Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juni 2003
Aktenzeichen: 9 W (pat) 705/02

(BPatG: Beschluss v. 11.06.2003, Az.: 9 W (pat) 705/02)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat nach Prüfung das am 23. Juli 1999 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Hardtop für ein Cabriolet-Fahrzeug"

erteilt.

Gegen das Patent richtet sich der Einspruch, der u.a. auf folgenden Stand der Technik gestützt ist:

- DE 44 45 580 C1 (in der mündlichen Verhandlung erstmals genannt)

- US 2 704 225.

Die Patentinhaberin verteidigt das Patent in beschränktem Umfang gemäß Haupt- und Hilfsantrag und ist der Auffassung, dass das nunmehr Beanspruchte durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht nahegelegt sei.

Sie beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 - 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Sp 1 - 4, Zeichnungen Figuren 1 - 15, jeweils wie erteilt, hilfsweise das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 - 3 gemäß Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Sp 1 - 4, Zeichnungen Figuren 1 - 15, jeweils wie erteilt.

Die Einsprechende tritt dem Vorbringen der Patentinhaberin entgegen und beantragt, das Patent zu widerrufen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

Hardtop für ein Cabriolet-Fahrzeug, welches mittels einer Schwenkbewegung in einem Kofferraum des Fahrzeugs ablegbar ist, mit folgenden Merkmalen:

1.1 einem vorderen Dachteil (5), einem mittleren Dachteil (6) und einem mit einer festen Heckscheibe versehenen hinteren Dachteil (7), 1.2 das vordere Dachteil (5) ist im geschlossenen Zustand des Hardtops (2) mit einer A-Säule (4) des Cabriolet-Fahrzeugs (1) verbunden, 1.3 das hintere Dachteil (7) ist über ein erstes Viergelenk (13), welches auf beiden Fahrzeugseiten jeweils zwei Hauptlenker (10 und 12) aufweist, am Heck des Cabriolet-Fahrzeugs (1) gelenkig angebracht und bildet eine C-Säule, wobei der hintere Hauptlenker (10), das mittlere Dachteil (6) und der vordere Hauptlenker (12) zusammen mit der Karosserie das erste Viergelenk (13) bilden, 1.4 das hintere Dachteil (7) ist mit dem mittleren Dachteil (6) über ein zweites Viergelenk (16) verbunden, 1.5 das mittlere Dachteil (6) ist mit dem vorderen Dachteil (5) über ein drittes Viergelenk (20) verbunden, 1.6 beim Verschwenken des Hardtops (2) werden sämtliche Dachteile (5, 6 und 7) mittels einer Zwangsbewegung geführt, 1.7 die Verbindung des mittleren Dachteils (6) mit dem vorderen Dachteil (5) über zwei Hebel (17 und 18) des dritten Viergelenks (20) erfolgt derart, dass das vordere Dachteil (5) über das mittlere Dachteil (6) verschwenkbar ist und beim Ablegen des Hardtops (2) im Kofferraum (8) oberhalb des mittleren Dachteils (6) zu liegen kommt, 1.8 einer der Hebel (17) des vorderen Dachteils (5) ist mit einem der Hauptlenker (12) über einen Zwischenhebel (14) verbunden, der Teil des zweiten Viergelenks (16) ist, 1.9 das hintere Dachteil (7) ist mit einem der Hauptlenker (10) starr verbunden und über diesen Hauptlenker (10) an dem Cabriolet-Fahrzeug (1) angebracht.

Unteransprüche 2 bis 4 sind dem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag enthält über die Merkmale des Hauptanspruchs 1 hinaus noch folgende Merkmale:

1.10 der mit dem Zwischenhebel (14) verbundene Hebel (17) ist hakenförmig mit einem Ansatz (15) ausgebildet, 1.11 der Zwischenhebel ist an dem Ansatz (15) des hakenförmigen Hebels (17) gelenkig angebracht.

Unteransprüche 2 und 3 sind diesem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

II.

Der Einspruch ist gemäß PatG § 59/1 frist- und formgerecht erhoben sowie ausreichend substantiiert und somit zulässig. Er hat auch Erfolg.

1. Die Patenbegehren gemäß Haupt- und Hilfsantrag sind zulässig.

1.1 Hauptantrag:

Der Patentanspruch 1 ergibt sich aus den erteilten Patentansprüchen 1 und 2 in Verbindung mit der Beschreibung Sp 3, Z 37 bis 40 und Z 65 bis Sp 4, Z 3, der Streitpatentschrift. Die Patentansprüche 2 bis 4 entsprechen inhaltlich den erteilten Ansprüchen 3 bis 5. Die erteilten Patentansprüche 1 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 5. Die zitierten Beschreibungsteile finden sich in der ursprünglichen Beschreibung S 8, 1. Abs und S 9, 1. Abs.

