Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. November 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 24/05

(BPatG: Beschluss v. 28.11.2006, Az.: 33 W (pat) 24/05)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 des Patentamts vom 25. März 2003 und 11. Januar 2005 aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke für die Dienstleistungen "Reinigen, Pflegen, Imprägnieren und Versiegeln der Oberfläche von Steinen und Keramiken" angeordnet worden ist. Insoweit wird der Widerspruch zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Wortmarke 399 79 271 Finolithfür Klasse 1:

Chemische Mittel zum Reinigen, Pflegen, Imprägnieren und Versiegeln der Oberfläche von Steinen und Keramiken;

Klasse 40:

Reinigen, Pflegen, Imprägnieren und Versiegeln der Oberfläche von Steinen und Keramikenist Widerspruch erhoben worden aus der Wortmarke 1 034 268 Sigolitfür Klasse 3:

Putz- und Poliermittel (ausgenommen für Leder), Fußbodenpflege- und -reinigungsmittel, chemische Mittel zum Reinigen von Metall, Stein, Porzellan, Glas, Kunststoffen und Textilien.

Mit Beschlüssen vom 25. März 2003 und 11. Januar 2005, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 1 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Nach Auffassung der Markenstelle hält die jüngere Marke angesichts der ähnlichen, teilweise auch identischen Waren und der zumindest normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den gebotenen markenrechtlichen Abstand zur Widerspruchsmarke in klanglicher Hinsicht nicht ein. Die gegenüberstehenden Marken entsprächen sich in ihrer Silbenzahl, dem Sprechrhythmus und der Betonung. Zudem sei die markante, klangprägende Vokalfolge "I-O-I" beider Marken identisch. Bei den abweichenden Konsonanten der ersten und zweiten Silben (F/S - N/G) handele es sich hingegen um wenig klangprägnante Laute, die angesichts der bestehenden Gemeinsamkeiten der Marken keine ausreichende Unterscheidbarkeit gewährleisteten. Zwar böten diese Konsonantenunterschiede einen gewissen Kontrast, zumal auch die regelmäßig stärker beachteten Wortanfänge betroffen seien. Gleichwohl führten die deutlichen Gemeinsamkeiten im Übrigen Lautaufbau selbst bei exakter Wiedergabe nicht zu so deutlichen Abweichungen, um der Gefahr von Verwechslungen im ausreichenden Maße entgegenzuwirken. Insbesondere könnten die Marken entgegen der Ansicht der Markeninhaberin nicht auf die Bestandteile "Fino-" und "Sigo-" als allein kennzeichnende Herkunftshinweise reduziert werden, weil etwa die Endsilben "-lith" bzw. "-lit" beschreibend auf die Bestimmung der Waren (geeignet für Steinfußböden) hinwiesen. Unabhängig davon, dass erheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise der Begriff "Lithos" (altgriechisch für "Stein") nicht bekannt sein dürfte und "-lith" bzw. "-lit" allenfalls nach analysierender Betrachtungsweise eine gewisse Anlehnung erahnen ließen, bildeten "Finolith" und "Sigolit" für sich gesehen jeweils einheitliche geschlossene Kunstwörter, was einer zergliedernden Betrachtungsweise entgegen stehe.

Gegen diese Entscheidungen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Zur Begründung führt sie aus, dass die ältere Marke "Sigolit" für die vorliegend relevanten Waren und Dienstleistungen in ihrer Kennzeichnungskraft geschwächt sei. Diese Kennzeichnungsschwäche folge aus einer beträchtlichen Anzahl von Drittmarken, die mit der älteren Marke in Silbenzahl, Silbengliederung, Sprechrhythmus und Betonung übereinstimmten und für identische oder eng benachbarte Waren eingetragen seien. Hierzu hat die Markeninhaberin Datenbank-Auszüge von Marken mit der Wortendung "-lit" vorgelegt, die in den Klassen 1 und 3 eingetragen sind. Insbesondere stimmten einige dieser Drittmarken sogar in der Vokalfolge ("ioi") mit der älteren Marke überein ("SIDOLIT", "DIVOLIT", "Dipolit", "INOLIT", "Ricolit" und "Bicollit"), woraus sich ein deutlicher Mangel an Originalität der Widerspruchsmarke ergebe. Der Verkehr sei an Marken mit der Vokal- und Silbenfolge "iolith" gewöhnt. Dem zweiten Markenbestandteil "lit" bzw. "lith", der an das griechische Wort "lithos" für "Stein" angelehnt sei, komme ein rein beschreibender Charakter zu und er werde als Endsilbe auf dem betreffenden Warengebiet häufig verwendet. Trotz der Eingliedrigkeit der Marken sei der Verkehr damit gezwungen, besonders auf die übrigen Zeichenteile und deren Unterschiede zu achten. Damit gewährleisteten die kurzen Anfangsbestandteile "Sigo" und "Fino" mit ihren unterschiedlichen Anfangslauten und den unterschiedlichen Anlauten der jeweiligen zweiten Silbe eine ausreichende Unterscheidbarkeit. Zur Ähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen der Klasse 40 der jüngeren Marke und den Waren der Widerspruchsmarke weist die Markeninhaberin darauf hin, dass die Dienstleistungen der Klasse 40 von bestimmten Fachbetrieben ausgeführt würden, zu denen die Produzenten von Waren der Klasse 3 nicht gehörten.

