Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 7. Juni 2001
Aktenzeichen: 16 E 181/01

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 07.06.2001, Az.: 16 E 181/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

AuÀergerichtliche Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit dem Antrag,

den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Gegenstandswert für das Klageverfahren auf 4.808,48 DM festzusetzen,

ist nicht begründet.

Gemäß den §§ 8 Abs. 1 und 10 BRAGO iVm § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit nach der Bedeutung der Sache, wie sie sich aus dem Antrag des jeweiligen Klägers bzw. Antragstellers ergibt, und im Übrigen nach gerichtlichem Ermessen zu bestimmen. Dabei entspricht es der ständigen Rechtsprechung der mit Sozialhilfeangelegenheiten befassten Senate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, in Streitverfahren um die Verpflichtung der Sozialhilfebehörde zur Gewährung laufender Sozialhilfeleistungen in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 GKG den Jahresbetrag der geforderten Leistungen zugrundezulegen, wenn nicht deren Gesamtbetrag geringer ist.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Februar 2000 - 22 E 140/99 - und vom 6. April 2001 - 16 E 152/01 - (mwN).

Entsprechendes gilt in Fällen, in denen es nicht um laufende Sozialhilfeleistungen geht, sondern in denen darüber entschieden werden muss, ob dem jeweiligen Kläger oder Antragsteller nach Maßgabe besonderer sozialhilferechtlicher Vorschriften Leistungen abverlangt werden können, die mit der Gewährung von Sozialhilfe im Zusammenhang stehen; dem gleichzustellen sind Verfahren, in denen über die Rechtmäßigkeit einer Überleitung von Ansprüchen auf den Sozialhilfeträger nach § 90 BSHG zu befinden ist, weil eine solche Überleitung die Geltendmachung von Leistungsansprüchen durch den Sozialhilfeträger vorbereitet. In derartigen "Heranziehungsfällen", die im Hauptsacheverfahren prozessual als Anfechtungsklagen anhängig zu machen sind, ist es ebenso wie in Streitfällen über die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Hilfegewährung gerechtfertigt, wiederkehrende Leistungsverpflichtungen bei der Festsetzung des Gegenstandswertes nicht ohne zeitliche Begrenzung zu berücksichtigen, sondern lediglich für einen Zeitraum von 12 Monaten. Hinzu kommt allerdings bei solchen Anfechtungsklagen - anders als bei Verpflichtungsklagen über die Hilfegewährung -, dass entsprechend § 17 Abs. 4 GKG bereits fällige Leistungsansprüche gesondert in den Gegenstandswert des Verwaltungsrechtsstreits einfließen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Februar 1996 - 24 A 1760/95 -, vom 27. Februar 1997 - 8 E 719/96 - und vom 22. Oktober 1998 - 16 E 689/98 -.

Vorliegend geht der Senat davon aus, dass sich der Kläger mit seiner Klage gegen eine ihm vom Beklagten auferlegte Zahlungsverpflichtung zur Wehr gesetzt hat, es sich also um eine Anfechtungsklage gehandelt hat. Diese Auffassung liegt auch dem Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2000 und dem Beschwerdevorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers zugrunde. Gleichwohl kommt eine den Gegenstandswert erhöhende Berücksichtigung rückständiger Beträge nicht in Betracht. Entgegen dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 GKG kann es nämlich im verwaltungsrechtlichen Anfechtungsverfahren nicht darauf ankommen, ob bzw. in welchem Umfang bei Einreichung der Klage fällige Leistungsansprüche bestehen.

So im Ergebnis OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Februar 1996 - 24 A 1760/95 - und vom 18. Januar 2000 - 22 E 468/98 -; anders hingegen noch OVG NRW, Beschluss vom 27. Februar 1997 - 8 E 719/96 -.

