Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Januar 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 123/00

(BPatG: Beschluss v. 29.01.2001, Az.: 30 W (pat) 123/00)

Tenor

1. Die Beschwerde der aus der Marke 915 113 Widersprechenden wird zurückgewiesen.

2. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird festgestellt, dass der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 3. März 2000, betreffend die Widerspruchsmarke Salus 2 913 908, wirkungslos ist.

Gründe

I.

Gegen die am 19. Dezember 1997 eingetragene und am 10. Februar 1998 bekanntgemachte Marke 2 913 908 Salorderen Warenverzeichnis zuletzt, aufgrund im Beschwerdeverfahren beantragter Teillöschung noch

"Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege, pharmazeutische Drogen, Pflaster, Verbandstoffe"

umfasst, haben Widerspruch erhoben 1. die Inhaberin der älteren, seit dem 16. August 1990 u.a. für Waren der Klasse 5 eingetragenen Marke 1 162 668 SALUS

(Widersprechende I)

und 2. die Inhaberin der seit dem 9. November 1976 für

"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, insbesondere als Hilfsmittel für die Textilindustrie, für die Chemiefaserindustrie, für die Leder- und Pelzindustrie, für das Reinigungsgewerbe, für die Aufbereitung und für die chemischtechnische Industrie, chemische Erzeugnisse für wissenschaftliche und fotografische Zwecke, Kunstharze, synthetische Harze und Kunstharze, sämtlich im Rohzustand (in Form von Flüssigkeiten, Pulvern und Pasten); Düngemittel (natürliche und künstliche); Feuerlöschmittel; Härtemittel und chemische Präparate zum Löten; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; Schleifmittel, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Hautreinigungs- und Hautschutzsalben (ausgenommen Rasierseifen, Rasiercreme, Rasierschaum, Rasierwasser, Haarwässer, Zahnputzmittel)"

eingetragenen Marke 951 113 FAVOR

(Widersprechende 2).

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch Beschluss vom 3. März 2000 wegen markenrechtlicher Verwechslungsgefahr der angegriffenen Marke mit der Marke 1 162 668 "SALUS" die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Durch einen weiteren Beschluss vom gleichen Tage ist der Widerspruch aus der Marke 951 113 "FAVOR" zurückgewiesen worden. Aufgrund der maßgeblichen Warenlage könnten sich keine identischen Waren gegenüberstehen, was auch schon die Einordnung in unterschiedliche Warenklassen zeige. Die Waren würden auch auf unterschiedliche Weise vertrieben. Auch sei der angesprochene Verkehrskreis vollkommen unterschiedlich, was verwechslungsmindernd zu berücksichtigen sei. Der Widerspruchsmarke könne auch keine gesteigerte Kennzeichnungskraft zugebilligt werden, da außer absoluten Umsatzzahlen nichts vorgetragen worden sei. Außerdem sei klanglich und schriftlich ein ausreichender Markenabstand gewahrt.

Die Markeninhaberin hat gegen den die Löschung anordnenden Beschluss Beschwerde eingelegt.

Der Widerspruch aus der Marke 1 162 668 "SALUS" ist im Beschwerdeverfahren zurück genommen worden.

Die Markeninhaberin beantragt insoweitfestzustellen, dass der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 3. März 2000 betreffend die Widerspruchsmarke 2 913 908 "SALUS" wirkungslos ist.

Die Widersprechende 2 hat Beschwerde eingelegt. Sie hat im Beschwerdeverfahren den Widerspruch auf "Pflaster und Verbandstoffe" beschränkt.

