Landgericht Nürnberg-Fürth:
Urteil vom 19. Dezember 2013
Aktenzeichen: 6 O 4055/13

(LG Nürnberg-Fürth: Urteil v. 19.12.2013, Az.: 6 O 4055/13)

Tenor

1. Die Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerseite 100.000,00 € Zug um Zug gegen Abtretung der der Rechte aus der Schuldverschreibung ISIN: ...3, Vertrag 45298, zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) insoweit in Annahmeverzug mit der Zug-um-Zug-Leistung befinden.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagten zu 1), 4) und zu 5) tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3) trägt die Klagepartei. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klagepartei 60 %, den Rest trägt der Beklagte zu 2) selbst.

Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten der Klagepartei tragen die Beklagten zu 1), 2), 4) und zu 5) jeweils 1/8 als Gesamtschuldner. Die übrigen Gerichtskosten sowie ihre übrigen außergerichtlichen Kosten trägt die Klagepartei.

Von den durch die Nebenintervention entstandenen Kosten trägt die Klagepartei 7/10, den Rest haben die Streithelfer selbst zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.Beschluss

Der Streitwert wird auf 250.000,00 € festgesetzt.

Die Klagepartei macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aufgrund von behaupteten Prospektfehlern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Unternehmensanleihen geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Tatbestand

Die Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) sind ehemalige Vorstandsmitglieder, der Beklagte zu 3) ehemaliger stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der S. AG. Bei der S. AG (im Folgenden: Emittentin) handelt es sich um ein Unternehmen, welches im Bereich erneuerbarer Energien mit dem Schwerpunkt auf solarthermischen Kraftwerken tätig war. Am 21.12.2011 stellte die Emittentin beim Amtsgericht Fürth Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wurde am 28.02.2012 eröffnet.

Die Klagepartei zeichnete folgende Unternehmensanleihen:

1)29.06.2007: 4. Unternehmensanleihe (ISIN: ...7) zu einem Nennbetrag v. 50.000,- €.2)14.08.2008: 5. Unternehmensanleihe (ISIN: ...8) zu einem Nennbetrag v. 100.000,- €.3)Sept. 2011: 8. Unternehmensanleihe (ISIN: ...3) zu einem Nennbetrag v. 100.000,00 €.Den Anlageentscheidungen lagen die jeweiligen Verkaufsprospekte vom 02.05.2007 (4. Anleihe = K6), vom 07.07.2008 (5. Anleihe = K7) sowie 28.02.2011 (8. Anleihe = K8) zugrunde, der aus zahlreichen anderen Verfahren gerichtsbekannt ist.

Unter dem Aktenzeichen 130 Js 27/06 führte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten X. wegen Betruges. Gegenstand des Verfahrens ist seine Mitwirkung an für die Fa. D. AG nachteiligen Scheingeschäften.

Die Klagepartei ist im Wesentlichen der Auffassung, dass der Emissionsprospekt für die Anleihe ein unzutreffendes Gesamtbild vermittle und eine Vielzahl von Fehlern aufweise. Dem Anleger werde suggeriert, dass er das investierte Geld sicher zurückerhalten werde sowie die versprochenen Zinszahlungen sicher jährlich erfolgen würden. Tatsächlich hätten Zinsen und Rückzahlungen von vergangenen Inhaberschuldverschreibungen ausschließlich aus Neuemissionen gezahlt werden können. Es habe mithin ein Schneeballsystem vorgelegen. Bei den bilanzierten Gewinnen der Emittentin habe es sich um Scheingewinne gehandelt. Sie hätten auf keiner konsolidierten Bilanz beruht. Prognosen im Prospekt seien frei erfunden, es fehlten sämtliche Überlegungen zur Markstrategie und zum zu erzielenden Umsatz. Darüber hinaus sei die Parabolrinnentechnologie unausgereift und letztlich gegenüber der Photovoltaik im Nachteil gewesen. Dies sei nicht ordentlich prospektiert worden. Auch über Weichkosten, die sich auf 46 % des Anleihevolumens belaufen hätten, sei nicht aufgeklärt worden. Schließlich liege ein Prospektfehler darin, dass auf das oben erwähnte Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen den Beklagten X. im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit als Steuerberater für die Düsseldorfer D. AG nicht hingewiesen worden sei. Dieses Verfahren laufe bereits seit dem Jahr 2006, im Sommer 2011 sei Anklage erhoben worden. Der Beklagte X. sei nicht nur stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und Initiator der Emittentin gewesen, sondern habe diese geleitet und €die Fäden gezogen€. Die Beklagten zu 1) bis 2) sowie 4 bis 5) seien insoweit als Vorstandsmitglieder der Emittentin zum Zeitpunkt der Emissionsprospekte Verantwortliche und würden daher für die Fehlerhaftigkeit des Prospekts haften. Der Beklagte zu 3) habe das Unternehmen als spiritus rector beherrscht und sei faktisch Vorstand der Emittentin gewesen. Er habe das Unternehmen geleitet und €immer die Fäden gezogen€.

Die Klagepartei beantragt daher:

1.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 100.000,00 € Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus der Schuldverschreibung ISIN: ...3, Vertrag 45298, zu zahlen.

2.

Die Beklagten zu 2) und zu 3) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 50.000,00 € Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus der Schuldverschreibung ISIN: ...7 zu zahlen.

3.

Die Beklagten zu 2) und zu 3) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 100.000,00 € Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus der Schuldverschreibung ISIN: ...8 zu zahlen.

4.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten insoweit in Annahmeverzug mit der Zug-um-Zug-Leistung befinden.

Die Beklagten zu 1) und 2) haben der Fa. T. und Kollegen GmbH den Streit verkündet mit der Begründung, diese habe den Prospekt einer gutachterlichen Prüfung unterzogen und ein Prospektprüfungsgutachten erstellt. Die Streitverkündete ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten zu 1) bis 2) beigetreten.

Alle Beklagten und die Streithelferin beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten und ihre Streithelferin sind der Ansicht, dass die Prospekte keine Fehler aufweisen würden. Insbesondere zeichneten sie ein zutreffendes Bild über die Geschäftstätigkeit der Emittentin und klärten über die mit der Unternehmensanleihe verbundenen Risiken hinreichend auf. Der Beklagte X. sei für die Emittentin lediglich in einer Kontrollfunktion tätig gewesen, ohne Verantwortung für das operative Geschäft gehabt zu haben. Es bestehe keine rechtliche Verpflichtung, ein Ermittlungsverfahren gegen ihn zu prospektieren. Die Beklagten zu 1) bis 3) haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, Bezug genommen.

Die Kammer hat keinen Beweis erhoben.

Gründe

A.

Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nur teilweise begründet.

Die Klage gegen die Beklagten zu 1), 4) und 5) ist im vollen Umfange begründet. Die Klage gegen den Beklagten zu 2) ist teilweise begründet. Gegen den Beklagten zu 3) ist die Klage hingegen im vollen Umfange unbegründet.

I.

Soweit die Klagepartei Schadensersatzansprüche wegen der Zeichnung von Beteiligungen an der 4. und 5. Anleihe geltend macht, haben die Beklagten erfolgreich die Verjährungseinrede erhoben (siehe sogleich Ziff. 1). Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne (siehe sogleich Ziff. 2) sowie deliktische Ansprüche (siehe sogleich Ziff. 3) stehen der Klagepartei nicht zu.

1.

Es kann insofern dahinstehen, ob die Beklagten für etwaige Prospektfehler nach der gesetzlichen Prospekthaftung gem. §§ 13 VerkProspG a.F. i.V.m. §§ 44 ff. BörsG verantwortlich wären. Diese Ansprüche wären mittlerweile jedenfalls verjährt.

Die von Kenntnissen der Klagepartei unabhängige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 46 BörsG entsprechend) begann mit dem Tag der Prospektveröffentlichung am 03.05.2007 (4. Anleihe) bzw. 07.07.2008 (5. Anleihe) zu laufen und endete mithin bereits im Jahr 2010 bzw. 2011. Die Klageeinreichung erfolgte erst am 09.09.2013 und konnte die Verjährung nicht mehr hemmen. Andere verjährungshemmende Umstände wurden nicht vorgetragen.

2.

Eine Haftung aus dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne scheidet ebenfalls aus.

Während die gesetzliche Prospekthaftung an typisiertes Vertrauen anknüpft, kommt es bei dieser Anspruchsgrundlage nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) darauf an, dass in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen wurde (st. Rspr. zuletzt BGH NJW-RR 2012, 937, 939 m.w.N.; Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Aufl. 2013, § 311, Rn. 71; v. Buttlar in: Münchener Anwalts Handbuch Bank- und Kapitalmarktrecht (Hrsg.: Fandrich/Karper), 2012, § 7 Rn. 405). Aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet daher nur, wer Vertragspartner ist bzw. werden soll oder als ein für diesen handelnder Vertreter oder Beauftragter (Sachwalter) aufgetreten ist und dabei für seine Person Vertrauen in Anspruch genommen und die Vertragsverhandlungen beeinflusst hat (BGH NZG 2009, 430, 431; NJW 1981, 2810).

Umstände, die diese Annahme rechtfertigen würden, sind für die Kammer nicht ersichtlich. Insbesondere wird eine Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht alleine durch die Funktion der Beklagten zu 1) bis 2) und 4) bis 5) als Vorstände bzw. des Beklagten zu 3) als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Emittentin begründet. Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Tendenz zu einer Ausdehnung der Prospekthaftung im weiteren Sinne festzustellen (vgl. nur Emmerich in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 311, Rn. 172). Würde man jedoch eine hervorgehobene Stellung im Unternehmen und das damit einhergehende typisierte Vertrauen ausreichen lassen, würde die gesetzliche Prospekthaftung und die Prospekthaftung im weiteren Sinne faktisch gleichgesetzt.

3.

Auch deliktische Ansprüche bestehen nicht.

Der Sachvortrag der Klagepartei liefert nicht genügend Anhaltspunkte für die Annahme einer deliktischen Haftung nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Verletzung eines Schutzgesetzes.

II.

Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) bestehen jedoch wegen der Zeichnung der 8. Anleihe in Höhe von 100.000,- €.

1.

Beurteilungskriterien für die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Prospekts

Bei der 8. Anleihe handelt es sich um ein Wertpapier, nämlich eine auf den Inhaber lautende Schuldverschreibung (§ 2 Nr. 1b WpPG), welches öffentlich angeboten wurde und nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen war (§ 1 Abs. 1 WpPG). Für ein derartiges Wertpapier besteht nach § 3 WpPG eine Prospektpflicht. Gemäß § 13 Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) i.V.m. § 44 Abs. 1 BörsG (jeweils in der Fassung, die bei Veröffentlichung des Prospekts am 01.03.2011 galt) haften für Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten diejenigen, die die Verantwortung für den Prospekt übernommen haben sowie diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne muss ein Verkaufsprospekt den potentiellen Anleger über alle Umstände, die von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichten. Dazu gehört auch eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können, wobei sich die Aufklärungspflicht auch auf solche Umstände erstreckt, von denen zwar noch nicht feststeht, die es aber wahrscheinlich machen, dass sie den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden (vgl. jüngst BGH, Urteil vom 18.09.2012, Az. XI ZR 344/11 = BKR 2012, 515, Rz. 23 m.w.N.).

Auf diese im Rahmen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung entwickelten Grundsätze kann auch bei der Auslegung von § 13 VerkProspG € damit auch für Wertpapierprospekte i.S. des § 3 WpPG - zurückgegriffen werden. Deshalb muss der Wertpapierprospekt alle für die Beurteilung des Wertpapiers wichtigen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse möglichst zeitnah darstellen und durch seine Aussagen von den Verhältnissen und der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Unternehmens, dessen Papiere zum Kauf angeboten werden, dem interessierten Publikum ein zutreffendes Gesamtbild vermitteln (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 24). Hierbei sind solche Angaben als wesentlich im Sinne von § 13 Abs. 1 VerkProspG anzusehen, die ein Anleger €eher als nicht€ bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde (vgl. BGH a.a.O.)

