Landgericht Dortmund:
Beschluss vom 25. März 2010
Aktenzeichen: 18 O 95/09 AktE

(LG Dortmund: Beschluss v. 25.03.2010, Az.: 18 O 95/09 AktE)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Dortmund hat in einem Beschluss vom 25. März 2010 (Aktenzeichen 18 O 95/09 AktE) entschieden, dass der Antrag der Antragstellerinnen auf Feststellung, dass bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes von 1976 zu bilden sei, unbegründet ist. Die Antragsgegnerin, eine Genossenschaft, ist zwar von dieser Regelung erfasst, beschäftigt jedoch nicht die erforderliche Anzahl von 2.000 Arbeitnehmern (§ 1 Abs. 1 Ziffer 2 Mitbestimmungsgesetz).

Die Antragstellerinnen argumentieren, dass die Antragsgegnerin als "herrschendes Unternehmen" im Sinne des § 5 Mitbestimmungsgesetz angesehen werden sollte, da die Arbeitnehmer der Unternehmen, an denen die F4 100%ige Beteiligungen hält, ihr zuzurechnen seien. Das Gericht lehnte diese Argumentation ab und entschied, dass keine Zurechnung von Arbeitnehmern anderer Unternehmen stattfinden sollte.

Die Antragsgegnerin selbst beschäftigt keine Arbeitnehmer, die unter den Arbeitnehmerbegriff fallen. Auch die unmittelbar von der Antragsgegnerin gehaltenen Unternehmen haben keine Mitarbeiter, die unter den Arbeitnehmerbegriff fallen. Die F2, an der die Antragsgegnerin zu 50% beteiligt ist, beschäftigt ebenfalls keine solchen Arbeitnehmer. Eine Zurechnung der Arbeitnehmer der Beteiligungsgesellschaften der F4 auf die F2 findet nicht statt, da die F2 als Kommanditistin von der Geschäftsführung und -vertretung ausgeschlossen ist. Eine faktische Beherrschung oder Beherrschbarkeit der F4 durch die Antragsgegnerin konnte das Gericht nicht feststellen.

Aufgrunddessen wurde der Antrag abgelehnt und die Antragsgegnerin muss die Verfahrenskosten tragen, während die Auslagen der Beteiligten nicht erstattet werden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Dortmund: Beschluss v. 25.03.2010, Az: 18 O 95/09 AktE


Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten trägt die Antragsgegnerin. Die Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Antragstellerinnen begehren im vorliegenden Statusverfahren die Klärung, ob die Antragsgegnerin einen Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetztes 1967 zu bilden hat.

Die Antragsgegnerin ist einer der sieben Regionalgesellschaften, in die der F-Konzern seine Geschäftstätigkeit im Bundesgebiet aufgeteilt hat. Wegen der Fläche des Absatzgebietes wird auf die kartographische Darstellung Blatt 9 der Akte Bezug genommen. Die Antragsgegnerin selbst beschäftigt keine Personen, die unter den Arbeitnehmerbegriff fallen. Sie hält unmittelbar Beteiligungen an mindestens 19 Tochtergesellschaften, die sämtlich in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften korporiert sind. Alle diese Tochtergesellschaften dienen jedoch lediglich als Rechtsträger von Vermögensgegenständen. Sie beschäftigen ebenfalls keine Personen, die unter den Arbeitnehmerbegriff fallen. Wegen der Darstellung des Geflechtes dieser unmittelbaren Beteiligungen wird auf die zu den Akten gereichte Anlage 2 zur Antragsschrift Bezug genommen.

Daneben hält die Antragsgegnerin 50 % des Stammkapitals der F2, die selbst ebenfalls keine Arbeitnehmer beschäftigt. Die übrigen 50 % des Stammkapitals der F2 werden von der (bundesweit agierenden) F3 gehalten. Diese F2 (im Folgenden: "F2") hielt ursprünglich 100 %ige Beteiligungen an einer Vielzahl von Tochterunternehmen, die sich in die Sparten "Service", "Einzelhandel", "Großhandel" und "Produktion" diversifizierten. Wegen der Darstellung des Beteiligungsgeflechts wird auf das Organigramm wie Anlage 3 zur Antragsschrift verwiesen. In diesen Töchterunternehmen der "F2" sind entweder 24.000 oder 31.500 Arbeitnehmer beschäftigt (die Angaben der Verfahrensbeteiligten differieren insoweit.), jedenfalls aber mehr als für die Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes 1976 erforderliche Mindestzahl von 2.000 Mitarbeitern.

