Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. April 2007
Aktenzeichen: 29 W (pat) 277/02

(BPatG: Beschluss v. 12.04.2007, Az.: 29 W (pat) 277/02)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. März 2001 und vom 16. September 2002 werden aufgehoben und das Deutsche Patent- und Markenamt angewiesen, die Löschung der Marke 300 00 620 anzuordnen für die Waren "Druckereierzeugnisse, Aufkleber, Schilder, Papier, Pappe, Schreibwaren soweit in Klasse 16 enthalten".

Gründe

I.

Die Wortmarke 300 00 620 FOCUS MONEY ist u. a. eingetragen für die Waren der Klasse 16

"Druckereierzeugnisse, Aufkleber, Schilder, Papier, Pappe, Schreibwaren soweit in Klasse 16 enthalten".

Die Eintragung ist am 30. März 2000 veröffentlicht worden.

Hiergegen hat die A... KG Widerspruch erhoben aus der älteren Wortmarke 1 063 539 Focusdie am 18. Mai 1984 für die Waren

"Papier, Pappe (Karton), Papier- und Pappwaren (soweit in Klasse 16 enthalten)"

der Klasse 16 in das Markenregister eingetragen worden ist.

Der Widerspruch richtet sich nach seiner Einschränkung in der mündlichen Verhandlung noch gegen die Waren "Druckereierzeugnisse, Aufkleber, Schilder, Papier, Pappe, Schreibwaren soweit in Klasse 16 enthalten" der jüngeren Marke.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 12. März 2001 zurückgewiesen, da auch bei identischen Waren keine Verwechslungsgefahr vorliege.

Hiergegen hat die Widersprechende Erinnerung eingelegt. Die Markeninhaberin hat im Erinnerungsverfahren die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat eine eidesstattliche Versicherung des Prokuristen der Firma B... GmbH über deren mit ihrer Zustimmung erfolgten Be- nutzung für die Jahre 1996 bis Juli 2001 sowie Verpackungsbeispiele vorgelegt.

Die Markeninhaberin hat daraufhin ausdrücklich erklärt, sie halte den Nichtbenutzungseinwand für die Ware "Pappe" aufrecht.

Mit Beschluss vom 16. September 2002 wurde die Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass die jüngere Marke den erforderlichen großen Abstand einhalte, auch wenn man von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ausgehe und berücksichtige, dass sich die Marken zumindest teilweise auf identischen Waren begegnen könnten. Die Marken unterschieden sich klanglich und schriftbildlich durch ihre unterschiedlichen Längen. Das jüngere Zeichen werde als zusammenhängender Begriff im Sinn von "Geldfragen, die im Brennpunkt stehen" verstanden, so dass es nicht durch den Bestandteil "FOCUS" allein geprägt werde. Auf die Benutzung der Marke 1 063 539 komme es bei dieser Sachlage nicht an.

Dagegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die angegriffene Marke den wegen der vorliegenden Warenidentität und der zumindest normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu wahrenden großen Abstand nicht einhalte. Die jüngere Marke werde durch ihren Bestandteil "FOCUS" geprägt. Der daneben enthaltene Bestandteil "MONEY" stelle ein bloßes Füllsel dar, das dazu diene, vom identischen und allein kennzeichnungskräftigen Bestandteil "FOCUS" abzulenken. Die Bestandteile "FOCUS" und "MONEY" stünden hinsichtlich der Waren "Papier, Pappe" beziehungslos nebeneinander. Für diese Waren habe die Wortfolge "FOCUS MONEY" keine sinnvolle Bedeutung, so dass sie auch nicht als Gesamtaussage angesehen werden könne. Unabhängig davon habe der Begriff "FOCUS" in der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise davon ausgingen, die betreffenden Waren kämen aus demselben oder einem wirtschaftlich verbunden Unternehmen. Gerade auf dem Papiersektor sei es üblich, auf verschiedene Eigenschaften der Papiersorte durch das Hinzufügen von weiteren Bestandteilen zu einer Dachmarke hinzuweisen. Dass "FOCUS" aufgrund einer intensiven Benutzung für Zeitschriften und Druckerereignisse eine starke Marke sei, sei unerheblich. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft sei aus Rechtsgründen nur bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigen.