Zur Beantwortung der Frage, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Dabei war bis vor kurzem nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Kenntnisse und Erfahrungen eines typisierten durchschnittlichen Anlegers abzustellen, wobei bei einem Börsenzulassungsprospekt davon auszugehen ist, dass ein solcher Anleger es zwar versteht, eine Bilanz zu lesen, aber nicht unbedingt mit der in eingeweihten Kreisen gebräuchlichen Schlüsselsprache vertraut zu sein braucht (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 25 m.w.N.).Bei einem Wertpapierprospekt für ein Wertpapier, welches € wie im vorliegenden Fall - nicht an der Börse gehandelt werden soll(reiner Verkaufsprospekt), kommt es nach der € insoweit neuen und modifizierten - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidend auf das Verständnis der mit dem Prospekt angesprochenen Interessenten an. Wendet sich der Emittent ausdrücklich an das unkundige und börsenunerfahrene Publikum, so kann von dem angesprochenen, durchschnittlichen (Klein-)Anleger nicht erwartet werden, dass er eine Bilanz lesen kann. Der Empfängerhorizont bestimmt sich daher in diesen Fällen nach den Fähigkeiten und den Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen (Klein-)Anlegers, der sich allein anhand der Prospektangaben über die Kapitalanlage informiert und über keinerlei Spezialkenntnisse verfügt (vgl. BGH a.a.O.).

Von der Beantwortung der Frage, welche Vorkenntnisse beim Anleger vorausgesetzt werden können, hängt maßgeblich ab, ob ein Prospekt unter diesem Blickwinkel unrichtig oder unvollständig ist.

Der Prospekt richtet sich als Verkaufs- und Informationsmaterial an den interessierten Anleger, so dass die Auslegung einer Prospektaussage nach allgemeinen Grundsätzen erfolgt, nämlich wie der Prospektleser € mit dem bei ihm vorausgesetzten Vorkenntnissen € die Angaben des Prospektverfassers unter Berücksichtigung der Umstände nach Treu und Glauben auffassen durfte (vgl. Zech/Hanowski, NJW 2013, 510 ff.).

Die vom Bundesgerichtshof nunmehr für einen Prospekt wie den streitgegenständlichen modifizierten Voraussetzungen hinsichtlich der Vorkenntnisse des Prospektlesers, nämlich die eingeschränkten Fähigkeiten und Erkenntnismöglichkeiten eines (Klein-)Anlegers, gilt es bei der Beurteilung der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Prospekts zu beachten, wobei auch beim börsenunerfahrenen Publikum entsprechend der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung vorausgesetzt werden kann und muss, dass der Anleger den Prospekt aufmerksam und nicht lediglich bloß flüchtig zur Kenntnis nimmt (BGH NJW-RR 2005, 772, 773; III ZR 149/07, zitiert nach BeckRS 2008, 04773) und des Weiteren die Prospektverantwortlichen grundsätzlich auch davon ausgehen dürfen, dass der Anleger den kompletten Prospekt und nicht etwa nur die Zusammenfassung eingehend liest.

Beurteilungszeitpunkt für einen Prospektfehler ist der Zeitpunkt der Prospekterstellung bzw. Veröffentlichung, so dass später gewonnene Erkenntnisse nicht zu einer Fehlerhaftigkeit des Prospekts führen, sondern im Rahmen der Beurteilung etwaiger Prospektmängel einzig eine ex ante Betrachtung maßgeblich ist.

Unrichtig sind danach Angaben, die nicht der Wahrheit entsprechen. Tatsachenangaben als dem Beweis zugängliche Angaben sind unrichtig, wenn sie nachweislich unwahr sind. Prognosen, Meinungen oder Werturteile sind dann als unrichtig zu betrachten, wenn sie nicht ausreichend durch Tatsachen gestützt und kaufmännisch nicht vertretbar sind. Unvollständig ist ein Prospekt, wenn Angaben fehlen, die für eine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können.

Ferner sind für die Beurteilung, ob ein Prospekt i. S. der Vorschrift des § 13 VerkProspG fehlerfrei oder fehlerhaft ist, außerdem europarechtliche Vorgaben zu beachten. Die Regelungen der insoweit einschlägigen Richtlinie 2003/71/EG vom 4. November 2003 wurden in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22. Juni 2005 (Bundesgesetzblatt I S. 1698; dort Art. 10 Satz 2) in die Regelungen des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) transferiert, welches für den streitgegenständlichen Wertpapierprospekt auch zur Anwendung kommt. § 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG verlangt, dass der Prospekt, unbeschadet von den Bestimmungen in § 8 Abs. 2 WpPG, €in leicht analysierbarer und verständlicher Form€ sämtliche Angaben enthalten muss, die im Hinblick auf den Emittenten und die öffentlich angebotenen Wertpapiere notwendig sind, €um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten [€] zu ermöglichen€. Weiter setzt die Bestimmung fest, dass der Prospekt in einer Form abgefasst sein muss, die sein Verständnis und seine Auswertung erleichtern (§ 5 Abs. 1 Satz 3 WpPG) und eine Zusammenfassung enthalten muss, in der kurz und allgemein verständlich die wesentlichen Risiken zu nennen sind, die auf den Emittenten, jeden Garantiegeber und die Wertpapiere zutreffen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 WpPG).

Grundsätzlich ist eine fehlende Erläuterung eines Umstandes dann wesentlich und begründet die Prospekthaftung, wenn dieser Umstand nicht zum Allgemeinwissen gehört, juristisches oder wirtschaftswissenschaftliches Fachwissen zur Bewertung erfordert und dazu geeignet ist, einen Rückschluss auf die Sicherheit oder Unsicherheit der Anlage zuzulassen und damit letztlich auch für ihren Wert bestimmend ist.

Im Hinblick auf die bei (Klein-)Anlegern zu erwartenden geringeren Vorkenntnisse ist Prospekthaftung auch dann zu bejahen, wenn Umstände, die für eine zutreffende Beurteilung der Emittentin maßgeblich sind, im Prospekt so dargestellt sind, dass sie für den Prospektleser nicht oder nur sehr schwer erkennbar sind. Dies setzt keine ausufernden Erläuterungen voraus. Vielmehr geht es um die Frage der Klarheit, Verständlichkeit und Vollständigkeit des Prospekts im Hinblick auf die davon angesprochenen Adressaten.

Diese Haftungsverschärfung ist aus Sicht der Kammer auch nicht unbillig, da der Emittent oder Anbieter auf den anzuwendenden Haftungsmaßstab Einfluss nehmen kann, allein indem er den Prospekt entweder an Adressaten mit geringen oder mit weitreichenderen Kenntnissen und Fähigkeiten richtet.

2.

Der Fehler des streitgegenständlichen Prospekts

Der Prospekt der 8. Anleihe der Emittentin ist fehlerhaft, weil dieser nicht in der notwendig leicht analysierbaren und verständlichen Form ein zutreffendes Urteil über die Emittentin und die Anleihe vermittelt, insbesondere im maßgeblichen Textteil erforderliche Informationen nicht, nur ansatzweise oder jedenfalls nicht an prominenter Stelle enthält. Dies ermöglicht den angesprochenen Kapitalanlegern € unter Zugrundelegung der bei ihnen vorauszusetzenden Kenntnisse und Fähigkeiten und auch bei Annahme sorgfältiger und eingehender Lektüre € bei einer Gesamtbetrachtung des Emissionsprospekts keine zutreffende Beurteilung der angebotenen Unternehmensanleihe.

Unvollständig und daher fehlerhaft ist der Prospekt aus Sicht der Kammer, weil er im Textteil nicht mit der im Hinblick auf den Adressatenkreis erforderlichen Klarheit und Vollständigkeit die zum Zeitpunkt der Emission aktuelle wirtschaftliche Situation und die Zukunftsaussichten der Emittentin darstellt und daher dem Anleger keine zutreffende Einschätzung vom tatsächlichen Risikocharakter der Unternehmensbeteiligung ermöglicht.

2.1

Das Finanzierungsmodell der Emittentin

Basierend auf den Unternehmenszahlen der Emittentin bis zur Veröffentlichung des Prospektes und ihrer Ausrichtung für die Zukunft, insbesondere der Fokussierung auf die im Wettstreit mit der Photovoltaik stehende Parabolrinnentechnik und der Projektierung sowie des Baus von Großkraftwerken, war aus Sicht der Kammer eine Situation gegeben, die der Notwendigkeit der Bereitstellung von Risiko- bzw. Wagniskapital bei sog. €Start-up-Unternehmen€ durchaus ähnelte. Es gab deshalb kurz- und mittelfristig erheblichen Finanzierungsbedarf, der nach Auffassung der Kammer durch Gewinne aus der unternehmerischen Tätigkeit der Emittentin in der Vergangenheit nur zum Teil abgesichert war.

Neben dem Weg einer Kapitalerhöhung wählten die Verantwortlichen der Emittentin in dieser Situation die Variante der Finanzierung der Gesellschaft über Inhaber-Teilschuldverschreibungen (Unternehmensanleihen). Nach den Angaben im Prospekt im Abschnitt €Angaben zur S. AG € 3. Informationen über die Emittentin € g) Investitionen € Finanzierungsmittel€ (S. 27) wurde dabei ein €angemessener Mix aus Eigen- und Fremdkapital€ angestrebt.

Eine Schuldverschreibung auf den Inhaber ist eine Urkunde, vom Anleihegeber ausgestellt, in der dieser dem Inhaber der Urkunde eine Leistung verspricht (§ 793 Abs. 1 BGB). Die geschuldete Leistung stellt dabei im Wesentlichen die Rückzahlung und Verzinsung des zur Verfügung gestellten Kapitals dar. Die Anleihe ist die Aufnahme von Kapital gegen Ausgabe einer solchen Schuldverschreibung (vgl. nur Tetzlaff in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band I, 2011, § 88, Rn. 47). Zwischen der klassischen Finanzierung eines Unternehmens durch Banken sowie der Finanzierung in Form von Schuldverschreibungen an Privatpersonen bestehen wichtige qualitative Unterschiede: Die Ausgabe von Schuldverschreibungen unterliegt praktisch keinen Regelungen. Die Vorschriften des SchVG dienen hauptsächlich dazu, Emittenten von Anleihen die Möglichkeit von Anpassungsregelungen zu eröffnen wie sie auf internationalen Finanzmärkten üblich sind (Horn, BKR 2009, 446). Banken verfügen hingegen über know-how im Zusammenhang mit der Prüfung der Kreditwürdigkeit ihrer Kunden und deren Sicherheiten. Ebenso sind sie in der Regel in der Lage, Investitionsvorhaben der Kunden realistisch einzuschätzen. Vor diesem Hintergrund kann erwartet werden, dass Bankkredite nur nach einer akkuraten vorangegangen Prüfung gewährt wurden. Die Umstände, aufgrund derer Privatpersonen Schuldverschreibungen erworben haben, können dagegen vielfältiger Natur sein. Eine intensive vorherige Prüfung durch die Anleger ist zwar nicht ausgeschlossen, kann jedoch in aller Regel nicht vorausgesetzt werden. Auch bei der Refinanzierung gibt es einen beträchtlichen Unterschied: Eine Schuldverschreibung läuft aus und wird damit zur Rückzahlung (ggf. samt Zinsen) fällig. Der ausbezahlte Anleger hat im Falle der Unternehmenskrise keinen Anreiz, dem Unternehmen nochmals Geld zur Verfügung zu stellen. Eine Bank hingegen hat zu befürchten, dass durch eine verweigerte Refinanzierung das Unternehmen im Falle der Krise insolvent wird und muss damit rechnen € abhängig von der Sicherung der Forderung € einen Teil der Rückzahlungsforderung zu verlieren. Mit anderen Worten dürfte es im Krisenfall in der Praxis einfacher sein, sich über eine Bank zu refinanzieren als über eine neue Anleihe.

Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn eine (fortlaufende) Refinanzierung dadurch bewerkstelligt wird, dass in rascher Folge den Anlegern Schuldverschreibungen angeboten werden. Während eine finanzierende Bank mit kritischem Sachverstand den gesamten Umfang der Verbindlichkeiten in Relation zur Kreditwürdigkeit des Kunden, basierend auf dessen wirtschaftlichen Erfolg und zur Verfügung stehenden Sicherheiten, betrachten wird, kann dies von Privatpersonen, die Schuldverschreibungen erwerben, nicht erwartet werden. Hier wäre Voraussetzung für den oben erwähnten fehlenden Anreiz des Anlegers, dem Unternehmen (nochmals) Geld zur Verfügung zu stellen, dass ihm bekannt ist, wie die finanzielle Situation des Anleihegebers sich aktuell darstellt. Bleiben dem Anleger wichtige Aspekte verborgen, die er im Fall einer sorgfältigen Prüfung berücksichtigen würde, lässt sich nach Auffassung der Kammer auch im Krisenfall eine Refinanzierung über die Ausgabe neuer Anleihen leichter bewerkstelligen als im Fall einer Banken(re)finanzierung (vgl. hierzu auch Der Spiegel, 33/2013, S. 76 f.). Auch wenn eine Prüfung der (weiteren) Kreditwürdigkeit des Anleihegebers durch den Anleger € anders als bei Banken € nicht vorausgesetzt werden kann, stellt es aus Sicht der Kammer eine Mindestvoraussetzung dar, dass eine zutreffende Einschätzung der finanziellen Lage des Anleihegebers durch einen Emissionsprospekt generell ermöglicht wird, indem dieser alle wichtigen Informationen dafür komprimiert, verständlich und an prominenter Stelle darlegt und enthält.

Zum Zeitpunkt der Emission der 8. Anleihe der Emittentin hatte diese umfangreiche kurz- und mittelfristige Rückzahlungsverpflichtungen aus zuvor platzierten sieben Inhaber-Teilschuldverschreibungen, von denen fünf noch nicht zurückgezahlt waren. Unter Berücksichtigung der bisherigen Umsatzerlöse und Gewinne, sowie der € aus verschiedenen Gründen € risikobehafteten und damit ungewissen wirtschaftlichen Zukunft des Unternehmens stellte sich aus Sicht der Kammer für die Verantwortlichen grundsätzlich auch die Frage des Umfangs und der zeitlichen Dauer einer notwendigen Finanzierung, sowie gegebenenfalls auch der Notwendigkeit der Refinanzierung. Letzteres betrifft die Frage, ob die für die Rückzahlung notwendigen Erlöse aus laufender Geschäftstätigkeit und aus Investitionstätigkeit in der jeweils zur Verfügung stehenden Zeit erzielt werden können oder ob nicht ein Teilbetrag aus dem Erlös neu zu emittierender Anleihen für die Rückzahlung der Verpflichtungen aus bereits platzierten Anleihen verwendet werden müsste. Insbesondere die schwerpunktmäßige Ausrichtung auf den Bau von Großkraftwerken in den USA barg aus Sicht der Kammer das Risiko, aufgrund der zeitlichen Dauer bis zu deren Realisierung und der Gefahr von Verzögerungen Umsätze überbrücken zu müssen.

Die Klagepartei trägt vor, dass die Rückzahlung von ausgegebenen Anleihen über neu begebene Anleihen erfolgt sei.

Wenn eine Refinanzierung von Anleihegelder (ganz oder zum Teil) nur durch die Ausgabe neuer Anleihegelder bewerkstelligt werden kann, bedarf es dazu eines deutlichen Hinweises im Prospekt. Dies muss auch beim Verwendungszweck der Mittel aus der Platzierung der Anleihe angegeben werden. Zwar trifft die Äußerung der Beklagten zu, dass eine solche €Folgefinanzierung€ bzw. Verlängerung der Finanzierung in vielen Lebensbereichen erforderlich und üblich und insbesondere dann nicht zu beanstanden sei, wenn die Bedienung der Zinsen aus dem operativen Geschäft möglich wäre. In einer solchen Situation stellt die Herausgabe von Inhaberschuldverschreibungen eine gängige, vielfach praktizierte unternehmerische Handlungsweise zur Kapitalbeschaffung dar. Allerdings ist der Anleger nach Auffassung der Kammer über die Refinanzierungsmaßnahme durch die neu begebene Anleihe zu informieren, damit ihm in dieser Situation bewusst wird, dass die Rückzahlung der früheren Anleihe nicht oder nicht vollständig aus den operativen Umsätzen möglich ist und er überprüfen kann, ob sich die Geschäfte des Unternehmens wie geplant und prognostiziert entwickelt haben oder die erhöhte Gefahr besteht, dass die Inhaberschuldverschreibungen wegen Vermögensverfalls des Unternehmens wertlos werden. Auch wäre in solchen Fällen eine Art €Schneeballsystem€ der Unternehmensfinanzierung denkbar, nämlich wenn tatsächlich der Fall vorliegen sollte, dass absehbar und auf Dauer die vertragsgemäße Bedienung nicht durch die Ertragskraft des Unternehmens gewährleistet ist, sondern nur durch die Ausgabe neuer Schuldverschreibungen erfolgen kann (OLG Düsseldorf, Az.: I-6 U 73/11, zitiert nach BeckRS 2012, 11653).

2.2

Keine Fehlerhaftigkeit des Prospekts wegen des Vorliegens eines €Schneeballsystems€ oder der Angabe eines falschen Verwendungszwecks der Anleihe

Dass die Fehlerhaftigkeit des Prospekts auf dem Unterlassen eines solchen Hinweises beruht, hat die Klagepartei allerdings nicht substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt.

Die Kammer teilt nicht deren Auffassung, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts die wirtschaftliche Situation der S. AG bereits so desolat war, dass die Rückzahlung alter Anleihen mit neuen bewerkstelligt worden und damit die präsentierte 8. Anleihe Teil eines €Schneeballsystems€ gewesen sei.

Ein derartiges System würde u.U. eine Haftung nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung begründen.

Sittenwidrigkeit ist bei der Herausgabe von Inhaberschuldverschreibungen dann zu bejahen, wenn der Emittent von vorneherein nicht beabsichtigt, die Schuldverschreibungen einzulösen, oder es sich aufgedrängt hat oder sich hätte aufdrängen müssen, dass das Geschäftskonzept von vorneherein ungeeignet war, die eingeworbenen Gelder nebst den versprochenen Zinsen zurückzuzahlen (so auch OLG Dresden, Urteil vom 30.08.2012 € 8 U 1546/11).

Derartige Umstände, nämlich insbesondere, dass es sich aufgedrängt hätte, dass das Geschäftskonzept von vorneherein nicht geeignet gewesen wäre, die eingeworbenen Gelder nebst Zinsen zurückzuzahlen und dass die vertragsgemäße Bedienung nicht durch die Ertragskraft des Unternehmens gewährleistet gewesen sei, es sich bei der Emittentin um ein €Pleiteunternehmen€ gehandelt habe, sind von Seiten der Klagepartei nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt worden. Der Hinweis auf eine angeblich negative Geschäftstätigkeit € als Indiz dafür werden Finanzierungsprobleme beim operativen Geschäft (nach einen Bericht des Magazins €Wirtschaftswoche€ vom 19.01.2010), die ständig steigende Höhe der neu zu emittierenden Anleihen und Äußerungen des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. L nach seinem spektakuläre Ausscheiden nach nur 74 Tagen im Amt zu Beginn 2010 ins Feld geführt -, genügen in der von der Klagepartei vorgenommenen Form, nämlich durch die Bezugnahme auf Aussagen und Darstellungen in verschiedenen Zeitschriftenartikeln, nicht den Anforderungen an einen konkreten, nachvollziehbaren Sachvortrag, so dass allein aufgrund der vorgelegten Zeitungsartikel die beantragte Beweiserhebung (Sachverständigengutachten zur gefährdeten Unternehmensfortführung bereits zum Zeitpunkt der Erstellung des Prospekts) zu unterbleiben hatte.

Auch ein konkreter Sachvortrag dahingehend, dass die präsentierte Anleihe zumindest zum Teil zur Zurückzahlung früher begebener Anleihen verwendet werden mussten und damit die Angaben im Emissionsprospekt über den Verwendungszweck fehlerhaft waren, ist nicht erfolgt.

Dazu ist auszuführen, dass die Emittentin zum maßgeblichen Zeitpunkt der Prospektherausgabe eine operative Geschäftstätigkeit ausgeübt und im Jahr 2009 ihre Anteile an den Kraftwerksprojekten Andasol 1 und Andasol 2 und ein Genussrecht an der Andasol 3 Kraftwerks GmbH veräußert und die Entwicklung des Großobjektes Blythe in den USA betrieben hat.

Die Beklagten zu 1) und 2) haben auf die operativen Mittelzuflüsse durch die Realisierung der Kraftwerksprojekte in Spanien der Emittentin in den Jahren 2009 bis 2011 hingewiesen. Diese Zahlen legen nahe, dass zum Emissionszeitpunkt der streitgegenständlichen Anleihe entsprechende Liquidität vorhanden war, um die kurzfristig anstehenden Zahlungsverpflichtungen aus zur Rückzahlung fällig werdenden Anleihen und der Zinsen für alle bis dahin begebenen Anleihen erfüllen zu können. Jedenfalls wurden weder die Zahlen noch die von beklagter Seite daraus abgeleitete Schlussfolgerung von der Klagepartei substantiiert bestritten. Der Konzern-Jahresabschluss nach IFRS zum 31.10.2010 weist zudem €Flüssige Mittel und Wertpapiere€ in Höhe von mehr als € 115 Mio. aus.

Der Beklagte zu 3) verweist ferner auf den Bilanzgewinn von 6.555.074,78 € ausweislich des Jahresabschlusses zum 31.10.2010, um zu verdeutlichen, dass zum Zeitpunkt der Prospekterstellung und -herausgabe die finanzielle Situation der Emittentin noch nicht angespannt war. Damit liegen weder belastbare Anhaltspunkte für ein (sittenwidriges) Schneeballsystem vor noch wurde von Seiten der Klagepartei Beweis dahingehend angetreten, dass zwingend zumindest ein Teil der neu angebotenen Anleihe zur Refinanzierung der bis dato ausgegebenen, zur Rückzahlung anstehenden Anleihegelder Verwendung finden musste. Die Angaben über den Verwendungszweck der neuen Anleihe im Abschnitt €Die Anleihe€ unter dem Punkt €1. Gründe für das Angebot€ (S. 45 des Emissionsprospekts) sind damit nicht erkennbar fehlerhaft.

2.3

Die grundsätzliche Verpflichtung der Emittentin zur Offenbarung eines sich aus dem Finanzierungsmodell und der Geschäftstätigkeit ergebenden Risikos

Dass zum Zeitpunkt der Prospekterstellung nach der von der Klagepartei nicht substantiiert bestrittenen Darstellung der Beklagten ausreichend finanzielle Mittel zur Erfüllung anstehender vertraglicher Rückzahlungs- und Zinszahlungsverpflichtungen zur Verfügung standen, entbindet die Verantwortlichen der Emittentin jedoch nicht von der Verpflichtung € um die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Prospekts zu gewährleisten € ein sich aus der Zusammenschau des aktuellen Geschäftsmodells und der gewählten Finanzierung ergebendes Risiko umfassend und für den Kleinanleger leicht verständlich darzustellen und Faktoren zu benennen, die dessen Eintrittswahrscheinlichkeit sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können.

