Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 28. Juni 2007
Aktenzeichen: I-2 W 6/07

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 28.06.2007, Az.: I-2 W 6/07)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen

die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil

der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf

vom 1. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der

Klägerin auferlegt.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens entspricht der

Summe der erstinstanzlich entstandenen Kosten des

Rechtsstreits.

Gründe

Die gemäß § 99 Abs. 2 S. 1 ZPO statthafte Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 1. Februar 2007 ist zulässig, sachlich jedoch nicht gerechtfertigt. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte, die die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche sofort anerkannt hat, der Klägerin nicht durch ihr Verhalten Veranlassung zur Erhebung der Klage im Sinne von § 93 ZPO gegeben hat.

Veranlassung zur Klage im Sinne des § 93 ZPO ist dann gegeben, wenn sich aus dem Verhalten des Beklagten konkrete Umstände ergeben, aus denen der Kläger vernünftigerweise entnehmen darf, er werde ohne Anrufung des Gerichts nicht zu seinem Recht kommen. Dabei ist es ebenso wie im Wettbewerbssachen auch in Patentverletzungssachen - um eine solche handelt es sich hier - grundsätzlich erforderlich, dass der Kläger den Verletzer vor Erhebung der Unterlassungsklage erfolglos verwarnt, wenn er für den Fall des sofortigen Anerkenntnisses der Kostenfolge des § 93 ZPO entgehen will

(vgl. Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl. § 139 Rdn. 163; vgl. auch Entscheidung des Senats vom 26.9.1979 - Az: 2 W 60/79, veröffentlicht in GRUR 1980, 135 und WRP 1979, 867,868). Die Verletzung der Patentrechte als solche gibt noch keinen Anlass zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO. Dabei ist eine Ausnahme von der Obliegenheit zur Verwarnung bzw. Abmahnung auch nicht schon immer dann gegeben, wenn der Kläger annehmen kann, der Verletzer habe bei seinem Verstoß vorsätzlich gehandelt. Vielmehr ist auch dann dem Kläger grundsätzlich eine Abmahnung zuzumuten (vgl. Beschluss des Senats vom 21. Oktober 1987- 2 W 87/87).

Ob eine Abmahnung im Einzelfall entbehrlich ist, beurteilt sich danach, ob aus der Sicht des Klägers zu der Zeit, zu der er entscheiden muss, ob er im betreffenden Einzelfall abmahnt oder dies unterlässt, eine Verwarnung des Verletzers bei Anlegung eines objektives Maßstabes unzumutbar ist (ständige Rechtsprechung des Senats seit ca. 20 Jahren vgl. u.a. die Beschlüsse vom 29. Juni 1988 - 2 W 96/88, vom 31. Juli 1985 - 2 W 57/85 und vom 16. Mai 1984 - 2 W 39/84). Unzumutbarkeit ist gegeben, wenn a) die mit einer vorherigen Abmahnung notwendig verbundene Verzögerung unter Berücksichtigung der gerade im konkreten Fall gegebenen außergewöhnlichen Eilbedürftigkeit schlechthin nicht mehr hinnehmbar ist, etwa um besonderen Schaden von dem Kläger abzuwenden, oder b) sich dem Kläger bei objektiver Sicht der Eindruck gerade zu aufdrängen musste, der Beklagte baue auf die grundsätzliche Abmahnpflicht und wolle sich diese zunutze machen, wobei in Wettbewerbssachen zum Beispiel an einen durch einen Wettbewerbsverstoß erzielbaren Werbeerfolg zu denken ist (vgl. Beschluss des Senats vom 29. März 2001 - 2 W 50/00).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass der Klägerin ein Abmahnung vor der Einreichung ihrer Klage bei Gericht durchaus zumutbar gewesen ist und die Beklagte weder durch eigenes noch durch ihr zurechenbares Verhalten Anlass zur Klageerhebung gegeben habe.

