Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 8. März 2010
Aktenzeichen: 2 Ws 29/10

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 08.03.2010, Az.: 2 Ws 29/10)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Ulm abgeändert. Der Verteidiger hatte eine höhere Erstattung der Auslagen beantragt, die ihm aus einem abgetretenen Recht zustehen. Das Landgericht hatte jedoch lediglich einen Teil der beantragten Auslagen festgesetzt. Das Oberlandesgericht hat entschieden, dass dem Verteidiger zusätzlich zu dem bereits festgesetzten Betrag auch noch eine Erstattung der Erledigungsgebühr zusteht. Die insgesamt zu erstattenden Auslagen belaufen sich somit auf 275,19 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Das Gericht begründet dies damit, dass es sich nach der Abtrennung des Verfahrens um verschiedene Angelegenheiten handelt, die gesondert zu vergüten sind. Der Verteidiger kann jedoch keine erneute Grundgebühr beanspruchen, da er bereits vor der Trennung in den Fall eingearbeitet war. Die Verfahrensgebühr und die Erledigungsgebühr hingegen stehen ihm zu. Das Gericht legt dar, dass die Erledigungsgebühr entsteht, wenn das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird und eine auf die Förd




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Stuttgart: Beschluss v. 08.03.2010, Az: 2 Ws 29/10


Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verteidigers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Ulm vom 25. November 2009abgeändert.

Die zu erstattenden notwendigen Auslagen werden auf insgesamt EUR 275,19 inkl. MWStfestgesetzt.

Im übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründetverworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Ulm vom 25.11.2009. Er begehrt die Festsetzung höherer Auslagen, die ihm aus abgetretenem Recht zu erstatten sind, insbesondere die zusätzliche Festsetzung einer Grundgebühr gemäß Nr. 4100, 4101 VV RVG und einer Erledigungsgebühr gemäß Nr. 4141 VV RVG.

Der Beschwerdeführer ist der bestellte Verteidiger des Verurteilten, der vom Landgericht Ulm am 19.03.2009 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde. Vor dem Urteilsspruch hatte die erkennende Kammer die Ziffern 1 bis 120 der Anklage nach Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten zur eigenen Verhandlung und Entscheidung abgetrennt. Nach Abschluss des Verfahrens regte der Verteidiger mit Schreiben vom 24.03.2009 gegenüber dem Landgericht schriftlich an,  das Verfahren bezüglich der Anklagepunkte Ziffer 1 bis 20 [gemeint war offensichtlich 1 20] aus der Anklageschrift vom 20.10.2008 gem. § 154 StPO einzustellen . Die Anregung leitete das Gericht am 27.03.2009 an die Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Kenntnisnahme und Stellungnahme weiter. Mit Schreiben vom 18.04.2009 wiederholte der Verteidiger gegenüber dem Landgericht seine Bitte um Stellungnahme zu seiner Anregung auf Einstellung des Verfahrens. Mit Schreiben vom 21.04.2009 teilte das Landgericht ihm mit, dass die Staatsanwaltschaft zum Antrag noch keine Stellungnahme abgegeben habe. Nach Verwerfung der Revision des Verurteilten und Rückgabe der Akten an das Ausgangsgericht schrieb das Landgericht am 24.08.2009 erneut die Staatsanwaltschaft Ulm mit der  Bitte um Antragstellung betreffend § 154 II StPO  bezüglich der abgetrennten Taten an, die den Antrag am darauf folgenden Tag auch ohne weitere Begründung stellte. Am 26.08.2009 erklärte sich der Verteidiger telefonisch gegenüber dem Landgericht  mit der Verfahrenseinstellung nach § 154 II StPO bei Übernahme der Kosten auf die Staatskasse einverstanden . Daraufhin erging am 26.08.2009 im Hinblick auf die rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafe der Kammer vom 19.03.2009 der Einstellungsbeschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO bezüglich der abgetrennten Taten Ziffer 1 bis 120 der Anklage vom 20.10.2008. Hinsichtlich der Kosten führte die Kammer weiter aus:  Die insoweit abtrennbaren Kosten des Verfahrens und die abtrennbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse, § 467 Abs. 1 StPO.

