Landgericht Köln:
Urteil vom 30. Juli 2008
Aktenzeichen: 28 O 189/08

(LG Köln: Urteil v. 30.07.2008, Az.: 28 O 189/08)

Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 22.04.2008 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Verfügungsklägerin auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit von Äußerungen, die im Rahmen eines Internetforums der Verfügungsbeklagten veröffentlicht wurden.

Die Verfügungsklägerin erbringt entgeltlich Dienstleistungen im Bereich der modernen Kommunikation. Im Rahmen dieser Tätigkeit verfügt die Verfügungsklägerin über Servicerufnummern, so dass über verschiedene Rufnummern SMS Kurznachrichten im Rahmen von Mehrwertdiensten versandt werden. Sie stellt auch Rufnummern für dritte Anbieter von Mehrwertdiensten zur Verfügung. So bietet die Firma N über bei der Verfügungsklägerin angemietete Rufnummern ebenfalls Mehrwertdienste an. Die Verfügungsklägerin rechnet neben der Zurverfügungstellung der technischen Leistungen, die Dienste der N gegenüber dem jeweiligen Kunden ab. Die Geschäftsführer der N und der Verfügungsklägerin sind identisch.

Der Verfügungsbeklagte ist ein Verein, dessen Zweck die Förderung der Verbraucherberatung und des Verbraucherschutzes im Rahmen der modernen Kommunikation ist. Er betreibt unter anderem die Domain "www.b.de" und das dort für alle Interessierten bereitgehaltene Internetforum. In diesem Forum sind mehr als 100.000 verschiedene Beiträge aus dem Bereich der modernen Kommunikation eingestellt.

Der Zeuge U - ein 18-jähriger Auszubildender - stellte in das Forum des Verfügungsbeklagten am 19.03.2008 um 12.37 Uhr zu dem Thema "SMS Paket24" einen Beitrag ein. Der Inhalt des Beitrages lautete wie folgt:

"Hallo, ich wurde von der Firma U angeschrieben, mit einer normalen Handynr. Als man sehr weit nach unter gescrollt hat, konnte man dann sehen, dass man 70 SMS zu je 0,85 EUR buchen konnte. Ich wollte natürlich nicht weiter von den SMS belästigt werden, und habe geantwortet mit "Ruf mich mal an", um den Firmennamen des Versenders herauszubekommen. Nun kam natürlich nichts. Stattdessen erhielt ich am nächsten Morgen eine SMS mit "willkommen im SMS Chat der Firma N. Vielen Dank für Ihre einmalige Buchung von 70 SMS zu a 0,85 EUR. AGBs ...- Kein Abo.

Nun, ich soll das Geld bezahlen, sagt die Firma, aber ich sehe das nicht ein.

1. haben die mich zuerst angeschrieben

2. habe ich mit Ruf mich mal an geantwortet, um den Firmennamen herauszubekommen, und um ein Ende des SMS Belästigung zu erwirken.

Aber laut der Firma bin ich damit einen Vertrag eingegangen!

Habe bereits Anzeige über die Online Wache der Polizei erstattet!"

Ob der Inhalt des Beitrages zutreffend ist, ist zwischen den Parteien umstritten. Jedenfalls erhielt der Zeuge U von der Firma N die streitgegenständliche zweite SMS über die Verfügungsklägerin als technische Dienstleisterin, obwohl er - ebenfalls unstreitig - dieser ein entsprechendes Kodewort nicht zusandte, sondern diese mit dem vorstehend dargestellten Text anschrieb.

Nachdem der Zeuge U die Rufnummer der Verfügungsklägerin in Erfahrung brachte, rief er zunächst bei der Verfügungsklägerin an. Dort wurde ihm mitgeteilt, dass er die entsprechenden Zahlungen zu erbringen habe. In einem weiteren Telefonat nahm die Verfügungsklägerin von den Forderungen Abstand.

