Amtsgericht Konstanz:
Beschluss vom 12. Dezember 2006
Aktenzeichen: 8 Cs AK 590/05

(AG Konstanz: Beschluss v. 12.12.2006, Az.: 8 Cs AK 590/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung des Amtsgerichts Konstanz vom 12. Dezember 2006 (Aktenzeichen 8 Cs AK 590/05) wurde der ehemalige Angeklagte freigesprochen. Die Kosten sowie die notwendigen Auslagen wurden der Staatskasse auferlegt. Der Rechtsanwalt beantragte daraufhin die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 1318,34 Euro sowie weiterer Kosten für die Revision in Höhe von 382,80 Euro. Zudem sollten bisher nicht angesetzte Gebühren in Höhe von 313,20 Euro festgesetzt werden.

Das Gericht erklärte, dass bei Rahmengebühren die Bestimmung der Gebühren im Einzelfall dem Rechtsanwalt obliegt. Allerdings ist diese Bestimmung nicht verbindlich, wenn die Gebühr von einem Dritten, wie in diesem Fall von der Staatskasse, erstattet werden muss und unbillig ist. Die Grundgebühr, die die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgilt, wurde als unbillig überhöht eingestuft und daher nicht verbindlich für die Kostenfestsetzung angesehen.

Bei der Bemessung der Grundgebühr sind die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Der Umfang und die Schwierigkeiten des Falls sowie die Bedeutung der Angelegenheit sind dabei maßgebliche Kriterien. In diesem Fall erschien die Grundgebühr als unterdurchschnittlich, da der Arbeitsaufwand gering war und der Strafvorwurf sowie die Vermögens- und Einkommenssituation des Angeklagten ebenfalls unterdurchschnittlich waren. Das Gericht setzte die Grundgebühr daher auf 120 Euro fest.

Auch die Verfahrensgebühr wurde festgesetzt, da die Hauptverhandlung in der ersten Instanz nur eine Stunde dauerte und die Angelegenheit insgesamt unterdurchschnittlich war. Die Terminsgebühr wurde aufgrund der geringen Dauer des Verhandlungstermins auf 200 Euro reduziert. Die Fotokopiekosten und die Auslagenpauschale wurden ebenfalls anerkannt.

Hinsichtlich der Verfahrensgebühr in der zweiten Instanz wurde festgestellt, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts unterdurchschnittlich war. Es gab keine weiteren Aktivitäten außer einer kurzen, unbegründeten Stellungnahme. Die Dauer der Hauptverhandlung in der zweiten Instanz war ebenfalls nicht durchschnittlich. Die Verfahrensgebühr wurde daher auf 200 Euro festgesetzt.

Im Revisionsverfahren konnte keine Tätigkeit des Rechtsanwalts festgestellt werden, daher wurde keine Gebühr festgesetzt.

Insgesamt wurden Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1300,94 Euro festgesetzt und an den Rechtsanwalt ausgezahlt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

AG Konstanz: Beschluss v. 12.12.2006, Az: 8 Cs AK 590/05


Tenor

[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt]

Gründe

I.

Durch o.g. Urteil wurde der ehem. Angeklagte freigesprochen und die Kosten sowie die notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 13.06.2006 - erweitert durch den Antrag vom 05.12.2006 - wurden Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 1318,34 Euro sowie weiterer 382,80 Euro für die Revision, sowie weiterer , bislang nicht angesetzte Gebühren in Höhe von 313,20 Euro beantragt.

II.

Bei Rahmengebühren - wie hier gemäß § 14 RVG in Rede stehend - obliegt die Bestimmung der Gebühren im Einzelfall dem Rechtsanwalt. Er hat sie unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG genannten Umstände nach billigem Ermessen zu treffen. Ist diese Gebühr von einem Dritten zu erstatten - so wie hier von der Staatskasse - ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung allerdings nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (KG Beschl. v. 09. 08. 2005, 3 Ws 59/05).

III.

Die Gebühren erster Instanz

Soweit es die Grundgebühr nach Nr. 4100 VVRVG anbelangt, war der Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers unbillig überhöht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG und daher für die Kostenfestsetzung nicht verbindlich.