Begründend trägt sie vor, Markenähnlichkeit liege wegen Lautanzahl, Silbenzahl und Sprechrhythmus vor, im übrigen komme der Widerspruchsmarke eine erhöhte Kennzeichnungskraft zu, da sie seit langem benutzt werde und der Widersprechenden umsatzstärkstes Produkt sei. Zwischen der glaubhaft gemachten Benutzung für "chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke" und den noch angegriffenen Waren der angegriffenen Marke bestehe Warenähnlichkeit. Auch wenn die Widerspruchsmarke bisher nicht als begleitende Marke eingesetzt worden sei, würden die entsprechenden Produkte durchaus auch von Laien bestellt und eingekauft, die bei "Pflastern und Verbandstoffen" auf eine Verbindung zwischen der Widersprechenden 2 und der Inhaberin der angegriffenen Marke schließen würden.

Die Widersprechende 2 beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 3. März 2000 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Insoweit beantragt die Inhaberin der angegriffenen Marke, die Beschwerde zurückzuweisen.

Eine Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben, da keine Warenähnlichkeit vorliege. Die Benutzung der Widerspruchsmarke sei nur für "chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich als Hilfsmittel für die Chemiefaserindustrie" dargelegt. Diese Waren würden dem Endverbraucher nicht begegnen. Eine klangliche oder schriftbildliche Ähnlichkeit der Marken bestehe auch nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen II.

Die Beschwerde aus der Widerspruchsmarke 951 113 "FAVOR" ist zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs. 1, Abs. 2 MarkenG.

Im Ergebnis bleibt die Beschwerde aber ohne Erfolg, da eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht gegeben ist.

Zwar mag Warenähnlichkeit nicht vollständig auszuschließen sein, jedoch besteht jedenfalls ein so erheblicher Abstand der zu berücksichtigenden beiderseitigen Waren, daß der Markenabstand ausreicht, um Verwechslungsgefahr auszuschließen.

1. Nachdem die Markeninhaberin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten hat, ist seitens der Inhaberin der Widerspruchsmarke FAVOR die Benutzung dieser Marke für Superabsorber für die Hygiene- und Verpackungsindustrie glaubhaft gemacht. Auf dem hier relevanten Bereich der Pflaster und Verbandstoffe können sich die Marken nur insoweit begegnen, daß zB Verbandstoffe mit absorbierenden Mitteln versehen sein können. Insoweit kann (ausnahmsweise) Warenähnlichkeit auch zwischen Halb- und Fertigfabrikaten bestehen, wobei es allerdings in der Regel nicht ausreicht, daß die Halbprodukte abstrakt maßgebend die Eigenschaften und die Wertschätzung des Fertigproduktes mit bestimmen, sondern daß dies auch dem Verbraucher bewußt gemacht wird, sei es durch eine begleitende Marke, sei es durch sonstige Werbemaßnahmen (vgl. zuletzt BGH GRUR 2000, 886, 887 - Bayer/BeiChem). Zu solchen Werbemaßnahmen hat die Widersprechende nichts vorgetragen, sondern mitgeteilt, sie habe bisher davon abgesehen, ihre Marke als begleitende Marke zu verwenden.

Während sich die Waren der Widerspruchsmarke als Ausgangsstoffe für die Verpackungs- oder Hygieneindustrie also ausschließlich an das dort mit der Herstellung von Endprodukten beschäftigte Fachpublikum wenden, sind die Waren der angegriffenen Marke an den Endabnehmer gerichtet. Dabei ist nicht feststellbar, ob und in welchem Umfang sich diese Abnehmer von sich aus nähere Gedanken darüber machen, welche Firma die Vorprodukte etwa zum fertigen Verbandstoff liefert. Selbst wenn aber zwischen den Fertigprodukten der Markeninhaberin und den mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Superabsorbern so deutliche Berührungspunkte im Material und auch in den Herstellungsbetrieben gesehen werden könnten, dass eine Warenähnlichkeit nicht sicher zu verneinen wäre, ist der Grad einer solchen Warenähnlichkeit allenfalls im entfernteren Bereich einzuordnen. Dies wird auch durch das Prospektmaterial, das die Inhaberin der Widerspruchsmarke in der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, nicht in Frage gestellt, da in diesem die Widerspruchsmarke nicht aufscheint, sondern nur die unter Verwendung der Waren der Widerspruchsmarke hergestellten Endprodukte anderer Unternehmen beworben werden. Eine Bewerbung des unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Ausgangsstoffes ist daraus nicht ersichtlich.