Der Beschwerdeführer machte für das abgetrennte und eingestellte Verfahren mit Kostennote vom 08.09.2009 gegenüber der Staatskasse aus am 02.09.2009 individualvertraglich abgetretenem Recht folgende Auslagen des Verurteilten geltend:

Grundgebühr, Nr. 4100, 4101 VV RVG202,50 EURVerfahrensgebühr, Nr. 4106, 4107 VV RVG 171,25 EURErledigungsgebühr, Nr. 4141 VV RVG140,00 EURPostpauschale, Nr. 7001, 7002 VV RVG 20,00 EURZwischensumme533,75 EUR MWSt 19% 101,41 EUREndsumme635,16 EUR

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts vom 25.11.2009 wurden nur die beantragte Verfahrensgebühr, die Postpauschale und die Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt EUR 227,59 inkl. MWSt., nicht auch die Grundgebühr und die Erledigungsgebühr festgesetzt. Zwar handele es sich nach der Abtrennung um eine gebührenrechtlich eigenständige Angelegenheit. Die Grundgebühr sei aber nicht nochmals entstanden, da sich der Rechtsanwalt bereits vor Trennung eingearbeitet  habe. Die Erledigungsgebühr sei nicht entstanden, weil die  Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO &. auf Antrag der Staatsanwaltschaft ohne Anhörung des Angeschuldigten  erfolge und bei der vom Gericht eingeholten Zustimmung  keine auf die Förderung des Verfahrens gerichtet Tätigkeit  vorliege,  nachdem der Verteidiger eine solche Tätigkeit objektiv nicht ausüben konnte .

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer. Nach Abtrennung der Taten 1- 120 habe es sich  um völlig eigenständige Taten  gehandelt, die  völlig neu besprochen und bewertet  werden mussten. Insoweit sei auch die Grundgebühr entstanden. Hinsichtlich der Erledigungsgebühr verwies er auf seinen Schriftsatz vom 24.03.2009, mit dem er die Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO beantragt hatte und meinte weiter, sich an ein  diesbezügliches Telefonat mit dem zuständigen Berichterstatter der Kammer zu erinnern.

II.

Die gemäß § 11 Abs. 2 RPflG, § 464b StPO, § 104 Abs. 3 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und zum geringen Teil begründet.

Dem Beschwerdeführer steht aus wirksam abgetretenem Recht neben dem bereits zugesprochenem Betrag auch eine Erstattung der Erledigungsgebühr aus Nr. 4141 VV RVG in Höhe von EUR 40.- zzgl. MWSt zu, insgesamt also EUR 275,19 inkl. MWSt.

Im Einzelnen:

Verfahrensgebühr, Nr. 4112, 4113 VV RVG 171,25 EURErledigungsgebühr, Nr. 4141 VV RVG40,00 EURPostpauschale, Nr. 7001, 7002 VV RVG 20,00 EURZwischensumme231,25 EUR 19% MWSt, Nr. VV 7008 VV RVG 43,94 EUREndsumme275,19 EUR

1. Nach Abtrennung des Verfahrens zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung handelt es sich gebührenrechtlich nicht mehr um dieselbe Angelegenheit, sondern um verschiedene Angelegenheiten im Sinne des § 15 RVG, die eigenständig und daher gesondert zu vergüten sind (vgl. etwa Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 2. Auflage 2007, Nr. 4100 VV RVG, Rz 28).

2. Der Beschwerdeführer kann im abgetrennten Verfahren keine (erneute) Grundgebühr gemäß Nr. 4100, 4101 VV RVG beanspruchen, die bereits dem Wortlaut nach allein für die erstmalige Einarbeitung anfällt (Burhoff, a.a.O., Nr. 4100, Rz 28). Eingearbeitet in den Rechtsfall hat sich der Verteidiger im Ursprungsverfahren.

3. Die Verfahrensgebühr Nr. 4112, 4113 VV RVG (statt der beantragten Nr. 4106, 4107 VV RVG für erstinstanzliche Verfahren vor dem Amtsgericht) ist - wie schon im Kostenfestsetzungsbeschluss geschehen - in beantragter Höhe, d.h. in Höhe von EUR 171,25 netto anzuerkennen. Mit der Trennung entstand die Gebühr erneut. Der Senat geht - mit dem Revisor - davon aus, dass in vorliegender Sache eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr, und zwar in Höhe der Pflichtverteidigergebühr von EUR 151 angemessen ist, da das vorliegende Verfahren unter Berücksichtigung der in § 14 RVG genannten Kriterien als unterdurchschnittlich einzustufen ist. Angesichts der Überschreitung der Gebühr um nur 13% ist die Bestimmung durch den Verteidiger indes nicht unbillig im Sinne des § 14 RVG und daher anzuerkennen.

