Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Juli 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 103/03

(BPatG: Beschluss v. 13.07.2004, Az.: 33 W (pat) 103/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss entschieden, dass der Markeninhaberin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird. Der Beschluss der Markenabteilung, die die Zahlungsfrist zur Verlängerungsgebühr versäumt hatte, wurde aufgehoben. Die Markeninhaberin hatte eine Mitteilung über die Löschung ihrer Marke wegen Ablauf der Schutzdauer erhalten, wenn die Verlängerungsgebühr nicht rechtzeitig gezahlt wird. Die Mitteilung wurde per Einschreiben am 12. Dezember 2001 versandt. Die Zahlung der Verlängerungsgebühr erfolgte jedoch erst am 25. Juli 2002. Die Markenabteilung teilte daraufhin mit, dass die Zahlungsfrist bereits am 30. Juni 2002 abgelaufen sei und der eingezahlte Betrag zurückgezahlt würde. Der Vertreter der Markeninhaberin beantragte daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Als Begründung wurde vorgebracht, dass die Mitteilung erst am 15. Januar 2002 versandt worden sei und die Verlängerungsgebühr innerhalb von sechs Monaten nach Zugang der Mitteilung am 31. Juli 2002 gezahlt werden müsse. Es sei jedoch versäumt worden, den tatsächlichen Zugang bei der Markeninhaberin zu prüfen. Der Fehler bei der Berechnung der Fristendes sei auf eine krankheitsbedingte Fehleinschätzung durch Alzheimer des Patentanwalts zurückzuführen. Das Bundespatentgericht gab der Beschwerde der Markeninhaberin statt und gewährte ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr. Die Markeninhaberin hatte den Antrag rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist gestellt und die versäumte Handlung fristgerecht nachgeholt. Außerdem habe sie hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden verhindert war die Verlängerungsgebühr fristgerecht einzuzahlen. Als Begründung dafür wurde die Alzheimer Erkrankung des Patentanwalts angegeben, die zu einer Fehleinschätzung führte. Die Zahlung der Verlängerungsgebühr wurde daher als unverschuldet versäumt angesehen. Das Bundespatentgericht hob den Beschluss der Markenabteilung auf und setzte die Markeninhaberin wieder in den vorigen Stand.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 13.07.2004, Az: 33 W (pat) 103/03


Tenor

Der Markeninhaberin wird unter Aufhebung des Beschlusses der Markenabteilung 9.1 des Patentamts vom 8. Januar 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr gewährt.

Gründe

I Der Markeninhaberin ist durch Mitteilung gemäß § 47 Abs 3 MarkenG aF die Löschung der Marke wegen Ablauf der Schutzdauer angekündigt worden, wenn die Verlängerungsgebühr nebst Zuschlag nicht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gezahlt wird, in dem die Mitteilung zugegangen ist. Die Mitteilung wurde am 12. Dezember 2001 per Einschreiben abgesandt. Die Einzahlung der Verlängerungsgebühr mit Zuschlag erfolgte am 25. Juli 2002 durch den Vertreter der Markeninhaberin. Die Markenabteilung teilte den Vertretern daraufhin formlos mit, daß die Zahlungsfrist am 30. Juni 2002 abgelaufen sei und der eingezahlte Betrag zurückgezahlt werde.

Mit Schreiben vom 28. November 2002 beantragte der Vertreter der Markeninhaberin, Patentanwalt F..., Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Be- gründung trug er vor, daß die Mitteilung gemäß § 47 MarkenG von der Inhaberin der Marke am 15. Januar 2002 übersandt worden und noch am selben Tag veranlaßt worden sei, daß die Verlängerungsgebühr mit Zuschlag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats des Zugangs der Mitteilung, d.h. bis zum 31. Juli 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt einzuzahlen sei. Bei der Berechnung der Frist sei davon ausgegangen worden, daß die Mitteilung beim Inhaber der Marke ebenfalls im Januar 2002 zugegangen sei, und es sei leider versäumt worden zu prüfen, wann der tatsächliche Zugang beim Inhaber der Marke erfolgte. Das System der Fristenüberwachung der Kanzlei, bei dem in regelmäßigen Abständen Kontrollen durchgeführt wurden, werde von einer seit 12 Jahren auf diesem Gebiet tätigen und befähigten Mitarbeiterin betreut. Es habe sich um ein einmaliges Versehen gehandelt. Auf den Irrtum sei man erst durch die am 30. September 2002 eingegangene Mitteilung der Markenabteilung aufmerksam geworden.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist mit Beschluß der Markenabteilung 9.1 vom 8. Januar 2003 zurückgewiesen worden. Nach eigenem Sachvortrag der Vertreter sei es in deren Verantwortungsbereich zu einem Fehler bei der Bestimmung des Fristendes für die Zahlung der zuschlagpflichtigen Verlängerungsgebühr gekommen. Dieser Fehler könne - auch wenn sein Verursacher nicht benannt worden sei - nicht als unverschuldet angesehen werden. Das Fristende sei entweder von dem Vertreter selbst fehlerhaft berechnet worden oder es liege ein Organisationsverschulden vor, wenn nicht nur die Überwachung, sondern auch die eigentliche Fristberechnung an Hilfskräfte übertragen worden war. Im übrigen hätte bei unterstellter Zustellung der Mitteilung nach § 47 MarkenG aF erst im Jahre 2002 der 31. März 2002 als Datum des Fristendes ermittelt werden müssen.