Die Markeninhaberin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr keine Zergliederung, sondern eine vollständige Betrachtung der Marken geboten. Dabei werde dem Verkehr die vollkommen identische Vokalfolge der Marken in Erinnerung bleiben. Was die von der Markeninhaberin vorgelegte Liste von Drittmarken betreffe, so seien im Hinblick auf die hier relevanten Waren letztlich nur drei lebende Marken zu berücksichtigen, die eine identische Vokalfolge und die Schlusssilbe "lit" aufwiesen, nämlich "SIDOLIT", "DIVOLIT" und "Dipolit", von denen wiederum die erstgenannte zum Konzern der Widersprechenden gehöre. Dies reiche nicht für eine Minderung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Zur Ähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen der Klasse 40 der angegriffenen Marke und den Waren der Widerspruchsmarke trägt die Widersprechende vor, dass die Hersteller von Waren der Klasse 1, insbesondere die Widersprechende, zwar keine solchen Dienstleistungen anböten, jedoch werde z. B. eine Wäscherei "Persil" vom Verkehr mit der Widersprechenden in Verbindung gebracht werden, auch wenn sich dieses Beispiel auf eine bekannte Marke beziehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist nur teilweise begründet.

1. Hinsichtlich der für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleistungen der Klasse 40 liegt keine Verwechslungsgefahr vor, so dass der Beschwerde insoweit stattzugeben war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 544, 545 = WRP 2002, 537 - BANK 24, m. w. N.; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV).

a) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist normal. Insbesondere hat die Markeninhaberin nicht darlegen können, dass ausreichende Anhaltspunkte für eine nennenswerte Schwächung der Widerspruchsmarke als Ganzes vorhanden sind. Dies mag eventuell für Teile, insbesondere die Schlusssilbe der Widerspruchsmarke gelten. Aus der Existenz (lediglich) eingetragener Drittmarken, die die Endsilbe "lit(h)" aufweisen und ansonsten nur die Vokalfolge mit der Widerspruchsmarke gemein haben, ließe sich jedoch selbst dann keine Schwächung der Kennzeichnungskraft herleiten, wenn hierfür wesentlich mehr Drittmarken vorhanden wären, als die letztlich verbleibenden zwei lebenden und nicht zum Konzern der Widersprechenden gehörenden Marken, die unter den in der eingereichten Liste aufgeführten Zeichen überhaupt die gleiche Warenklasse, Vokalfolge und Endsilbe wie die Widerspruchsmarke aufwiesen.

b) Maßgebend für die (teilweise) Verneinung der Verwechslungsgefahr ist, dass die in der Aufhebungsanordnung genannten Dienstleistungen der Klasse 40 der jüngeren Marke, nämlich "Reinigen, Pflegen, Imprägnieren und Versiegeln der Oberfläche von Steinen und Keramiken" zu den für die Widerspruchsmarke geschützten Putz-, Polier- und Pflegemitteln, auch soweit sich diese auf Steine oder Steinfußböden beziehen, keine ausreichende Ähnlichkeit aufweisen. Zunächst besteht zwischen einer körperlichen Ware und einer unkörperlichen Dienstleistung bereits von Natur aus ein grundlegender Unterschied, so dass eine Ähnlichkeit nur unter besonderen Umständen angenommen werden kann. Nur wenn der Verkehr zu der Auffassung gelangt, die miteinander in Berührung kommenden Waren und Dienstleitungen könnten auf einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit desselben oder eines wirtschaftlich verbundenen Unternehmens beruhen, kann er einer unzutreffenden Vorstellung über deren betriebliche Zuordnung unterliegen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., Rdn. 83).

Jedoch sind die Herstellungsbetriebe von Putz- und Pflegemitteln, bei denen es sich im Wesentlichen um Unternehmen der chemischen Industrie handelt, nicht identisch mit den Betrieben, die solche Mittel anwenden, also Reinigungs- und Bodenbehandlungsbetriebe. Auch die Widersprechende konnte kein Beispiel für einen Betrieb nennen, der die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen nebeneinander herstellt bzw. erbringt. Ob Kennzeichnungen vor allem wegen der Kennzeichnungsstärke einer Marke dennoch miteinander in Verbindung gebracht werden können (z. B. Reinigungsbetrieb "Persil"), ist vorrangig eine Frage des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG, der im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren keine Anwendung findet.