Aus Sicht der Kammer darf deshalb bei einem Wertpapierangebot, das sich an den durchschnittlichen (Klein-)Anleger richtet, der Prospekt nicht so aufgebaut sein, dass der als Vertragspartner geworbene (Klein-)Anleger den Umfang und die volle Tragweite eines Risikos erst aus einem dem Textteil des Prospektes angehängten Bilanzteil entnehmen kann, sofern er € was nicht vorausgesetzt werden darf € überhaupt dazu in der Lage ist.

Die Kammer bleibt nach wie vor bei ihrer schon in früheren Entscheidungen (vgl. nur 6 O 6321/12, veröffentlicht unter BeckRS 2013, 12951) vertretenen Auffassung, dass das Risiko, welches sich aus einer Zusammenschau der bisherigen Geschäftstätigkeit der S. AG, ihres damaligen Geschäftsschwerpunkts, der Struktur der Verbindlichkeiten und der ungewissen Zukunftsperspektiven ergab, im Textteil des jeweiligen Prospekts nicht mit der gebotenen Klarheit und Vollständigkeit zum Ausdruck kam. Aus Sicht der Kammer wäre es erforderlich gewesen, dieses Risiko an prominenter Stelle, u. a. durch die Darstellung der Struktur der Verbindlichkeiten erkennbar zu machen. Angesichts der Größenordnung der Verbindlichkeiten aus den bereits platzierten Anleihen und der noch zu platzierenden Anleihe in Relation zu den Umsätzen und Gewinnen der vergangenen Geschäftsjahre erscheint dies der Kammer im Hinblick auf das Informationsbedürfnis der börsenunerfahrenen Kleinanleger, denen die Emittentin ihre Inhaberteilschuldverschreibungen anbot, zwingend notwendig. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass konkrete Hinweise und Darlegungen im jeweiligen Prospekt, welche weiteren Gewinnerlöse zu erwarten seien, die die kurz- und mittelfristigen Rückzahlungsverpflichtungen absichern, fehlen bzw. nicht gemacht werden konnten, da eine gewinnträchtige Verwirklichung der Großprojekte in den USA noch nicht absehbar war und die Erträge aus den in Europa bis dato verwirklichten Projekten nach den Angaben der Emittentin im Prospekt (Bl. 23 ff.) weitgehend realisiert waren oder, wie im Fall des Kraftwerks €Andasol 3€, in den Andasol-Fonds fließen und den Zeichnern dieser Anlage zu Gute kommen sollten. Die Feststellung im Artikel der Wirtschaftswoche vom 19.01.2010, dass das Geld der Anleihezeichner in der Projektentwicklung steckte und fast nichts mehr in den Kraftwerken haben die Beklagten letztlich nicht widersprochen. Die Beklagten zu 1) und 2) haben sich demzufolge in der Klageerwiderung auch darauf beschränkt, die Fortschritte bei der Entwicklung und Realisierung des Großprojektes €Blythe€, insbesondere die bedingte Zusage für Kreditgarantien in Höhe von 2,1 Mrd. US-Dollar durch das amerikanische Energieministerium darzustellen.

Zu dem Ergebnis, dass mit der Forderung, auch dieses Risiko aufgrund der Größenordnung und der Struktur der Verbindlichkeiten erkennbar zu machen, Anforderungen €im Interesse eines möglichst weitgehenden Anlegerschutzes gestellt werden, die über das gesetzlich Erforderliche hinausgehen€ € so die 10. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth in von der Auffassung der Kammer abweichenden Entscheidungen € kommt man nur, wenn man auf den typisierten, durchschnittlichen Anleger abstellt. Die hier postulierten, weiterreichenden Anforderungen zum Schutz von Kleinanlegern gibt nicht die Kammer vor, sondern vielmehr der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 18.09.2012, der die Kammer nur insoweit folgt. Im Übrigen hat auch die Emittentin die Schutzbedürftigkeit der (Klein-)Anleger gesehen und nach Auffassung der Kammer auch thematisiert. In einer von ihr vertriebenen Werbebroschüre befand sich ein Interview des zeitweise für ihre Vertriebsgesellschaft tätigen Prof. G., der darin betonte, dass (Klein-)Anleger aufgrund von umfassenden Geldverlusten in der Vergangenheit ihre Vermögensanlage mit mehr Bedacht planen und insbesondere wesentlich stärker hinterfragen sollten, mit welchem Risiko einzelne Anlageformen verbunden sind. Nach Auffassung der Kammer setzt dies aber voraus, dass eine Gesellschaft, die sich wie die Emittentin (auch) gezielt an Kleinanleger wendet, diesen die entscheidenden Informationen durch den Prospekt an die Hand gibt, um nicht nur das Risiko der verschiedenen Anlageformen und -möglichkeiten, sondern auch die Risiken hinsichtlich der konkreten Anleihe stärker hinterfragen zu können.

Dem werden die streitgegenständlichen Prospekte nicht gerecht. Vielmehr vermitteln Aufbau und Inhalt den Gesamteindruck einer € auch für Kleinanleger geeigneten € rentierlichen, Umweltgesichtspunkte berücksichtigenden Kapitalanlage bei einem bereits etablierten, gut aufgestellten und zukunftsfähigen Unternehmen. Die Risikohinweise bleiben abstrakt. Es fehlt im maßgeblichen Textteil insbesondere eine Darstellung der Struktur der Verbindlichkeiten der Gesellschaft, so dass allein aus dem Textteil das dadurch bedingte, das Geschäftsmodell durchaus in Frage stellende und die Rückzahlung der Anleihe möglicherweise gefährdende Risiko nicht erkennbar wird.

Dies führt nach Auffassung der Kammer zur Fehlerhaftigkeit des streitgegenständlichen Prospekts.

2.4

Der Prospektfehler im Detail

Diese erhöhten Anforderungen hinsichtlich der Erkennbarkeit beruhen € entsprechend den Anforderungen im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.09.2012, Az. XI ZR 344/11 € auf dem konkreten Adressatenkreis des Wertpapiers (dazu unten a)).

Es bestand ein erhebliches Risiko aus einer kombinierten Sicht von bisheriger/zukünftiger Geschäftstätigkeit und der erfolgten Finanzierung über Unternehmensanleihen. Dies war im Textteil des Prospekts darzustellen bzw. erkenntlich zu machen (dazu unten b)).

Die Informationen in dem streitgegenständlichen Prospekt genügen nicht, dieses Risiko erkennbar zu machen (dazu unten c)).

2.4.1

Der Adressatenkreis des Wertpapiers

Das den Kapitalgebern mit dem Prospekt angebotene Wertpapier war schon nach seiner Konzeption auch für Kleinanleger gedacht. Dafür spricht schon die (relativ geringe) Mindestzeichnungssumme von 1.000,00 € (S. 4 des Emissionsprospekts). Des Weiteren findet sich im Kapitel €Die Anleihe€ auf S. 51 des Emissionsprospekts unter dem Punkt "5. Emissionsabwicklung - a) Investoren" der explizite Hinweis, dass sich dieses Angebot an jedermann zum Erwerb richte und die Teilschuldverschreibungen sowohl von Privatpersonen als auch von Unternehmen und sonstigen Personenvereinigungen erworben werden könnten. Auch die weiteren Modalitäten des Wertpapiers (fester Zinssatz, begrenzte Laufzeit, vollständige Rückzahlung nach deren Ablauf, weder Ausgabeaufschlag noch Bearbeitungsgebühren) machten es aufgrund seiner scheinbaren Klarheit und Verständlichkeit auch für Kleinanleger mit keiner oder nur wenig Börsenerfahrung interessant.

2.4.2

Das bestehende erhebliche Risiko

im Kapitel €Risikofaktoren" (ab S. 8 ff. des Emissionsprospekts) erfolgt durch die Verantwortlichen unter Punkt €3. Unternehmensbezogene Risiken - b) Risiken aus der Geschäftstätigkeit - tt) Risiken aus der Vergrößerung der Kraftwerksprojekte" ein Hinweis darauf, dass sich die Unternehmensziele der Emittentin auf den für sie sehr wichtigen US-Markt verlagert hätten und dass sich durch die Vergrößerung der Kraftwerksprojekte um den bis zu fünffachen Umfang die technischen und tatsächlichen, dem Kraftwerksprojekt immanenten Risiken erheblich erweitern würden. Dies würde insbesondere den Zeitraum ab der Projektierung bis zur tatsächlichen Einspeisung von Strom in das Stromnetz betreffen, was €nachteilige Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des S.s Konzerns haben€ könne. Deutlich gemacht wird auch in weiteren Passagen im Prospekt, dass der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der Emittentin in Zukunft auf der Projektierung, Entwicklung und Realisierung von Parabolrinnenkraftwerken großer Kapazität in den USA liegen solle. Der €bislang wichtigste Markt Spanien€ (S. 16) solle durch den €sehr wichtigen Markt USA€ (a.a.O.) ergänzt oder ersetzt werden, Kraftwerken mit einer Leistung von 50 Megawatt sollten Kraftwerke mit einer Leistung bis zu 250 Megawatt folgen.

Aus diesen, im Prospekt enthaltenen Informationen lässt sich nach Auffassung der Kammer entnehmen, dass mit Erlösen aus dem Geschäftsbereich USA schon wegen der beträchtlichen Bauzeit derartiger Großkraftwerke nicht, oder zumindest nicht im erheblichem Umfang, in absehbarer Zeit gerechnet werden konnte. Diese Einschätzung wird auch durch den Hinweis im vorherigen Prospekt vom 12.07.2010 zur 7. Anleihe im Kapitel €Angaben zur S. AG, 3. Informationen zur Emittentin, g) Investitionen€ (S. 23 f. des dortigen Emissionsprospekts) nicht widerlegt, dass €gegen Ende des Geschäftsjahres [€] mit dem Baubeginn von mindestens einem Solarprojekt in den USA gerechnet€ werde. Im Prospekt der 8. Anleihe findet sich im entsprechenden Kapitel (S. 26) keine derartige Prognose mehr.

Aus dem jeweiligen Kapitel €2. Ausgewählte Finanzinformationen€ im Abschnitt €Angaben zur S. AG€ (S. 20 f. des Emissionsprospekts vom 28.02.2011) wird deutlich, dass sich die Umsatzsteigerung im Geschäftsjahr 2008/2009 im Wesentlichen aus den Anteilsverkäufen im Zusammenhang mit spanischen Solarkraftwerksprojekten sowie dem Bau des Kraftwerks Andasol 3 ergaben bzw. wesentliche Beiträge zur Betriebsleistung im Geschäftsjahr 2009/2010 auf Verkäufen von Anteilen und eines Genussrechts am Projekt Ibersol, der Realisierung eines Parabolrinnen-Solarfelds in Ägypten sowie Ingenieursleistungen und Kraftwerksbau für Andasol 3, damit auf aktivierten Eigenleistungen, beruhten. Deshalb ergab sich nach einem Jahresüberschuss im Geschäftsjahr 2008/ 2009 von 46,4 Mio. € für das Geschäftsjahr 2009/2010 ein Verlust von 12,8 Mio. €.

Aus der Darstellung über die wesentlichen Geschäftsvorfälle im Prospekt für die beiden Geschäftsjahre 2009/2010 und 2010/2011 (S. 23 ff. des Prospekts vom 28.02.2011) wird auch deutlich, dass sich außer den Kraftwerksprojekten in Spanien und Ägypten die meisten Projekte der Emittentin noch im Anfangs-, Genehmigungs- oder Finanzierungsstadium befanden. Auch dies offenbart nach Auffassung der Kammer die Abhängigkeit der Emittentin vom Geschäftserfolg in den USA.

