Landgericht Bonn:
Urteil vom 4. Februar 2004
Aktenzeichen: 16 O 49/03

(LG Bonn: Urteil v. 04.02.2004, Az.: 16 O 49/03)

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der notwendigen Auslagen der Nebenintervenientin der Beklagten.

Die Nebenintervenienten der Kläger tragen ihre eigenen notwendigen Auslagen selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien sowie die Nebenintervenienten dürfen Sicherheitsleistungen auch durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bewirken.

Tatbestand

Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft in Abwicklung, deren Grundkapital in Höhe von 53,760 Mio. EUR in 21 Mio. Stück Aktien eingeteilt ist. Hauptaktionärin der Beklagten ist die Q AG (zukünftig Q), die Nebenintervenientin der Beklagten, mit einem Anteil am Grundkapital in Höhe von 97,46 % (= 20.467.141 Stück Aktien). Die restlichen Aktien (532.586 Aktien = 2,54 %) befinden sich im Streubesitz. Der Kläger zu 1) besitzt 2.784 Aktien, der Kläger zu 2) 555 Aktien, die Klägerin zu 3) 10 Aktien und die Klägerin zu 4) 1.100 Aktien.

Die I Aktiengesellschaft in Abwicklung geht auf die Teilprivatisierung der E, Anstalt des öffentlichen Rechts, zurück. Nach ihrer Gründung beteiligte sich die I AG 1989 als atypische stille Gesellschafterin am Vermögen der E AöR. Diese Beteiligung wurde bis zum Jahr 2002 auch nach Umwandlung der E Bank in eine AG sowie - unter quotaler Anpassung - nach Verschmelzung der E Bank auf die Q an letzterer aufrecht erhalten. Nach dieser Verschmelzung faßte die Hauptversammlung der I AG am 22.11.2000 den Beschluß, die Gesellschaft mit Ablauf des 31.12.2000 aufzulösen. Seither firmiert die Beklagte als Aktiengesellschaft in Abwicklung. Mit Vertrag vom 06.07.2001 schlossen die Beklagte und die Q einen Anpassungsvertrag zum Beteiligungsvertrag, in dem die Beteiligungsquote anhand der schiedsgutachlich durchgeführten Unternehmensbewertung festgesetzt wurde. Gemäß dieser Vereinbarung war die Beklagte mit 9,42 % als atypisch stille Gesellschafterin am Vermögen der A beteiligt. Die Hauptversammlung der Beklagten erteilte diesem Beteiligungsvertrag am 29.10.2001 die Zustimmung. Gegen diesen Beschluß erhob eine ehemalige Aktionärin, die Kreissparkasse C, Anfechtungsklage, der sich nach Ablauf der Anfechtungsfrist zwei weitere Aktionäre als Nebenintervenienten anschlossen. Im Juli 2002 nahm die Kreissparkasse C ihre Klage zurück. Nach der Klagerücknahme stellt das Landgericht Bonn mit Urteil vom 10.10.2002 (Aktenzeichen 14 O 152/01) fest, dass die erklärte Rücknahme auch gegenüber den beigetretenen Nebenintervenienten wirksam sei. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 26. Juni 2003 (Aktenzeichen 18 U 268/02) unter Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen. Die damaligen Nebenintervenienten haben hiergegen am 29. Juni 2003 Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingereicht (Aktenzeichen II ZR 234/03), die bislang noch nicht beschieden ist.

Im Zuge dieser Abwicklung wurde am 03.06.2002 zwischen der Beklagten und der A eine Aufhebungsvereinbarung hinsichtlich des stillen Beteiligungsvertrages mit Ablauf des 31.12.2002 getroffen. Der Abfindungswert wurde durch ein von X & L erstelltes Gutachten zum Unternehmenswert der A ermittelt. Mit Beschluß der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.07.2002 hat diese die Zustimmung zu der Aufhebungsvereinbarung vom 03.06.2002 erteilt.

Die den einzelnen rechtlichen Veränderungen zugrunde liegenden Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten waren über den vorerwähnten Rechtsstreit hinaus verschiedentlich Gegenstand gerichtlicher Verfahren vor dem Landgericht Bonn. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Kläger in den Klageschriften und der Beklagten in ihrer Klageerwiderung vom 29.10.2003 insoweit ausdrücklich Bezug genommen.

