichtliche Mahnung ist, soll die Beklagte im vorliegenden Prozess zur Vornahme der ersten und zweiten Mahnung sowie zur gerichtlichen Forderungsverfolgung verpflichtet (oder - siehe unten - ihre Verpflichtung festgestellt) werden. Das Rechtsschutzziel des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geht im Ergebnis mithin in dem des vorliegenden Rechtsstreits auf. Soweit die vorliegende Klage einen streitgegenständlichen Überhang aufweist (nämlich hinsichtlich der zweiten Mahnung sowie hinsichtlich der gerichtlichen Forderungsbeitreibung), hat die RegTP eine Regulierung gemäß § 33 Abs. 2 TKG allerdings ebenfalls abgelehnt, weil sie eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten (des vorliegenden Prozesses) gemäß § 33 Abs. 1 TKG verneint und eine Verweigerung dieser Dienstleistungen als rechtmäßig angesehen hat. Insoweit ist die Verfügung der Regulierungsbehörde bestandskräftig geworden.

II. An diesem Vorverständnis gemessen ist für die vorliegende Klage der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, und zwar zu den Kartellzivilgerichten, und die sachliche Zuständigkeit des mit der Klage angerufenen Landgerichts Köln gegeben.

a) Gemäß § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Das mit der vorliegenden Klage zur Entscheidung unterbreitete Streitverhältnis stellt eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit in der besonderen Ausgestaltung einer Kartellzivilrechtsstreitigkeit dar. Kartellzivilrechtsstreitigkeiten sind unter anderem solche bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ergeben (§ 87 Abs. 1 Satz 1 GWB). Eine Streitigkeit ergibt sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, wenn die Klage auf kartellrechtliche Normen, namentlich auf solche des GWB, gestützt ist. Die Klägerin beruft sich zur Begründung ihrer Klage auf kartellrechtliche Vorschriften, nämlich auf einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte nach Art. 86 EGV (nunmehr Art. 82 EG) und § 19 Abs. 1, Abs. 4 GWB sowie auf einen Verstoß gegen das Behinderungsverbot des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 GWB. Es handelt es sich hierbei um Normverstöße, die in der Gestalt von Schadensersatzforderungen gemäß § 33 Satz 1 GWB und § 823 Abs. 2 BGB, § 249 BGB (hiernach im Fall eines Verstoßes gegen Art. 86 EGV/Art. 82 EG) Leistungsansprüche, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, begründen können. Diese Ansprüche sind bürgerlichrechtlicher Natur. Eine sondergerichtliche Zuständigkeit besteht hierfür nicht. Vielmehr weist § 87 Abs. 1 Satz 1 GWB den Kartellzivilgerichten für solche Ansprüche die Rechtswegzuständigkeit und die ausschließliche sachliche Zuständigkeit zu. Dies gilt gemäß § 96 Satz 1 GWB auch für die auf EG-Kartellrecht gestützten Ansprüche. Diese Ansprüche unterliegen keiner Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte.

b) Das Gesetz nimmt (im Sinne einer Bereichsausnahme) den Bereich der Telekommunikation von einer Anwendung des GWB nicht generell aus. Gemäß § 2 Abs. 3 TKG bleiben im Bereich der Telekommunikation die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unberührt. Welcher Anwendungsbereich den kartellrechtlichen Normen, insbesondere den oben genannten Vorschriften, auf dem Sektor der Telekommunikation hiernach nicht nur theoretisch, sondern im konkreten Fall verbleibt, und ob es namentlich so angesehen werden kann, als verdränge die sonderkartellrechtliche Norm des § 33 TKG im Sinne einer Spezialität die allgemeinen kartellrechtlichen Vorschriften, stellt keine Rechtsfrage dar, von deren Beantwortung die Zulässigkeit der Klage - und zwar die Bejahung des Rechtsweges und der sachlichen Zuständigkeit - abhängig zu machen ist. Diese Frage ist im Rahmen der vom Landgericht erst noch zu treffenden Sachentscheidung zu behandeln. Der Senat hat sie zur Entscheidung über die bei ihm angefallene Berufung nicht zu beantworten. Lediglich zur Klarstellung ist ergänzend zu bemerken, dass die Bestimmungen des EG-Kartellrechts den nationalen kartellrechtlichen (auch sonderkartellrechtlichen) Normen im Rang jedenfalls vorgehen, und dass das Gericht des zulässigen Rechtsweges, im vorliegenden Fall das Kartell-Landgericht Köln, den Rechtsstreit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtpunkten zu entscheiden, sich also auch nicht auf eine Anwendung der allgemeinen kartellrechtlichen Normen zu beschränken hat.