Wie sich aus dem Punkt €29. Langfristig finanzielle Schulden€ auf Seite 83 des Emissionsprospekts vom 12.07.2010 zur 7. Anleihe ergibt, hatte die Emittentin zum damaligen Zeitpunkt bereits sechs Inhaber-Teilschuldverschreibungen platziert, von denen die erste zurückgezahlt war, die zweite in Höhe von 30 Mio. € im April 2010 zur Rückzahlung fällig war und weitere vier über insgesamt 140 Mio. € bei Fälligkeit von August 2011 bis Mai 2014 nebst jeweiligen Zinsen zurückzuzahlen waren.

Der Emissionsprospekt vom 28.02.2011 enthält im Teil €Finanzielle Informationen€, €Konzern-Jahresabschluss nach IFRS€ unter €29. Finanzielle Verbindlichkeiten€ (S. 90) nur den Gesamtbetrag der Anleihen zum 31.10.2010 über 170 Mio. €.

Erkennbar wird daraus, dass aus dieser Finanzierung über Unternehmensanleihen, die in den nächsten fünf Jahren einschließlich der Zinsen zurückzuzahlen waren, damit durchaus keine lang-, sondern kurz- und mittelfristige Verbindlichkeiten darstellten, ein erheblicher finanzieller Druck auf der Emittentin lastete, der sich durch die neu zu platzierende Anleihe über 100 Mio. € noch verstärken würde. Dies angesichts des Umstandes, dass mit Ausnahme des Geschäftsjahres 2008/2009 die Umsatzerlöse der Emittentin sich nicht in entsprechender Höhe bewegten und dem Jahresüberschuss für das Geschäftsjahr 2008/2009 ein Minus im Geschäftsjahr 2009/2010 gefolgt war.

Damit resultierte für die Anleger der streitgegenständlichen Anleihen nach Auffassung der Kammer aus der kombinierten Betrachtung der bisherigen und zukünftigen Geschäftstätigkeit der Emittentin und ihrer bisherigen und zukünftigen Finanzierung ein erhebliches Risiko, welches im Textteil des Prospektes jeweils auch hätte erkennbar werden müssen.

2.4.3

Die Darstellung in den streitgegenständlichen Prospekten

2.4.3.1

Dieses Risiko kommt im Prospekt weder in der Zusammenfassung noch im Kapitel €Risikofaktoren€ noch im Abschnitt €Angaben zur S. AG€ erkennbar zum Ausdruck. Nachfolgend werden in dieser Zusammenfassung im Unterabschnitt €2. Die S. AG im Überblick" (S. 4 ff.) die Geschäftstätigkeit der Emittentin, ihre Historie, die von ihr favorisierte Technologie sowie ihre Marktposition und der Markt der solarthermischen Stromerzeugung positiv dargestellt. Dabei wird betont und besonders herausgestellt, dass es sich bei der Emittentin um ein global tätiges Unternehmen handele, welches ein breites Leistungsspektrum zum Bau und Betrieb solarthermischer Großkraftwerke anbiete, sich auf die Parabolrinnen-Technologie spezialisiert und hier eine weltweit führende Position erreicht habe. Zudem werden die politischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung solarthermischer Kraftwerksprojekte als sehr günstig bewertet.

Unter Ziffer €3. Die Risiken im Überblick€ (S. 6 ff.) erfolgt danach eine Zusammenfassung der € aus Sicht der Prospektverantwortlichen - mit der Anleihe verbundenen Risiken, unterteilt nach wertpapierbezogenen und unternehmensbezogenen Risiken. Dabei wird unter den wertpapierbezogenen Risiken das Bonitätsrisiko, d. h. dass die Rückzahlung der angebotenen Inhaber-Teilschuldverschreibungen aufgrund fehlender Solvenz der Anleiheschuldnerin nicht erfolgen könnte, benannt. Als wesentliche, die Emittentin kennzeichnende unternehmensbezogene Risiken werden neben dem allgemeinen Wettbewerbsrisiko und dem Risiko aus technologischem Wandel noch die Risiken aus der Geschäftstätigkeit aufgezählt. Benannt werden als für die Gesellschaft wesentliche, unternehmensbezogene Risiken insbesondere, dass aufgrund nicht vorhersehbarer Entwicklungen Akquisitionen, Beteiligungen etc. zu Verlusten führen könnten, dass das für Projektfinanzierungen notwendige Kapital nicht rechtzeitig oder nicht vollständig zur Verfügung gestellt werden und die Realisierbarkeit eines Projekts falsch eingeschätzt werden könnte.

2.4.3.2

Konnte man eine entsprechende Darstellung des Risikos, welches sich aus der Finanzierung der Emittentin durch bereits platzierte Anleihen ergibt, in der kurzen, dem Prospekt vorangestellten Zusammenfassung nicht unbedingt erwarten, mussten die Darlegungen und Hinweise zu dem (kombinierten) Risiko aus den Unternehmensanleihen und der Geschäftstätigkeit der Emittentin nach Auffassung der Kammer allerdings in den nachfolgenden Kapiteln erfolgen.

Im Kapitel €Risikofaktoren€ (S. 8 ff.) gab es dazu an mehreren Stellen Gelegenheit, ohne dass hier ein entsprechender Hinweis erfolgte bzw. das Risiko erkennbar gemacht wurde.

Unter €2. Wertpapierbezogene Risiken € b) Bonitätsrisiko€ (S. 8) findet sich neben dem gestalterisch nicht hervorgehobenen Hinweis auf ein Totalverlustrisiko jedoch nur eine sehr pauschal gehaltene Formulierung:

€Die Rückzahlung ist insbesondere davon abhängig, dass die Anleiheschuldnerin im Rahmen ihres Geschäftszwecks den Anleiheerlös so verwendet, dass sie ihren laufenden Zinsverpflichtungen nachkommen und am Ende der Laufzeit die mit dieser Anleihe eingegangenen Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber den Anleihezeichnern erfüllen kann.€

Auch unter €3. Unternehmensbezogene Risiken € b) Risiken aus Geschäftstätigkeit € tt) Risiken aus der Vergrößerung der Kraftwerksprojekte€ (S. 16) erfolgt kein Hinweis auf die bisherige Finanzierung und das daraus resultierende kombinierte Risiko. Auch hier bleibt die Formulierung sehr abstrakt und pauschal, ohne Bezug auf die konkrete Situation der Emittentin zu nehmen.

So heißt es hier:

€Durch diese erhebliche Vergrößerung der der Kraftwerksprojekte erweitern sich finanzielle, technische sowie tatsächliche dem Kraftwerksprojekt immanente Risiken und deren Folgen erheblich. Dies betrifft insbesondere den Zeitraum ab der Projektierung bis zur tatsächlichen Einspeisung von Strom in das Stromnetz.

Dies könnte nachteilige Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des S. Konzerns haben und bei Liquiditätsschwierigkeiten die Insolvenz der S. AG bzw. ihrer Konzerngesellschaften nach sich ziehen.€

Unter €ss) Finanzierungsrisiko im Zusammenhang mit der Anleihe€ im selben Unterabschnitt wird noch das Risiko dargestellt, welches sich aus einer nicht vollständigen oder später als geplant platzierten Anleihe ergeben könnte, ohne dass auch hier die bisherigen platzierten Anleihen mit einem Wort thematisiert würden:

€Für den Fall, dass diese Anleihe nicht vollständig oder erst verspätet platziert wird, besteht das Risiko, dass Umsätze aus der Projektentwicklungstätigkeit und/oder der Realisierung dieser Projekte erst zu einem späteren als dem geplanten Zeitpunkt generiert werdenoder gar nicht erreicht werden können. In diesem Fall erhöht sich das Risiko, dass insbesondere Projekte in den USA wegen mangelnder finanzieller Ressourcen nicht oder nicht rechtzeitig entwickelt und realisiert werden können.

[€]

Daneben besteht das Risiko, dass Anteile an den Projektgesellschaften zu einem früheren Zeitpunkt und/oder niedrigeren Kaufpreis als dem geplanten veräußert werden müssen, mit negativen Auswirkungen auf die Umsatzerlöse der Emittentin.

[€]

Dies könnte jeweils nachteilige Auswirkungen auf die Vermögens-,Finanz- und Ertragslage des S. Konzerns haben.€

Dabei wäre auch hier durchaus die Gelegenheit gewesen, neben dem Finanzierungsrisiko im Zusammenhang mit der neu zu platzierenden Anleihe auf das Finanzierungsrisiko im Zusammenhang mit den bislang platzierten Anleihen einzugehen.

Besonders auffällig ist schließlich, dass die Prospektverantwortlichen unter dem Punkt €ff) Prospekthaftung€ (S. 19) sich nunmehr auf folgende Aussage beschränken:

€Die S. AG hat in den letzten Geschäftsjahren bis zum Datum des Prospekts mehrere Anleihen begeben, für die Emissionsprospekte veröffentlicht wurden.€

Noch im Prospekt zur 6. Anleihe hatten sie hingegen an der entsprechenden Stelle (dort S. 17) angegeben:

€Die S. AG hat in den letzten Geschäftsjahren bis zum Datum des Prospekts Anleihen im Gesamtwert von € 150 Mio. begeben, für die Emissionsprospekte veröffentlicht wurden.€ (hervorgehoben durch die Unterzeichner)

2.4.3.3

Dieses Schweigen setzt sich in dem nachfolgenden Kapitel €Angaben zur S. AG€ (S. 20 ff.) fort.

Unter dem Punkt €2. Ausgewählte Finanzinformationen" wird im Emissionsprospekt zur 7. Anleihe auf den S. 18 f. noch betont, dass die S. AG im Geschäftsjahr 2008/09 den Umsatz im Vergleich zu vorangegangenen Jahren deutlich habe steigern können. Die Umsatzzahlen der Emittentin nach HGB blieben zwar deutlich hinter den Zahlen aus der Konzernbilanz nach IFRS zurück, allerdings war die Steigerung im Jahr 2008/2009, was den Umsatz und den Jahresüberschuss anbelangt, signifikant.

Das im Folgejahr eingetretene Minus von 10,6 (IFRS) bzw. 12,6 Mio. € (HGB) im Jahr 2009/2010 wird im Emissionsprospekt vom 28.02.2011 damit erklärt, dass der EBIT-Rückgang gegenüber dem Vorjahr €vor allem aus einem verschobenen Finanzierungsabschluss für zwei geplante US-Kraftwerkprojekte in Blythe, der in der Berichtsperiode 2010/2011 erwartet wird€, resultiere.

Die angefügten €ausgewählten Finanzinformationen" ergeben nach Auffassung der Kammer in ihrer Knappheit keinerlei Aufschlüsse über das von der Kammer als wesentlich erachtete Risiko aus der konkreten Finanzlage der Gesellschaft.

Zwar kann der Anleger aus der auf den S. 20 und 21 des Prospekts abgebildeten Tabelle in den Zeilen €Verbindlichkeiten€ nachlesen, dass diese am Ende des Geschäftsjahrs 2009/2010 bei 286,0 Mio. € (HGB-Bilanz) und 253,6 Mio. € (langfristig) und 80,6 Mio. € (kurzfristig) (IFRS-Bilanz) gelegen haben. Der Tabelle ist jedoch nicht zu entnehmen, dass es sich hierbei vornehmlich um Verbindlichkeiten aus Inhaber-Teilschuldverschreibungen handelt. Diese Information ist erst im Bilanzteil des Prospekts im Kapitel €Finanzielle Informationen€ (ab S. 56 ff.) enthalten.

