Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. August 2010
Aktenzeichen: 25 W (pat) 124/09

(BPatG: Beschluss v. 23.08.2010, Az.: 25 W (pat) 124/09)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wort-Bildmarkeist am 5. April 2002 unter der Nummer 302 02 453 in das beim Deutschen Patentund Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden, und zwar für die folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 29, 30, 32 und 43:

"Synthetisch hergestellte Süßstoffe und Süßungsmittel; Kaffeeweißer; Kaffee, Kakao, Schokolade, Schokoladeund Zuckerwaren, insbesondere Riegel, auch unter Zusatz von Milchund Fruchtprodukten, Nüssen und/oder Getreideprodukten; feine Backund Konditorwaren; Kaffee-, Kakaound Schokoladengetränke, auch unter Zusatz von Milchprodukten und/oder Aromatisierungsmitteln und/oder Süßungsmitteln, diese Produkte auch in Instantform; natürliche Süßstoffe und Süßungsmittel; Kaffee-, Kakaound Schokoladenpräparate für die Herstellung von alkoholfreien Getränken; alkoholfreie Getränke, auch solche unter Zusatz von Kaffee, Kakao, Schokolade, Milchprodukten und/oder Fruchtprodukten; Dienstleistungen eines Restaurationsbetriebes."

Dagegen hat die Inhaberin der am 17. Juni 1997 angemeldeten Gemeinschaftsmarke GRAN, die am 19. Mai 2006 unter der Nummer 573 576 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt für die folgenden Waren der Klassen 3, 5 und 30

"Mittel zur Körperund Schönheitspflege, Parfümerien, ätherische Öle, Seifen, Zahnputzmittel; Pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, mit Ausnahme von Dermatika, insbesondere Salben für pharmazeutische Zwecke, diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke (sämtliche zuvor genannten Waren weder in Granulatform noch als gekörnte Substanz); Pflaster und Verbandmaterial; Gebäck, Kleingebäck, Karamellen, Kekse, Kuchen, Lakritze, Lebkuchen, Makronen, Malzbiskuits, Mandelkonfekt, Marzipan, Schokolade, Traubenzucker für Nahrungszwecke; Gerstengraupen, Gerstenmehl, Gerstenschrot, Getreideflocken, Getreidepräparate, Gewürze, Gewürzmischungen, Gewürznelken, Glukose für Nahrungszwecke, Gluten für Nahrungszwecke, Hafer, Hafergrütze, Haferkerne, Honig, Ingwer, Kartoffelmehl für Speisezwecke, gemahlener Mais, gerösteter Mais, Cornflakes, Maismehl, Malz für Nahrungszwecke, Mühlenprodukte, Muskatnüsse, Würzzubereitungen für Nahrungsmittel, Makkaroni, Nudeln, Safran, Sago, Selleriesalz, Senfmehl, Stärke für Nahrungszwecke, Stärkeprodukte für Nahrungszwecke, Teigfermente, Vanille, Vanillin, Würzmittel, Zimt; Kaffee, Kaffee-Ersatz, Kaffee-Ersatzstoffe auf pflanzlicher Grundlage, Kaffeegetränke, Kakao, Kakaoerzeugnisse, Kakaogetränke, Schokoladengetränke, Tee, nicht medizinische Kräutertees"

eingetragen wurde, Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patentund Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen vom 8. August 2003 und vom 29. Januar 2009, von denen der Letztgenannte im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen.