Aufgrund des vorstehenden Beitrages wurde der Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 26.03.2008 abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung aufgefordert. Die Ansprüche wurden mit Schreiben vom 31.03.2008 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beitrag wurde aus dem Onlineforum nicht entfernt.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, der geltend gemachte Verfügungsanspruch sei weiterhin begründet. Sie trägt vor, dass zunächst keine SMS an den Zeugen U versandt worden sei. Daher stelle die streitgegenständliche Äußerung eine falsche Tatsachenbehauptung dar. Erst die weitere SMS sei an den Zeugen U versandt worden, nachdem dieser sich zwar ohne Angabe des entsprechenden Kodewortes aber mit den Worten "Ruf mich mal an" gemeldet habe. Ein vorheriger Versand an den Zeugen U sei ausgeschlossen, da die Rufnummer des Zeugen nicht im Gateway der Firma verzeichnet sei. Auch ergebe sich dies aus den Einzelverbindungsnachweisen sowie den Auskünften von Drittfirmen, mit denen die Verfügungsklägerin zusammenarbeite. Danach sei in der fraglichen Zeit keine SMS an den Zeugen durch die Verfügungsklägerin versandt worden.

Auch soweit der Verfügungsbeklagte behaupte, dass andere Personen unaufgefordert SMS erhalten hätten, sei dies unzutreffend. Dies gelte insbesondere für die Behauptungen der Zeugen N2, G, M, F, H und L.

Nachdem die Verfügungsklägerin ihren ursprünglichen Antrag teilweise zurückgenommen hat, hat die Kammer dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, den Eindruck zu erwecken, die Verfügungsklägerin versende unerwünschte SMS - Werbenachrichten (sogenannte SPAM - SMS), so wie nachstehend durch Verbreitung des auf der Internetseite des Antragsgegners am 19.03.2008 um 12.37 Uhr durch den User Flo 1987 eingestellten Nachricht mit dem Text "Hallo, ich wurde von der Firma U angeschrieben, mit einer normalen Handynr. (...) Nun, soll ich Geld bezahlen, sagt die Firma, aber ich sehe das nicht ein. 1. habe die mich zuerst angeschrieben" geschehen.

Die Kosten des Verfahrens aus einem Streitwert von 10.000 € sind dem Verfügungsbeklagten auferlegt worden. Soweit durch die teilweise Antragsbeschränkung darüber hinausgehende Gerichtskosten entstanden sind, sind diese der Verfügungsklägerin auferlegt worden.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Widerspruch des Verfügungsbeklagten.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20.04.2008 Aufrecht zu erhalten.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 20.04.2008 aufzuheben und den zugrundeliegenden Antrag zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte trägt vor, dass der Unterlassungsanspruch nicht bestehe, da der Verfügungsbeklagte gemäß § 10 TMG privilegiert sei. Die streitgegenständliche Äußerung sei auch zutreffend. So habe der Zeuge U am 16.03.2008 an einem Chat auf der Videotextseite des Fernsehsenders RTL teilgenommen. Nachdem er hier seine Rufnummer veröffentlicht habe, habe die Verfügungsklägerin unter Angabe der Rufnummer 0178-......1 an ihn eine SMS versandt, die auf eine Privatperson hindeutete. Nach mehreren Leerzeilen sei am Ende dieser SMS ein Hinweis auf das Angebot der Firma N enthalten gewesen. Ob die Verfügungsklägerin oder die Firma N für den Versandt der SMS verantwortlich sei, könne letztlich offen bleiben, da die Verfügungsklägerin hinsichtlich des SMS Versands jedenfalls als Störerin anzusehen sei.

Auch zahlreiche weitere Personen seien von der Verfügungsklägerin mit unerwünschten SMS angeschrieben worden, was die Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerung bestätige. So seien insbesondere die Zeugen L und H entsprechend angeschrieben worden. Hierfür spreche auch, dass - unstreitig - auch die Zeitschrift "Fokus" und die "Süddeutsche Zeitung" vor der Verfügungsklägerin warnen würden.