Die Hauptversammlung der Beklagten faßte am 31.07.2003 den mit der vorliegenden Klage angefochtenen Beschluß hinsichtlich der Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Beklagten auf die Q gegen eine Barabfindung gemäß §§ 327a ff AktG. In der Vorbereitung dieses Verfahrens zum Ausschluß von Minderheitsaktionären nach § 327a ff AktG (sogenannte "Squeezeout") bestimmte die Q zunächst selbst die angemessene Barabfindung. Hierzu beauftragte sie im Dezember 2002 X & L. In diesem Gutachten vom 28. Mai 2003 ermittelte X & L eine angemessene Barabfindung von 24,89 EUR je Aktie. Auf der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 31. Juli 2003 wurden in der Generaldebatte die anstehenden Tagesordnungspunkte erläutert. Hierzu lagen die notwendigen Unterlagen ausweislich des Protokolls der Hauptversammlung vollständig aus. Anschließend wurden verschiedene von den Aktionären gestellte Fragen erörtert. Die Generaldebatte wurde geschlossen, nachdem keine weiteren Wortmeldungen mehr vorlagen. Hinsichtlich der Einzelheiten zum Ablauf der Hauptverhandlung wird im übrigen ausdrücklich auf die wechselseitigen Ausführungen der Parteien Bezug genommen.

In der folgenden Abstimmung beschloss die Hauptversammlung mehrheitlich unter Punkt 1.) die Zahlung einer zweiten Vorabausschüttung in Höhe von 1,41 EUR an alle Aktionäre. Unter Tagesordnungspunkt 7.) beschloss die Hauptversammlung mehrheitlich den Ausschluß der Minderheitsaktionäre gegen Barabfindung in Höhe von 24,89 EUR je Aktie.

Die Kläger, die die Regelungen des Squeezeout-Verfahrens nach §§ 327a ff AktG im generellen und des sogenannten Freigabeverfahrens nach §§ 327e Abs.2, 319 Abs.5 und 6 AktG im speziellen aus im einzelnen näher dargelegten Gründen für verfassungswidrig halten, meinen, dass jedenfalls die Anwendung dieses Verfahrens im vorliegenden Fall einer Aktiengesellschaft in Abwicklung rechtsmißbräuchlich sei. Dementsprechend sei der angefochtene Übertragungsbeschluß nichtig, jedenfalls anfechtbar.

Die Kläger rügen weiterhin eine Verletzung des Auskunftsrechts im Hinblick auf die der notariellen Niederschrift des Protokolls beigefügten Fragen, die die Hintergründe und Vorbereitungshandlungen für den angefochtenen Beschluß und dessen grundsätzliche materielle und verfahrensmäßige Rechtsmäßigkeit sowie direkt oder indirekt die Unternehmenswertung betreffen.

Zudem seien bei der Unternehmensbewertung zur Bestimmung der angemessenen Barabfindung elementarste Grundprinzipien einer ordnungsgemäßen Unternehmensbewertung mißachtet worden, so dass der Beschluß auch aus diesem Grunde keinen Bestand haben könne. Dies gelte insbesondere auch, weil bei der Barabfindung fälschlicherweise die zuvor beschlossene Vorabausschüttung in Abzug gebracht worden sei. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Rügen wird ausdrücklich auf Bl.8 ff der Gerichtsakten Bezug genommen.

Ferner sei die Versammlungsführung und damit das Abstimmungsergebnis auch deshalb fehlerhaft, weil ein Antrag des Aktionärsvertreters T vom Versammlungsleiter fehlerhaft behandelt worden sei. Dieser habe beantragt, dass die Hauptversammlung beschließe, der Vorstand werde durch die Hauptversammlung angewiesen, die Bewertung für die von der Mehrheitsaktionärin zu zahlende Abfindung durch unabhängige Sachverständige überprüfen zu lassen und außerdem einem gerichtlichen Spruchverfahren zugänglich zu machen. Außerdem habe er vorsorglich und zusätzlich beantragt, eine Sonderprüfung zur Klärung der Frage, inwieweit durch das Verhalten von Hauptaktionärin, Abwicklern und Aufsichtsräten hinsichtlich der Freigabe und Bewertung der stillen Beteiligung an der Q der Gesellschaft ein Schaden und der Hauptaktionärin ein Sondervorteil entstanden sei. Der Kläger zu 2) habe sich diesem Antrag - unstreitig - angeschlossen. Der Versammlungsleiter habe pflichtwidrig keine Abstimmung über diesen Antrag herbeigeführt.