2. Bei der Feststellung des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke kann letztlich nur eine normale Kennzeichnungskraft zugrunde gelegt werden. Dabei kann der Marke von der Wortbildung her normale Kennzeichnungskraft zuerkannt werden, auch wenn das der lateinischen Sprache entnommene Zeichenwort in seiner Bedeutung Gunst, Beifall einen gewissen beschreibenden Anklang in Bezug auf die Waren hat und Latein im medizinischen Bereich auch Fachsprache ist. Soweit allerdings die Widersprechende gesteigerte Kennzeichnungskraft in Anspruch nimmt, kann ihr diese aufgrund der insoweit vorgetragenen Tatsachen noch nicht zugestanden werden. Hierfür ist nämlich nicht maßgebend, welche Bedeutung die Marke innerhalb der Firma der Widersprechenden selbst sondern nur, welche Außenwirkung ihre Marke hat. Auslandsumsätze spielen insoweit ebenfalls nur unter besonderen, hier nicht erkennbaren Umständen eine Rolle. Der für das Inland mit 140 ...DM bezifferte Jahresumsatz ist jedoch für sich allein nicht so auffallend hoch, dass bereits daraus auf eine nennenswerte Bekanntheit der Marke geschlossen werden könnte, wobei generell Umsatzzahlen als solche hierfür wenig Aussagekraft haben, weil in Einzelfällen auch außergewöhnlich hohe Umsätze nur bei wenigen Abnehmern erzielt sein können und umgekehrt auch trotz geringer Umsätze eine breite Bekanntheit einer Marke gegeben sein kann (vgl hierzu auch BPatGE 38, 105 - Lindora/Linola).

Bei der gebotenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2000, 886 - Bayer/BeiChem m. w. N) und der Wechselwirkung zwischen Markenähnlichkeit, Warenähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hier zu verneinen.

3. Den danach - aufgrund bestenfalls geringer Warenähnlichkeit und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft zu fordernden - Abstand hält die angegriffene Marke ein. Den Gemeinsamkeiten der Markenwörter in der Buchstabenanzahl, der Silbenzahl, der Vokalfolge, dem Sprechrhythmus und den Buchstaben "-or" am Wortende stehen doch 2 gewichtige Abweichungen gegenüber, die in der Gesamtschau ausreichen, den Schutzbereich der älteren Marke zu verlassen. Die angegriffene Marke hebt sich mit dem klangstarken Konsonanten "S" im besonders beachteten Wortanfang deutlich von dem klangschwachen Lippenlaut "F" der Widerspruchsmarke ab. Hinzu kommt die konsonantische Abweichung zwischen "L" und "V", die sich innerhalb der Markenwörter an gleicher Stelle gegenüberstehen.

Auch in schriftbildlicher Hinsicht weichen die Marken ausreichend voneinander ab: während die Widerspruchsmarke bei handschriftlicher Wiedergabe eine Oberlänge aufweist, fehlt eine solche bei der angegriffenen Marke. Auch haben F und S in jeder Schreibweise deutlichere Unterschiede.

4. Bezüglich des Widerspruchs aus der Marke 2 913 908 "Salus", der mit Schriftsatz vom 12. September 2000 zurückgenommen worden war, war aus Gründen der Rechtssicherheit und des Amtsermittlungsgrundsatzes festzustellen, dass dieser Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 3. März 2000 wirkungslos ist, § 82 Abs. 1 MarkenG in Verbindung mit § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO (BGH GRUR 1998, 818 - PUMA).

5. Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Dr. Buchetmann Voit Schwarz-Angele Ko






BPatG:
Beschluss v. 29.01.2001
Az: 30 W (pat) 123/00


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