Die Beschwerdeführerin hat im Parallelverfahren 29 W (pat) 138/06 über ihren Widerspruch gegen die Wort-/Bildmarke Grafik der Marke 30000619.5 der Beschwerdegegnerin eine eidesstattliche Versicherung des Leiters Beschaffung und Produktmanagement der Firma C... GmbH & Co. KG in D..., über deren mit ihrer Zu- stimmung erfolgten Benutzung im Zeitraum von März 2005 bis Dezember 2006 sowie Verpackungsbeispiele vorgelegt. Auf diese Unterlagen beruft sie sich auch im vorliegenden Fall. In der mündlichen Verhandlung hat sie ausdrücklich erklärt, dass die Widerspruchsmarke nur für "Papier" benutzt werde.

Die Beschwerdeführerin beantragt, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. September 2002 und vom 12. März 2001 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen für die Waren "Druckereierzeugnisse, Aufkleber, Schilder, Papier, Pappe, Schreibwaren, soweit in Klasse 16 enthalten".

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Einrede der Nichtbenutzung bezüglich der Ware "Papier" aufrecht. Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr bestehe. Vorliegend bestünden in klanglicher, begrifflicher und grafischer Hinsicht erhebliche Unterschiede. Der Bestandteil "FOCUS" präge die jüngere Marke nicht allein und nehme dort auch keine selbständig kennzeichnende Stellung ein. Die Widerspruchsmarke weise von Haus aus als Bezeichnung für "Brennpunkt" und aufgrund einer nachträglichen Schwächung durch die vielfache Eintragung der Wortmarke "FOCUS" zu Gunsten der Beschwerdegegnerin eine nur unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. "FOCUS" besitze den Status einer berühmten Marke. Die Beschwerdegegnerin beruft sich hierzu auf mehrere Umfragegutachten. Auch verfüge sie über eine Reihe von Serienzeichen. Bei Serienzeichen komme dem abweichenden Bestandteil kennzeichenprägende Kraft zu. Der Verkehr erkenne, dass die Markeninhaberin unter der Vielzahl ihrer Medienleistungen eine bestimmte hervorhebe, so dass "MONEY" zum charakteristischen und für den Verkehr bedeutsamen Merkmal der angegriffenen Marke werde. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheide aus, da die Widersprechenden keine Zeichenserie mit dem Stammbestandteil "Focus" habe, wie in den Entscheidungen des 33. Senats angenommen (33 W (pat) 4/04; 5/04 und 7/04).

Am 27. Juni 2003 wurde über das Vermögen der ursprünglichen Widersprechenden das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Er hat die Widerspruchsmarke im Laufe des Beschwerdeverfahrens veräußert. Inzwischen wurde sie auf die jetzige Beschwerdeführerin übertragen und mit Verfügung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Dezember 2005 auf sie umgeschrieben. Sie hat das Verfahren übernommen.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Insolvenz der früheren Widersprechenden steht einer Entscheidung nicht entgegen. Nach dem Verkauf der Widerspruchsmarke war die Insolvenzmasse nicht mehr betroffen, so dass das Beschwerdeverfahren nach seiner Aufnahme am 6. April 2005 durch die Rechtsvorgängerin der jetzigen Beschwerdeführerin fortgesetzt werden konnte.