4. Dem Verteidiger steht ebenfalls die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu.

a. Dem Wortlaut nach entsteht die Gebühr, wenn die Hauptverhandlung  durch die anwaltliche Mitwirkung  entbehrlich wird, weil (Abs. 1 Nr. 1) das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird. Es entspricht der herrschenden Meinung, dass auch die Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eine nicht nur vorläufige Einstellung im Sinne der Norm ist, da der Fortführung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 4 und 5 StPO erhebliche Hindernisse entgegenstehen (Burhoff, a.a.O., VV 4141, Rz 14; Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage 2009, Rz 4; Schneider/Wolf, a.a.O, VV 4141, Rz 28; Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage 2008, VV 4141, Rz 15).

b. Gesetzessystematisch spricht - wie schon bei dem früher geltenden § 84 Abs. 2 BRAGO - eine Vermutung für eine Verfahrensförderung im Sinne von Nr. 4141 VV RVG durch den Rechtsanwalt, wenn dieser für den Angeklagten tätig wird und das Verfahren ohne Durchführung einer Hauptverhandlung abgeschlossen wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2002, 2 Ws 261/02, NStZ-RR 2003, 31 zu § 84 BRAGO; Burhoff, a.a.O., VV 4141, Rz 10; Gerold/Schmidt, a.a.O, VV 4141, Rz 12; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Auflage 2006, VV 4141, Rz 30; Hartmann, a.a.O, VV 4141, Rz 9).

Nach dem Ausschlusstatbestand des Nr. 4141 Abs. 2 VV RVG entsteht die Gebühr nur dann nicht, wenn  eine auf die Förderung gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist.  Daher trägt die Staatskasse die Beweislast für das Nichtentstehen der Gebühr.

c. Nr. 4141 VV RVG kann keine weitergehende Anforderung an die Quantität oder Qualität des anwaltlichen Mitwirkungsbeitrags entnommen werden. Der Grad der anwaltlichen Mitwirkung ist daher unerheblich, entscheidend ist vielmehr, dass überhaupt  eine auf die Förderung gerichtete Tätigkeit ersichtlich ist. Nach dem Wortlaut (gerichtete) genügt eine bloße Förderungsabsicht der Mitwirkungshandlung (Hartmann, a.a.O., VV 4141, Rz 8 und 9). Mit dem Ausschlusstatbestand der Nr. 4141 Abs. 2 VV RVG sollen offensichtlich nur sachfremde Eingaben und sich in keiner erkennbaren Weise auf die Sache selbst beziehende Tätigkeiten des Rechtsanwalts ausgeschlossen werden (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Für die Beurteilung kommt es daher einzig darauf an, ob ein Beitrag des Verteidigers vorliegt, der objektiv geeignet ist, das Verfahren in formeller und/oder materieller Hinsicht im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern (zu den denkbaren Mitwirkungshandlungen, siehe: Burhoff, a.a.O, VV 4141, Rz 7; Schneider/Wolf, a.a.O, VV 4141, Rz 31; Gerold/Schmidt, a.a.O, VV 4141, Rz 6 und 7; Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 2. Auflage 2007, VV 4141-4142, Rz 124; BGH, Urteil vom 05.11.2009, IX ZR 237/08, zitiert nach , zur Einlassung im Ermittlungsverfahren).

Mit der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung muss die auf Förderung  gerichtete  Mitwirkungshandlung für die Entscheidung des Gerichts insbesondere weder ursächlich noch mitursächlich sein (OLG Düsseldorf, a.a.O. zu § 84 BRAGO; Burhoff. a.a.O, VV 4141, Rz 11; Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 4141, Rz 10; Hartmann, a.a.O., VV 4141, Rz 8; Schneider/Wolf, a.a.O., VV 4141, Rz 30 - a.A.: KG Berlin, Beschluss vom 24.10.2006, 4 Ws 131/06, zitiert nach ; AG Betzdorf, Beschluss vom 16.05.2008, 2070 Js 30194/07, JurBüro 2008, 589 mit Verweis auf KG Berlin, a.a.O.; Mayer/Kroiß, RVG, 4. Auflage 2009, VV 4141, Rz 12 mit Verweis auf AG Betzdorf, a.a.O.). Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens sollen damit nachträglich nicht die subjektiven Erwägungen und Vorstellungen der entscheidenden Richter ermittelt werden müssen und als Maßstab für die Bewertung zugrunde gelegt werden.

Nichts anderes folgt im Hinblick auf die Quantität der anwaltliche Mitwirkung aus der Intention des Gesetzgebers, mit Schaffung von Nr. 4141 VV RVG den Grundgedanken des § 84 Abs. 2 BRAGO zu übernehmen, der  intensive und zeitaufwendige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeindung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führen, gebührenrechtlich honorieren wollte (Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG), BT-Druck 15/1971, S. 227). Die Begründung zeigt nur, weshalb der Gesetzgeber diesen Gebührentatbestand geschaffen hat. Angesichts des Gesetz gewordenen Wortlauts selbst kann hieraus aber keine einschränkende Auslegung im dem Sinn vorgenommen werden, dass unter anwaltlicher Mitwirkung nur intensive und zeitaufwändige Tätigkeiten zu verstehen wären (so aber KG Berlin, Beschluss vom 24.10.2006, 4 Ws 131/06, zitiert nach ). Die gebotene Auslegung des Gesetzes hat den in der Gesetzesbestimmung zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers zu erfassen, wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dessen Sinnzusammenhang ergibt. Die Materialien zur Entstehungsgeschichte dürfen dabei nicht mit dem objektiven Gesetzesinhalt gleichgesetzt werden, sondern sind nur unterstützend heranzuziehen. Die Begrifflichkeit  anwaltliche Mitwirkung  der Nr. 4141 VV RVG ist daher unter Berücksichtigung des in Absatz 2 ausformulierten Ausschlusstatbestandes in dem Sinn auszulegen, dass der Verteidiger durch seine Tätigkeit die endgültige Einstellung des Verfahrens zumindest gefördert,  eine auf die Förderung gerichtete Tätigkeit entfaltet haben muss.