Dementsprechend beantragen die Kläger, deren Anträge sich die Nebenintervenienten K1 bis K6 in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angeschlossen haben:

Der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 31. Juli 2003 auf Vorschlag von Abwicklern und Aufsichtsrat gefaßte Beschluß (vgl. notarielle Niederschrift der Hauptversammlung, Seite 12) hinsichtlich der Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Beklagten auf die Q AG, gegen eine Barabfindung gemäß §§ 327a ff. AktG mit folgendem Wortlaut:

"Die Aktien der übrigen Aktionäre der E Aktiengesellschaft in Abwicklung werden gemäß dem Verfahren zum Ausschluß von Minderheitsaktionären (§§ 327a ff AktG) gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 24,89 EUR pro Aktie auf die A AG übertragen."

wird für nichtig erklärt.

hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass der im Hauptantrag bezeichnete Beschluß der Hauptversammlung der Beklagten vom 24.06.2003 nichtig (äußerst hilfsweise: unwirksam) ist.

Die Beklagte, deren Antrag sich die Nebenintervenientin B1 angeschlossen hat, beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass verfassungsrechtlich nicht zu beanstandendes Squeeze-Out-Verfahren sei vorliegend entsprechend den gesetzlichen Regelungen durchgeführt worden, so dass der angefochtene Beschluß insgesamt nicht zu beanstanden sei. Soweit die Kläger die Bewertung der Aktien und die Behandlung einzelner diesbezüglichen Fragen auf der Hauptversammlung beanstandeten, seien sie mit diesbezüglichen Einwendungen im Rahmen des Anfechtungsverfahrens generell ausgeschlossen, da solche Fragen gemäß § 327f AktG ausschließlich im Rahmen des Spruchverfahrens zu klären seien.

Dementsprechend könnte auch die vermeintliche Fehlbehandlung von Fragen, die die Bewertung der Aktien beträfen, in diesem Verfahren insgesamt nicht mit Erfolg gerügt werden. Im übrigen seien sämtliche zulässigen Fragen in der Hauptverhandlung auch ordnungsgemäß behandelt worden. Dies gelte insbesondere auch für die von den Klägern gesondert gerügten Anträge des Aktionärs T. Im übrigen seien diese Anträge - wie Bl.212 ff d.A. im einzelnen ausgeführt - schon unzulässig gewesen, so dass die Behandlung durch den Versammlungsleiter jedenfalls in der Sache nicht zu beanstanden sei.

Hinsichtlich des umfassenden Verteidigungsvorbringens der Beklagten wird im übrigen ausdrücklich auf die Klageerwiderungsschrift vom 29.10.2003 (Bl.174 ff d.A.) verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene Beschluß ist weder nichtig noch anfechtbar. Entgegen der Auffassungen der Kläger besteht an der Verfassungsmäßigkeit des Squeezeout-Verfahrens keine Bedenken.

Die Kammer folgt insoweit den übereinstimmenden überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Köln (vgl. Beschluß vom 06.10.2003, BB 2003, 2307 ff) und des OLG Stuttgart (Beschluß vom 03.12.2003 - vgl. Bl.215 ff des Parallelverfahrens 16 O 66/03) und bezieht sich insoweit auch ausdrücklich auf die Begründung dieser Obergerichte, die sie sich im vollen Umfang zu eigen macht.

Den Klägern ist zwar zuzugeben, dass sowohl die mitgliedschaftliche Stellung als auch die vermögensrechtliche Position des Minderheitsaktionärs grundsätzlich dem Schutzbereich des Artikel 14 GG unterliegen. Dieser Schutz besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr stehen sich die Eigentumspositionen von Haupt- und Minderheitsaktionären gegenüber, die es gegeneinander abzuwägen gilt. Der Gesetzgeber kann es daher aus gewichtigen Gründen des Gemeinwohls für angebracht halten, die Interessen der Minderheitsaktionäre an der Erhaltung ihrer im Aktieneigentum repräsentierten Vermögenssubstanz hinter die Interessen an einer freien Entfaltung der Unternehmerischen Initiative im Konzern zurücktreten zu lassen. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen gesetzgeberischen Wertung ist, dass die berechtigten Interessen der zum Ausscheiden gezwungenen Minderheitsaktionäre gewahrt werden. Dies ist durch die besondere Ausgestaltung des Spruchverfahrens und die sonstigen Regelungen des Squeezeout-Verfahrens gemäß § 327a ff AktG geschehen. Die wirtschaftliche Position der Minderheitsaktionäre wird durch die Regelung der Barabfindung, der Nachprüfung durch einen vom Gericht zu bestellenden Sachverständigen sowie der gerichtlichen Nachprüfbarkeit hinreichend geschützt (vgl. OLG Köln, a.a.O.).

Damit sind die Sicherungen dafür, dass ein zum Ausscheiden gezwungener Aktionär erhält, was seine gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, hinreichend gesichert.