Die Löschung der jüngeren Marke war im angegriffenen Umfang anzuordnen. Zwar besteht zwischen den Vergleichszeichen keine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Da aber der Bestandteil "FOCUS" in der jüngeren Marke neben dem weiteren Bestandteil "MONEY" seine selbständige kennzeichnende Stellung beibehält, besteht angesichts der identischen bzw. im Bereich engster Ähnlichkeit liegenden Waren für die angesprochenen Verkehrskreise die Gefahr, dass die einander gegenüberstehenden Marken i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und der Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR Int. 1998, 875, 876 f. - Canon; BGH GRUR 2004, 598, 599 -Kleiner Feigling; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder; GRUR 2006, 60 ff. - Rn. 12 - coccodrillo; GRUR 2006, 859 ff. - Rn. 16 - Malteserkreuz).

1. Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke in zulässiger Weise nach § 43 Abs. 1 und 2 MarkenG für die Waren "Papier, Pappe" bestritten. Die Widerspruchsmarke ist seit dem 18. Mai 1984 und damit im Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 30. März 2000 seit mehr als fünf Jahren im Register eingetragen (§ 43 Abs .1 Satz 1 MarkenG). Damit sind zugleich die Voraussetzungen der Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG erfüllt. Als relevante Benutzungszeiträume ergeben sich die Zeit vom 30. März 1995 bis zum 30. März 2000 und vom 24. Januar 2002 bis zum 24. Januar 2007, wobei die Benutzungshandlungen nicht die gesamten Fünfjahreszeiträume ausfüllen müssen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 26 Rn. 48 m. w. N.).

Eine ernsthafte Benutzung einer Marke im Inland i. S. v. § 26 MarkenG liegt vor, wenn sie im Rahmen einer normalen wirtschaftlichen Betätigung eingesetzt wird, d. h. durch Handlungen, die nach einem objektiven Maßstab verkehrsüblich und wirtschaftlich angebracht sind. Hierbei hat die Beurteilung der Glaubhaftmachung verfahrensorientiert und ohne erfahrungswidrige Überspannung zu erfolgen. Glaubhaft zu machen sind alle maßgeblichen Umstände für eine ernsthafte Benutzung nach Art, Zeit, Ort und Umfang, wobei alle Glaubhaftmachungsmittel in ihrer Gesamtheit zu betrachten sind (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O., § 43 Rn. 43).

1.1. Die Markeninhaberin hat nach diesen Voraussetzungen im Verfahren vor der Markenstelle in ausreichender Weise die rechtserhaltende Benutzung des Zeichens "Focus" für "Papier" in den Jahren 1996 bis Juli 2001 glaubhaft gemacht. Aus der eidesstattlichen Versicherung vom 2. November 2001 ergibt sich, dass in dieser Zeit rund 4.600 t Kopierpapier vertrieben worden sind, die mit der Kennzeichnung "Focus" versehen waren, wie sich aus den vorgelegten, branchenüblichen Aufklebeetiketten für die Verpackung ergibt. Angesichts der angegebenen Mengen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Benutzung lediglich zu dem Zweck vorgenommen wurde, um die formalen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Marke zu erfüllen.

1.2. Ebenfalls ausreichend glaubhaft gemacht hat die Beschwerdeführerin die rechtserhaltende Benutzung für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG relevanten Zeitraum durch die im Parallelverfahren 29 W (pat) 138/06 eingereichten Unterlagen. Gegen die Verweisung auf diese Unterlagen aus dem am selben Tag zu verhandelnden Verfahren zwischen denselben Beteiligten, das bezüglich der Nichtbenutzungseinrede dieselben Waren und denselben Zeitraum betrifft, bestehen keine Bedenken (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. Rn. 42). Aus der eidesstattlichen Versicherung ergeben sich für die Zeit von März 2005 bis Dezember 2006 ausreichend hohe Umsätze. Aus den vorgelegten Verpackungs- und Katalogabbildungen ist die funktionsgemäße Benutzung der Widerspruchsmarke für Multifunktionspapier ersichtlich.

