StGH des Landes Hessen:
Beschluss vom 3. September 1980
Aktenzeichen: P.St. 916

(StGH des Landes Hessen: Beschluss v. 03.09.1980, Az.: P.St. 916)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die vorliegende Gerichtsentscheidung handelt von einem Streit um das Eigentum an einer antiken Standuhr. Der Antragsteller und die Nichte des Antragstellers streiten darüber, wem die Standuhr aus dem Nachlass der verstorbenen Witwe L. gehört. Im Testament der Witwe L. wurde festgelegt, dass ihre Geschwister und deren Nachkommen gleichermaßen erbberechtigt sind. Die Standuhr wurde in einem gerichtlichen Vergleich in Verwahrung genommen. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Gerichtsverfahren zu diesem Streit. Der Antragsteller erhob Klage gegen die Nichte, da er der Auffassung ist, dass die Standuhr ihm gehören müsse. Das Landgericht wies die Klage ab und auch das Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Antragsteller legte daraufhin Grundrechtsklage beim StGH ein und rügte verschiedene Grundrechtsverletzungen.Der StGH erklärte den Antrag des Antragstellers jedoch für unzulässig, da er keine Kompetenz zur Überprüfung von Entscheidungen habe, die auf der Anwendung von Bundesrecht beruhen. Der StGH könne nur prüfen, ob das höchste in der Sache zuständige Gericht Grundrechte der Hessischen Verfassung verletzt habe. In diesem Fall habe das Oberlandesgericht Bundesrecht angewendet und nicht gegen Verfassungsrecht verstoßen. Der Antragsteller hatte keine schlüssigen Argumente vorgetragen, um eine Verletzung von Grundrechten zu belegen. Daher konnte der StGH die Grundrechtsklage nicht weiter prüfen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

StGH des Landes Hessen: Beschluss v. 03.09.1980, Az: P.St. 916


Tatbestand

I.

Der Antragsteller und dessen Nichte, Frau Dr med N. geborene B., streiten um das Eigentum an einer wertvollen antiken Standuhr aus dem Nachlaß der am 7. März 1965 kinderlos verstorbenen Witwe L., geborene A. . Diese errichtete am 26. Februar 1965 ein Testament, nach dem ihre Geschwister - der Antragsteller, dessen Bruder A. und die im April 1977 verstorbene Mutter der Frau Dr N., B.,- Erben zu gleichen Teilen sein sollten. Frau B. wiederum wurde von ihren drei Töchtern beerbt. Wegen der Standuhr, die sich zur Zeit auf Grund eines am 1. Dezember 1977 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs bei dem Notar S. in B. in Verwahrung befindet, ist es in den vergangenen Jahren zu mehreren Rechtsstreitigkeiten gekommen. Unter anderem hat der Antragsteller im Jahre 1978 gegen Frau Dr N. Klage bei dem Landgericht Frankfurt am Main erhoben mit folgendem Antrag:

I.Festzustellen, daß die 2,40 m hohe antike Standuhr, signiert "Johann-Christoph Seyffert aus Regenspurg" in Kirschbaumgehäuse mit schwarzer Fileteinlage auf kleinen Füßen, messinggetriebenem, feuervergoldetem Zifferblatt-Träger mit Rocaillenornamenten und Blattwerkornamenten, Zifferblatt und vier kleineren zifferblattartigen Anzeigern, sämtliche aus Emaille, die folgende Funktionen haben bzw anzeigen:a)Einstellung/Abstellung des Schlagwerks,b)Kalender mit Monatstagen 1 bis 31,c)Monatsbezeichnung,d)Einstellung des Spielwerks (auf Walze mit Glockenspiel) mit 8 Musikstücken (4 Menuette, 2 Arien, 2 Allegros)ferner mit Schaubild in der Mitte mit Bezeichnung der Wochentage in Form der entsprechenden mythologischen Symbole, Mondstandsindikation (synodischer Mondmonat mit beweglichem Schaubild des Mondes in der Mitte des Stundenzeigers mit Periodenlänge von 29 1/2 Tagen, 1/4-Stunden-Schlag auf Glocke, 4 Bleigewichten an Darmsaiten,

nach wie vor zum ungeteilten Nachlaß nach der am 7.3.1965 in B. verstorbenen Frau L., geb A., gehört;

hilfsweise,

1.festzustellen, daß die vorstehend beschriebene antike Standuhr gesamthänderisch den Erben der am 7.3.1965 in B. verstorbenen Frau L., nämlich dem Kläger und den Erben der am 23.4.1977 in B. verstorbenen Frau B., geb A., das sinda)Frau B., geb B., geb 10.9.1922,b)Frau Dr med N., geb B., geb 9.11.1925 (Beklagte),c)Frau M.-B., geb B.,gehört;