Dieses Auslegungsergebnis entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Begriff der anwaltlichen Mitwirkung in Bußgeldsachen vor der Verwaltungsbehörde nach Nr. 5115 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG, dessen Wortlaut Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG entspricht. Auch dort genügt jede Tätigkeit, die zur Förderung der Verfahrenserledigung geeignet ist (BGH, Urteil vom 18.09.2008, IX ZR 174/07, zitiert nach , mit m.w.N). Nach der zutreffenden Begründung des Bundesgerichtshofs lässt sich der strengere Maßstab für die Erledigungsgebühr der Nr. 1002 VV RVG, der eine besondere, nicht nur unwesentliche und gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit verlangt (siehe hierzu etwa Schneider/Wolf, a.a.O. VV 1002, Rz 18 ff.; Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 1002, Rz 38 ff.) nicht auf Nr. 5115 VV RVG übertragen, da die Vorschrift u.a. nicht vergleichbare Verwaltungsstreitigkeiten betrifft. Nichts anderes gilt nach Ansicht des Senats auch für die Nr. 4141 VV RVG.

Negativ abzugrenzen ist im Fall der Nr. 4141 VV RVG die bloße Akteneinsicht oder die Verteidigerbestellung, die als solche noch nicht als auf die Förderung gerichtete Tätigkeit  wahrgenommen werden können (h.M, vgl. Burhoff, a.a.O., VV 4141, Rz 8, Gerold/Schmidt, a.a.O, VV 4141, Rz 9; AG Hannover, Beschluss vom 01.09.2005, 514 C 11137/05, JurBüro 2006, 79, Urteil vom 04.07.2005, 512 C 3993/05, JurBüro 2006, 313).

d. Danach wäre auch im vorliegenden Fall eine Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG nur dann ausgeschlossen, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist. Hier ist aber das Gegenteil der Fall: Die vorliegenden Anregungen einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO gingen zunächst vom Verteidiger aus und sind - da Kausalität gerade nicht erforderlich ist - auch dann ausreichend, wenn das Verfahren möglicherweise auch ohne die Anregung der Verteidigung eingestellt worden wäre (so auch LG Köln, Beschluss vom 23.04.2001, 104 Qs 69/01, StV 2001, 638; LG Saarbrücken, Beschluss vom 20.02.2001, 4 Qs 8/01 I, ebenda). Für die Beurteilung der anwaltlichen Mitwirkungshandlung kommt in diesem Fall hinzu, dass der Abtrennung des Verfahrens eine - wenn auch im einzelnen nicht näher bekannte - Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Verfahrensbeteiligten unmittelbar vorausging. Entgegen den Gründen des angefochtenen Beschlusses kommt es mangels Kausalitätserfordernis nicht darauf an, dass die Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch Gerichtsbeschluss auch ohne Anhörung des Beschuldigten und rechtlich ohne notwendige Beteiligung des Verteidigers erfolgen kann.

e. Bei Rahmengebühren bestimmt zwar grundsätzlich der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr - wie im vorliegenden Fall - von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sind die beantragten EUR 140.- netto nach Ansicht des Senats unbillig, da die für die Erledigung ausgeübte Tätigkeit unter Berücksichtigung der in § 14 RVG genannten Kriterien als deutlich unterdurchschnittlich einzustufen ist. Der Senat hält statt der beantragten Gebühr nur die Mindestgebühr in Höhe von EUR 40 - netto für angemessen.

5. Die Postpauschale Nr. 7001, 7002 VV RVG und die Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG waren antragsgemäß festzusetzen.

6. Die Kostenentscheidung folgt angesichts des geringen Teilerfolgs des Rechtsmittels aus 473 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 StPO (Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage 2009, § 473, Rz 6.)






OLG Stuttgart:
Beschluss v. 08.03.2010
Az: 2 Ws 29/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/747fe95ffeb0/OLG-Stuttgart_Beschluss_vom_8-Maerz-2010_Az_2-Ws-29-10




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