Nach ihrem eigenen Vortrag sind der Klägerin die mit der Klage angegriffenen Verletzungshandlungen der Beklagten dadurch bekannt geworden, dass diese auf einem Messestand der internationalen Fachmesse "SCHWEISSEN & SCHNEIDEN" in Essen vom 12. - 17. September 2005 Verpackungs- und Abwicklungsbehälter für Schweißdraht mit den Merkmalen des Ausspruches zu Ziffer I.1. des Anerkenntnisurteils des Landgerichts vom 1. Februar 2007 ausgestellt hat. Ausweislich des der Klägerin be-

kannten und von ihr mit der Klage als Anlage F 8 vorgelegten Ausstellerverzeichnisses war die Beklagte neben einem spanischen Unternehmen L. E. mit Sitz in B. Ausstellerin der angegriffenen Ausführungsformen. Gleichwohl hat die Klägerin die Beklagte, die ihren Sitz in E. hat, zu keinem Zeitpunkt wegen der patentverletzenden Handlungen abgemahnt, sondern unter Bezug auf die oben genannte Ausstellung in Essen sich zunächst mit einer Berechtigungsanfrage vom 3. November 2005 an die L. E. E. BV in N./N. gewandt (vgl. Anlage F 11) und in der Folgezeit Antworten von dieser (Anlage F 14) sowie, nachdem diese die Patentabteilung des Unternehmens T. L. E. C., C., O., eingeschaltet hatte, von den Patentanwälten dieses Unternehmens erhalten (vgl. Anlage F 12). Danach hat die Klägerin mit Schreiben vom 15. Februar 2006 ausschließlich die L. E. E. BV in N./N. abgemahnt und unter Fristsetzung bis zum 15. März 2006 (Anlage F 15) zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert. Dies blieb ohne Erfolg. - Im Oktober 2006 hat die Klägerin bei dem Landgericht Düsseldorf schließlich aber nicht Klage gegen das vorgenannte und abgemahnten. Unternehmen eingereicht, sondern gegen die Beklagte, ohne, wie gesagt, diese selbst zu irgendeinem Zeitpunkt abgemahnt zu haben.

Die Beklagte hat mithin zu keinem Zeitpunkt durch eigene Handlungen Anlass zur Klageerhebung gegeben, da die Patentverletzung als solche - wie oben ausgeführt - hierzu keinen Anlass bietet. Der Klägerin kann auch nicht darin gefolgt werden, dass der Beklagten die Handlungen der L. E. E. BV (Anlage F 14) und der von dieser eingeschalteten Patentanwälte der US-amerikanischen Muttergesellschaft T. L. E. C. (Anlage F 12) zuzurechnen seien. Das Landgericht hat auf den Seiten 11 und 12 der angefochtenen Kostenentscheidung zutreffend dargelegt, aus welchen Gründen eine Zurechnung nicht in Betracht kommt, obwohl in der Person des Herrn W. F G. Personenidentität zwischen dem Geschäftsführer der L. E. E. B. V. und dem Geschäftsführer der Beklagten besteht und obwohl die Beklagte eine Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Muttergesellschaft T. L. E. C. ist. Zutreffend verweist die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 7. Mai 2007 Seite 4 darauf, die Annahme, etwaige Stellungnahmen von W. F. G. und Patentanwalt Dr. Sch. sollten auch im Namen der Beklagten erfolgen, sei fern liegend , da dem Vorbringen der Klägerin objektiv zu keinem Zeitpunkt zu entnehmen gewesen sei, dass sie beabsichtige, wegen der beanstandeten Handlungen Klage gegen die Beklagte zu erheben. Ihr Unterlassungsbegehren vom 15. Februar

2006 richtete sich in der Tat eindeutig allein gegen die L. E. E. B.V., obwohl die Klägerin ausweislich der Anlage F 8 wusste, dass die Beklagte Ausstellerin der angegriffenen Ausführungsformen auf der Messe in Essen war. Es ist letztlich nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin, obwohl sie wusste, dass die Beklagte die angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland ausgestellt hatte, nicht diese vorprozessual zur Unterlassung aufgefordert hat, sondern die L. E. E. B. V., andererseits aber nicht diese wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Klagepatents in Düsseldorf verklagt hat, sondern die Beklagte.

Sind die Handlungen der L. E. E. B.V. und der US-amerikanischen Muttergesellschaft jedoch der Beklagten nicht zurechenbar, war es erforderlich und der Klägerin auch ohne weiteres zumutbar, die Beklagte vor Klageerhebung abzumahnen. Zwischen der an die L. E. E. B.V. gerichteten Abmahnung vom 15. Februar 2006 unter Fristsetzung bis zum 15. März 2006 und der Klageerhebung gegen die Beklagte lag mehr als ein halbes Jahr, innerhalb der die Klägerin hinreichend Zeit gehabt hätte, auch die Beklagte abzumahnen und ihr damit gegenüber deutlich zu machen, dass sollte sie sich wegen der patentverletzenden Handlungen nicht zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung verstehen, sie auch Klage gegen sie, die Beklagte, erheben werde.

Nach alledem hat das Landgericht der Klägerin zu Recht gemäß § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, so dass die sofortige Beschwerde der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen war.






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