1.3. Die Widerspruchsmarke wird nach der ausdrücklichen Erklärung der Beschwerdeführerin nicht für "Pappe" benutzt, so dass den vom Widerspruch betroffenen Waren "Druckereierzeugnisse, Aufkleber, Schilder, Papier, Pappe, Schreibwaren, soweit in Klasse 16 enthalten" der jüngeren Marke die Waren "Papier" sowie "Papier- und Pappwaren (soweit in Klasse 16 enthalten)" der Widerspruchsmarke gegenüberstehen. Für letztere Waren hat die Beschwerdegegnerin keine Nichtbenutzungseinrede erhoben, so dass insoweit von der Registerlage auszugehen ist.

1.4. "Papier" ist in beiden Verzeichnissen identisch enthalten. "Papier" gehört weiterhin zu "Schreibwaren". Hierbei handelt es sich nämlich um zum Verkauf stehende Gegenstände, die zum Schreiben gehören (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl. 2007). "Aufkleber, Schilder" sind mit "Papier- und Pappwaren" identisch, ebenso "Druckereierzeugnisse", z. B. in Form von bedruckten Etiketten, Ordnern, Servietten, Karten o. Ä.. Die in der jüngeren Marke noch enthaltene Ware "Pappe" ist mit "Papier" und "Papier- und Pappwaren" hochgradig ähnlich, denn sie stammen aus denselben Herstellerbetrieben, sind teilweise einander ergänzende Waren und werden regelmäßig in denselben Vertriebsstätten wie Papier- oder Schreibwarengeschäften oder entsprechenden Abteilungen in Warenhäusern angeboten.

Die hier angesprochenen Verkehrskreise sind sowohl die allgemeinen Verbraucher als auch Fachkreise wie Groß- und Einzelhändler im Bereich der Papier- und Pappwaren.

2. Die Widerspruchsmarke ist bezüglich der verfahrensgegenständlichen Waren uneingeschränkt als Herkunftshinweis geeignet und verfügt daher über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Das Wort "Focus" mit den Bedeutungen "Brennpunkt; Krankheitsherd" hat keinerlei beschreibende Beziehung zu den aus dem Verzeichnis der Widerspruchsmarke noch relevanten Waren "Papier, Papier- und Pappwaren (soweit in Klasse 16 enthalten)".

Eine gesteigerte oder nachträglich verminderte Kennzeichnungskraft im Entscheidungszeitpunkt besteht nicht. Soweit sich die Beschwerdegegnerin auf zu ihren Gunsten erfolgte Eintragungen von Marken mit dem Bestandteil "FOCUS" beruft, betrifft deren Benutzung ausschließlich Medienprodukte. Soweit Markeneintragungen mit dem Bestandteil "FOCUS" vorliegen für Waren und Dienstleistungen gleicher oder eng verwandter Branchen, die Markeninhaberin deren Benutzung aber nicht im Verfahren vorgetragen hat, resultiert hieraus keine Schwächung der Widerspruchsmarke (vgl. BGH GRUR 2001, 1161 ff. - CompuNet/ComNet; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 9, Rn. 199 m. w. N.).

Ohne Auswirkung auf die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist auch die von der Markeninhaberin geltend gemachte Berühmtheit der zu ihren Gunsten eingetragenen Marke "FOCUS". Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr kommt es ausschließlich auf die Kennzeichnungskraft der älteren Marke an. Denn Zweck des mit der Eintragung gewährten Schutzes ist es, die Herkunftsfunktion der älteren Marke gegenüber jüngeren, verwechselbar ähnlichen Zeichen zu gewährleisten. Daher kommt es auf die von der Markeninhaberin in Bezug genommenen Umfragegutachten nicht an. Sie betreffen im Übrigen nur die Bekanntheit des Begriffs "FOCUS" als Titel eines Nachrichtenmagazins.