2.ihm die vorbeschriebene antike Standuhr Zug um Zug gegen Leistung einer ins Ermessen des Gerichts gestellten Ausgleichszahlung (hilfsweise einer solchen in Höhe von 12.500,-- DM) an die Beklagte zuzuweisen;3.die Beklagte zu verurteilen, ihm die vorgenannte antike Standuhr zu Alleineigentum zu übertragen und an ihn herauszugeben Zug um Zug gegen Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrages (hilfsweise gegen Zahlung von 12.500,-- DM) durch ihn.Das Landgericht Frankfurt am Main wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch am 29. Juni 1978 verkündetes Urteil - 2/23 0 60/78 - ab. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß die beklagte Frau Dr N. in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin über den Nachlaß der verstorbenen Frau L. die Standuhr am 11. August 1973 ihrer Mutter übereignet habe. Die gegen dieses Urteil seitens des Antragstellers eingelegte Berufung wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nach weiterer Beweisaufnahme durch am 10. Juli 1979 verkündetes Urteil - 9 U 94/78 - als unbegründet zurück und setzte den Wert der Beschwer auf 25.000,-- DM fest. Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main gelangte - wie vorher schon das Landgericht Frankfurt am Main - zu der Überzeugung, daß Frau B. auf Grund einer am 11. August 1973 erfolgten Übereignung durch Frau Dr N. Eigentümerin der Standuhr geworden sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses Urteils verwiesen.

Das Urteil wurde dem damaligen Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers seinen Angaben zufolge am 18. Oktober 1979 zugestellt; es ist rechtskräftig geworden.

II.

Mit am 16. November 1979 bei der Geschäftsstelle des Staatsgerichtshofs eingegangenen Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 12. November 1979 hat der Antragsteller Grundrechtsklage erhoben.

Er hat beantragt:

I.Die Urteile des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10.7.1979 - 9 U 94/78 - und des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.6.1978 - 2/23 0 60/78 - in Sachen A. gegen Dr N. werden für kraftlos erklärt und aufgehoben.II.Es wird festgestellt, daß die 2,40 m hohe antike Standuhr, signiert "Johann Christoph Seyffert aus Regenspurg" in Kirschbaumgehäuse mit schwarzer Fileteinlage auf kleinen Füßen, messinggetriebenem feuervergoldetem Zifferblattträger mit Rocaillenornamenten und Blattwerkornamenten, Zifferblatt und 4 kleineren zifferblattartigen Anzeigern, sämtliche aus Emaille, die folgende Funktionen haben bzw anzeigen:a)Einstellung/Abstellung des Schlagwerkes,b)Kalender mit Monatstagen 1 bis 31,c)Monatsbezeichnung,d)Einstellung des Spielwerks (auf Walze mit Glockenspiel) mit 8 Musikstücken (4 Menuette, 2 Arien, 2 Allegros) ferner mit Schaubild in Mitte mit der Bezeichnung der Wochentage in Form der entsprechenden mythologischen Symbole, Mondstandsindikation (synodischer Mondmonat mit beweglichem Schaubild des Mondes in der Mitte des Stundenzeigers mit Periodenlänge von 29 1/2 Tagen, Viertelstundenschlag auf Glocke, 4 Bleigewichten an Darmsaiten)nach wie vor zum ungeteilten Nachlaß nach der am 7.3.1965 in B. verstorbenen Frau L., geb A. gehört.

Hilfsweise:

1)Es wird festgestellt, daß die vorstehend beschriebene antike Standuhr nach wie vor gesamthänderisch den Erben der am 7.3.1965 in B. verstorbenen Frau L., nämlich dem Kläger und den Erben der nachverstorbenen Frau B. in Erbengemeinschaft gehört,2)Die vorbeschriebene antike Standuhr wird dem Kläger Zug um Zug gegen Leistung einer ins Ermessen des Gerichts gestellten Ausgleichszahlung (hilfsweise einer solchen in Höhe von 12.500,-- DM) an Frau Dr N. zugewiesen.3)Frau Dr N. wird verurteilt, die vorgenannte antike Standuhr an den Kläger zu Alleineigentum zu übertragen und an ihn herauszugeben Zug um Zug gegen eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrags (hilfsweise gegen Zahlung von 12.500,-- DM) durch den Kläger.Weiter hilfsweise:

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

III.