Jedenfalls sei die einstweilige Verfügung aufzuheben, da diese nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von den Parteien vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht - mehr - begründet. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 22.04.2008 ist aufzuheben, da die Verfügungsklägerin nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihr gegen die Verfügungsbeklagte einen Unterlassungsanspruch in dem geltend gemachten Umfang aus §§ 1004, 823 BGB zusteht. Die im Beschluss vom 22.04.2008 genannten Äußerungen im Forum der Verfügungsbeklagten verletzen die Verfügungsklägerin nicht rechtswidrig in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Im Einzelnen:

Ein Eingriff in das durch Art. 1, 2 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin liegt nicht vor. Zwar wurden in dem streitgegenständlichen Beitrag in dem Forum des Verfügungsbeklagten die aus dem Antrag ersichtlichen Behauptungen aufgestellt. Die Verfügungsklägerin ist von den Äußerungen auch betroffen, da sich die aufgestellten Behauptungen ausdrücklich auf sie beziehen. Die Verfügungsklägerin wird in dem Bericht namentlich benannt.

Auch haftet der Verfügungsbeklagte für den Inhalt seines Forums jedenfalls als Störer. Eine Haftung aufgrund einer selbst von ihm begangenen Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerin kommt hingegen nicht in Betracht:

Der Unterlassungsanspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Verfügungsbeklagte als Betreiber des Forums nach dem TMG nur eingeschränkt haftet. Denn die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs, der seine Grundlage in einer früheren Verletzungshandlung findet, wird durch das Haftungsprivileg im TMG nicht ausgeschlossen (vgl. BGH in GRUR 2007, 708).

Dadurch, dass der Verfügungsbeklagte den Nutzern seines Forums die Möglichkeit bietet, dort Beiträge zu veröffentlichen, durch die ggf. Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt werden können, hat der Verfügungsbeklagte selbst keine entsprechende Rechtsverletzung begangen. Auch eine Haftung als Teilnehmer scheidet aus (vgl. BGH in GRUR 2004, 860), da der Verfügungsbeklagte die Forumsbeiträge vor Veröffentlichung nicht zur Kenntnis nimmt, sie vielmehr automatisch durch den einzelnen Nutzer ins Internet gestellt werden.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass derjenige, der - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt, als Störer für eine Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann (vgl. BGH a.a.O.). Soweit in der neueren Rechtsprechung eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Institut der Störerhaftung zum Ausdruck kommt und erwogen wird, die Passivlegitimation für den Unterlassungsanspruch allein nach den deliktsrechtlichen Kategorien der Täterschaft und Teilnahme zu begründen (vgl. BGHZ 155, 189, 194 f. - Buchpreisbindung; BGH, Urt. v. 15.5.2003 - I ZR 292/00, GRUR 2003, 969, 970 = WRP 2003, 1350 - Ausschreibung von Vermessungsleistungen, m.w.N.), betrifft dies Fälle des Verhaltensunrechts, in denen keine Verletzung eines absoluten Rechts in Rede steht. Im Falle der Verletzung von Immaterialgüterrechten, die als absolute Rechte auch nach § 823 Abs. 1, § 1004 BGB Schutz genießen, sind die Grundsätze der Störerhaftung uneingeschränkt anzuwenden (vgl. BGH a.a.O.).

Einem Verein, der - wie der Verfügungsbeklagte - im Internet eine Plattform betreibt, in der Statements und andere Äußerungen zu Fragen im Rahmen des Forumszwecks veröffentlicht werden können, ist es nicht zuzumuten, jeden Forumsbeitrag vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Eine solche Obliegenheit würde dazu führen, dass Internetforen nicht mehr betrieben werden könnten. Der Verfügungsbeklagte ist jedoch immer dann, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wurde, verpflichtet, nicht nur den konkreten Forumsbeitrag unverzüglich zu sperren. Er muss auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Verletzungen kommt (vgl. BGH a.a.O.).

Dieser Verpflichtung kam der Verfügungsbeklagte nicht nach. Die Verfügungsklägerin forderte den Verfügungsbeklagten mit Abmahnschreiben vom 26.03.2008 auf, die streitgegenständliche Äußerung zu unterlassen. Dem kam der Verfügungsbeklagte jedoch nicht nach. Vielmehr verteidigte er die Äußerung als rechtmäßig und erklärte ausdrücklich, dass er eine Unterlassungserklärung nicht abgeben werde. Auch löschte er die Äußerung jedenfalls bis zum Erlass der einstweiligen Verfügung durch die Kammer nicht aus dem Forum.