Gegen den Beschluß ist von Patentanwalt F... namens der Markeninhaberin am 13. Februar 2003 Beschwerde eingelegt und eine Begründung innerhalb eines Monats angekündigt worden. Patentanwalt F... hat sich am 2. Dezem- ber 2003 das Leben genommen. Aufgrund der Ausführungen des weiteren Vertreters der Markeninhaberin litt Patentanwalt F... unerkannt an der Alzheimer Krankheit, wobei sich die Krankheit im Verlauf der letzten zwei Jahre von der Phase II zur Phase III des ersten Stadiums entwickelt habe. Die Anzeichen des bewußten Erlebens des Kompetenzverlustes, der mit einem inneren Rückzug und Depressionen einher gehe, hätten nach Angabe kompetenter Fachkreise beim Erkrankten das Aufleben einer Suizidgefahr und gleichzeitig Versuche des Verbergens und Verleugnens der Probleme und Fehlleistungen zur Folge. Alle Anzeichen und ermittelten Umstände führten zu dem Ergebnis, daß die fehlerhafte Überwachung der Fristenberechnung durch Patentanwalt Fleischer in den krankheitsbedingten Ausfällen seiner fortschreitenden Alzheimererkrankung begründet sei.

Zur Glaubhaftmachung sind eine eidesstattliche Erklärung des Sozius von Patentanwalt F..., Herrn Rechts- und Patentanwalt E..., sowie der Abdruck eines Leitfadens des Alzheimer-Forums eingereicht worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Markeninhaberin wird auf ihren Antrag gemäß § 91 MarkenG Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr mit Zuschlag gewährt.

Die Markeninhaberin hat ihren Antrag rechtzeitig innerhalb der Frist des § 91 Abs 2 MarkenG von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt. Hinderungsgrund für die Wahrung der versäumten Frist war die unrichtige Berechnung des Fristbeginns auf Grund der Unkenntnis von der Zustellung der Mitteilung nach § 47 Abs 3 MarkenG aF noch im Dezember 2001. Das Hindernis ist mit dem formlosen Schreiben der Markenabteilung vom 24. September 2002, das am 30. September 2002 bei den Vertretern der Markeninhaberin eingegangen ist, weggefallen. Der Wiedereinsetzungsantrag des Vertreters der Markeninhaberin ist am 28. November 2002 und damit rechtzeitig beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen.

Die versäumte Handlung ist gemäß § 91 Abs 4 MarkenG auch fristgerecht innerhalb der zweimonatigen Antragsfrist nachgeholt worden. Denn die angekündigte Erstattung der am 25. Juli 2002 eingezahlten Verlängerungsgebühr mit Zuschlag ist auf den Wiedereinsetzungsantrag des Vertreters der Markeninhaberin hin storniert worden.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet. Die Markeninhaberin hat hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, daß sie iSv § 91 Abs 1 MarkenG ohne Verschulden verhindert war, die Verlängerungsgebühr unter Ausschöpfung der Zahlungsfristen mit Zuschlag rechtzeitig einzuzahlen. Abzustellen ist dabei auf die Person, die die Zahlung hätte fristwahrend vornehmen müssen, hier Patentanwalt F... als Vertreter der Markeninhaberin, dessen Handeln bei mangelnder Sorgfalt wie eigenes Verschulden der Markeninhaberin zuzurechnen wäre. Eine Fristversäumung ist jedoch unverschuldet, wenn die betroffene Person die übliche Sorgfalt aufgewandt hat, deren Beachtung im Einzelfall nach den subjektiven Verhältnissen dieser Person zumutbar war (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG 7. Aufl, 2003, § 91 Rdn 15, 16).