Die Markenstelle ist der Auffassung, dass sich die Vergleichsmarken zwar auf teilweise identischen und teilweise ähnlichen Waren begegnen könnten, die angegriffene Marke aber den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke einhalte. Die Widerspruchsmarke weise eine normale Kennzeichnungskraft auf. Beim Vergleich der gegenüberstehenden Marken fielen aber insbesondere die Bildbestandteile der angegriffene Marke ins Gewicht, während die Widerspruchsmarke eine reine Wortmarke sei. Selbst wenn man davon ausginge, dass die angegriffene Marke durch den Wortbestandteil "BIOGRAN" geprägt werde, liege keine relevante Ähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke vor. Das Wortelement "BIOGRAN" könne nicht in seine Bestandteile "BIO" und "GRAN" zerlegt werden, insbesondere könne "BIO" nicht vollständig abgespalten werden. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr scheide insgesamt aus. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr komme nicht in Betracht. Der Verkehr werde die angegriffene Marke, die anders als die Widerspruchsmarke Bildelemente enthalte, nicht als Weiterentwicklung der Widerspruchsmarke ansehen und der Widersprechenden zuordnen. Die Widersprechende verfüge zudem nicht über eine Markenserie mit der Hauptmarke "GRAN". Es sei auch generell nicht üblich, Marken aus dem Bereich "Lebensmittel, Getränke" mit dem Präfix "BIO" zu ergänzen und damit auf eine Produktserie mit Bioprodukten hinzuweisen. Die von der Widersprechenden genannte Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 10. November 2003 30 W (pat) 220/02 stehe dieser Einschätzung nicht entgegen, da insoweit auf die Bekanntheit als Firmenschlagwort und eine besonders starke Kennzeichnungskraft der dortigen Widerspruchsmarke abgestellt worden sei.

Gegen die vorgenannten Beschlüsse der Markenstelle richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Aus ihrer Sicht sei eine erhebliche Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken gegeben. Zwar bestehe die angegriffene Marke aus einem Wort, doch setze sich dieses aus den zwei Bestandteilen "BIO" und "GRAN" zusammen. Der Präfix "BIO" werde als Abkürzung für "biologisch" oder "aus biologischem Landbau" verstanden, sei daher nicht unterscheidungskräftig, während der weitere Bestandteil "GRAN" als zumindest durchschnittlich kennzeichnungskräftig zu erachten sei. Die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verbraucher verlagere sich auf diesen Wortbestandteil. Der Bildbestandteil der angegriffene Marke führe nicht dazu, dass die Verwechslungsgefahr entfalle. Der Verkehr werde dem Wortbestandteil die prägende Bedeutung zumessen. Der Bildbestandteil der angegriffene Marke zeige eine Ähre, die bei einer Vielzahl von "Bio-Marken" verwendet werde und hinter den Wortbestandteil zurücktrete. Ferner sei eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben, weil das Element "BIO" häufig auf eine "Bio-Produktlinie" desselben Unternehmens hinweise. Auch die Widersprechende vertreibe eine "Bio-Produktlinie". Das Element "BIO" werde stets produktbeschreibend verwendet, so dass der Verkehr davon ausgehe, bei den mit der angegriffene Marke gekennzeichneten Produkten handele es sich um eine "Bio-Produktlinie" der Widersprechenden. Der vorliegende Fall unterscheide sich im Übrigen von der Senatsentscheidung vom 30. Oktober 2009 -25 W (pat) 71/09. Während es sich dort bei dem Markenelement "Lektra" um einen Phantasiebegriff gehandelt habe, könne die Widerspruchsmarke "GRAN" als Abkürzung für "Granulat" verstanden werden, so dass insoweit eine andere Fallgruppe gegeben sei.

Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. August 2003 und vom 29. Januar 2009 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Aus ihrer Sicht ist zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr gegeben. Sie bezieht sich auf die Senatsentscheidung vom 30. Oktober 2009 25 W (pat) 71/09; der vorliegende Sachverhalt sei entsprechend zu beurteilen und eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Es bestehe auch kein Anlass, den Bestandteil "BIO" in der angegriffene Marke abzuspalten. Die von der Widersprechenden vorgelegten Beispiele für "Bio-Produktlinien" aus ihrem Hause widersprächen dem nicht, da der Bestandteil "BIO" sich dort räumlich und gestalterisch von den übrigen Kennzeichenelementen abhebe, was bei der angegriffene Marke gerade nicht der Fall sei. Das Bildelement der angegriffene Marke führe zu einem zusätzlichen Abstand von der Widerspruchsmarke. Die von der Widersprechenden vorgelegten Beispiele seien anders gestaltet. Zudem handele es sich bei den Wortbestandteilen dieser Beispiele überwiegend um glatt beschreibende Angaben, so dass erst die bildliche Darstellung die Unterscheidungskraft dieser Marken begründe. Schließlich fehle jeder Nachweis, für welche Waren diese Marken eingetragen seien und benutzt würden.

