Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Februar 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 221/00

(BPatG: Beschluss v. 13.02.2002, Az.: 28 W (pat) 221/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

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Gründe

I.

Gegen die am 8.November 1996 für die Waren

"Personenkraftfahrzeuge; Motorräder; Fahrräder; Boote; Teile und Zubehör vorgenannter Waren soweit in Kl. 12 enthalten"

eingetragene Wortmarke EUROMAX ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren IR-Marke IR 465 226 ROMAX die u.a. für die Waren "silencieux echappements, ornements pour echappements" geschützt ist.

Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, nach Vorlage von Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung für Schalldämpfer und Auspuffanlagen die Einrede aber nicht mehr aufrechterhalten.

Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, daß auch bei sich gegenüberstehenden identische Waren im Bereich der Fahrzeugteile und damit zu fordernder strenger Anforderungen an den einzuhaltenden Markenabstand die Marken im Gesamteindruck nur eine geringe Ähnlichkeit aufwiesen, da die Widerspruchsmarke - obwohl buchstabengetreu in der angegriffenen Marke enthalten - in dieser wortmäßig bzw. in einer neuen Wortverbindung aufgehe, so daß eine Verwechslungsgefahr ausscheide.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie darauf hinweist, daß nicht nur die Waren teilweise, sondern auch die Marken identisch seien, da der Widerspruchsmarke lediglich das geläufig auf "Europa" hinweisende Kürzel "Eu" vorangestellt sei, was beim Verkehr zumindest den Eindruck einer Abwandlung der Widerspruchsmarke hervorrufe.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die patentamtlichen Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke nicht verwechselbar nahe im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach den genannten Vorschriften ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfaßten Waren. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke, wobei letztlich eine Wechselwirkung zwischen diesen Faktoren besteht, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt. Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend eine Verwechslungsgefahr im genannten Umfang nicht ausgeschlossen werden.

Was die sich gegenüberstehenden Waren betrifft, sind diese - nachdem die Benutzung für Schalldämpfer und Auspuffanlagen nicht mehr streitig ist - im Oberbegriff zu den Fahrzeugteilen der angegriffenen Marke identisch, was im allgemeinen dazu führt, dass an den von den Marken zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr noch einzuhaltenden Abstand eher strenge Anforderungen zu stellen sind. Allerdings ist vorliegend zu beachten, dass von den Waren primär keine Endabnehmer, sondern bevorzugt Fachleute und interessierte fachkundige Bastler angesprochen werden, die erfahrungsgemäß nicht nur den technischen Spezifikationen der Ware, sondern auch deren Kennzeichnungen erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Um bei dieser Sachlage selbst bei identischen Waren die Gefahr von Verwechslungen bejahen zu können, müssten die Vergleichszeichen angesichts des normalen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke eine ausgeprägte Annäherung aufweisen, was indes nicht der Fall ist.