Gemessen an dem strengen Maßstab, der an die Sorgfalt eines Anwalts angelegt wird, ist eine Fristberechnung, die von dem Eingang der Mitteilung nach § 47 Abs 3 aF MarkenG in der Kanzlei ohne Überprüfung der vorangegangenen Zustellung bei der Inhaberin der zu verlängernden Marke ausgeht, in der Regel als Sorgfaltsverletzung anzusehen. Ein Verschulden würde auch nicht entfallen, wenn die Prüfung wegen des Eingangsstempels vom 15. Januar 2002 (Bl 67 d.A.) versehentlich oder wegen Arbeitsüberlastung des Anwalts unterblieben wäre. Dagegen rechtfertigt eine Krankheit des Vertreters, die die sorgfältige Prüfung und Berechnung des Fristbeginns unmöglich oder unzumutbar macht, die Wiedereinsetzung (vgl Busse/Keukenschrijver PatG § 123 Rdn 42 mwN; Thomas/Putzo ZPO 25. Aufl, 2002, § 233 Rdn 40; Peter Kummer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, 2003, Rdn 615 - z.B. Krankheitsbedingte Fehleinschätzung des Leistungsvermögens des Anwalts - BGH in BGHR ZPO § 233 Verschulden 9; Schulte PatG 6. Aufl 2001, § 123 Rdn 136 u FN 283; BGH-NJW-RR 1994, S 957 - Krankheit; BGH VersR 1985, 393, 394 - physische und psychische Ausnahmesituation infolge Erkrankung). Letzteres ist hier der Fall. Der Senat geht davon aus, daß Patentanwalt Fleischer bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt im Januar 2002 an den Symptomen einer fortschreitenden psychischen Erkrankung litt, die der Phase II und III der Alzheimer Krankheit entspricht. Sie ist durch zunächst geringfügige Störungen des Gedächtnisses gekennzeichnet, die Denkabläufe wie das Erkennen von Zusammenhängen und Problemlösungen behindern und bei der das bewußte Erleben des dadurch verursachten Kompetenzverlustes mit einem Verbergen von Defiziten und dem Verleugnen von Fehlleistungen einhergeht (vgl Bl 26 dA). Die Anzeichen treten nach außen nicht als Krankheitssymptome hervor und sie werden insbesondere von den Betroffenen nicht als krankheitsbedingt artikuliert.

Der krankheitsbedingte Ausschluß des Verschuldens an der Fristversäumnis ist zwar erst durch den Verlauf der unheilbaren Krankheit, die Erklärungen des Betroffenen in seinem Abschiedsbrief und die Ausführungen des Partners von Patentanwalt F... in der Eidesstattlichen Versicherung von Herrn Rechtsanwalt E... in Verbindung mit den übrigen Unterlagen glaubhaft gemacht worden. Die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen sind aber bereits in dem Wiedereinsetzungsantrag von Herrn Patentanwalt F... vom 28. November 2002 in noch ausreichendem Maße angelegt. Form und Fassung des Antrags sowie insbesondere die lapidare Formulierung, daß die Überprüfung des tatsächlichen Zugangs bei der Markeninhaberin leider versäumt worden sei, ohne einen Erklärungsversuch zu geben, und zugleich eine untaugliche stereotype Zuweisung der Verantwortung für die Fristberechnung auf die Hilfsperson zeigen, daß Patentanwalt F... nicht mehr in der Lage war, die notwendigen rechtlichen Zusam- menhänge und Schlußfolgerungen zu erkennen. Dabei hat ihn gerade der Zustand der Krankheit daran gehindert, den das Verschulden ausschließenden Grund zu erkennen, zu akzeptieren und vor allem zu äußern. Ohne die Kenntnis des nachträglichen Verlaufs war der krankheitsbedingte Wiedereinsetzungsgrund für die Markenabteilung nicht ohne weiteres ersichtlich, da er zwar im Antrag bereits inzident enthalten, aber ohne die spätere Konkretisierung und Vervollständigung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen noch nicht zu Tage getreten war.

Nachdem die schleichenden Symptome der psychischen Erkrankung den Betroffenen gehindert haben, die übliche Sorgfalt hinsichtlich der für die Fristberechnung allein maßgeblichen Mitteilung nach § 47 MarkenG aF anzuwenden, dieser Umstand aber weder für ihn, für seine Partner noch für die Markeninhaberin erkennbar war, ist die Versäumung der Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr als unverschuldet zu werten, der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Markeninhaberin für die Verlängerung der Schutzdauer ihrer Marke 2 077 891 IMTEC wieder in den vorigen Stand einzusetzen.

Winkler Dr. Hock Pagenberg Cl






BPatG:
Beschluss v. 13.07.2004
Az: 33 W (pat) 103/03


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