Ferner hatte die Widersprechende hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Sie hat diesen Antrag nach Terminsbestimmung zurückgenommen, worauf der Termin zur mündlichen Verhandlung abgesetzt worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zwischen der Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke besteht keine Verwechslungsgefahr (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 MarkenG), so dass die Markenstelle den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen hat (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).

1. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 -PICASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. -Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich insbesondere nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2008, 258 - INTERCONNECT/T-InterConnect; BGH MarkenR 2009, 399 - Augsburger Puppenkiste; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 32).

a) Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist für die Frage der Warenidentität bzw. der Warenähnlichkeit die Registerlage maßgebend. Danach können sich die Vergleichsmarken teilweise auf identischen und teilweise auf ähnlichen Waren begegnen. Für die Waren "Kaffee, Kakao, Schokolade, Kakaogetränke und Schokoladengetränke" sind beide Vergleichsmarken registriert. Aber selbst soweit es um diese im Identitätsbereich liegenden Waren geht, die für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr am kritischsten sind, hält die angegriffene Marke den gebotenen Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.

b) Dabei wird eine noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist nicht dargetan. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob die Widerspruchsmarke in Bezug auf einzelne Waren, für die sie eingetragen ist, in ihrer Kennzeichnungskraft geschwächt ist. Zwar hat die Widersprechende vorgetragen, dass das Markenwort "Gran" als Abkürzung von "Granulat" zu verstehen sei, was eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nahelegen könnte. Denn dann könnte sich ein beschreibender Bezug der Widerspruchsmarke zu Waren wie z. B. "Kaffee" oder "Schokolade" ergeben, und zwar hinsichtlich der Konsistenz, da die vorgenannten Produkte auf dem Markt auch in Form von Granulaten angeboten werden. Ob die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke deswegen tatsächlich geschwächt ist, ist jedoch nicht entscheidungserheblich, da auch bei einer unterstellten durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken nicht zu bejahen ist.

c) Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ist zwischen den gegenüberstehenden Marken nicht gegeben. Für den markenrechtlichen Vergleich der sich gegenüberstehenden Marken ist der Gesamteindruck maßgeblich. Hierbei ist grundsätzlich eine zergliedernde Betrachtungsweise einzelner Markenbestandteile zu vermeiden, zumal der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 170 m. w. N.). Die angegriffene Marke enthält in ihrem Wortbestandteil "Biogran" an dessen Anfang die Silbe "Bio", so dass sich gegenüber der Widerspruchsmarke "Gran" dadurch in der Silbengliederung, der Vokalfolge, der Silbenzahl und auch im Sprachrhythmus deutliche Unterschiede ergeben. Eine schriftbildliche und klangliche Verwechslungsgefahr ist bei einem Vergleich der Markenwörter in ihrer Gesamtheit aufgrund dieser Unterschiede nicht gegeben.

Der Bestandteil "-gran" prägt die angegriffene Marke auch nicht derart, dass die Anfangssilbe "Bio" im Rahmen ihres Gesamteindrucks weitgehend in den Hintergrund tritt.