Auszugehen ist dabei von dem für das Kennzeichnungsrecht maßgeblichen Grundsatz, daß zur Beurteilung der Ähnlichkeit wie der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr der beiden gegenüberstehenden Bezeichnungen auf deren jeweiligen Gesamteindruck abzustellen ist. Dieser Rechtssatz gilt auch für Einwortmarken, die stets in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind. Eine zergliedernde Betrachtungsweise einheitlicher Begriffe ist nicht möglich, sofern keine Gründe vorliegen, einzelne Teile als selbständig aussagekräftig auszusondern. Der Schutz eines aus einem Zeichen herausgelösten Elements ist dem Markenrecht fremd, so daß es rechtsfehlerhaft wäre, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich deshalb feststellen zu wollen, weil etwa - wie vorliegend - das Widerspruchszeichen buchstabengetreu in der angegriffenen Marke enthalten ist. Die Weglassung (oder Abspaltung) der Bestandteile von Zeichenwörtern ist - wenn überhaupt - allenfalls bei deutlich als beschreibend oder aus anderen Gründen abgehobenen Markenteile in eng begrenzten Ausnahmefällen denkbar, wofür es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte gibt. Insbesondere besteht kein Anlaß, bei dem auf den unbefangenen Hörer geschlossen wirkenden einheitlichen Wort "Euromax" die Anfangssilbe "Eu" als abspaltbar anzusehen, zumal sie ersichtlich in der geläufigen Einheit "Euro" verwendet wird, die der Verkehr aus einer Vielzahl von Wortverbindungen als Hinweis auf "Europa, europäisch" kennt. Bei der klanglichen wie bildlichen Worterfassung steht mithin nach Sprechrhythmus und Silbentrennung das Wort "Euro-Max" im Vordergrund und nicht etwa, wie die Widersprechende meint, "Eu-Romax". Allerdings ist der Widersprechenden insoweit zuzustimmen, als der Inhaber einer älteren Marke davor geschützt werden muß, dass sich ein anderer das Markenwort durch bloße Hinzufügung abspaltbarer Silben aneignet. Ergibt aber die Hinzufügung einer Silbe, wie hier "eu", die schriftbildlich auffällig ist und die Klangwirkung nachhaltig beeinflusst, ein neues Wort mit einer neuen Bedeutung, so ist die ältere Marke gar nicht mehr als solche erkennbar in der jüngeren enthalten. Genau das ist aber hier der Fall, da "euromax" mit seinem Anklang an "Europa" von der als Phantasiewort verstandenen Widerspruchsmarke wegführt. Tritt aber "romax" im Gesamtwort "Euromax" nicht mehr als eigenständiger, selbständig kennzeichnender Bestandteil hervor, ist allein der Gesamteindruck entscheidungserheblich, in dem sich die Marken deutlich unterscheiden.

Dies gilt zunächst in klanglicher Hinsicht. Zwar ist die Widerspruchsmarke phonetisch vollständig in der angemeldeten Marke enthalten, gleichwohl ergibt sich ein hinreichend unterscheidbares Klangbild der Vergleichsmarken, zumal die angegriffene Marke erkennbar von der Buchstabenfolge "Euro" beherrscht wird, die in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung hat. Die in der angemeldeten Marke zusätzlichen zwei Buchstaben "EU-" stehen unüberhörbar am Anfang des Markenwortes und sorgen im Gesamtklang nicht nur für eine abweichende Vokalfolge - einerseits euoa, andererseits oa -, sondern auch für eine abweichende Silbenstruktur, denn der nur zweisilbigen Widerspruchsmarke steht in dem angemeldeten Zeichen mit drei Silben ein deutlich längeres Wort gegenüber. Der Abweichung in diesen beiden Faktoren kommt auch besonderes Gewicht zu, denn für den klanglichen Gesamteindruck kommt es weniger auf einzelne Laute als vielmehr auf die Silbengliederung und Vokalfolge an (vgl Althammer/Ströbele/Klaka, aaO, § 9 Rdn 82). Außerdem liegen diese zusätzlichen Laute "EU-" am Wortanfang, der im allgemeinen stärker beachtet wird als die übrigen Zeichenteile. Unter diesen Umständen ist auch nicht ernsthaft mit einem "Verschlucken" der Laute "EU-" zu rechnen, zumal ein Diphthong klanglich stärker zum Tragen kommt als ein Einzelvokal.

Auch schriftbildlich sind diese beiden zusätzlichen Buchstaben am Wortanfang so auffallend, daß schon wegen der deutlich verschiedenen Zeichenlängen eine Verwechslungsgefahr nicht zu befürchten ist. In begrifflicher Hinsicht wäre an eine Markenähnlichkeit allenfalls zu denken, wenn der übereinstimmende Bestandteil "Romax" einen übereinstimmenden Sinngehalt aufwiese, wofür indes nichts ersichtlich ist. Ganz im Gegenteil führt auch hier die begrifflich überragende Bekanntheit von "Euro" von Übereinstimmungen im Sinngehalt weg.