Im Jahre 2009 wurde die F4 gegründet. Die Eintragung erfolgte am 09.10.2009. Einziger Kommanditist war und ist die "F2", die sich bei der Gründung der Kommanditgesellschaft zunächst mit einem Kommanditanteil von 1.000,00 € beteiligte. Nach Gründung der Kommanditgesellschaft übertrug die "F2" durch notariellen Vertrag rückwirkend zum 01.01.2009 ihr gesamtes Vermögen gegen Erhöhung des Kommanditkapitals auf 100 Millionen Euro im Wege der Ausgliederung zur Aufnahme gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 1 Umwandlungsgesetz auf die F4. Komplementär dieser Gesellschaft ist die F4 mit Sitz in N. Zu ihrem Vorstand gehören die Herren N2, S, T, X, T2 und Frau S2. Drei der sechs Vorstandmitglieder der "F4" (Herr N2, Herr S und Herr T) sind mithin zugleich Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin.

Nach dem Gesellschaftsvertrag der F4, wegen dessen weiteren, genauen Inhaltes auf die Ablichtung Blatt 43 - 52 der Akte Bezug genommen wird, bestehen zwischen dem Komplementär und der Kommanditistin folgende Regelungen:

Gemäß § 6 Abs. 1 ist zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft (allein) die Komplementärin berechtigt und verpflichtet. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 beschließt die ordentliche Gesellschafterversammlung u.a. über die Feststellung des Jahresabschlusses, über die Gewinnverwendung, über die Entlastung der Komplementärin und über die Wahl des Abschlussprüfers. Nach § 8 Abs. 4 Buchstaben a) - k) hat die Gesellschafterversammlung zudem über Änderungen des Gesellschaftervertrages, die Auflösung der Gesellschaft, den Erlass und die Änderung der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung, Kapitalerhöhungen, Änderungen der Rechtsform des Unternehmens, Zustimmung zur Bestellung von Prokuristen, Beschlüsse für die gemäß der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich ist, Feststellung des Jahresabschlusses und Beschlussfassung über die Gewinnverwendung, die Entlastung der Komplementärin, die Wahl des Abschlussprüfers und die Zustimmung zu weiteren außergewöhnlichen Geschäften im Sinne des § 164 Abs. 1 Satz 2 HGB, die die Komplementärin beabsichtigt, zu beschließen. Gemäß § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages werden Beschlüsse einstimmig gefasst, wobei sowohl die Komplementärin als auch die Kommanditistin stimmberechtigt sind.

Die Antragsteller sind der Ansicht, bei der Antragsgegnerin, die derzeit lediglich über einen nach den Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes gebildeten und damit nicht mitbestimmten Aufsichtsrat verfügt, sei ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat nach den Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zu installieren. Dies deshalb, weil der Antragsgegnerin die Arbeitnehmer der Unternehmen, an denen die F4 100 %ige Beteiligungen innehabe, zuzurechnen seien. Die Antragsgegnerin sei insoweit als "herrschendes Unternehmen" im Sinne von § 5 Mitbestimmungsgesetz anzusehen.

Die Antragsteller beantragen,

festzustellen, dass bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zu bilden ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

diesen Antrag zurückzuweisen.

Sie begründet dies damit, dass bei den von ihr unmittelbar beherrschten Unternehmen keine Beschäftigten vorhanden seien, die dem Arbeitnehmerbegriff unterfielen. Arbeitnehmer der F2 seien (unstreitig) ebenfalls nicht vorhanden. Eine Zurechnung der Arbeitnehmer der Töchterunternehmen der F4 habe weder auf die F2, noch auf sie, die Antragsgegnerin stattzufinden. Eine Zurechnung über ihre Beteiligung an der F2 scheitere zum einen daran, dass sie an dieser Gesellschaft nur zu 50 % (neben der F3) beteiligt sei. Eine Beherrschungssituation der "F2" folge auch nicht aus einer "faktischen Mehrheit", die aus der Möglichkeit folge, Entscheidungen zu blockieren; eine derartige "destruktive Mehrheit", so meint die Antragsgegnerin, reiche zur Annahme eines Beherrschungsverhältnisses nicht. Dies könne auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Vorliegens eines "Gemeinschaftsunternehmens" gefolgert werden, weil ein solches nicht bestehe. Einmal gibt es - unstreitig - keinen Konsortialvertrag zwischen der Antragsgegnerin und der F3. Des Weiteren werde auch keine einheitliche Leitungsmacht tatsächlich ausgeübt.