Auch wenn bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit die sich gegenüberstehenden Zeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck zu vergleichen sind, ist es nicht ausgeschlossen, dass unter Umständen ein Bestandteil oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für dessen Gesamteindruck prägend sein können. Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (BGH GRUR 2008, 903, 904, Tz. 18 -SIERRA ANTIGUA). Auch wenn diese Grundsätze gemäß der Rechtsprechung des BGH auch bei einem aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzten "Einwortzeichen" in Betracht kommen können (vgl. BGH GRUR 2008, 905, Tz. 26 -Pantohexal), ist unter diesem Aspekt zwischen den Vergleichsmarken eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu verneinen, da der Bestandteil "Bio-" nicht in dieser Form in den Hintergrund tritt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob das Bildelement der angegriffenen Marke, das eine stilisierte Ähre darstellt, in Bezug auf zumindest eine Reihe von Waren der angegriffenen Marke als beschreibend anzusehen und deswegen im Gesamteindruck nicht zu berücksichtigen wäre.

Der Bestandteil "Bio" ist ein Wortbildungselement mit verschiedenen Bedeutungen, und zwar

"das Leben betreffend; Lebensvorgänge; Lebewesen; Lebensraum",

"gesund, natürlich, ohne chemische Zusätze",

"in irgendeiner Weise mit organischem Leben in Beziehung stehend"

(Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. aktualisierte Aufl., 2007, S. 202). Dieses Wortbildungselement ist mit diesen Bedeutungen in der deutschen Sprache in eine Reihe von mehrgliedrigen Substantiven eingefügt worden wie z. B. "Bioethik", "Bioladen" oder "Biochemie", denen ein eindeutiger Sinngehalt zugeordnet werden kann und bei denen der Bestandteil "Bio" als eigenständiger, begriffsbestimmender Wortbestandteil innerhalb dieser Fachausdrücke hervortritt. Solche Begriffsbildungen existieren auch im Bereich der hier betroffenen Waren, z. B. "Biokaffee", "Bioschokolade", "Biokakao", die im Verkehr verwendet werden.

Mit Blick auf die angegriffene Marke liegt es aber insoweit anders, als der Wortbestandteil "Bio" mit dem weiteren Bestandteil "-gran" kombiniert ist. Dieser Bestandteil steht für sich betrachtet zwar zum einen für die Abkürzung einer alten, in Deutschland heute nicht mehr verwendeten Maßeinheit, und stellt zum anderen die Abkürzung für "granuliert, granurös" dar (vgl. Lexikon der Abkürzungen, zusammengefasst und herausgegeben von Koblischke, 1994, S. 230). Zwar können, wie bereits ausgeführt, Waren, für die die angegriffene Marke registriert ist, in Form von Granulaten auf dem Markt angeboten werden. Dann aber könnte dem Wortelement der angegriffenen Marke die Gesamtbedeutung "Biogranulat" zukommen. Innerhalb dieses Gesamtbegriffs weisen die Bestandteile "Bio-" und "-gran", wie ausgeführt, jeweils für sich eigene Sachbezüge hinsichtlich der vorgenannten Waren auf, die gleichrangig nebeneinander stehen. Soweit ein Bedeutungsgehalt der Schlusssilbe "-gran" in dem Markenwort "Biogran" nicht erkannt wird, verschmilzt zudem die Anfangssilbe "Bio-" mit dem weiteren Wortbestandteil "-gran" zu einer einheitlichen Lautfolge, ohne dass eine Aufspaltung in einen rein beschreibenden Bestandteil "Bio-" und einen kennzeichnenden Bestandteil "-gran" naheliegend wäre.

Vielmehr wird der Verkehr bei "Biogran" von einem einheitlichen Markenwort ausgehen, wobei schon im Hinblick auf die Kürze des Bestandteils "-gran" und dessen Endungscharakter im konkreten Markenwort eine Prägung der Gesamtbezeichnung durch diesen Bestandteil nach Auffassung des Senats ausgeschlossen ist.

d) Ferner ist auch unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen Inverbindungbringens der Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr gem. § 9 Abs. 1 Nr.2 letzter Halbsatz MarkenG nicht zu bejahen.