Das Land Hessen hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Antragsteller rügt die Verletzung folgender Grundrechte der Verfassung des Landes Hessen:

a) Gleichheitsgrundsatz (Anspruch auf rechtliches Gehör) Art 1,

b) Willkürverbot Art 2/II,

c) Entrechtungsverbot Art 3,

d) freie Meinungsäußerung (Kritikverbot) Art 11,

e) Eigentumsgarantie Art 45/I,

f) Erbrechtsschutz Art 45/IV.

Er vertritt die Auffassung, das Landgericht Frankfurt am Main und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hätten sich bei der Urteilsfindung von willkürlichen und sachfremden Erwägungen leiten lassen. Insbesondere die Richter des Oberlandesgerichts hätten aus sachfremden Erwägungen sein Vorbringen unbeachtet gelassen und eine unzutreffende, nicht vertretbare Beweiswürdigung vorgenommen. Sie - die genannten Richter - wären trotz von ihm vorgetragener zwingender Gegenargumente - die der Antragsteller auch in der Grundrechtsklage detailliert darlegt - den Aussagen der vernommenen Zeugen, die das tatsächliche Vorbringen der damaligen Beklagten wahrheitswidrig bestätigt hätten, in Kenntnis von deren Unrichtigkeit gefolgt und hätten Urkunden, die diese Aussagen widerlegten, "unterdrückt". Dies habe das Oberlandesgericht unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes deshalb getan, weil es die damalige Beklagte, deren als Zeugen vernommenen Ehemann - von Beruf Professor - und einen ebenfalls als Zeugen vernommenen F.'er Rechtsanwalt wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung einer strafrechtlichen Verfolgung habe entziehen wollen. Hierdurch hätten sich die erkennenden Richter des Oberlandesgerichts der Rechtsbeugung schuldig gemacht - weshalb auch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet worden sei -, "willkürlich gehandelt und sich damit außerhalb jeder Rechtsanwendung gestellt". Das Oberlandesgericht habe daher bei seiner Entscheidung überhaupt kein Recht und deshalb auch kein Bundesrecht angewendet, so daß der Hessische Staatsgerichtshof nach seiner eigenen Rechtsprechung zur Überprüfung und Aufhebung des oberlandesgerichtlichen Urteils berufen sei. Der durch die Willkür des Oberlandesgerichtsbedingte Verstoß gegen den Gleichheitssatz beinhalte zugleich eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs; dieses Grundrecht ergebe sich aus Art 1 der Hessischen Verfassung. Zugleich sei er - der Antragsteller - auch in seinem Grundrecht aus Art 3 der Hessischen Verfassung - Entrechtungsverbot - verletzt, welches ein Ausfluß der Menschenwürde sei. Ein Verstoß gegen das Grundrecht der freien Meinungsäußerung - Art 11 HV - liege darin, daß der Senatsvorsitzende des Oberlandesgerichts - ebenfalls willkürlich - seinen (jetzigen) Prozeßbevollmächtigten unter Verstoß gegen § 52 Abs 2 Bundesrechtsanwaltsordnung an der Ausführung der Parteirechte gehindert habe, um zu verhindern, daß bei der Zeugenvernehmung die Wahrheit an den Tag komme. Im Ergebnis verstoße das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auch gegen sein durch Art 45 der Hessischen Verfassung gewährleistetes Eigentumsrecht und Erbrecht.

Der Landesanwalt hält die Grundrechtsklage für unzulässig. Die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf der Anwendung von Bundesrecht und seien in einem bundesgesetzlich geregelten Verfahren ergangen. Solche Gerichtsentscheidungen seien wegen des Vorrangs von Bundesrecht einer verfassungsgerichtlichen Nachprüfung durch den Staatsgerichtshof entzogen. Der Antragsteller sehe offenbar in dem Verfassungsgericht eine weitere Rechtsmittelinstanz.

Der Antragsteller hatte außerdem - PSt 920 - beim Staatsgerichtshof den Erlaß einer einstweiligen Verfügung dahin beantragt, daß alle Rechtswirkungen aus den angefochtenen Urteilen bis zur Entscheidung über die Grundrechtsklage ausgesetzt sein sollten, insbesondere die streitbefangene antike Standuhr an ihrem derzeitigen Aufbewahrungsort bei einem Notar in B. zu verbleiben habe. Dieser Antrag ist durch Beschluß des Staatsgerichtshofs vom 26. März 1980 zurückgewiesen worden, da die ihm zugrundeliegende Grundrechtsklage unzulässig sei; wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des genannten Beschlusses verwiesen.