3. Wegen der Identität bzw. der engen Ähnlichkeit der einander gegenüber stehenden Waren sowie der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke muss die jüngere Marke einen erheblichen Abstand einhalten.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Um die Markenähnlichkeit zu bejahen, reicht in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche aus (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma; BGHZ 139, 340, 347 - Lions; BGH GRUR 2006, 60 ff. - coccodrillo). Maßgeblich für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist dabei der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen (BGH a. a. O. - Malteserkreuz Rn. 17). Denn auch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf verschiedene Einzelheiten.

Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend keine unmittelbare Verwechslungsgefahr.

3.1. In klanglicher und in schriftbildlicher Hinsicht unterscheiden sich die Vergleichszeichen in ausreichendem Maße. Die Widerspruchsmarke ist eine Einwortmarke, während die jüngere Marke aus den beiden Begriffen "FOCUS" und "MONEY" besteht. Dieser Unterschied wird sowohl akustisch als auch visuell eindeutig wahrgenommen.

Auch in begrifflicher Hinsicht weisen die Marken keine Ähnlichkeit vor. Zwar enthalten beide das Wort "Focus", aber aufgrund des zweiten Bestandteils der jüngeren Marke, der in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung hat, fehlt es an einer inhaltlichgedanklichen Gemeinsamkeit der Zeichen. Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung der 4. Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt im Verfahren FOCUS Radio./.Focus (R 268/2005-4), wonach begriffliche Ähnlichkeit auch in Bezug auf einen Markenbestandteil ausreicht (Rn. 30). Denn abzustellen ist jeweils auf den Gesamteindruck der Zeichen (vgl. BGH GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling), es sei denn, die Marke wird durch einen Bestandteil alleine geprägt.

3.2. Die jüngere Marke wird nicht durch ihren Bestandteil "FOCUS" geprägt. Denn eine solche Prägung setzt voraus, dass die übrigen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck nicht mitbestimmen (vgl. BGH GRUR 2004, 589, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang). Dies ist bei "FOCUS MONEY" nicht der Fall, was aber nicht darauf beruht, dass das Zeichen die Bedeutung "Brennpunkt Geld" hat, wie die Markeninhaberin vorträgt. Denn in der Wortfolge "FOCUS MONEY" stehen die einzelnen Bestandteile beziehungslos nebeneinander. Um eine Gesamtaussage erkennen zu können, bedürfte es einer inhaltlichen Verknüpfung der beiden Begriffe (vgl. BPatG, 29 W (pat) 195/03, Beschluss vom 24. Januar 2007 - "Im FOCUS: Fakten"). Ein Sinngehalt "Brennpunkt Geld" erschließt sich den angesprochenen Verkehrskreisen nicht aus sich heraus, erst Recht nicht in Verbindung mit den verfahrensgegenständlichen Waren, zu denen keinerlei Bezug besteht. Der Senat schließt sich daher insoweit der Beurteilung des 33. Senats in seinen Beschlüssen vom 2. Mai 2006 (33 W (pat) 4/04 - FOCUS-MONEY SMS; 33 W (pat) 5/04 - FO-CUS-MONEY Mobil; 33 W (pat) 7/04 - FOCUS-MONEY Call) nicht an. Ebenso wenig hat der Bestandteil "MONEY" der jüngeren Marke für die verfahrensgegenständlichen Waren eine rein beschreibende Bedeutung, auch nicht in Bezug auf die Ware "Papier". Da für den Druck von Banknoten bestimmtes Papier weder am Markt erhältlich ist, enthält dieser Bestandteil in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise keine Angabe über den Verwendungszweck; jedenfalls wären hierfür weitere analysierende Gedankenschritte erforderlich (vgl. insoweit auch BPatG a. a. O., Beschlüsse vom 2. Mai 2006). Daher wird der Bestandteil "MONEY" beim Zeichenvergleich nicht außer Acht gelassen (vgl. BGH GRUR 2004, 778 - Urlaub direkt).

Danach stehen die beiden Bestandteile in der angegriffenen Marke gleichwertig nebeneinander, ohne dass in der Wahrnehmung des Zeichens als Ganzes ein Element dominiert oder völlig zurücktritt.