c) Genauso ist es eine erst bei der noch nicht vorgenommenen Prüfung der Begründetheit der Klage sich stellende Frage, ob die rechtskräftige Entscheidung der Verwaltungsgerichte über die dort anhängige Klage der Klägerin - im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung - für die Zivilgerichte bindend ist. Die Bindungswirkung rechtskräftiger verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen (nicht hingegen bestandskräftiger Verwaltungsakte, vgl. BGHZ 86, 356, 359; 90, 17,23) ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (vgl. NJW 1985, 2324; 3025, 3027). Sie betrifft namentlich die Entscheidung solcher Rechtsfragen, welche die Verwaltungsgerichte im Rahmen ihrer Vorfragenkompetenz zu entscheiden haben und von deren Beantwortung die Entscheidung eines Zivilprozesses im Sinne einer Vorfrage sachlich abhängig ist (vgl. BGH NJW 1985, 3025, 3027 m.w.N.). Die auf den Inhalt der sachlichen Entscheidung der Zivilgerichte begrenzte Bindungswirkung bleibt jedoch ohne Einfluss auf die Zulässigkeit der Klage. Sie kann in prozessualer Hinsicht lediglich zu einer Aussetzung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO führen. Diese rechtliche Beurteilung widerspricht nicht der Bewertung im Urteil des Senats vom 19.12.2001 (Az. U (Kart) 48/01). Dieses Urteil ist in einem auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Verfahren zwischen den Parteien ergangen. In jenem Urteil hat sich der Senat - unter Hinweis auf die Bindungswirkung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung - lediglich gegen eine Duplizierung der Möglichkeiten ausgesprochen, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen und diesen zu erlangen.

II. Der vorliegenden Klage steht nicht das prozessuale Hindernis einer anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Gegenstand der vorliegenden Klage, der - wie oben dargestellt worden ist - zudem einen prozessualen Überhang aufweist, ist in der Gestalt der verwaltungsgerichtlichen Klage der Klägerin gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die RegTP, nicht anderweit rechtshängig. Die an den Rechtsstreitigkeiten beteiligten Parteien sind nicht identisch. Im vorliegenden Zivilprozess ist die D... T... A... verklagt. Auch der prozessuale Streitgegenstand ist nicht identisch. Die auf die sonderkartellrechtliche Norm des § 33 TKG gestützten Ansprüche und die Ansprüche, die die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit aufgrund allgemeiner kartellrechtlicher Vorschriften erhebt, stellen unterschiedliche Streitgegenstände dar, da die Anspruchsvoraussetzungen jeweils verschieden sind und mit der Verschiedenheit der Tatbestandselemente auch die der Subsumtion unterliegenden Sachverhalte sich nicht oder nur teilweise gleichen.

III. Das an der Bestimmtheit des ursprünglich von ihr gestellten Leistungsantrags bestehende Zulässigkeitsbedenken (vgl. dazu BGH WuW/E BGH 2125, 2126 - Technics) hat die Klägerin im Übrigen dadurch behoben, dass sie im Senatstermin einen Feststellungsantrag gestellt hat.

Die Revision wird für die Beklagte nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Umstellung vom Leistungs- zu einem Feststellungsantrag begründet bei wirtschaftlicher Betrachtung der Sache kein Teilunterliegen der Klägerin. Der Gegenstandswert des Feststellungsantrags ist mit dem des allgemein gefassten früheren Leistungsantrags identisch.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für den Berufungsrechtszug: 500.000 Euro

Richter am OLG W... ist urlaubsbedingt ortsabwesend und kann nicht unterschreiben.

D... B...






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 23.12.2003
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