Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. November 2010
Aktenzeichen: 19 W (pat) 701/10

(BPatG: Beschluss v. 24.11.2010, Az.: 19 W (pat) 701/10)

Tenor

Das Patent 198 17 714 wird beschränkt mit folgenden Unterlagen aufrechterhalten: Patentansprüche 1 bis 9, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung, übrige Unterlagen, Beschreibung und 1 Blatt Zeichnung, jeweils wie erteilt.

Gründe

I.

Für die am 21. April 1998 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangene Anmeldung wurde die Erteilung des nachgesuchten Patents am 28. Dezember 2006 veröffentlicht. Das Patent betrifft ein Verfahren zur Messung der Lage von Strukturen auf einer Maskenoberfläche.

Gegen das Patent hat die Z... SMS GmbH in J..., mit Schriftsatz vom 28. März 2007, eingegangen am selben Tag, Einspruch erhoben.

Mit Eingabe vom 4. Juni 2008 hat die Einsprechende einen Antrag auf patentgerichtliche Entscheidung gemäß § 61 Abs. 2 PatG gestellt.

Der in der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2010 vorgelegte geltende Hauptanspruch lautet nach Berichtigung eines in der veröffentlichten Fassung enthaltenen Druckfehlers (im Merkmal e)) und nach Streichung eines dort offensichtlich fehlerhaft gesetzten Kommas (im Merkmal g)) sowie mit einer vom Senat eingefügten Merkmalsgliederung:

"a) Verfahren zur Messung von Strukturen auf einer Maskenoberfläche, b) bei dem die Maske in einem bildauswertenden Koordinatenmeßgerät auf einem senkrecht zur optischen Achse eines abbildenden Meßsystemsb1) interferometrisch messbar verschiebbaren Messtisch gelagertc) und ein der Maske zugeordnetes Masken-Koordinatensystem über Ausrichtmarken relativ zu einem Messgeräte-Koordinatensystem ausgerichtet wird, d) und wobei eine Soll-Koordinatenposition der Strukturen in dem Masken-Koordinatensystem vorgegeben ist, e) und eine Ist-Koordinatenposition der Strukturen im Masken-

Koordinatensystem bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, f) dass eine Koordinatenposition von zwei senkrecht zueinanderstehenden Außenkanten der Maske im Masken-Koordinatensystem gemessen wird, g) dass die Messung der Lage der Außenkante mit einer Abbildungsoptik mit niedriger Apertur durchgeführt wird, undh) dass eine Oberfläche des Messtisches zumindest im Bereich der Außenkanten der aufliegenden Maske für die Abbildungsstrahlen des Messgerätes reflektierend ausgebildet ist."

Die Einsprechende trägt vor, dass die Erfindung nicht neu sei, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, und dass das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

Auch seien mehrere der in den erteilten Ansprüchen und in der zugehörigen Beschreibung verwendeten Begriffe willkürlich gewählt und beinhalteten keine technischen Unterschiede.

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sei hinsichtlich der Merkmale a) bis e), die den erteilten Anspruch 1 umfassen, nicht neu gegenüber dem aus der EP 0 096 224 B1 Bekannten. Denn auch dort würden Masken mit einem messenden Verfahren untersucht, bei dem die Kantenposition -aufgrund des Aufeinanderliegens der Koordinatensystem-Nullpunkte -von selbst mitbestimmt würden, weil jeder Koordinatenwert den Abstand zur Kante verkörpere. Mitzulesen sei auch die Bewegbarkeit des als "stage" bezeichneten Tisches, dessen Position selbstverständlich interferometrisch messbar sei.

Die als Merkmale g) und h) aufgenommenen erteilten Ansprüche 5 und 6 beschränken nach Ansicht der Einsprechenden das Verfahren nicht auf eine lichtoptische Messung. Schon deshalb ziehe der Fachmann den aus der US 5 497 007 bekannten Stand der Technik zur Lösung des Patentproblems in Betracht; dieser sei explizit nicht auf das Ausführungsbeispiel mit unsichtbarer Strahlung beschränkt. Die beanspruchte "niedrige" Apertur sei mangels Offenbarung eines Bezugswertes nicht beschränkend; dies gelte auch für die im letzten Merkmal beanspruchte reflektierende Eigenschaft der Messtischoberfläche, da jede Materie in gewissem Umfang reflektierend sei.