Letztlich, so meint die Antragsgegnerin, habe auch keine Zurechnung der Arbeitnehmer der F4 auf die "F2" stattzufinden. Denn die F2, so meint die Antragsgegnerin, sei nur Kommanditistin und von Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen. Die Komplementär-Stiftung sei in ihren Entscheidungen autark. Die Besetzung des Vorstandes sei (jetzt) auch nur zur Hälfte personenidentisch mit dem Vorstand der Antragsgegnerin, so dass von daher auch kein unmittelbares und faktisches Beherrschungsverhältnis der Komplementär-Stiftung durch die Antragsgegnerin vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Feststellung, dass bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zu bilden sei, ist unbegründet.

Die Antragsgegnerin, die in der Rechtsform einer Genossenschaft betrieben wird, ist ein von § 1 Abs. 1 Ziffer 1 Mitbestimmungsgesetzt 1976 erfasstes Unternehmen. Gleichwohl besteht kein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer, denn sie beschäftigt nicht für die Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes erforderliche Anzahl von 2.000 Arbeitnehmern, § 1 Abs. 1 Ziffer 2 Mitbestimmungsgesetz.

1.

Sie selbst beschäftigt - unstreitig - keine Mitarbeiter, die unter den Arbeitnehmerbegriff fallen.

2.

Eine Zurechnung von Arbeitnehmern anderer Unternehmen nach der Konzernvorschrift des § 5 Abs. 1 Mitbestimmungsgesetz hat ebenfalls nicht stattzufinden: a) Die Unternehmen, an denen die Antragsgegnerin unmittelbar Beteiligungen hält, beschäftigen ebenfalls keine Mitarbeiter, die unter den Arbeitnehmerbegriff fallen. b) Ebenso wenig verfügt die F2 (jetzt noch) über solche Arbeitnehmer. c) Eine Zurechnung der in dem Beteiligungsunternehmen der F4 beschäftigen Arbeitnehmer hat weder auf die

F2, noch unmittelbar auf die Antragsgegnerin stattzufinden. Ob eine Zurechnung im Verhältnis zwischen der Antragsgegnerin und der "F2" stattzufinden hätte, kann dahinstehen, denn es fehlt schon an einer Zurechnung der Arbeitnehmer der Beteiligungsgesellschaften der F4 auf die "F2". Die "F2" ist als Kommanditistin gemäß § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages von der Geschäftsführung und -vertretung ausgeschlossen. Zwar stehen ihr im Rahmen der Gesellschafterversammlung Stimmrechte über die in § 7 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Absatz 4 aufgeführten Beschlussgegenstände zu. Diese "Rest-Kompetenzen" reichen aber zur Überzeugung der Kammer nicht aus, um von einem beherrschenden Einfluss der "F2" auf die F4 ausgehen zu können. Darauf, dass ihr in der Gesellschafterversammlung ohnehin auch nur die Hälfte aller Stimmrechte zustünden, kam es danach nicht mehr an. Auch ein Beherrschen der F4 durch die Antragsgegnerin auf Grund faktischer Verhältnisse ist für die Kammer nicht feststellbar. Dass, wobei, wann und wodurch ein solches "Durchregieren" in der Vergangenheit einmal stattgefunden hätte, und dass dies auch gegenwärtig regelmäßig geschieht, tragen die Antragsteller selbst nicht vor. Die Kammer sieht auch keinen greifbaren Anhaltspunkt, hier irgendwelche Nachforschungen anzustellen. Die faktische Beherrschung oder auch nur Beherrschbarkeit folgt auch nicht aus der Personenidentität der Organe. Der Vorstand der "F4" ist nur zur Hälfte mit Mitgliedern besetzt, die zugleich dem Vorstand der Antragsgegnerin angehören. Diese haben mithin im Vorstand der Stiftung schon rechnerisch keine Mehrheit. Auch sonst ist nichts dafür vorgetragen und ersichtlich, dass eine faktische Beherrschung stattfindet. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 99 Abs. 6 AktG. Nach eben dieser Vorschrift hat auch die Antragsgegnerin die Verfahrenskosten zu erstatten. Eine

Erstattung der Auslagen der Beteiligten unterbleibt gemäß § 99 Abs. 6 Satz 9 AktG.






LG Dortmund:
Beschluss v. 25.03.2010
Az: 18 O 95/09 AktE


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/741b3eb532a0/LG-Dortmund_Beschluss_vom_25-Maerz-2010_Az_18-O-95-09-AktE




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