3.3. Die Annahme einer Verwechslungsgefahr ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man berücksichtigt, dass "FOCUS" das Firmenschlagwort der Beschwerdegegnerin ist. Als solches tritt es innerhalb einer aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzten Marke im Gesamteindruck der Marke regelmäßig zurück. Denn der Verkehr erblickt die eigentliche Produktkennzeichnung in den anderen Bestandteilen der Kennzeichnung (vgl. BGH GRUR 2002, 342 ff - ASTRA/ESTRA-PUREN). Dies würde vorliegend aber zu einer Prägung der jüngeren Marke durch "MONEY" führen. Dazu, dass auf dem vorliegenden Warensegment der Firmenname vom Verkehr als zusätzliche Unterscheidungshilfe angesehen wird (BGH a. a. O. - ASTRA /ESTRA-PUREN m. w. N.), hat die Widersprechende nichts vorgetragen.

4. Ob die jüngere Marke durch einen ihrer Bestandteile geprägt wird oder nicht, kommt es hier aber nicht an. Denn es besteht Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation i. S. d. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu "Thomson Life" (GRUR 2005, 1042 ff.) und des Bundesgerichtshofs zu "Malteserkreuz" (GRUR 2006, 859 ff.). Danach kann bei identischen Waren oder Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das streitige Zeichen durch die Verbindung einer Unternehmensbezeichnung eines Dritten mit einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und letztere in dem zusammengesetzten Zeichen, ohne allein seinen Gesamteindruck zu prägen, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (EuGH a. a. O., Rn. 30; BGH a. a. O., Rn. 18; vgl. auch BGH GRUR 2002, 171, 174 - Marlboro-Dach; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang). Bei Identität oder Ähnlichkeit dieses selbständig kennzeichnenden Bestandteils mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang kann das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH a. a. O., Rn. 31). Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, löst der durch das jüngere Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck beim Publikum die Vorstellung aus, die fraglichen Waren oder Dienstleistungen stammten zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen (EuGH a. a. O., Rn. 31).

Der vorliegende Fall unterscheidet sich zwar von dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen dadurch, dass die angegriffene Marke mit der Widerspruchsmarke nicht in dem einem Unternehmenskennzeichen hinzugefügten Teil übereinstimmt, sondern das Unternehmenskennzeichen innerhalb der jüngeren Marke und die ältere Marke identisch sind. Dies führt aber nicht dazu, dass deshalb die Verwechslungsgefahr zu verneinen ist. Die berechtigten Interessen der Abnehmer und Mitbewerber an einer irrtumsfreien Zuordnung der Produkte zu einem Herkunftsbetrieb sowie die Eigentumsrechte des Inhabers der älteren Marke sind nicht nur dann berührt, wenn ein weiterhin kennzeichnungskräftiges Zeichen mit dem Firmenkennzeichen des Inhabers eines jüngeren Zeichens zu einer neuen Marke verbunden wird. Sie werden in gleichem Maße tangiert, wenn überhaupt eine gedankliche Verbindung zwischen den Marken hergestellt wird, die Anlass zu Verwechslungen gibt (vgl. BPatG GRUR 2003, 64 ff. - T-Flexitel/FLEXITEL). Ein derartiger Anlass besteht, wenn die ältere Marke in der jüngeren Marke ihre selbständig kennzeichnende Stellung beibehält und damit nicht ihre Hauptfunktion einbüßt, nämlich dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden (EuGH a. a. O., Rn. 23 m. w. N., BPatG a. a. O.). Dem Schutz der Herkunftsfunktion dient die Löschung verwechselbarer Zeichen (EuGH a. a. O., Rn. 24). Um den absoluten Schutz umfassend zu gewährleisten, den eine eingetragene Marke gewährt, erstreckt er sich auch auf solche Fälle, in denen die weiterhin selbständig kennzeichnende ältere Marke die jüngere weder prägt noch dominiert (EuGH a. a. O., Rn. 30 - 33). Für die Frage, ob die ältere Marke ihre Herkunftsfunktion verliert, kann es daher auch nicht darauf ankommen, ob sie einem Unternehmenskennzeichen, einem bekannten Handelsnamen oder einer bekannten Marke hinzugefügt wird. Vielmehr ist dies allein anhand der Vergleichsmarken zu beurteilen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs enthält insoweit keine abschließende Aufzählung, sondern führt nur Beispiele an. Ausgehend von der Vorlagefrage, die sich auf den Fall einer Unternehmensbezeichnung bezog (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2004, 322 - THOMSON-LIFE), hat er lediglich als weitere Möglichkeiten, in denen die usurpierte Marke ihre selbständig kennzeichnende Stellung nicht verliert, die Verbindung mit einem bekannten Handelsnamen oder einer bekannten Marke genannt. Andernfalls könnte der in Art. 5 Abs. 1 MarkenRichtl, § 14 Abs. 1, 2 MarkenG gewährte Schutz allein dadurch unterlaufen werden, dass der älteren Marke beliebige weitere Bestandteile hinzugefügt werden. Auch der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung "Malteserkreuz" (a. a. O.) für die Frage der selbständig kennzeichnenden Stellung nicht darauf abgestellt, welchen weiteren Bestandteilen die ältere Marke in der jüngeren hinzugefügt wurde, sondern allein auf den mit der älteren Marke übereinstimmenden bzw. ähnlichen Teil.