Gründe

Der Antrag kann keinen Erfolg haben; er ist unzulässig.

1.

Nach Art 131 Abs 3 HV, §§ 45ff StGHG kann jedermann den Staatsgerichtshof anrufen, der geltend macht, in einem von der Hessischen Verfassung gewährten Grundrecht verletzt worden zu sein. Der Antrag muß das Grundrecht bezeichnen und mit Angabe der Beweismittel die Tatsachen darlegen, aus denen sich die Verletzung ergeben soll. Ferner muß der Antragsteller zunächst die Entscheidung des höchsten in der Sache zuständigen Gerichts herbeiführen und sodann innerhalb eines Monats seit Zustellung den Staatsgerichtshof anrufen. Diesen Anforderungen genügt die von dem Antragsteller erhobene Grundrechtsklage.

2.

Wird jedoch - wie hier geschehen - gegen eine gerichtliche Entscheidung Grundrechtsklage erhoben, so kann sie verfassungsrechtlich nur in engen Grenzen überprüft werden.

a)

Der Staatsgerichtshof ist als Verfassungsgericht des Landes Hessen kein Rechtsmittelgericht, durch das eine neue in den Verfahrensordnungen der allgemeinen Gerichte, unter anderem in der Zivilprozeßordnung, nicht vorgesehene weitere Instanz eröffnet wird. Es ist deswegen nicht seine Aufgabe, die Urteile des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juni 1978 - 2/23 O 60/78 - und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juli 1979 - 9 U 94/78 - auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen tatsächlichen Feststellungen und auf die Richtigkeit oder Vertretbarkeit der Beweiswürdigung hin zu überprüfen (vgl etwa Hess StGH, Beschluß vom 2. April 1979 - PSt 875 -). Vielmehr hat der Staatsgerichtshof im Grundrechtsklageverfahren nur zu prüfen, ob das höchste in der Sache zuständige Gericht bei seiner Entscheidung subjektive Rechte verbürgende Normen (Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte) der Verfassung des Landes Hessen verletzt hat (ständ Rspr des Staatsgerichtshofs, vgl etwa Beschluß vom 26. Oktober 1977 - PSt 857 - unter Hinweis auf BVerfGE 29, 159/163/ und Bayerischer Verfassungsgerichtshof in VerfGH 26, 118 (121) sowie zuletzt Beschluß vom 23. Mai 1979 - PSt 862 -).

b)

Ein derartiger Verfassungsverstoß ist nur dann gegeben, wenn das Gericht bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht spezifisches Verfassungsrecht verletzt hat, sei es, daß grundrechtswidrige Rechtsvorschriften angewandt worden sind oder das Ergebnis der Auslegung Grundrechte verletzt, sei es, daß das Gericht bei seiner Entscheidung von einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung über die in Betracht kommenden Grundrechte ausgegangen ist oder gar willkürlich gehandelt hat und die angegriffene Entscheidung darauf beruht (ständRspr des Hessischen Staatsgerichtshof vgl Urteil vom 3. Juli 1968 - PSt 470 - = ESVGH 19, 7 (9); Beschluß vom 23. Mai 1979 - PSt 862 -; vgl auch BVerfGE 15, 219 (221f)).

3.

Für eine verfassungsrechtliche Überprüfung der vom Antragsteller mit der Grundrechtsklage angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen fehlt nach dem bisher Ausgeführten dem Staatsgerichtshof jegliche Prüfungskompetenz; denn Entscheidungen, die in einem bundesgesetzlich geregelten Verfahren ergangen sind und auf Bundesrecht beruhen, können nicht auf die etwaige Verletzung von Grundrechten der Verfassung des Landes Hessen überprüft werden. Bundesgesetze gehen nach Art 31 GG dem Landesrecht, auch dem Landesverfassungsrecht, im Range vor (Hess StGH, Beschluß vom 2. April 1979 - PSt 874 -). Daraus folgt, daß dem Staatsgerichtshof die Nachprüfung höchstrichterlicher Entscheidungen immer dann versagt ist, wenn sie auf der Anwendung und Auslegung von Bundesrecht beruhen und in einem bundesgesetzlich geregelten Verfahren ergangen sind (ständ Rspr des StGH, vgl etwa Beschluß vom 12. April 1978 - PSt 868 -; Beschlüsse vom 2. April 1979 - PSt 874 und PST 875 -).