Die Kammer folgt nicht der (zum Prospekt der 6. Anleihe geäußerten) Ansicht der 10. Zivilkammer, wonach es sich bei der jeweils abgebildeten Tabelle um eine €ganz einfache und übersichtliche Tabelle€ handele, mit der der Vermögensstatus und Cashflow der Emittentin übersichtlich dargestellt werde. Die Kammer bezweifelt, ob damit €auch völlig unerfahrenen Anlegern€ klar war, dass das Unternehmen erhebliche Verbindlichkeiten hatte und es für diese für den €Erhalt dieser Basisinformationen€ nicht erforderlich war, die weiter hinten abgedruckten weiteren Informationen zum Finanzstatus des Unternehmens oder die Bilanzen zu verstehen. Zum einen stellt sich schon die Frage, ob von einem €völlig unerfahrenen Anleger€ erwartet werden kann, dass er aus den zusammengefassten Bilanzzahlen entsprechende €Basisinformationen€, die ihm eine korrekte Einschätzung der Situation der Emittentin ermöglichen, entnehmen kann. Allein durch die Gegenüberstellung der Zahlen nach IFRS und HGB wird ihm dies schon erschwert. Zum anderen stellt sich auch die Frage, ob die aus der Tabelle zu entnehmenden Informationen, dass die Emittentin erhebliche Verbindlichkeiten hat und in der Vergangenheit nur relativ geringe Jahresüberschüsse erzielt hat, tatsächlich im konkreten Fall den Anforderungen an eine €Basisinformation€ genügte. Dies sieht die Kammer nicht so. Aus ihrer Sicht gehört entweder an dieser oder an anderer Stelle im Textteil des Prospekts die Basisinformation über die Struktur der Verbindlichkeiten und damit auch eine Darstellung der bisher schon platzierten Unternehmensanleihen sowie deren Laufzeiten und € im Hinblick auf die Vorlaufzeit der Projekte in den USA € auch eine konkrete Prognose, wie die Emittentin die kurz- und mittelfristigen Rückzahlungsverpflichtungen bewältigen wollte.

Soweit bisher platzierte Anleihen überhaupt im Prospekt Erwähnung finden, geschieht dies im noch folgenden Textteil des Prospekts nur gekürzt und in der Form einer €Erfolgsmeldung€.

Allerdings ist im streitgegenständlichen Prospekt eine Tendenz zur Reduzierung des Informationsgehalts deutlich erkennbar:

Während im gleichen Kapitel unter dem Punkt €3. Informationen über die Emittentin - e) wesentliche Geschäftsvorfälle im Geschäftsjahr 2008/2009" im Emissionsprospektes vom 12.07.2010 noch ausgeführt wurde,

€S. platziert erfolgreich zwei weitere Anleihen € erste Anleihen zurückgezahlt€

und sich dem nachfolgenden Text noch entnehmen ließ, dass zwei Anleihen aus den Jahren 2004 über 20 Mio. € und 2005 über 30 Mio. € planmäßig zurückgezahlt wurden und dass eine im Juli 2008 begebene Anleihe über 40 Mio. € bereits im Mai 2009 vollständig platziert werden konnte, daraufhin noch im Mai 2009 eine weitere Anleihe über ebenfalls 40 Mio. € begeben wurde, welche €dank der großen Nachfrage [€] schon rund zwei Monate nach der Emission vollständig platziert werden€ konnte, fallen im Prospekt vom 28.02.2011 (S. 24) die Erfolgsmeldungen knapper aus: Hier wird lediglich auf die Zurückzahlung der zweiten Anleihe aus dem Jahr 2005 verwiesen und darauf, dass die Emittentin im Juli 2010 eine €weitere Unternehmensanleihe in Höhe von € 50 Millionen und einer Laufzeit von fünf Jahren begeben€ hat, die bereits €kurz nach Ende der letzten Berichtsperiode€ voll platziert war.

Dass die Emittentin hier nicht auf die gesamten von ihr bislang begebenen Anleihen hingewiesen hat, mag dem Umstand geschuldet sein, dass die oben zitierten Informationen oder €Erfolgsmeldungen€ jeweils unter der Überschrift €Wesentliche Geschäftsvorfälle im Geschäftsjahr 2008/2009€ bzw. €Wesentliche Geschäftsvorfälle im Geschäftsjahr 2009/2010€ platziert wurden.

Jedoch selbst an der Stelle, an der man eine vollständige Darstellung in erster Linie erwarten durfte und wo sie nach Auffassung der Kammer hätte erfolgen müssen, fehlt diese:

Unter dem Punkt €3. Informationen über die Emittentin € c) Geschichte und Geschäftsentwicklung€ im Abschnitt €Angaben zur S. AG€ (S. 22 des Prospekts vom 28.02.2011) erfolgt keinerlei Hinweis auf die bisherige hauptsächliche Finanzierung über Unternehmensanleihen.

Am Ende dieses Abschnitts, unter dem Punkt €g) Investitionen - Finanzierungsmittel€ (S. 26 des Prospekts vom 28.02.2011) lautet der Hinweis nur wie folgt:

€Zur Finanzierung der Unternehmensentwicklung wird ein angemessener Mix aus Eigen- und Fremdkapital angestrebt. Wie bereits im oberen Abschnitt erläutert, erfolgt die Refinanzierung des anteiligen Eigenkapitals für die im Bau befindlichen Kraftwerksprojekte überwiegend über die Auflegung von Fonds und im Fall der US-Projekte zusätzlich über diese Unternehmensanleihe€. [hervorgehoben durch die Unterzeichner]

Demzufolge lässt sich erst aus dem Kapitel €Konzernabschluss der S. AG nach IFRS zum 31.10.2009 € e) Konzernanhang € D. Erläuterungen zur Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung € 29. Langfristig finanzielle Schulden€ auf S. 135 des Prospektes vom 28.02.2011 entnehmen, dass die Emittentin vor Veröffentlichung des streitgegenständlichen Prospektes und des Angebotes für die streitgegenständliche Anleihe bereits sieben Anleihen begeben hatte. Erst bei näherer Beschäftigung mit der Tabelle auf dieser Seite wird erkennbar, dass aus diesem Grunde ab dem Zeitpunkt der Begebung der streitgegenständlichen Anleihe bis zum Mai 2014 jedes Jahr zwischen 20 und 40 Mio. Euro getilgt werden müssten. Im Juli 2015 bzw. März 2016 kämen noch weitere Tilgungen in Höhe von 50 Mio. (7. Anleihe) bzw. 100 Mio. € für die streitgegenständliche Anleihe hinzu. Diese Basisinformation fehlt im Textteil des jeweiligen Prospekts.

Dabei ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Informationen zum Konzernabschluss zum 31.10.2010 gerade nicht befinden. In der entsprechenden Tabelle auf S. 90 sind die Anleihen lediglich zusammengefasst mit einem Wert von 170 Mio. €. Mit anderen Worten kann der Anleger die erforderlichen Informationen lediglich aus dem Bilanzteil zum (alten) Konzernabschluss zum 31.10.2009 entnehmen.

2.4.3.4

Aufgrund dieser Unvollständigkeit vermittelt der jeweilige Prospekt den Eindruck eines gut aufgestellten Unternehmens, das optimistisch in die Zukunft blickt und die Realisierung großer Ziele vor Augen hat. Zwar würden verschiedene Risiken, insbesondere infolge des geplanten Wachstums, der ins Auge gefassten Projekte und aus einem möglichen technologischen Wandel bestehen, jedoch kein durch die Struktur der bisherigen Finanzierung damit im Zusammenhang stehendes Risiko. Den interessierten Anlegern € so der vorherrschende Gesamteindruck € werde durch die streitgegenständliche Beteiligung die Möglichkeit geboten, bei einem überschaubaren, keineswegs außergewöhnlichen oder deutlich erhöhten unternehmerischen Risiko durch eine gut rentierliche Anleihe mit festem Zinssatz, welcher auf dem Markt der alternativen Energien auch erzielbar sei, im Rahmen eines umweltbewussten Engagements Gewinne zu erzielen.

Um die tatsächliche Verschuldungssituation der Emittentin nachvollziehen zu können, ist eine intensive Zusammenschau von Text- und Bilanzteil des Emissionsprospekts unumgänglich. Dies ist dem Anleger unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zumutbar. Erst aufgrund dieser Zusammenschau wird für einen geschulten und aufmerksamen Leser des Emissionsprospekts erkennbar, dass Fremdkapital auf Anleihebasis in erheblichem Umfang in relativ knapp bemessener Zeit von der Gesellschaft zurückzuerstatten bzw. zu refinanzieren war.

2.4.3.5

Zu diesem unvollständigen und damit fehlerhaften Gesamteindruck trägt weiter bei, dass der jeweilige Prospekt im Textteil keine aufgrund dieser Ausgangssituation notwendige Planrechnung oder konkrete Prognose enthält, aus der ersichtlich wird, wie die Zinszahlungs- und Kapitalrückzahlungsverpflichtung erfüllt werden soll.

Zwar enthält der streitgegenständliche Prospekt zukunftsbezogene Informationen enthält insoweit, als aus den auf den S. 23 ff. dargestellten wesentlichen Geschäftsvorfälle für die Jahre 2009/2010 und 2010/2011 Schlussfolgerungen für die weitere Entwicklung € insbesondere der Großprojekte in den USA abgeleitet werden. Das Kontrollkriterium des vom Prospekt erzeugten Gesamteindrucks enthält grundsätzlich auch eine zukunftsbezogene Komponente, weil dieser auch Erwartungen über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens ausdrückt. Ein Prospekt enthält nur die halbe Wahrheit, wenn er sich auf vergangenheitsbezogene Daten beschränkt, obwohl Umstände absehbar und wahrscheinlich sind, welche die Fortsetzung der bisherigen Entwicklung gefährden können. Hinzu kommt, dass die zukunftsbezogene Informationen für eine informierte Anlageentscheidung, namentlich von Angaben über Unternehmensplanungen und Erwartungen des Managements, Bedeutung haben und solche Informationen deshalb im Kontext der Anlageentscheidung auch als wesentlich bewertet werden (vgl. Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007, § 6 Rn. 124). Der Zeitraum, den eine zukunftsbezogene Information abzudecken hat (Prognosezeitraum) ist dabei so zu bestimmen, wie er einerseits in Bezug auf die Verhältnisse des konkreten Emittenten für die angemessene Beurteilung der Anlage erforderlich ist und zum anderen aufgrund der verfügbaren Erkenntnisse zur Ableitung vertretbarer Aussagen überhaupt möglich ist. Als Leitlinie wird deshalb im Anschluss an § 13 VermVerkProspVO, der Angaben über die Geschäftsaussichten des Emittenten mindestens für das laufende Geschäftsjahr verlangt, und im Hinblick auf die Auslegung von § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB zum Lagebericht von einem Zeitraum zwischen einem und zwei Jahren ausgegangen (vgl. Assmann/Schütze, a.a.O.). Aus Sicht der Kammer hätte über die im Prospekt aufgenommenen Informationen hinaus aufgrund der im Verhältnis zu den erzielten Umsätzen hohen Anleiheschulden sowie des jeweils negativen Cash-Flows aus laufender Geschäftstätigkeit und Investitionstätigkeit Anlass bestanden, eine Planrechnung oder konkrete Prognose hinsichtlich der Erfüllbarkeit der anstehenden Zins- und Kapitalrückzahlungsverpflichtung aufzunehmen.