Der Eingriff ist jedoch nicht rechtswidrig. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand, d.h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen (Palandt, BGB, § 823 Rn. 95 m.w.N.). Stehen sich als widerstreitende Interessen - wie vorliegend - die Meinungs- bzw. Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2, 1 GG) gegenüber, kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich darauf an, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Die aus dem Antrag ersichtliche Äußerung stellt sich im Gesamtkontext des Forumsbeitrages als Tatsachenbehauptungen dar. Ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung handelt, bestimmt sich wie folgt: Konstitutiv für die Bestimmung dessen, was als Äußerung einer "Meinung" zum Schutz des Grundrechts von Art. 5 Abs. 1 GG umfasst wird, ist das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung (vgl. grundlegend BVerfGE 61, 1, 8f). Dabei kann auch die Äußerung von Tatsachen, die der Meinungsbildung dienen, in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG fallen (vgl. BVerfGE 90, 1, 15). Eine Tatsachenbehauptung ist anzunehmen, wenn die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (vgl. BVerfGE 94, 1, 8; BGH NJW 1996, 1131). Unabdingbare Voraussetzung für eine zutreffende Einordnung einer Äußerung ist die Ermittlung des Aussagegehalts. Dabei darf nicht isoliert auf den durch den Klageantrag herausgehobenen Text abgestellt werden. Vielmehr ist dieser im Zusammenhang mit dem gesamten Aussagetext zu deuten. Dabei ist auf den objektiven Sinn der Äußerung aus der Sicht eines unvoreingenommenen Durchschnittsleser abzustellen (vgl. BGH NJW 1998, 3047).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze handelt es sich bei der angegriffenen Äußerung um eine Tatsachenbehauptung. Denn die Frage, ob die Verfügungsklägerin unaufgefordert, d.h. ohne dass der jeweilige Kunde sich zuvor an die Verfügungsklägerin wandte, SMS versandte (sog. Spam-SMS) oder die Verfügungsklägerin nur nach einer Kontaktaufnahme durch einen Kunden einen solchen Versand vornahm, steht dem Beweis offen.

Bei Tatsachenbehauptungen kommt es im Rahmen der anzustellenden Abwägung für die Zulässigkeit ihrer Äußerung entscheidend auf den Wahrheitsgehalt der Tatsachenbehauptung an. Bewusst unwahre Tatsachen oder Tatsachen, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung zweifelsfrei feststeht, fallen nicht unter den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG (Palandt, BGB, § 823 Rn. 101a m.w.N.). Ihre Äußerung ist daher grundsätzlich unzulässig. Die Verbreitung ehrenrühriger wahrer Tatsachenbehauptungen hingegen ist grundsätzlich zulässig, sofern sie nicht die Intim- oder Privatsphäre des Betroffenen betreffen. In letzterem Fall ist jedoch weiter zu prüfen und abzuwägen, ob ihre Äußerung durch ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit gedeckt ist (Palandt, BGB, § 823 Rn. 101a m.w.N.). Für die Wahrheit ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen ist entsprechend der Beweisregel des § 186 StGB der Äußernde darlegungs- und beweispflichtig. Genügt der Äußernde dieser Darlegungs- und Beweislast nicht, ist die Behauptung als unwahr zu behandeln und nicht durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt (Palandt, BGB, § 823 Rn. 101a m.w.N.). Ihre Äußerung ist unzulässig.

Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob die Verfügungsbeklagte für die Behauptung, die Verfügungsklägerin versende Spam-SMS, die Beweislast im Rahmen des § 186 StGB trägt, weil die Behauptung geeignet ist, die Klägerin in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (§ 186 StGB), wozu die Kammer allerdings neigt. Jedenfalls hat er Verfügungsbeklagte zur Überzeugung der Kammer glaubhaft gemacht, dass die streitgegenständliche Äußerung zutreffend ist.