Demnach sei der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 durch die Zusammenschau der beiden vorgenannten Druckschriften nahegelegt.

Nach Ansicht der Einsprechenden stehe aber auch die US 5 497 007 allein dem beanspruchten Verfahren patenthindernd entgegen, denn die dortige Wafervermessung sei einerseits auch auf Maskenstrukturmessungen lesbar, und der geltende Anspruch 1 sei andererseits nicht auf eine gerade Maskenkante beschränkt, sondern erfasse auch Objekte mit rundem Umfang.

Auch dort werde das Koordinatensystem des Substrats über eine Kantenmessung und in nur einem Gerät bestimmt. Das Arbeiten mit Messfenstern an der Substratkante gemäß dortiger Figur 8 entspreche dem in Figur 4 der Streitpatentschrift offenbarten Vorgehen. Schließlich entspreche die Defektvermessung von Waferstrukturen dem patentgemäßen Vermessen von Koordinatenpositionen der Strukturen auf der Maskenoberfläche.

Die Einsprechende beantragt, das Patent 198 17 714 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das angegriffene Patent beschränkt mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten: Patentansprüche 1 bis 9, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung, übrige Unterlagen, Beschreibung und 1 Blatt Zeichnung, jeweils wie erteilt.

Sie gesteht zu, dass mit dem Begriff "Struktur" im Patentanspruch 1 jegliche messbaren Strukturen auf der Maskenoberfläche zu verstehen seien, insbesondere auch die (Nutz-)Strukturen zur Erzeugung von entsprechenden Waferstrukturen als Elemente elektrischer Bauteile oder Leitungsverbindungen.

Auch sieht sie keinen Unterschied zwischen "Messen" und "Bestimmen" von Koordinatenpositionen. Die Patentinhaberin sieht aber einen Unterschied zwischen der erfindungsgemäßen Qualitätssicherung und produktionsvorbereitenden Verfahren wie sie in der EP 0 096 224 B1 beschrieben seien. Dort sei insbesondere keine Messung des Abstandes zwischen Kanten und Strukturen vorgesehen. Mit den Merkmalen g) und h) sei das anspruchsgemäße Verfahren nun auch auf die Verwendung sichtbaren Lichtes beschränkt. Dem Fachmann fehle jeder Anlass, die EP 0 105 661 A1 zur Lösung des Patentproblems heranzuziehen; denn dort werde die gesamte Fläche erfasst und die ermittelten Strukturdaten lediglich mit gespeicherten Referenzdaten verglichen, nicht aber mit Kantenkoordinaten. Die US 5 497 007 ziehe der Fachmann schon deshalb nicht in Betracht, weil die patentgemäße Strukturvermessung nichts mit der dort beschriebenen Wafervermessung zu tun habe, bei der der Waferrand bedeutungslos sei; auch sei dort der Waferrand rund und nicht geradlinig wie die anspruchsgemäße Maskenkante und insoweit nicht relevant.

Schließlich werde das patentgemäße Verfahren in einem einzigen Gerät durchgeführt ohne Umlagerung der Maske, was im Stand der Technik nicht bekannt sei, der auch keinen entsprechenden Hinweis biete.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den am 28. März 2007 erhobenen Einspruch beruht auf dem -auf § 61 Abs. 2 PatG gestützten -Antrag der Einsprechenden vom 4. Juni 2008.

Denn gemäß der ersten Alternative dieser Vorschrift entscheidet der Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts, wenn ein Beteiligter dies beantragt und kein anderer Beteiligter innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Antrags widerspricht.

2.

Der statthafte und auch sonst zulässige Einspruch konnte keinen über die beantragte Beschränkung des angegriffenen Patents hinausgehenden Erfolg haben.