Mit der Grundgebühr soll die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten werden. Nach der Gesetzesbegründung ist damit der Arbeitsaufwand gemeint, der einmalig mit der Übernahme des Mandats entsteht. Das ist zunächst das erste Gespräch mit dem Mandanten (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 222 zu Nr. 4100 VV).Abgegolten wird von der Gebühr auch die (erste) Beschaffung der erforderlichen Informationen (BT-Drucks. 15/1971, S. 222 zu Nr. 4100 VV). Unter Informationsbeschaffung sind alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts zu verstehen, die darauf gerichtet sind, ihm - über das Gespräch mit dem Mandanten hinaus - Informationen zu dem an ihn angetragenen Rechtsfall zu verschaffen. Das ist insbesondere eine erste Akteneinsicht nach § 147 StPO. Darüber hinaus werden sämtliche übrige Tätigkeiten, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats anfallen, von der Grundgebühr erfasst. Das können Telefonate mit Familienangehörigen des Mandanten oder der Polizei bzw. der Staatsanwaltschaft sein, um nach dem Stand der Ermittlungen zu fragen. Im gerichtlichen Verfahren kann das ein Anruf oder eine Anfrage beim Gericht sein, um sich dort nach dem Sachstand zu erkundigen

Bei der Bemessung der Höhe der Gebühr sind über § 14 die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 222 zu Nr. 4100 VV). Die Höhe der Gebühr ist also vor allem abhängig von den vom Rechtsanwalt erbrachten Tätigkeiten, insbesondere also von der Dauer des ersten Gesprächs, das er mit dem Mandanten geführt hat. Insofern wird der Umfang der Vorwürfe, die dem Mandanten gemacht werden, ebenso von Belang sein wie die Schwierigkeit der Sache. Beides hat im Zweifel Einfluss auf die Dauer des Gesprächs. Erhebliche Bedeutung hat auch der Umfang der Akten, in die der Rechtsanwalt erste Einsicht genommen hat. Darauf wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich abgestellt (vgl. dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 281). Umfang und Schwierigkeit sind im Rahmen des § 14 RVG die maßgeblichen Kriterien. Der Gesetzgeber hat hier im Gegensatz tz § 12 BRAGO bewusst eine Umkehr der Gewichtung und Reihenfolge der Kriterien vorgenommen. Die Höhe der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG ist nicht vom Rang des Gerichts abhängig, bei dem das Verfahren anhängig ist bzw. anhängig wird. Die Gebühr kann zudem in jedem Verfahrensstadium anfallen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gebührenrahmen für sämtliche Strafverfahren gelten und deshalb insbesondere bei den Bemessungskriterien Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und ( nachrangig) Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber der Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Frage, ob eine unterdurchschnittliche, durchschnittliche (Mittelgebühr) oder überdurchschnittliche Gebühr angemessen ist, nicht nur - wie z.B. bei den Rahmengebühren 4106 und 4108 VVRVG - die bei dem Amtsgericht anhängigen Verfahren sondern sämtliche Strafverfahren sind, auch diejenigen, die sehr umfangreiche und/oder schwierige Sachverhalte bzw. rechtliche Problemstellungen zum Gegenstand haben können, wie z.B. Wirtschaftsstrafsachen, Schwurgerichtsverfahren oder Punktesachen (LG Karlsruhe, Beschl. v. 02. 11. 2005, 2 Qs 26/05) .

Unter Berücksichtigung dieses Vergleichsmaßstabs erscheint der vorliegende Fall nach den Kriterien des § 14 RVG unterdurchschnittlich. Die erstmalige Einarbeitung erfolgte relativ zeitnah ( siehe hierzu auch LG Konstanz vom 18.10.2005 - 4 Qs 87/05). Zu diesem Zeitpunkt war weder der Aktenumfang durchschnittlich umfangreich noch schwierig. Der strafbare Vorwurf ( Strafbefehlsverfahren) war vorliegend gering, im Strafbefehlsind lediglich 30 Tagessätze in Ansatz gebracht worden. Die Vermögens- und . Einkommenssituation des ehem. Angeklagten ist ebenfalls unterdurchschnittlich, im Strafbefehl ist insoweit lediglich ein Tagessatz von 10 ,-- Euro in Ansatz gebracht worden. Die rechtliche Schwierigkeit war ebenfalls gering. Ein Indiz für das " Merkmal " Bedeutung der Angelegenheit ist auch immer der von der Staatsanwaltschaft zur Strafzumessung gestellte Antrag; Gerold/Schmidt, 10. Aufl., BRAGO § 12 Rdnr. 8; 12. Aufl., § 12 Rdnr. 16, Landgericht Karlsruhe, Beschluss vom 06.04.1992 (Qs 33/92). Au h dieser war vorliegend gering.

Das Gericht hielt hier die Festsetzung der Grundgebühr auf 120 Eurofür angemessen.

Die Verfahrensgebühr VV 4106 wurde antragsgemäß festgesetzt.