1.2. Hilfsantrag:

Die zusätzlichen Merkmale des Patentanspruchs 1 entsprechen denen des erteilten Patentanspruchs 3. Die Patentansprüche 2 und 3 ergeben sich aus den erteilten Ansprüchen 4 und 5.

2. Das Patent betrifft ein Hardtop für ein Cabrioletfahrzeug. In der Beschreibungseinleitung der Patentschrift ist angegeben, dass aus der DE 196 42 152 A1 bereits ein Hardtop mit drei durch Gelenke miteinander verbundenen Dachteilen bekannt sei. Beim Schließen müsse das gesamte Dach erst mittels einer Drehbewegung aufgestellt werden, bevor dann die einzelnen Dachteile ineinander verfahren werden könnten. Dabei sei am Anfang der Drehbewegung ein großes Drehmoment aufzubringen. Es werde viel Raum in Vertikalrichtung für das Öffnen und Schließen des Dachs beansprucht, um zu verhindern, dass Insassen des Fahrzeugs dabei zu Schaden kommen. Daher sei es nicht möglich dieses Hardtop in standardisierten Garagen zu öffnen oder zu schließen.

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin, ein Hardtop für ein Cabriolet-Fahrzeug zu schaffen, welches auch für viersitzige Cabriolet-Fahrzeuge geeignet ist, bei welchem die einzelnen Dachteile mittels einer Zwangsführung in unkomplizierter Weise abgelegt werden können und welches bei der Ablegebewegung möglichst wenig Raum in Vertikalrichtung beansprucht.

Dieses Problem soll jeweils durch die Merkmale der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag gelöst werden.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und der des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag sind unstreitig neu. Sie mögen auch gewerblich anwendbar sein, sind jedoch nicht patentfähig, da sie jeweils auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhen.

Fachmann ist hier ein Ingenieur des Maschinenbaus mit beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet schwenkbeweglicher Hardtops für Cabriolet-Fahrzeuge.

3.1 Zum Hauptantrag:

Das Hardtop für ein Cabriolet-Fahrzeug nach der DE 44 45 580 C1 ist im Ausführungsbeispiel nach den Fig 1 bis 9 in einem Kofferraum 11' des Fahrzeugs mittels einer Schwenkbewegung ablegbar, vgl Fig 2 bis 4. Es besteht aus zwei Dachteilen 3, 4, wobei das hintere Dachteil 4, das dort die Bezeichnung "Rückfensterteil" aufweist, ausweislich dieser Bezeichnung offensichtlich mit einer festen Heckscheibe versehen ist. Das vordere Dachteil 3 ist über ein Viergelenk, welches auf beiden Fahrzeugseiten jeweils zwei Hauptlenker 16, 17 aufweist, am Heck des Fahrzeugs gelenkig angebracht, wobei die Hauptlenker und das Dachteil zusammen mit der Karosserie das Viergelenk bilden (Sp 3; Z 18 bis 27). Ausweislich der Fig 1 bis 3 ist das hintere Dachteil 4 mit dem in Fahrtrichtung hinteren Hauptlenker 17 starr verbunden und über diesen Lenker am Cabriolet-Fahrzeug angebracht. Das hintere Dachteil bildet dabei in Schließstellung eine C-Säule. Das vordere Dachteil 3 ist im geschlossenen Zustand des Verdecks mit dem eine A-Säule bildenden Windschutzscheibenrahmen verbunden (Sp 2, Z 58 bis 64). Beim Verschwenken des Hardtops werden alle Dachteile mittels des Viergelenks zwangsgeführt. Die Ablage der Dachteile erfolgt so, dass das vordere Dachteil 3 über dem hinteren Dachteil 4 im Kofferraum liegt (Fig 4). Mit diesem Hardtop soll laut Sp 1, Z 24 bis 31 ein Hardtop-Fahrzeug geschaffen sein, dessen mit den Dachteilen verbundene Zwangssteuerungselemente mit geringem technischen Aufwand und bei geringem Platzbedarf eine automatische Bewegung der Dachkonstruktion in eine zuverlässig dichte Schließstellung im Bereich des Windschutzrahmens ermöglicht.

Wenn der Fachmann in Kenntnis dieser vorteilhaften Konstruktion - geringer Aufwand und geringer Platzbedarf - ein Hardtop für ein viersitziges Cabriolet-Fahrzeug schaffen will, das ebenfalls mittels einer Zwangsführung in unkomplizierter Weise bewegt werden kann und wenig Raum bei seiner Bewegung erfordert, wird er unmittelbar die Notwendigkeit einer größeren Länge dieses Hardtops erkennen, was ein weiteres Dachteil erfordert, das mit den beiden bereits vorhanden Dachteilen zwangsverschwenkt werden kann.

Bei der Suche nach einer Lösung, wie drei Dachteile aufgabengemäß miteinander verbunden werden können, wird er das Hardtop nach der US 2 704 225 auffinden und in seine Überlegungen mit einbeziehen.