Die Ausführungen der Kläger zu der vermeintlichen Verfassungswidrigkeit des Verfahrens beruhen, auch soweit sie sich auf andere Rechtsauffassungen in Literatur und Rechtsprechung stützen, im wesentlichen auf einer anderen Wertung der zugrundeliegen verfassungsrechtlichen Rechtspositionen und geben daher, ohne dass gegenüber den Begründungen der zitierten Gerichte neue erhebliche Einwendungen vorgetragen werden, keinen Anlaß, für die Kammer hier im einzelnen nähere Ausführungen zu machen.

Die rechtlichen Voraussetzung der §§ 327a ff AktG sind - soweit sie im Rahmen der Anfechtungsklage einer Überprüfung durch die Kammer zugänglich sind (vgl. dazu weiter unten) - vorliegend eingehalten worden.

Die Hauptaktionärin der Beklagten hat hier in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 327a AktG die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre beantragt und dazu einen § 327c AktG entsprechenden erläuternden Bericht unter Bezugnahme auf das Gutachten X & L vom 28.05.2003 vorgelegt. Die Angemessenheit der darin festgelegten Barabfindung ist von dem auf Antrag der Hauptaktionärin von dem Landgericht Köln bestellten Prüfer, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft "B", durch Bericht vom 16.06.2003 bestätigt worden. Die Hauptversammlung ist darauf unter Beachtung der Vorschriften der §§ 327c und d AktG auf den 31.07.2003 bestimmt worden.

Soweit die Kläger hier rügen, es liege schon keine ordnungsgemäße Überprüfung der Wertermittlung vor, weil das Landgericht Köln - wie üblich - entsprechend dem Vorschlag der Hauptaktionärin einen Prüfer mit dieser Aufgabe betraut habe, der schon parallel zu den Ermittlungen der von der Hauptaktionärin beauftragten Gesellschaft tätig geworden sei, greift dieser Einwand nicht. Unabhängig davon, dass eine solche "Parallelprüfung" grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (vgl. dazu ausführlich OLG Stuttgart a.a.O.) kann dieser Einwand im Hinblick auf § 327f AktG im Rahmen des Anfechtungsverfahrens auch überhaupt nicht geltend gemacht werden (vgl. OLG Köln a.a.O.). Der Beschluß des Landgerichts Köln vom 17.12.2002, mit dem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft B beauftragt worden ist, stellt die allein maßgebliche Grundlage für die Bestellung des Sachverständigen dar, dessen Rechtmäßigkeit und Richtigkeit im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu überprüfen ist. Über die Verweisung des § §27c Abs.2 S.3 AktG auf § 293c AktG folgt, dass diese Bestellung den Verfahrensgrundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegt, die als Rechtsmittel gegen die getroffene gerichtliche Entscheidung die sofortige Beschwerde gemäß § 20 FGG vorsieht. Etwaige Mängel der gerichtlichen Sachverständigenbestellung können daher nur mit dem vorgenannten Rechtsmittel verfolgt werden (vgl. OLG Köln a.a.O.), was hier - soweit erkennbar - nicht geschehen ist.

Auch der Ablauf der Hauptverhandlung selbst ist insgesamt nicht zu beanstanden. Soweit die Kläger zu 1) bis 3) in ihrer Klageschrift insoweit pauschal das Fehlen von auszulegenden Unterlagen gerügt haben, geht die Kammer, nachdem die Beklagte unter Hinweis auf das Protokoll der Hauptversammlung die Auslage aller nach § 327d AktG auszulegenden Unterlagen dezidiert vorgetragen hat, davon aus, dass dieser Punkt prozessual unstreitig geworden ist, nachdem die Kläger dazu nicht mehr im einzelnen Stellung bezogen haben. Anderenfalls hätte von den Klägern insoweit näher dargetan werden müssen, welche Unterlagen entgegen dem notariellen Protokoll bei der Hauptverhandlung nicht zur Verfügung gestanden haben sollten.

Soweit die Kläger im übrigen im einzeln rügen, Fragen betreffend die Bewertung der Aktien seien auf der Hauptversammlung fehlerhaft behandelt worden, sind sie auch mit diesbezüglichen Rügen im vorliegenden Anfechtungsverfahren ausgeschlossen (vgl. OLG Köln a.a.O.). Die Verletzung derartiger Informationspflichten können im Wege der Anfechtungsklage nicht geltend gemacht werden und sind vielmehr ausschließlich im Rahmen des Spruchverfahrens von Bedeutung. Insoweit hat das OLG Köln a.a.O. zu Recht darauf hingewiesen, dass fehlerhafte Informationen über einen wertrelevanten Gesichtspunkt letztlich einer fehlerhaften Barabfindung gleichzusetzen sind. Eine Anfechtung wird daher in einem solchen Fall auch den Interessen des Aktionärs nicht gerecht, da dieses Verfahren nur zu einer Kasation der Entscheidung führen kann, nicht hingegen - anders als das Spruchverfahren - zu einer Anpassung der Barabfindung (vgl. OLG Köln a.a.O.).