2.4.3.6

Die Kammer sieht sich auch durch das mittlerweile zur Frage der Fehlerhaftigkeit des Prospekts der 6. Anleihe der Emittentin ergangene erste Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (Az. 6 U 644/13) nicht gehalten, ihre bisher vertretene Auffassung zur Fehlerhaftigkeit des streitgegenständlichen Prospekt aufzugeben. Soweit das Oberlandesgericht Nürnberg in seiner am 20.11.2013 verkündeten Entscheidung zu dem Ergebnis kommt, dass der Prospekt €bei aller Zuversicht hinsichtlich einzelner Aussagen, keineswegs die erheblichen Risiken, die mit der Investition in das Geschäftsmodell der Emittentin einhergehen, verhehlt€ und €der hierdurch erzeugte Gesamteindruck [€] jedenfalls geeignet [sei], beim durchschnittlichen Leser zumindest ein Gefühl der Unsicherheit zu hinterlassen, hauptsächlich mit Blick auf die hohen Anleiheschulden der Gesellschaft (S. 17 und F-68 im Prospekt) und die € teilweise sogar ausdrücklich als hoch eingestuften € Risiken bei der Projektrealisierung€, kann die Kammer dieser Schlussfolgerung nicht beitreten. Sie bleibt vielmehr bei ihrer Auffassung, dass durch die Gestaltung des streitgegenständlichen € im Aufbau mit dem Prospekt der 6. Anleihe durchaus vergleichbaren € Prospektes dem (Klein-)Anleger der Blick auf die hohen Anleiheschulden der Gesellschaft, und damit auf einen für seine Anlageentscheidung wesentlichen Punkt, nicht ermöglicht wird.

Zentrales Argument für die Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg ist, dass die hohen Anleiheschulden im Prospekt für die 6. Anleihe auf den S. 17 und F-68 hinreichend deutlich dargestellt seien.

Dabei findet sich der Hinweis, dass die Emittentin €bis zum Datum des Prospekts Anleihen im Gesamtwert von € 150 Mio. begeben€ habe, im Prospekt zur 6. Anleihe 2009 nicht bei der Erörterung des Bonitäts- oder Finanzierungsrisiko, sondern unter dem Punkt d) Allgemeine rechtliche und steuerliche Risiken € dd) Prospekthaftung€ (S. 17), also an einer Stelle, an der man diese Information keinesfalls erwartet. Der Umstand wird hier im Übrigen auch nicht näher erläutert. Die Struktur der Anleiheverbindlichkeiten ergibt sich sodann erst aus der Darstellung auf S. F-68 (!) gut versteckt im Bilanzteil im Kapitel

€Finanzielle Informationen € Konzernabschluss der S. AG nach IFRS zum 31. Oktober 2008 € Konzernanhang für das Geschäftsjahr 2007/2008 € Erläuterungen zur IFRS-Konzernbilanz € 20. Langfristig verzinsliche Schulden€,

was aus Sicht der Kammer den Anforderungen hinsichtlich der Erkennbarkeit des daraus resultierenden Risikos für einen (Klein-)Anleger nicht entspricht. Bereits die Kapitelstruktur ist verwirrend. Darüber hinaus ist es überraschend, dass die € auch nach Ansicht des OLG Nürnberg € entscheidende Textstelle im Prospekt in einem Unterkapitel des Unterkapitels

€Konzernanhang für das Geschäftsjahr 2007/2008€(hervorgehoben durch die Unterzeichner)

zu finden ist. Wenn nach neuester Rechtsprechung des BGH vom (Klein-)Anleger nicht erwartet werden kann, dass er eine Bilanz lesen kann, muss dies nach Ansicht der Kammer erst Recht für den Konzernanhang des Konzernabschlusses gelten. Darüber hinaus wird dem Anleger durch die Bezugnahme auf das Geschäftsjahr 2007/2008 suggeriert, die Anleiheverbindlichkeiten hätten keine Bedeutung über dieses Geschäftsjahr hinaus.

Infolgedessen könnte der Prospekt nur dann als fehlerfrei qualifiziert werden, wenn die erforderlichen Informationen dem Anleger auch ohne die Ausführungen auf S. F-68 gelieferten würden.

Darüber weist die Kammer darauf hin, dass sich auf S. F-68 keine nähere Erläuterung der dort abgedruckten Tabelle befindet. Sie macht damit den Eindruck nur eine von vielen Tabellen und Zahlenwerken zu sein, deren Abdruck den IFRS-Regeln geschuldet ist.

Aufgrund eines Vergleichs des Prospekts der 6. Anleihe mit dem streitgegenständlichen Prospekt wird auch deutlich, dass zwischenzeitlich der Aussagegehalt zu den begebenen Anleihen noch weiter reduziert wurde. Auch im streitgegenständlichen Prospekt findet sich € wie bereits dargestellt € weder bei der Erörterung des Bonitätsrisikos und des Finanzierungsrisikos im Zusammenhang mit der Anleihe ein Hinweis auf den Umfang und die Struktur der bisher platzierten Anleihen. Unter dem Punkt € Allgemeine rechtliche und steuerliche Risiken€ € gg) Prospekthaftung€ heißt es dann auf Seite 19:

€Die S. AG hat in den letzten Geschäftsjahren bis zum Datum des Prospekts mehrere Anleihen begeben, für die Emissionsprospekte veröffentlicht wurden.€ (Hervorhebung durch die Kammer)

Diese Formulierung ist identisch auch im Prospekt der 7. Anleihe (dort Seite 17) unter dem angegebenen Punkt enthalten.

Im Kapitel €Finanzielle Informationen€ ab S. 56 des streitgegenständlichen Prospektes der 8. Anleihe findet sich € wie bereits ausgeführt € auf S. 90 unter dem Punkt € E. Erläuterungen zur Konzern-Gewinn-und Verlustrechnung € 29. Finanzielle Verbindlichkeiten € Langfristige finanzielle Schulden€ der Hinweis auf Anleiheverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt € 170 Mio. zum 31.10.2010, ohne dass die Struktur der Verbindlichkeiten, insbesondere ihre Fälligkeit dort aufgeschlüsselt würde.

Die Kammer kann deshalb für den streitgegenständlichen Prospekt nicht der Auffassung des Oberlandesgerichts folgen, dass der Blick auf die hohen Anleiheschulden der Gesellschaft dem durchschnittlichen Leser bzw. dem durchschnittlichen Kleinanleger möglich gewesen sei. Dieser Blick auf die Anleiheschulden ist nach Auffassung der Kammer in dem streitgegenständlichen Prospekt und dem Prospekt zur 7. Anleihe sogar noch deutlicher verstellt als in den Vorgängerprospekten.

Die Kammer bleibt deshalb bei ihrer Ansicht, dass das für die Beurteilung wesentliche Datenmaterial nicht nur irgendwie offenbart werden darf, sondern dass dies in einer für den Prospektadressaten verständlichen Form an geeigneter Stelle geschehen muss, die ihn in die Lage versetzt, zutreffende Schlussfolgerungen zu ziehen.

Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass sie den Schwerpunkt ihrer Betrachtung auf die Zusammenfassung der Risiken gelegt und den im übrigen Prospekt vorhandenen Risikohinweisen weniger Bedeutung beigemessen hat als der Senat. Ihre Bewertung beruht im Gegenteil auf einer Gesamtbetrachtung des streitgegenständlichen Prospektes. Die Kammer kann deshalb € wie oben ausführlich dargestellt € der Schlussfolgerung des Oberlandesgerichts Nürnberg, dass der Prospekt €in verständlicher Sprache deutlich (mache), dass in den nächsten Jahren erhebliche Anleiherückzahlungsverbindlichkeiten auf die Gesellschaft zukämen und dass die Aussicht auf Geschäftserlöse vielfältigen Unsicherheiten ausgesetzt seien€ nicht teilen. Gerade der erste Punkt wird aus Sicht der Kammer aus dem Prospekt für den angesprochenen Kleinanleger nicht deutlich und in der Konsequenz des Fehlens dieser wesentlichen Angaben lässt der Prospekt auch eine konkrete Prognose, wie die Emittentin diese wirtschaftliche und ggf. existentielle Herausforderung bewältigen will, vermissen.

3.

Die fehlende Prospektierung der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Beklagten zu 3)

Die Frage, ob es im konkreten Fall einer Prospektierung der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Beklagten zu 3) bedurft hätte, musste die Kammer nicht beantworten, da der Sachvortrag der Klagepartei den Anforderungen an ein substantiiertes Vorbringen nicht genügt.

Grundsätzlich ist der Anleger allerdings über alle Eigenschaften und Risiken richtig und vollständig zu informieren, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (BGH NJW-RR 2007, 621; BGH BKR 2010, 118). Dies betrifft nicht nur Umstände, die sich auf das Anlageobjekt selbst beziehen sondern auch solche, die für die Seriosität und Zuverlässigkeit der Verantwortlichen wichtig sind oder sein können. Hierzu gehört ein strafbares Verhalten jedenfalls dann, wenn es um Taten geht, die aus Sicht eines vernünftigen Anlegers geeignet sind, die Vertrauenswürdigkeit der Verantwortlichen in Frage zu stellen (BGH NJW-RR 2012, 283).

Eine Konkretisierung der genannten Informationspflicht findet sich in Nr. 14.1 Abs. 3 (d) des € allerdings nur für Aktien geltenden € Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 vom 29. April 2004, welche verlangt, dass Angaben über €öffentlichen Anschuldigungen und/oder Sanktionen€ gegen die dort genannten Personen in einen Verkaufsprospekt aufgenommen werden. Der Beklagte zu 3) gehörte als Mitglied eines Verwaltungs-, Management- oder Aufsichtsorgans zu den dort erfassten Personen. Jedoch stellt das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gerade noch keine öffentliche Anschuldigung dar; diese erfolgt erst mit der Anklageerhebung. Die Anklageerhebung gegen den Beklagten zu 3) erfolgte erst am 15.07.2011 und damit zeitlich nach Veröffentlichung des Prospektes und auch nach Zeichnung der streitgegenständlichen Inhaber-Teilschuldverschreibungen. Aus der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 lässt sich deshalb keine Offenbarungspflicht im Prospekt ableiten, abgesehen davon, dass für die streitgegenständlichen Inhaber-Teilschuldverschreibungennicht Anhang I, sondern Anhang V anwendbar wäre und dieser eine Offenbarungspflicht € im Gegensatz zu Anhang I € nicht vorsieht.

Allerdings handelt es sich bei gesetzlichen Prospektinhaltsanforderungen um Mindestangaben, deren Einhaltung lediglich im Regelfall zu einer Vollständigkeit des Prospekts i.S.d. Prospekthaftungsvorschriften führen wird. Allein die Einhaltung der fraglichen Bestimmungen gibt aber keine Gewähr dafür, dass der Prospekt im Sinne der einschlägigen gesetzlichen Prospekthaftungsbestimmungen (entsprechend deren Auslegung durch die Rechtsprechung) auch tatsächlich alle Angaben enthält, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. Assmann/Schütze, a.a.O., § 6 Rn. 104; Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, WpPG, VerkProspG, 2. Aufl. § 13 VerkProspG, Rn. 26)

Demzufolge hat der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung (BGH NJW-RR 2012, 283) kürzlich bereits eine Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über ein ihm bekanntes strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Fondsverantwortliche unter bestimmten Voraussetzungen bejaht (BGH, a.a.O.). Danach setzt diese Aufklärungspflicht für einen Anlageberater, dem der Kunde weitreichendes Vertrauen entgegenbringt, nicht erst dann ein, wenn es zu einer (rechtskräftigen) Verurteilung oder auch nur zur Erhebung der öffentlichen Klage gekommen ist. Dabei erachtet der Bundesgerichtshof es nicht als erforderlich, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zumindest sachlich mit der konkreten Kapitalanlage im Zusammenhang stehen. Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit können sich auch aus Umständen ergeben, die nicht die streitgegenständliche Anlage betreffen. Dies gelte, so der Bundesgerichtshof, vor allem dann, wenn z.B. betroffene Gesellschaften mit der in Rede stehenden Anlagegesellschaft wirtschaftlich und personell in der Weise verflochten sind, dass die Initiatoren beziehungsweise die für die Geschicke der Gesellschaften Verantwortlichen, gegen die sich das Ermittlungsverfahren gerichtet hat, personenidentisch sind (BGH, a.a.O.). Unter Umständen besteht allerdings dann keine Aufklärungspflicht, wenn es sich um von vornherein erkennbar substanzlose Vorwürfe handelt.