Als für die Beurteilung der Lehre des Streitpatents und des Standes der Technik zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Physiker (Univ.) oder Dipl.-Ing. (Univ.) der Fachrichtung Elektrotechnik/Halbleitertechnik an mit Berufserfahrung in der Entwicklung und Fertigung von Messeinrichtungen für die Fertigung integrierter Halbleiter.

3.

Die dem Fachmann durch den erteilten Anspruch 1 gegebene Lehre muss hinsichtlich mehrerer Merkmale unter Heranziehung der Gesamtoffenbarung der Streitpatentschrift zunächst ermittelt werden.

Unter der im Merkmal a) genannten Messung von Strukturen versteht der Fachmann im Blick auf die in den Merkmalen d) und e) genannten Koordinatenpositionen die Messung der Lage von Strukturen auf der Maskenoberfläche.

Übereinstimmend mit der Sicht der Patentinhaberin entnimmt der Fachmann nach Ansicht des Senats aus der Streitpatentschrift, dass unter den Begriff Strukturen (Merkmale a), d) und e)) sowohl die auf einen Wafer zu belichtenden Maskenmuster zur Bildung elektronischer Bauteile oder Leitungsverbindungen zu verstehen sind als auch "Hilfsstrukturen" wie Ausrichtemarken (Abs. [0002]) oder Centrality Marken (Abs. [0007]). Denn die Patentbeschreibung verwendet außer dem Begriff Strukturen noch die Begriffe "ausgewählte Strukturelemente" (Abs. [0012]), "andere gemessene Strukturen" (Abs. [0013]) und "Strukturen aus der regulären Maskenstruktur als Centrality-Marken..." ([Abs. [0029]), so dass der Fachmann aus der Zusammenschau aller Angaben entnimmt, dass jede normalerweise messbare Struktur (Abs. [0026]) auf der Maskenoberfläche unter den Anspruchsbegriff "Strukturen" fällt.

Dass das anspruchsgemäße Verfahren auf einem einzigen Gerät durchgeführt wird, was eine Umlagerung der Maske als weiteren Verfahrensschritt ausschließt, ergibt sich schon daraus, dass Merkmal h) auf eine Oberfläche des Messtisches Bezug nimmt, d. h. auf den in Merkmal b1) genannten einzigen Messtisch.

Merkmal b1) schränkt das Verfahren dahingehend ein, dass die Messtischverschiebung interferometrisch zu messen ist und nicht auf beliebige andere Weise; denn so wie auch die anderen Sachmerkmale im Anspruch 1 lediglich als Kurzfassungen für die dahinterstehenden Verfahrensschritte anzusehen sind, kann für Merkmal b1) nichts anderes gelten.

Mit der Lagerung auf einem verschiebbaren Messtisch (Merkmal b1) und der Ausrichtung gegenüber einem Messgeräte-Koordinatensystem (Merkmal c) wird schon aus Patentanspruch 1 heraus klar, dass sowohl unter dem "Bestimmen" einer Koordinatenposition der Strukturen gemäß Merkmal e) als auch unter dem "Messen" einer Koordinatenposition der Außenkanten gemäß Merkmal f) eine Kombination aus Messen und anschließendem Umrechnen zwischen den Koordinatensystemen zu verstehen ist.

Es gehört zu den Elementarkenntnissen der Geometrie, dass zwei senkrecht zueinander stehende Außenkanten eines Körpers (hier: einer Maske) geradlinig verlaufen; dass der hier zuständige Fachmann ein anderes Verständnis dieses Teilmerkmals f) haben könnte, ist nicht ersichtlich.