Das Hardtop nach der US 2 704 225 umfasst mehrere Dachteile 23 bis 26, die mittels einer Zwangsbewegung aus einer Schließstellung in eine Offenstellung verschwenkt werden können. In der Schließstellung sind die Dachteile nacheinander angeordnet und in der Offenstellung sind die Dachteile in ihrer Reihenfolge von hinten nach vorn jeweils übereinander im Kofferraum abgelegt. Die Dachteile 26 und 25 sowie 25 und 24 sind dabei jeweils über ein Viergelenk bewegbar, das jeweils ein Dachteil mit dem nachfolgenden verbindet. Jedes Viergelenk besteht dabei aus zwei Hebeln (56, 58; 44, 55) und den zugehörigen beiden Dachteilen als Basis und Koppel. Der Hebel 58 des Viergelenks zwischen den Dachteilen 25 und 26 ist über einen Zwischenhebel 61 mit dem Hebel 44 des Viergelenks zwischen den Dachteilen 25 und 24 verbunden. Die Hebel 58 und 44 bilden ein weiteres Viergelenk am Dachteil 25. Mit diesem weiteren Viergelenk wird die Bewegung des (in Fahrtrichtung) hinteren Viergelenks auf das vordere Viergelenk übertragen, wodurch die beiden Dachteile 26 und 25 relativ zueinander bewegt werden. Gemäß Sp 2, Z 22 bis 26, ist die Anzahl der Dachteile ausdrücklich beliebig, insbesondere soll sie bei kleineren Fahrzeuginnenräumen geringer sein. Hierbei wird das Anlenkungsprinzip selbstverständlich beibehalten. Der Fachmann entnimmt dieser Druckschrift damit eine Lehre zum Verbinden eines bereits vorhandenen (ebenfalls über ein Viergelenk schwenkbaren) Dachteils mit einem zusätzlichen Dachteil durch ein Viergelenk mit zwei Hebeln, die jeweils an beiden Dachteilen angelenkt sind. Als Kopplung zwischen den beiden Viergelenken ist ein weiteres Viergelenk am vorhandenen Dachteil vorgesehen, das von je einem Hebel der beiden Viergelenke und einem Zwischenhebel gebildet ist und so für die Zwangsführung zwischen dem vorhandenen und dem zusätzlichen Dachteil sorgt.

Wenn der Fachmann diese Lehre auf das Hardtop nach der DE 44 45 580 C1 überträgt, erhält er durch Hinzufügen eines weiteren Dachteils an die vorhandenen beiden Dachteile ein Hardtop mit drei Dachteilen, bei dem mittels der übernommenen Zwangsführung über Viergelenke das nunmehr vorderste Dachteil über das mittlere Dachteil verschwenkt wird und beim Ablegen oberhalb des mittleren Dachteils im Kofferraum zu liegen kommt. Mit der Ankopplung des zusätzlichen dritten Dachteils an das vordere der beiden vorhandenen Dachteile des Hardtops nach der DE 44 45 580 C1 über die Viergelenkskette nach der Lehre der US 2 704 225 ergeben sich dann alle Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hat daher keinen Bestand.

3.2 Zum Hilfsantrag:

Hinsichtlich der in diesem Patentanspruch inhaltsgleichen Merkmale des beanspruchten Hardtops mit denen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag gelten die vorstehenden Ausführungen gleichermaßen.

Einer der Hebel 58 des Viergelenks zwischen den Dachteilen 26 und 25 des Hardtops nach der US 2 704 225 weist eine hakenförmige Ausbildung mit gleicher Wirkungsweise wie beim Streitgegenstand auf. Er ist nämlich mit einer Abknickung versehen, in welcher gemäß Fig 4 ein Ansatz ausgebildet ist, in dem der Drehpunkt 59 angeordnet ist. Dieser Hebel 58 ist mit einem Zwischenhebel 61 des Viergelenks am Dachteil 25 gelenkig verbunden, wie vorstehend erläutert. Diese Merkmale stimmen somit auch mit den Merkmale 1.10 und 1.11 des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag überein, bis auf das Merkmal, dass der Zwischenhebel am Ansatz des Hebels gelenkig angebracht ist. Da die Wirkungsweise des Zwischenhebels als Übertrager der Zwangsführung klar ist, liegt die beanspruchte Anbringung des Zwischenhebels am Hebel lediglich im handwerklichen Können des Fachmanns.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist daher ebenfalls nicht bestandsfähig.

Die Patentansprüche 2 bis 4 bzw 2 und 3 nach Haupt- und Hilfsantrag fallen jeweils mit dem in Bezug genommenen Patentanspruch 1.

Petzold Dr. Fuchs-Wissemann Küstner Richter Bork ist unfallbedingt an der Unterschrift verhindert.

Petzold Fa






BPatG:
Beschluss v. 11.06.2003
Az: 9 W (pat) 705/02


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