Andere Arten der Verwechslungsgefahr kommen ebenfalls nicht in Betracht, insbesondere auch nicht die Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Diese Art der Verwechslungsgefahr umfaßt ausgehend von der Gesetzesbegründung und nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung nicht jede mögliche gedankliche Verbindung, sondern insbesondere die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur mittelbaren Verwechslungsgefahr und zur Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. Deren Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Weder weisen die Vergleichszeichen den gleichen Wortstamm auf noch besitzt dieser Stammbestandteil für die Betriebsstätte des rangbesseren Benutzers Hinweischarakter. Hinweischarakter ist insbesondere anzunehmen, wenn - der Markeninhaber den Verkehr bereits durch die Benutzung mehrerer eigener entsprechend gebildeter Serienmarken an diesen Stammbestandteil gewöhnt hat, oder - es sich bei dem fraglichen Element um einen besonders charakteristisch hervorstechenden oder - als Firmenhinweis verwendeten oder - sonst mit erhöhter Verkehrsgeltung ausgestatteten Bestandteil handelt, oder - sonstige Umstände (zB die Art der abweichenden Markenteile) diesen Schluß aufdrängen, wobei hier besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind, weil die Widersprechende noch über keine Serienzeichenbildung verfügt, sondern ihre Widerspruchsmarke bisher die einzige Marke ist (vgl Althammer/Ströbele/Klaka, aaO, § 9 Rdn 182, 187,188).

Keiner der genannten Fälle, die für die Annahme eines Hinweischarakters sprechen könnten, liegt hier vor. Ganz im Gegenteil spricht bereits die Wortbildung der angegriffenen Marke gegen die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr. Denn in "Euromax" treten die Silben "romax" nicht mit hinreichender Eigenständigkeit als Wortstamm hervor, sie sind vielmehr mit "Eu-" zu einem einheitlichen Ganzen verschmolzen: Der Laut "EU-" ist, wie schon ausgeführt, nicht als eigenständiges, insbesondere als Hinweis auf Europa beschreibendes Wortelement anzusehen, so daß der Verkehr meinen könnte, die Widerspruchsmarke werde nunmehr auch europaweit eingesetzt. Für eine solche Betrachtungsweise fehlt es an jeglichen Belegen und Verwendungsbeispielen. Zwar gibt es zahlreiche Wortverbindungen mit dem Kürzel "EU" als Hinweis auf die Europäische Union (EU-Verordnung, EU-Kommission, EU-Behörde usw.), vorliegend wird "Eu" indes als Teil von "euro" verwendet und vom Verkehr entsprechend als Einheit mit der Folge aufgefasst, dass die Widerspruchsmarke hier nicht mehr eigenständig in Erscheinung tritt. Allein aus dem Umstand, daß die angemeldete Marke die Widerspruchsmarke in Teilen phonetisch identisch übernommen hat, kann keine mittelbare Gefahr und damit auch keine Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens hergeleitet werden, jedenfalls in Fällen wie hier, in denen die phonetische Übernahme im Gesamteindruck zu einem völlig eigenständigen Charakter der jüngeren Marke führt. Es mag zwar sein, daß die angegriffene Marke aufgrund der phonetischen Identität ihrer zweiten und dritten Silbe mit der Widerspruchsmarke an diese im Wege der freien gedanklichen Assoziation erinnert, doch unterfällt dem Rechtsbegriff des gedanklichen Inverbindungbringens nicht jegliche wie auch immer geartete gedankliche Assoziation, und eine solche Assoziation ist auch hier zu weitgehend, als daß darauf die Annahme einer Verwechslungsgefahr gestützt werden könnte. Denn die angegriffene Marke ist trotz der teilweisen phonetisch identischen Übernahme hinreichend eigenständig abgewandelt.

Im Ergebnis konnte die Beschwerde damit unter allen rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkten keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen. Für die Auferlegung von Kosten bestand für den Senat allerdings keine Veranlassung (MarkenG § 71 Abs 1).

Stoppel Schwarz-Angele Martens Bb






BPatG:
Beschluss v. 13.02.2002
Az: 28 W (pat) 221/00


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