Die Hauptverhandlung I. Instanzdauerte lediglich 1 Stunde und begann pünktlich. Die Beweisanträge des Verteidigers wurden u.a. wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Umfang der Angelegenheit, die rechtlichen Schwierigkeit, die Bedeutung des strafbaren Vorwurfes und die Vermögens- und der Einkommenssituation des Angeklagten stellen sich auch hier unterdurchschnittlich dar. In vergleichbaren Fällen (LG Konstanz vom 18.10.2005 - 4 Qs 87/05 ) wurde ebenfalls die Terminsgebühr reduziert. Auch in der sonstigen Rechtsprechung (LG Koblenz, Beschl. v. 7. 3. 2006, 4 Qs 17/06 ) ist von einer Reduzierung der Mittelgebühr bei nicht durchschnittlichen Kriterien ausgegangen worden. Sofern der Verteidiger anführt, die Sache sei für den ehem. Angeklagten deshalb von gesteigerter Bedeutung, da erhebliche Vorstrafen vorliegen, kann dem nicht gefolgt werden. Dieses Kriterium ist allenfalls in umgekehrter Systematik bekannt. Sofern der Vertreter der Staatskasse zu dieser Gebühr ausführt, es seien auch zweifelhafte Zeugenaussagen heranzuziehen , kann dem entgegengehalten werden, dass die Vorbereitung auf die HV regelmäßig die Auseinandersetzung mit (abweichenden) Zeugenaussagen vorsieht, dies also keine Besonderheit darstellt ( LG Karlsruhe B.v. 15.06.98 -1 Qs 18/98 - ).

Die Festsetzung dieser Terminsgebühr auf 200 Euroerschien angemessen.

Die Fotokopiekosten I Instanz sowie die Auslagenpauschale waren antragsgemäß festzusetzen. Die Mwst. reduzierte sich dementsprechend aufgrund der Absetzungen.

IV.

Die Gebühren zweiter Instanz

Hinsichtlich der Verfahrensgebühr II Instanz liegt ebenfalls eine unterdurchschnittliche Tätigkeit vor. Die reine Berufungseinlegung wird noch durch die Gebühren erster Instanz abgedeckt ( § 19 Nr. 10 RVG) .Vorliegend beginnt daher für den Verteidiger die Berufungstätigkeit erst mit der ersten Tätigkeit nach der Berufungseinlegung ( Gerold/Schmidt, RVG, zu VV 4124 Rn 1).

Mit der Verfahrensgebühr werden alle Tätigkeiten des Verteidigers abgegolten, die er nach Einlegung der Berufung bis zum Ende des Berufungsverfahrens tätigt. Auch diese Gebühr bemisst sich nach den Kriterien des § 14 RVG. Weitere Anhaltspunkte können sich neben Umfang und Schwierigkeit oder Berufungsbeschränkung auch daraus ergeben, wie umfangreich der Verteidiger begründet hat ( Gerold/Schmidt, aao, zu VV 4124 Rn. 6).

Vorliegend wurde lediglich mit Schriftsatz vom 20.02.2006 eine kurze , unbegründete Stellungnahme abgegeben. Diese rechtfertigt nicht den Ansatz der Mittelgebühr und dürfte auch eine nicht durchschnittliche Vorarbeit erfordert haben. Eine weitere Verfahrenstätigkeit und v.a. Vorarbeit ist aus der Akte nicht ersichtlich. Auch wurden bis zum Hauptverhandlungstermin keine Stellungnahmen mehr abgegeben. Hinsichtlich der übrigen Kriterien des § 14 RVG gilt das bereits gesagte.

Bei Bemessung der Gebühr für die Berufungsinstanz ist zudem auch zu berücksichtigen, dass dem schon in erster Instanz tätigen Verteidiger bei unverändertem Sachstand der bis dahin ermittelte Sachverhalt bekannt war ( Mümmler, KostRsp, BRAGO, § 12 Rdnr. 2 ) . Auch dies wirkt sich auf die Bemessung aus.

Vorliegend konnte diese Verfahrensgebühr auf 200 Eurofestgesetzt werden.

In II. Instanz fanden zudem zwei Hauptverhandlungstermine statt. Der Hauptverhandlungstermin vom 01.06.2006 dauerte knapp zwei Stunden und begann ebenfalls pünktlich. Diese Dauer ist für ein Verfahren vor dem Landgericht nicht durchschnittlich. Vor allem die Dauer eines Termins ist jedoch maßgebliches Kriterium nach § 14 RVG ( Gerold/Schmidt, zu VV 4100 Rn. 21). Nach der Kommentierung ( Burhoff, RVG VV Vorb. 4 Rn. 61,62 ; s. auch Gerold/Schmidt, Vorb. 4 Rn 9) ergeben sich Richtwerte einer durchschnittlichen Dauer vor der Strafkammer von bis zu 5 Stunden. Davon ausgehend war hier nicht von einer durchschnittlichen Angelegenheit auszugehen. Auch der Strafvorwurf , die Kenntnis der Materie aus I Instanz, das Strafmaß u.a. spricht hier letztendlich dafür, dass keine Mittelgebühr ansetzbar ist.