Der Vollständigkeit halber sei im Zusammenhang erwähnt, dass damit die Kläger vorliegend auch nicht mehr mit Erfolg einwenden können, die Bewertung durch X & L sei schon deswegen unrichtig, weil diese zu Unrecht von einer Rechtskraft der Entscheidung des Landgerichts Bonn in dem Verfahren 14 O 152/01 betreffend die Anfechtung des Beschlusses der Hauptversammlung vom 29.08.2001 ausgegangen sei. Selbst wenn dies so wäre - wogegen eindeutig die zutreffende Entscheidung des OLG Köln vom 05.06.2003 spricht -, so beträfe dies ebenfalls eine allenfalls im Rahmen der Bewertung der Aktien erhebliche Vorfrage.

Damit könnte im vorliegenden Verfahren - mangels anderer konkret gerügter Verfahrensfehler - allenfalls eine fehlerhafte Behandlung der Anträge des Aktionärs T noch die Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses beeinträchtigen. Auch dies ist jedoch im Ergebnis aus mehrfachen Gründen nicht der Fall. Zum einen betraf auch dessen Antrag nach Auffassungen der Kammer im Kern ausschließlich die Frage der Bewertung der Aktien, so dass eventuelle Fehler aufgrund des vorstehend Gesagten hier unbeachtlich wären.

Soweit der Antrag des Aktionäres T im übrigen die Einsetzung eines Sonderprüfers betraf, handelt es sich um einen gesonderten Punkt, der - entgegen § 124 AktG - in keinem Zusammenhang mit der bekannt gemachten Tagesordnung stand und schon von daher von dem Versammlungsleiter zurückgewiesen werden durfte. Hinzu kommt, dass dieser Antrag auch schon deswegen unzulässig war, weil er nicht den Anforderungen des § 142 Abs.1 AktG entsprach, da er die Person des von der Hauptversammlung einzusetzenden Sonderprüfers nicht benannte. Soweit das Begehren schließlich darauf gerichtet war, die Abwickler zu einer erneuten Überprüfung der Bewertung anzuhalten, ist die Zurückweisung dieses Antrags gleichfalls nicht zu beanstanden. Der Hauptversammlung fehlte insoweit die rechtliche Grundlage, die Abwickler, die mit ihrem zur Abstimmung gestellten Vorschlag zu erkennen gegeben hatten, dass sie die festgesetzte Abfindung für angemessen hielten, zu einer erneuten Überprüfung anzuweisen.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass das Squeezeout-Verfahren auch angesichts der bereits beschlossenen Abwicklung der Beklagten rechtlich zulässig und keinesfalls mißbräuchlich war. Dabei ist zunächst anzumerken, dass ein Rechtsmißbrauch nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Der Ausschluß der Minderheitsaktionäre bedarf trotz nachhaltigen Eingriffs in ihre Mitgliedschaftsrechte grundsätzlich keiner besonderen sachlichen Rechtfertigung nach den Maßstäben der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit. Die Ausgestaltung des Verfahrens gemäß §§ 327a ff AktG zeigt vielmehr, dass das Gesetz selbst die erforderliche Abwicklung zugunsten des Hauptaktionärs vorgenommen hat, der Beschluß also gleichsam seiner Rechtfertigung in sich trägt (vgl. OLG Köln a.a.O. m.w.N.). Das OLG Köln hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass ein Mißbrauch daher allenfalls dann angenommen werden könne, wenn etwa der Minderheitenausschuß das einzige Ziel des Verfahrens gewesen oder sonstige besondere Umstände die Annahme eines Mißbrauchs rechtfertigen könnten. Solche besonderen Umstände sind hier nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass auch in der Literatur die Anwendungen des § 327a AktG in der Abwicklungsphase ausdrücklich zulässig erachtet wird (vgl. Hüffer, AktG, 5.Aufl., Rn.6 zu § 327a AktG).

Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Kläger zu 1.) bis 3.) gibt - soweit er sich überhaupt sachlich mit dem Verfahrensstoff auseinandersetzt - keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100, 101 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet in § 709 ZPO.

Streitwert:

Der Verfahrenswert wird für alle Verfahrensbeteiligten einheitlich auf jeweils 50.000,00 EUR festgesetzt.






LG Bonn:
Urteil v. 04.02.2004
Az: 16 O 49/03


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