In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (GRUR 2005, 1042 -THOMSON LIFE) und des Bundesgerichtshofes (GRUR 2006, 859 -Malteserkreuz; GRUR 2008, 903 -SIERRA ANTIGUA; GRUR 2008, 905 -Pantohexal; GRUR 2008, 909 Pantogast) zwar anerkannt, dass einem Bestandteil in einer zusammengesetzten Marke auch dann eine selbständig kennzeichnende und kollisionsbegründende Stellung zukommen kann, wenn dieser Bestandteil das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung nicht dominiert oder prägt.

Dies kommt zum einen in Betracht, wenn die gegenüberstehenden Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Inhaber zuordnet (vgl. BGH GRUR 2008, 905, Tz. 33 -Pantohexal). Zwar ist aus dem Markenregister ersichtlich, dass für die Widersprechende eine Reihe von mehrgliedrigen Marken mit dem Bestandteil "-gran" registriert waren und auch noch sind. Jedoch ergibt sich hieraus nichts darüber, ob und in welchem Umfang diese Marken im Inland benutzt werden, zumal aus dem Markenregister auch ersichtlich ist, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Marken auch wieder gelöscht wurde, vielfach auf Antrag der Widersprechenden. Im übrigen hat die Widersprechende zur Benutzungslage von registrierten und in Kraft befindlichen "Gran-Marken" nichts vorgetragen. Aber auch dann, wenn zugunsten der Widersprechenden eine Benutzung von Marken zu unterstellen wäre, die in gleicher Weise wie die angegriffene Marke dreisilbig und mit der Endung "-gran" gebildet sind, wäre nicht von einer kollisonsbegründenden Stellung dieses Bestandteils auszugehen. Die Kürze und der Endungscharakter dieses Bestandteils innerhalb solcher Zeichenbildungen sprechen dagegen, dass die Widerspruchsmarke und dessen Serienzeichencharakter dort wiedererkannt wird, und zwar auch dann, wenn ein Teil der für die Widersprechenden registrierten Marken in gleicher wie die angegriffene Marke dreisilbig und mit der Endsilbe "gran" gebildet sein sollte. Denn der Bestandteil "gran" ist als Schlusssilbe innerhalb solcher dreisilbiger Markenworte als die Kennzeichnungskraft dieser Bezeichnungen vorrangig gegenüber den übrigen Bestandteilen bestimmendes Element nur eingeschränkt geeignet und kommt daher als Stammbestandteil einer Markenserie nur unter besonderen Voraussetzungen wie insbesondere eine starke Gewöhnung des Verkehrs in Richtung Verkehrsbekanntheit in Betracht, was vorliegend aber in keiner Weise ersichtlich ist.

Zum anderen kann eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gegeben sein, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. BGH GRUR 2008, 905, Tz. 37 -Pantohexal). Zwar ist die Widerspruchsmarke hier identisch in die angegriffene Marke als Bestandteil übernommen worden. Sie ist jedoch nicht mit einem Serienzeichen oder einem Unternehmenskennzeichen der Markeninhaberin kombiniert worden. Vielmehr ergibt sich in Bezug auf die angegriffene Marke, wie ausgeführt, ein einheitlicher Gesamtbegriff, so dass auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne nicht gegeben ist.

2.

Da bereits hinsichtlich solcher Waren, die identisch für die angegriffene Marke und die die Widerspruchsmarke registriert sind, das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr i. S. d. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 MarkenG zu verneinen ist, gilt dies erst recht für die übrigen Waren der angegriffenen Marke, soweit diese im Verhältnis zu den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke als lediglich ähnlich zu erachten sind. Daher war der Widerspruch insgesamt zurückzuweisen (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).

3.

Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem die Widersprechende ihren diesbezüglichen Antrag zurückgenommen hat (§ 69 MarkenG).

4.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Knoll Merzbach Metternich Hu






BPatG:
Beschluss v. 23.08.2010
Az: 25 W (pat) 124/09


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