Soweit der Verteidiger Zeugenvernehmungen anspricht, kann dem entgegengehalten werden, dass dies in Strafverfahren für gewöhnlich Anwendung findet und die Zeugenvernehmung hier im Rahmen eines für ein Amtsgericht üblichen Verfahrens blieb und insoweit die sonstigen deutlich unterdurchschnittlichen Kriterien nicht aufwiegen kann.

Das Gericht hielt hier den Ansatz in Höhe von 230 Eurofür angemessen.

Im Fortsetzungstermin vom 13.06.2006 wurde lediglich der bis dahin noch säumige Zeuge vernommen. Der Termin selbst dauerte nur ca. 1 Stunde. Durch die Verzögerung zu Beginn der Verhandlung begann der Termin anstelle von 09.00 Uhr jedoch erst um 09.20 Uhr. Diese Zeitverzögerung ist nach h. M. dem Verteidiger zuzugestehen. So konnte für den Fortsetzungstermin insgesamt 1h 20 Minuten in Ansatz gebracht werden. Entgegenzuhalten ist jedoch auch die deutlich unterdurchschnittlichen Kriterien des § 14 RVG. So war dieser Termin weder umfangreich noch schwierig. Auch liegt er deutlich unter der durchschnittlichen Terminsdauer einer Verhandlung vor dem Landgericht. Die Wartezeit zu Beginn der Hauptverhandlung ist ebenfalls ein Aspekt, der auf eine niedrigeren Bemessungsbezug schließen lässt. Es gilt mithin das oben gesagte zur ersten Hauptverhandlung.

Für den Fortsetzungstermin konnte nicht mehr als 170 Euroin Ansatz gebracht werden. Zwar tendierte die Dauer der Hauptverhandlung - wie vom Revisor vorgetragen - auf eine vergleichbare Terminsdauer vor einem Amtsgericht und dessen Gebührenhöhe (230 Euro) zu. Dennoch war mindernd zu berücksichtigen, dass der Umfang wesentlich geringer war. Weiter kam diese Dauer nur durch die Verzögerung zu Beginn der HV zustande. Auch wurde lediglich noch ein Zeuge vernommen. Zudem war - entgegen der ersten Instanz - der Sachverhalt bekannt. Nach der Berücksichtigung aller Bemessenskriterien konnte für den Fortsetzungstermin lediglich der erwähnte Betrag festgesetzt werden.

Die Auslagenpauschale war antragsgemäß festzusetzen. Die Mwst. reduzierte sich dementsprechend durch die Absetzungen.

V.

Die Gebühren für das Revisionsverfahren

Die Kosten sowie die notwendigen Auslagen des Revisionsverfahren wurden durch Beschluss des Landgerichts der Staatskasse auferlegt.

Eine andere Frage ist jedoch, ob hierfür Kosten festgesetzt werden können. Dies ist - wie das OLG Karlsruhe im Beschluss vom 29.08.2006 3 Ws 316/06 und der Verteidiger zu Recht ausführen - eine umstrittene Frage und von grundsätzlicher Bedeutung.

Eine zulässige, aber zwecklose Tätigkeit des Verteidigers löst keinen Erstattungsanspruch wegen der dadurch entstandenen Gebühr aus. In einem vergleichbaren Fall der Rechtsprechung hat ein Verteidiger bspw. nach Berufungsrücknahme durch die Staatsanwaltschaft lediglich Stellungnahme dahingehend abgegeben, dass er die Verwerfung der Berufung beantragen werde. Die Gebühren wurden in diesem Vergleichsfall nicht zuerkannt. Nachdem das Urteil zum Zeitpunkt der Stellungnahme bereits rechtskräftig war, sei die Tätigkeit des Verteidigers nicht mehr sinnvoll und sachgerecht gewesen oder habe das Verfahren fördern können. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass dem Verteidiger zu diesem Zeitpunkt die Rücknahme der Berufung der Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt war (LG Karlsruhe, Beschluss vom 05.04.2005, 1 Qs 3/05) .

Für die vorliegende Revision kann nichts anderes gelten.