Merkmal h) lehrt den Fachmann eine lichtoptische Kontrastmessung zwischen einer möglichst stark reflektierenden Messtischoberfläche und einer möglichst gering reflektierenden Maskenoberfläche, die mit dem bildauswertenden Messgeräte (Merkmal b) leicht erfassbar ist. Denn im Zusammenhang mit den Vorteilen des Patentgegenstandes ist von einer Kante gesprochen, die im reflektierten Licht beleuchtet ist und von einer Lichtintensität, die in das Meßsystem gelangt (Abs. [0011]); auch das beispielhaft anhand der Figuren beschriebene Verfahren nennt wiederholt Licht bzw. Lichtstrahlen, und die Beschreibung der Figuren 3 und 4 lässt klar erkennen, dass im Streitpatent ausschließlich Messungen mit sichtbarem Auflicht durchgeführt werden. So wird zur Erzielung eines hohen Kontrastes beim patentgemäßen Ausführungsbeispiel die Maskenkante im Bereich A abgeschrägt (Fig. 3).

4.

Der Patentanspruch 1 ist zulässig, denn er fasst die erteilten Patentansprüche 1, 5 und 6 nach Maßgabe ihrer Rückbeziehung zusammen.

Hinsichtlich der in den Merkmalen b), b1), g) und h) enthaltenen Vorrichtungsmerkmale bestehen keine Bedenken zur Klarheit der Patentkategorie. Denn diese Merkmale beschreiben in kürzest möglicher Form die jeweilige Verfahrensführung, nämlich durch Bildauswertung (Merkmal b), durch Verschieben einer Maske mittels des diese tragenden Messtisches (Merkmal b1), durch interferometrische Messung der Tischposition (Merkmal b1), durch eine Messung mit hoher Tiefenschärfe (Merkmal g) und durch Erfassung des Kontrastes zwischen Maskenkante und Hintergrund (Merkmal h).

5.

Mit dem voranstehend erläuterten fachmännischen Verständnis des erteilten Anspruchs 1 offenbart das Streitpatent die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs 1 Nr. 2 PatG).

Wie vorangehend dargelegt ist, wird das anspruchsgemäße Verfahren ohne Umlagerung der Maske auf einem einzigen Gerät durchgeführt, so dass schon hierdurch eine gesteigerte Geschwindigkeit und verringerte Beschädigungsgefahr gegeben ist, wie die in der Patentschrift (Abs. [0009]) angegebene Aufgabe fordert.

Auch eine aufgabengemäß angestrebte höhere Genauigkeit erscheint dem Senat mit der anspruchsgemäßen Verfahrensführung erreichbar; denn mit den Koordinatenpositionen zweier senkrecht zueinander stehender Außenkanten stehen zur Lagebestimmung und -korrektur weitere Messdaten zur Verfügung, die zur Steigerung der Genauigkeit bei den hierfür erforderlichen Auswertungen herangezogen werden können.

Dass der Fachmann die Verfahrensschritte gemäß den Merkmalen a) bis f) des geltenden Anspruchs 1 tatsächlich ausführen kann, hat die Einsprechende zugestanden und hinsichtlich der Merkmale g) und h) nicht bestritten (vgl. S. 4 Abs. 4 und die Punkte 5.5 und 5.6 des Einspruchsschriftsatzes vom 28. März 2007).

6. Der Gegenstand gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 ist gegenüber dem im Verfahren bekanntgewordenen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 PatG).

6.1 Die EP 0 096 224 B1 betrifft eine Positionierungsmethode für ein Maskenset bei der IC-Produktion (Titel), bei der eine exakte Aufeinanderfolge der Masken unabdingbar ist (Sp. 1 Z. 15 bis 18). Um die erforderliche Position der jeweils folgenden Maske bestimmen und optimieren zu können, bilden die Ausrichtemarken 14a, 14b auf der ersten Maske zusammen mit den Ausrichtemarken 19a, 19b auf der zweiten und jeder folgenden Maske jeweils eine noniusartige Skala (Fig. 2 und 3 i. V. m. Sp. 2 Z. 27 bis Sp. 3 Z. 7). Für die spätere Positionierung wird jede Maske vermessen in einem bildgebenden Koordinatenmessgerät (Fig. 4 und 5 m.d. zugeh. Text).






BPatG:
Beschluss v. 24.11.2010
Az: 19 W (pat) 701/10


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