Zwar verwenden die Erbringer der Dienstleistungen der Klasse 40 die für die Widerspruchsmarke geschützten Waren der Klasse 3, so dass ein gewisser funktioneller Bezug nicht verneint werden kann, jedoch handelt es sich bei den Waren der Widersprechenden nur um solche, die die Erbringer der Dienstleistungen unterstützen bzw. ermöglichen. Ähnlich wie z. B. Handwerkszeug oder Baumaterial regelmäßig nicht als ähnlich mit den Dienstleistungen eines Handwerkers oder etwa Textverarbeitungsprogramme nicht als ähnlich mit Dienstleistungen eines Redakteurs angesehen werden können, wird daher auch hier kaum eine ausreichende Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen feststellbar sein.

Sollte dennoch eine äußerst geringe Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit bestehen, was wegen funktioneller Bezüge auch nicht kategorisch ausgeschlossen werden kann, so sind relativ geringe, nämlich die hier festzustellenden Konsonantenunterschiede zwischen den Marken (s. dazu auch Ziffer 2.) geeignet, den insoweit erforderlichen geringen Abstand der Marken untereinander herzustellen und eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Hinsichtlich der Dienstleistungen der jüngeren Marke war der Beschwerde damit stattzugeben.

2. Hinsichtlich der Waren der Klasse 1 der angegriffenen Marke hat die Markenstelle hingegen zu Recht eine Verwechslungsgefahr angenommen.

a) Die Waren der Klasse 1 der angegriffenen Marke, bei denen es sich um chemische Mittel zum Reinigen, Pflegen, Imprägnieren und Versiegeln der Oberfläche von Steinen und Keramiken handelt, liegen mit den für die Widersprechende geschützten "Putz- und Poliermitteln (ausgenommen für Leder), Fußbodenpflege- und -reinigungsmittel, chemische Mittel zum Reinigen von ... Stein" offensichtlich schon begrifflich im Identitätsbereich, zumindest aber im engeren Ähnlichkeitsbereich. Dies ist unter den Beteiligten auch nicht umstritten.

b) Die angegriffene Marke hält den insoweit erforderlichen größeren Abstand zur Widerspruchsmarke in klanglicher Hinsicht nicht ein. Die Marken entsprechen sich bereits in den wichtigsten Kriterien der klanglichen Ähnlichkeit, nämlich der Vokalfolge "ioi" und der Silbengliederung. Zudem liegt die Betonung in beiden Marken auf dem letzten Vokal "i". Zwar sind die Anfangslaute verschieden, bei den Konsonanten "f" und "s" handelt es sich jedoch um relativ klangschwache Laute, nicht hingegen um Sprenglaute, wie z. B. "k" oder "t", die insoweit ein stärkeres Gewicht hätten. Auch die Mittelkonsonanten "l" und "g" sind vergleichsweise klangschwach. Auch wenn die Abweichungen bei den Konsonanten damit keineswegs unberücksichtigt gelassen werden können, so vermögen sie nur die Feststellung einer hochgradigen Ähnlichkeit zu verhindern. Jedoch reichen sie nicht aus, um angesichts der Identität bzw. hochgradigen Ähnlichkeit der Waren den erforderlichen deutlichen Abstand der jüngeren Marke von der Widerspruchsmarke zu gewährleisten.

Zudem kann entgegen der Auffassung der Markeninhaberin die völlige klangliche Identität der Schlusssilben "lit(h)" nicht unberücksichtigt gelassen werden. Zwar kann zu Gunsten der Markeninhaberin davon ausgegangen werden, dass diese Schlusssilbe für sich genommen über eine erhebliche Kennzeichnungsschwäche verfügt, sei es wegen ihrer Anlehnung an das griechische Wort für "Stein" oder zumindest wegen eines Originalitätsmangels als beliebter Bestandteil von Kennzeichnungen im Bereich von Reinigungsmitteln. Nach den markenrechtlichen Grundsätzen können jedoch auch solche Bestandteile eingliedriger Marken nicht gänzlich unberücksichtigt gelassen werden (Ströbele/Hacker, a. a. O, Rdn. 214). Hier kommt hinzu, dass es sich bei der Schlusssilbe "lit(h)" um die jeweils betonte Silbe der beiden Marken handelt. Umso weniger Grund besteht daher, diese Silbe im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf den klanglichen Gesamtcharakter der Marken zu vernachlässigen. Trotz der unverkennbaren Unterschiede bei den Konsonanten muss deshalb insgesamt von einer noch mittelgradigen Ähnlichkeit der beiderseitigen Markenwörter ausgegangen werden. Angesichts der Identität bzw. hochgradigen Ähnlichkeit der Waren und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die jüngere Marke damit den erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein, so dass eine Verwechslungsgefahr festzustellen und die teilweise Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war.






BPatG:
Beschluss v. 28.11.2006
Az: 33 W (pat) 24/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6cee11ca905e/BPatG_Beschluss_vom_28-November-2006_Az_33-W-pat-24-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share