Vorliegend ist nach Aktenlage keine Tätigkeit entfaltet worden. Die einzige aus der Akte ersichtliche Tätigkeit ist die Stellung eines Pflichtverteidigerantrages. Dieser wurde negativ verbeschieden und kann daher auch grundsätzlich nicht Gegenstand der zu klärenden Vergütung sein.

Nach wohl h.M dürfte jedoch ein Erstattungsanspruch hinsichtlich des Revisionsverfahrens ausscheiden. Wird der Verteidiger nach Einlegung der Revision der Staatsanwaltschaft, aber vor ihrer Begründung tätig, sind die dadurch entstandenen Auslagen des Angeklagten im Falle der Rechtsmittelrücknahme grundsätzlich nicht notwendig im Sinne des § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, § 91 Abs. 2 ZPO und deswegen regelmäßig auch nicht erstattungsfähig. Dem beipflichtend hat das OLG Koblenz ganz aktuell wie folgt entschieden :Nimmt die Staatsanwaltschaft die von ihr eingelegte Revision vor der Begründung zurück, sind Verteidigerkosten für eine Tätigkeit schon vor der Begründung nicht erstattungsfähig.(OLG Koblenz vom 03.07.2006, 2 Ws 424/06 = Rpfleger 2006, 670.). Das Gericht sieht sich hier auch im Einklang mit der herrschenden Meinung und nicht zuletzt seinem eigenen OLG folgend ( bspw. OLG Karlsruhe, Die Justiz 1996, 31; OLG Karlsruhe, B.v. 29.03.1995, RPfl. 1995, 517; Senat Die Justiz 1981, 288; OLG Frankfurt/aM NstZ-RR 1999, 351; LG Karlsruhe v. 05.04.2005 1 Qs 3/05; OLG Hamm 4 Ws 221/05; KG Berlin vom 13.02.2006 3 Ws 463/05; OLG Oldenburg JurBüro 2002, 531; OLG Karlsruhe JurBüro 1996, 199; OLG Köln Rpfleger 2003, 685; OLG Düsseldorf JurBüro 1980, 1688 und NStZ 1992, 299; OLG Celle NStZ-RR 1996,63;).

Für die anwaltliche Tätigkeit im Revisionsverfahren besteht grundsätzlich solange keine sachliche Notwendigkeit, wie die Staatsanwaltschaft eine von ihr gegen den Mandanten eingelegte Revision nicht begründet hat, so dass für die Erstattung von vor diesem Zeitpunkt entstandenen Anwaltskosten an den Angeklagten kein Raum ist. Zwar hat der Angeklagte durchaus ein anzuerkennendes Interesse, die Erfolgsaussichten einer von der Staatsanwaltschaft eingelegten Revision zu erfahren. Vor Zustellung des Urteils und Begründung der Revision beschränkt sich dieses Interesse jedoch auf ein subjektives Beratungsbedürfnis, während hingegen objektiv eine Beratung weder erforderlich noch sinnvoll ist. Denn sachgerechte und zweckdienliche Tätigkeiten eines verständigen Verteidigers können erst dann angezeigt sein, wenn feststeht, dass die Staatsanwaltschaft das von ihr eingelegte Rechtsmittel , nach näherer Überprüfung der Erfolgsaussichten überhaupt weiterverfolgt und wenn dann anhand der Anträge und der Begründung das Ziel und der umfang der Revisionsangriffe feststellbar sind. Der dann feststehende Gegenstand der Revisionsrügen ermöglicht erst eine auf den Einzelfall bezogene und das weitere Vorgehen präzisierende Beratung des Angeklagten durch den Verteidiger. Zuvor können lediglich potentielle und hypothetische , also spekulative und damit nicht sachgerechte Erwägungen in Betracht kommen.

Das Revisionsverfahren war daher nicht erstattungsfähig.

Es wurde wie folgt festgesetzt.

I. Instanz: Grundgebühr VV 4100120 EuroVerfahrensgebühr 4106140 EuroTerminsgebühr VV 4108 200 EuroFotokopien21,50 EuroPauschale20 EuroMwst.80,24 Euro SA:581,74 Euro

II. Instanz: Verfahrensgebühr VV 4124 200 EuroTerminsgebühr230 EuroFortsetzungstermin170 EuroPauschale20 EuroMwst.99,20 Euro Sa:719,20 Euro

Revisionsinstanz

Keine Erstattung.

Der Gesamtbetrag von 1300,94 wurde mittels Auszahlungsanordnung angewiesen und verzinst.






AG Konstanz:
Beschluss v. 12.12.2006
Az: 8 Cs AK 590/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/700acf883012/AG-Konstanz_Beschluss_vom_12-Dezember-2006_Az_8-Cs-AK-590-05




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