Die Kammer interpretiert die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs € auch unter Würdigung von Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 € so, dass sich eine solche Verantwortlichkeit nicht allein aus der Stellung des Beklagten zu 3) als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Emittentin ergibt. Zwar hat der Aufsichtsrat neben seiner Überwachungsfunktion hinsichtlich der Geschäftsführung (§ 111 Abs. 1 AktG) auch das Recht, den Vorstand zu bestellen und abzuberufen (§ 84 AktG). Der Bundesgerichtshof spricht von €Initiatoren€ bzw. €die für die Geschicke der Gesellschaften Verantwortlichen€, so dass nach Auffassung der Kammer ein fehlender Hinweis im Prospekt auf ein laufendes Ermittlungsverfahren für den Anleger dann für seine Anlageentscheidung wesentlich ist, wenn dieses Ermittlungsverfahren eine €prospektverantwortliche€ Person betrifft, die entweder die Geschäftsführung des Unternehmens inne hat oder auf diese maßgeblichen Einfluss nimmt bzw. diese mitgestaltet.

Im Sachvortrag der Klagepartei fehlt es an einem substantiierten Vortrag zur konkreten € über die Rolle eines normalen Aufsichtsratsmitglieds hinausgehenden € Stellung des Beklagten X.. Die (bestrittenen) Behauptungen der Klagepartei

€Der Beklagte X. war innerhalb der S. AG nicht nur stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und Initiator der Gesellschaft, sondern leitete das Unternehmen.€

bzw.

€Nach Angaben des Mitbegründers der S. AG, Herrn U., hat der Beklagte X. €immer die Fäden gezogen€. Alle übrigen Beteiligten bei der Solar Millenium einschließlich des Vorstands wurden von ihm bloß als seine ausführenden Organe angesehen.€

dienen der Ausforschung. Denn in Wirklichkeit handelt es sich bei der Aussage, der Beklagte X. habe das Unternehmen geleitet, um eine Schlussfolgerung. Der Klagevortrag lässt jedoch jegliche Tatsachengrundlage, aufgrund derer diese Schlussfolgerung womöglich hätte gezogen werden können, vermissen. Die angebotenen Zeugen U., A1, A2, A3, A4, A5, A6, A7, A8, Insolvenzverwalter B1, Staatsanwalt C1, Cx und Cy waren daher nicht zu vernehmen.

Damit geht das Gericht derzeit nicht davon aus, dass der Beklagte zu 3) im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des BGH (NJW 2012, 283) als €Verantwortlicher€ der Emittentin anzusehen ist.

4.

Die Darstellung der Marktreife solarthermischer Anlagen und deren Wettbewerbsfähigkeit

Dagegen sieht die Kammer keinen Prospektfehler darin, dass die Marktreife solarthermischer Anlagen und deren Wettbewerbsfähigkeit unzutreffend dargestellt worden sei.

4.1

Hierzu ist zunächst auszuführen, dass auf S. 12 des Prospekts der 8. Anleihe deutlich darauf hingewiesen worden ist, dass sich solarthermische Kraftwerke noch in der Markteinführungsphase befinden und dass die zu erwartenden Kostenreduktionseffekte noch nicht eingetreten sind. Insbesondere wurde auch ausgeführt, dass die solarthermische Energie gegenüber konventioneller Energieerzeugung preislich nur in Einzelfällen wettbewerbsfähig und von Förderprogrammen oder der Gewährung von Einspeisevergütungen abhängig ist. Diese Ausführungen werden auch nicht dadurch relativiert, dass auf S. 6 des Prospekts davon gesprochen wird, dass der Strom aus Parabolrinnenkraftwerken bei marktgerechter Vergütung heutzutage bereits nahezu konkurrenzfähig sei. Hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass die Wettbewerbsfähigkeit zum Zeitpunkt der Emission der Anleihe noch nicht gegeben war.

4.2

Auch das Verhältnis zu anderen erneuerbaren Energien, insbesondere zur Photovoltaiktechnik wird nicht in unzutreffender oder verfälschender Weise dargestellt. Hierbei war es durchaus zulässig, dass die Emittentin die Vorzüge der Solarthermik, als die Technik, auf welche sie setzt, gegenüber anderen erneuerbaren Energien hervorgehoben hat.

4.3

Auf die Gefahren, welche aus dem technologischen Wandel entstehen, ist ausreichend auf S. 17 des Prospekts hingewiesen worden. Diesbezüglich ist ausgeführt, dass die Solarthermik in einer Konkurrenzsituation mit anderen erneuerbaren Energien, wie z.B. der Photovoltaik, der Windkraft oder der Geothermik befindet und die Gefahr besteht, dass sich diese besser entwickeln und letztlich am Markt der erneuerbaren Energien durchsetzen können. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass für den Fall des Eintritts eines solchen Szenarios eine Beeinträchtigung der Vermögens-, Finanz - und Ertragslage der Emittentin die Folge wäre. Unerheblich ist letztlich auch, dass sich die Emittentin im Jahre 2011 entschlossen hat, das Solarkraftwerk in Blythe nicht wie ursprünglich geplant als solarthermisches Kraftwerk auszubauen, sondern nunmehr mit Photovoltaiktechnik auszustatten, da dies nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten den veränderten Marktbedingungen in den USA geschuldet war. Als Grund wurde angegeben, dass zu diesem Zeitpunkt Höchstpreise für Spitzenlaststrom in der Mittagszeit gezahlt wurden, welcher kostengünstiger durch Photovoltaiktechnik erzeugt werden konnte. Zum einen kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dass die Photovoltaiktechnik generell sich nunmehr am Markt durchgesetzt habe und kostengünstiger produziere, zum anderen sind € trotz der zeitlichen Nähe zur Herausgabe des Prospektes für die 8. Anleihe € keine Umstände dafür vorgetragen, dass eine derartige Entwicklung zum Zeitpunkt der Prospekterstellung vorhersehbar gewesen wäre.

5.

Die Prospektverantwortlichkeit der Beklagten

Die Beklagten zu 1) bis 2) sowie zu 4) bis 5) waren zum Zeitpunkt der Herausgabe des Prospekts Vorstandsmitglieder der Emittentin.

Prospektverantwortliche sind diejenigen, die den Prospekt herausgeben oder für die Prospekterstellung verantwortlich sind. Darunter werden die das Management bildenden oder beherrschenden Initiatoren, Gestalter, Gründer sowie die für die Prospektherausgabe verantwortliche €eigentliche Leitungsgruppe" subsumiert (vgl. Assmann/Schütze, a.a.O., § 6 Rn. 137).

Auf S. 176 des Prospekts der 8. Anleihe wird die Verantwortlichkeit der Emittentin, vertreten durch den Vorstand, für den Inhalt des Prospektes nochmals ausdrücklich klargestellt. Die Beklagten 1) bis 2) sowie zu 4) bis 5) haften deshalb als Mitglieder des Vorstands nach § 13 VerkProspG a.F. i.V.m. den §§ 44 ff. BörsG.

Ein Haftungsausschluss nach der Vorschrift des § 45 BörsG wird von den Beklagten nicht behauptet.

Der Beklagte zu 3) hingegen ist nicht als Prospektverantwortlicher anzusehen. Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen unter Ziff. 3 Bezug genommen.

Die Klage gegen ihn war daher abzuweisen.

6.

Keine Verjährung

Den Ansprüchen gegen die Beklagten steht schließlich auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen.

Der Anspruch nach § 13 VerkProspG i.V.m. § 44 BörsG verjährt gem. § 46 BörsG a.F. in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts.

6.1

Die Ansprüche sind nicht nach § 46 Alt. 1 BörsG a.F. verjährt.

§ 46 Alt. 1 BörsG a.F. fordert positive Kenntnis (Groß in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. 2009, BörsG2007 § 46 Rn. IX470 m.w.N.). Grob fahrlässige Unkenntnis reicht nicht.

Die Klagepartei hatte insb. keine Kenntnis von der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts zur 8. Anleihe aufgrund des als Anlage B1 vorgelegten Schreibens des Insolvenzverwalters vom 09.03.2012.

Die Aufforderung zur Forderungsanmeldung setzte die Klagepartei in Kenntnis über die Insolvenz der Emittentin, nicht jedoch über Prospektfehler.

Die Insolvenz des Unternehmens legt Prospektfehler auch nicht derart nahe, dass von €bedingt vorsätzlicher€ Unkenntnis ausgegangen werden müsste. Vielmehr handelt es sich bei einer Insolvenz in aller Regel um einen komplexen Sachverhalt, für den viele Gründe denkbar sind. Die Kenntnis von der Insolvenz der Emittentin gab sicherlich grundsätzlich Anlass zu prüfen, ob der streitgegenständliche Prospekt fehlerhaft war. Um generell den Vorwurf erheben zu können, die Klagepartei €verschließe die Augen€ und hätte €sich die aufdrängende Kenntnis€ durch Prüfung des Prospektes €in zumutbarer Weise und ohne große Mühe€ verschaffen können, ist nach Auffassung der Kammer Voraussetzung, dass sich der Prospektfehler für einen (Klein-)Anleger bei erneuter Prüfung des Prospektes € ohne Inanspruchnahme fachkundiger Unterstützung € allein aufgrund seines Wissens von der zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz der Emittentin nunmehr offenbaren würde. Da die Insolvenz jedoch viele Ursachen haben kann, wird sich für den Anleger der Prospektfehler allein aufgrund des Wissens von der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung der insolventen Gesellschaft in aller Regel jedoch nicht erschließen. Von grob fahrlässiger Unkenntnis, die der Kenntnis gleichzusetzen wäre, kann deshalb generell, allein aufgrund des Schreibens des Insolvenzverwalters, bei den Anlegern nicht ausgegangen werden. Für grob fahrlässige Unkenntnis aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall sind die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig.

Dem Vorbringen der Klagepartei, sich schriftlich an ihren (späteren) Prozessbevollmächtigten gewandt zu haben und von diesem hiernach auf mögliche Prospektfehler aufgeklärt worden zu sein, sind die Beklagten nicht substantiiert entgegen getreten. Sofern die Beklagten sich ferner darauf beschränkt haben, mit Nichtwissen zu bestreiten, dass ihm erst nach so langer Zeit nach der Insolvenz der S. AG bewusst geworden sei, dass ein Prospektfehler vorliege, sind die für das Vorliegen der Voraussetzungen eines früheren Beginns der Verjährung darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten beweisfällig geblieben. Das Vorbringen der Klagepartei ist im Übrigen plausibel, da bekannter Weise nicht nur zwischen den Parteien, sondern auch zwischen den beiden, für die Entscheidung der Frage, ob ein Prospektfehler vorliegt, zuständigen Zivilkammern am Landgericht Nürnberg-Fürth Uneinigkeit über die Fehlerhaftigkeit des Prospektes herrscht.

6.2

Die Ansprüche sind auch nicht nach § 46 Alt. 2 BörsG verjährt.

Die absolute Verjährungsfrist von 3 Jahren nach Veröffentlichung des Prospekts war zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung nicht abgelaufen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus den Vorschriften der §§ 91, 92 und 101 ZPO unter Anwendung der sog. Baumbach€schen Formel. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und Satz 2 ZPO.






LG Nürnberg-Fürth:
Urteil v. 19.12.2013
Az: 6 O 4055/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6d7d131a8e40/LG-Nuernberg-Fuerth_Urteil_vom_19-Dezember-2013_Az_6-O-4055-13




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