Eine selbständig kennzeichnende Stellung der älteren Marke ist allerdings dann nicht gegeben, wenn sie ihre Hinweisfunktion in der jüngeren Marke vollständig verliert. Dies setzt aber voraus, dass die ältere Marke mit den anderen Bestandteilen der jüngeren Marke in einer Aussage oder einem Begriff so zusammenwirkt, dass eine Herausnahme aus der Aussage oder dem Begriff nicht möglich ist, ohne deren Sinn zu zerstören. Dies wäre z. B. bei Wortbildungen wie "Focusthema, Focusabstand, Autofocus, Servofocus" oder Gesamtaussagen wie "Im FOCUS des Interesses" oder bei den den Parallelverfahren 29 W (pat) 195/03 und 29 W (pat) 161/02 zugrundeliegenden Marken "Im Focus: Fakten" oder "Im Focus: Fakten, Fakten, Fakten" der Fall. Eine Gesamtaussage liegt hier nicht vor (siehe oben 3.2.), ebenso wenig ein Gesamtbegriff.

Damit ist eine selbständig kennzeichnenden Stellung der ältere Marke "Focus" in der jüngeren Marke "FOCUS MONEY" zu bejahen, so dass - insbesondere auch, weil "FOCUS" das Firmenschlagwort der Inhaberin der jüngeren Marke ist - bei den angesprochenen Verkehrskreise die Vorstellung ausgelöst wird, die fraglichen Waren stammten zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen. Daher ist die Löschung der jüngeren Marke im angegriffenen Umfang anzuordnen (§ 43 Abs. 2 S. 1 MarkenG; im Ergebnis ebenso HABM - R 268/2005-4 FOCUS Radio./.Focus; R 319/2005-4 - TOMORROW FOCUS./.Focus).

Auf die im Übrigen zu verneinende (siehe BPatG, Beschlüsse vom 24. Januar 2007 i. S. 29 W (pat) 161/02; 29 W (pat) 192/03; 29 W (pat) 193/03; 29 W (pat) 194/03; 29 W (pat) 195/03) Frage einer mittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt von Serienzeichen (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 = WRP 1998, 39 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2002, 542 ff. - BIG) kommt es danach nicht mehr an.

5. Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen war nicht veranlasst, § 71 Abs. 1 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 12.04.2007
Az: 29 W (pat) 277/02


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