So wurde dem Zeugen U unstreitig eine Willkommens SMS gesandt. Unstreitig ist insoweit auch, dass der Zeuge U das zugrundeliegende SMS-Paket nicht durch die Übersendung eines entsprechenden Kodewortes anforderte, so dass ein Vertrag nicht zustande kam. Vielmehr übersandte er die Aufforderung, angerufen zu werden, um den von ihm behaupteten Spam-SMS Versand aufzuklären. Die Verfügungsklägerin nahm nach telefonischer Klärung der Angelegenheit Abstand von der ursprünglich gegen den Zeugen U geltend gemachten Forderung. Vor diesem Hintergrund ist die Aussage der Zeugen U, er sei "zuerst" angeschrieben worden, als zutreffen zu betrachten, da er das entsprechende SMS-Paket jedenfalls nicht durch Übersendung des Kodewortes bestellte. Ob diese SMS aufgrund eines technischen Versehens an den Zeugen U versandt wurde, spielt dabei keine Rolle. Auch dass der Zeuge U den vorgenannten Versandt als Versandt von Spam-SMS bezeichnete, stellt vor diesem Hintergrund keine falsche Tatsachenbehauptung dar. Vielmehr ist diese weitere Äußerung als Bewertung des Versandes der Willkommens SMS ohne Vertragsschluss anzusehen und daher zulässig.

Darüber hinaus hat der Verfügungsbeklagte dargelegt und glaubhaft gemacht, dass es sich bei dem Nutzer "Flo" um den Zeugen U handelt. Er hat auch detailliert dargestellt, wann und in welchem Zusammenhang der Zeuge U eine E-Mail der Verfügungsklägerin zugesandt bekam. Dies hat der Verfügungsbeklagte im Rahmen einer detaillierten eidesstattlichen Versicherung des Zeugen U ausreichend glaubhaft gemacht. Zweifel an der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen U hat die Kammer nicht. Auch die eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin führen zu keinem anderen Ergebnis. Hier wird lediglich dargestellt, dass die Handy-Nummer des Zeugen U in dem entsprechenden Gateway nicht verzeichnet gewesen sei, in dem sie bei unaufgefordertem Versand hätte auftauchen müssen. Dies lässt nicht den Schluss zu, dass die Nummer nicht aufgrund eines technischen Problems bei der Verfügungsklägerin gelöscht wurde, so dass die eidesstattlichen Versicherungen vor diesem Hintergrund nicht geeignet sind, Zweifel an der eidesstattlichen Versicherung der Zeugen U zu erwecken. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Zeuge U aufgrund eines technischen Versehens eine Willkommens SMS erhielt, obwohl er das Kodewort für einen entsprechenden Vertragsschluss nicht übersandte. Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer nicht auszuschließen, dass auch der Versand der streitigen SMS ebenfalls nicht verzeichnet ist.

Auch die weiteren Glaubhaftmachungsmittel der Verfügungsklägerin führen zu keinem anderen Ergebnis. So legt die Verfügungsklägerin einen Einzelverbindungsnachweis der Firma C vor, aus dem sich ergibt, dass keine SMS an den Zeugen U versandt wurde. Sie legt darüber hinaus verschiedene Suchanfragen bei technischen Dienstleistern vor, aus denen sich ergibt, dass eine SMS an den Zeugen U im März nicht versandt wurde. Neben der jedenfalls nicht fern liegenden Möglichkeit eines technischen Problems wurde unstreitig an den Zeugen U jedoch die Willkommens SMS im Chat der Firma N über die Verfügungsklägerin versandt. Dass diese versandt wurde, ergibt sich jedoch aus den vorgelegten Unterlagen ebenfalls nicht. Vor diesem Hintergrund vermag die Glaubhaftmachung, die lediglich technische Abfrageergebnisse enthält, die überzeugende eidesstattliche Versicherung des Zeugen U nicht zu widerlegen.

Vor diesem Hintergrund hat die Verfügungsbeklagte durch die streitgegenständliche Äußerung nicht rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin eingegriffen. Auch ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb scheidet daher aus.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 S. 1 u. 2, 709 S. 2 ZPO.

Streitwert für das Widerspruchsverfahren: 10.000,00 €






LG Köln:
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Az: 28 O 189/08


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