§ 17 Abs. 4 GKG ist - wie auch § 17 Abs. 1 GKG - auf die Gegenstandswertbestimmung bei Streitigkeiten über gesetzliche Unterhaltspflichten zugeschnitten. Das bedeutet, dass in dem Bereich der unmittelbaren Anwendung von § 17 Abs. 1 und Abs. 4 GKG die auf das gerichtliche Verfahren bezogene Hauptsacheentscheidung den Leistungstitel und damit der Beginn des Gerichtsverfahrens die zeitliche Zäsur für die Unterscheidung der (zukünftig) wiederkehrenden Leistungen einerseits und gegebenenfalls von etwaigen zusätzlich geltend gemachten rückständigen (Unterhalts-)Beträgen bildet. Dem entspricht die Situation in sozialhilferechtlichen Streitverfahren - das heißt im Rahmen der lediglich entsprechenden bzw. sinngemäßen Anwendung von § 17 Abs. 1 und Abs. 4 GKG - gerade nicht. Gegenstand einer Verpflichtungsklage auf dem Gebiet des Sozialhilferechts ist für gewöhnlich der materiell mit dem Bekanntwerden einer Notlage (vgl. § 5 Abs. 1 BSHG) bzw. in der Praxis mit einem Hilfeantrag beim Sozialhilfeträger "einsetzende" und in aller Regel mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides "endende" und damit im Zeitpunkt der Klageerhebung typischerweise bereits zeitlich fixierte Leistungsbewilligungsanspruch, so dass für eine am Zeitpunkt der Klageerhebung ansetzende Unterscheidung zwischen rückständigen und zukünftigen Leistungsansprüchen von vornherein kein nachvollziehbarer Grund besteht.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. April 2001 - 16 E 152/01 - (zur Veröffentlichung vorgesehen).

Ebenso deutlich stellen sich die Dinge bei (sozialhilferechtlichen) Anfechtungsklagen dar. Klagegegenstand ist hier nicht etwa die dem Kläger auferlegte materielle Zahlungsverpflichtung (oder auch die vorbereitende Anspruchsüberleitung) als solche, sondern der vom Sozialhilfeträger gegen den jeweiligen Kläger erlassene Heranziehungsbescheid. Dieser Heranziehungsbescheid ist der "eigentliche" Zahlungstitel gegen den Kläger, nicht etwa - wie im zivilrechtlichen Unterhaltsstreit - die zusprechende Gerichtsentscheidung; die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage dient der Prüfung, ob dieser Titel Bestand hat oder wegen formeller oder materieller Mängel aufzuheben ist. Daher spricht alles dafür, die Unterscheidung zwischen (zukünftig) wiederkehrenden und bereits "fälligen" (rückständigen) Verpflichtungen auf den Zeitpunkt des Bescheides zu beziehen. Beschränkt sich der angefochtene Bescheid wie im vorliegenden Fall darauf, dem späteren Kläger für Zeiträume ab Erlass des Bescheides eine wiederkehrende Leistungspflicht aufzuerlegen, ist in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1 GKG lediglich die Höhe der geforderten Leistungen für die ersten zwölf Monate nach dem Erlass des Heranziehungsbescheides angemessen; eine Erhöhung des Gegenstandswertes entsprechend § 17 Abs. 4 GKG kommt lediglich dann in Betracht, wenn schon der Bescheid des Sozialhilfeträger auch Leistungspflichten für Zeiten vor dem Erlass des Bescheides beinhaltet, dieser also als entsprechend "höherwertig" anzusehen ist. Davon abweichend den Zeitpunkt der Klageerhebung als maßgebliche Zäsur zu betrachten, wäre demgegenüber nicht nur im Hinblick auf den Klagegegenstand der Anfechtungsklage systemwidrig, sondern würde wegen der in der Praxis erheblich differierenden Dauer des vor der Klageerhebung durchzuführenden Widerspruchsverfahrens auch in bedenklicher Weise Zufälligkeiten in die Festsetzung des Gegenstandswertes einfließen lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 188 Satz 2 VwGO iVm § 10 Abs. 2 Sätze 4 und 5 BRAGO und § 25 Abs. 4 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 BRAGO bzw. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 07.06.2001
Az: 16 E 181/01


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