Die angegriffenen Entscheidungen sind in einem bundesrechtlich, nämlich durch die Zivilprozeßordnung, geregelten Verfahren ergangen. Sie beruhen auch inhaltlich ausschließlich auf der Anwendung und Auslegung von Bundesrecht, nämlich den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Erwerb und den Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen (§§ 929ff BGB) und erbrechtlichen Bestimmungen. Das gilt auch für die von dem Antragsteller behauptete Beeinträchtigung der freien Meinungsäußerung, die er darin sieht, daß seinem jetzigen Prozeßbevollmächtigten von dem Vorsitzenden des erkennenden Senats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main kein Rederecht in der mündlichen Verhandlung eingeräumt worden ist. Ob und unter welchen Voraussetzungen der jetzige Bevollmächtigte des Antragstellers in jenem Verfahren auftreten und ein Rederecht und Fragerecht für sich in Anspruch nehmen konnte, bestimmt sich allein nach bundesrechtlich geregelten Vorschriften (zB §§ 78, 397 Abs 2 ZPO, § 52 Abs 2 BRAO). Auch insoweit fehlt daher dem Staatsgerichtshof die Prüfungskompetenz. Soweit mit der Grundrechtsklage die Verletzung von Verfahrensvorschriften durch angeblich mangelnde Sachaufklärung und angebliche Nichtberücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs gerügt wird, fehlt schließlich dem Staatsgerichtshof der Prüfungsmaßstab auch deswegen, weil die Hessische Verfassung kein Grundrecht auf rechtliches Gehör gewährt (ständ Rspr des Staatsgerichtshofs, vgl zB Beschluß vom 9. Februar 1972 - PSt 648 -, ESVGH Bd 22, S 135; Beschluß vom 5. November 1975 - PSt 794 -; Beschluß vom 23. Mai 1979 - PSt 867 -).

4.

Nach den unter IV 3 dargelegten Grundsätzen kann jedoch eine in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangene Gerichtsentscheidung trotz des Vorrangs des Bundesrechts auch gegenüber dem hessischen Verfassungsrecht (Art 31 GG) dann an den Maßstäben der Hessischen Verfassung gemessen werden, "wenn das Gericht sich willkürlich außerhalb der Rechtsanwendung gestellt, in Wahrheit also überhaupt kein Bundesrecht angewendet" habe (ständige Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs, vgl Beschluß vom 16. Dezember 1964 - PSt 400 -, Beschluß vom 28. Juli 1976 - PSt 793 - und Beschluß vom 26. Oktober 1977 - PSt 858 -). Ein derartiger nachprüfbarer Verstoß gegen das Willkürverbot liegt aber nicht bereits dann vor, wenn sich über die Verfahrensweise und die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Gerichts, dessen Entscheidung angegriffen wird, streiten läßt - dann würde das Verfassungsgericht im Ergebnis doch zu einem weiteren Rechtsmittelgericht -, sondern nur, wenn die Anwendung einfachen Rechts und das eingeschlagene Verfahren bei verständiger Würdigung der die Verfassung bestimmenden Prinzipien nicht mehr verständlich sind und sich daher der Schluß aufdrängt, daß die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfG 13, 132, 150). Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein.

Der Antragsteller trägt zwar vor, die Richter des Oberlandesgerichts hätten in der hier angegriffenen Entscheidung bewußt falsch zu seinem Nachteil entschieden und sich der Rechtsbeugung schuldig gemacht. Diese seine Behauptung vermag er jedoch nicht schlüssig darzutun. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts, daß es die Beweisaufnahme ausführlich und sorgfältig gewürdigt und sich auch mit den Gegenargumenten des jetzigen Antragstellers und damaligen Klägers im einzelnen auseinandergesetzt hat; das gleiche gilt für die in dem genannten Urteil enthaltenen Rechtsausführungen. Bei genauerer Betrachtung der Einzelheiten des Vorbringens des Antragstellers erschöpft es sich in Angriffen auf die Beweisermittlung und Beweiswürdigung sowie die Anwendung des Bundesrechts durch das Oberlandesgericht; das ist aber im Grundrechtsverfahren vor einem Verfassungsgericht unzulässig.






StGH des Landes Hessen:
Beschluss v. 03.09.1980
Az: P.St. 916


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