Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Mai 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 375/01

(BPatG: Beschluss v. 13.05.2003, Az.: 33 W (pat) 375/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 25. Mai 2000 die Wortmarke Wall Street Correspondentsfür folgende Dienstleistungen angemeldet worden:

Sammeln und Liefern von Nachrichten im Finanzbereich mittels Medien-Publikationen, wie zum Beispiel Internet, Fernsehsendungen und in Printprodukten.

Mit Beschluss vom 23. Oktober 2001 hat die Markenstelle für Klasse 36 durch ein Mitglied des Patentamts die Markenanmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Nach ihrer Auffassung besagt die sich aus den Begriffen "Wall Street" (Synonym für New Yorker Börse) und "correspondents" (engl. Korrespondenten) zusammengesetzte Marke in bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen nur, dass diese von Korrespondenten der Wall Street angeboten würden bzw. der Anbieter der Dienstleistungen auf Korrespondenten aus der Wall Street zurückgreife. Sie stelle daher eine Angabe der Art und Beschaffenheit der angemeldeten Dienstleistungen dar. Angesichts der Bedeutung der New Yorker Börse und des Wertes von Informationen von der Wall Street für andere Finanzplätze sowie der vom Verkehr zu erwartenden Englischkenntnisse sei die Marke für den Verkehr ohne Weiteres im oben genannten Sinne verständlich. Als Angabe von Eigenschaften der Dienstleistungen sei die angemeldete Marke zum freien Gebrauch für die Mitbewerber freizuhalten und daher nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Außerdem fehle ihr wegen des beschreibenden Gehalts jegliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung führt sie aus, dass sich die angemeldeten Dienstleistungen nicht allein auf die Sammlung und Übermittlung von an der Wall Street gesammelten und von dort übermittelten Nachrichten bezögen, so dass die umfassenden und nicht nur auf Börseninformationen beschränkten Dienstleistungen gerade nicht in direktem Zusammenhang mit der Wall Street stünden. Außerdem habe die Markenstelle keinerlei Belege für die mangelnde Unterscheidungskraft ermittelt. An der Marke bestehe auch kein Freihaltungsbedürfnis. Da es bei den beanspruchten Dienstleistungen nicht nur um die Sammlung von Börsendaten gehe, liege keine Angabe ihrer Art und Beschaffenheit vor. Außerdem sei die Indizwirkung der US-Voreintragung 2 589 182 für identische Dienstleistungen ohne Disclaimer zu berücksichtigen. Gerade in den Fällen einer ausländischen Paralleleintragung sei kritisch zu prüfen, ob der inländische Verkehr ein berechtigtes Interesse an einer Verwendung der angemeldeten Bezeichnung in Alleinstellung oder in hervorgehobener Weise habe, und ob den Bedürfnissen des Verkehrs nicht durch eine nach § 23 Nr. 2 MarkenG zulässige Benutzung Rechnung getragen werden könne.

Der Anmelderin sind Kopien des Ergebnisses einer vom Senat durchgeführten Recherche übersandt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist nicht begründet.

Die angemeldete Marke ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Die angemeldete Bezeichnung setzt sich aus den Bestandteilen "Wall Street" und "Correspondent" zusammen. Der Begriff "Wall Street" ist den Verkehrskreisen, die sich mit Nachrichten im Finanzbereich befassen, als Synonym für die New York Stock Exchange geläufig, die bekanntermaßen als die wichtigste Leitbörse für Aktien angesehen wird. Der weitere Markenbestandteil "Correspondents" wird von den inländischen Verkehrsteilnehmern ohne Weiteres als die Pluralform des Begriffs "Korrespondent" verstanden, was schon wegen der Ähnlichkeit der englischen und deutschen Begriffe keiner weiteren Erläuterung bedarf. Als Korrespondenten werden in der Publizistik Mitarbeiter von Nachrichtenagenturen, Informationsdiensten oder sonstigen Medien bezeichnet, die außerhalb ihrer Hauptredaktion bzw. des Medienstandorts tätig sind (vgl. Brockhaus - Die Enzyklopädie, 20. Aufl., S. 405).

Für den Verkehr liegt damit die Bedeutung der Gesamtmarke als "Wall-Street-Korrespondenten" im Sinne der Pluralbezeichnung von "Wall-Street-Korrespondent" auf der Hand. Bereits aus der sprachüblichen Begriffsbildung (vgl. z.B. "Amerika-Korrespondent", "Auslandskorrespondent", "Wirtschaftskorrespondent", "Börsen-Kommentator") ergibt sich für den Verkehr ohne analysierende Betrachtungsweise die Bedeutung eines Korrespondenten, der vom Standort der Wall Street bzw. der New York Stock Exchange aus für eine oder mehrere außerhalb von New York belegene Nachrichtenagenturen, Presseunternehmen, Fernsehsender oder sonstige Medien berichtet. In diesem Sinne konnten sowohl der Begriff "Wall Street correspondent" als auch sein deutsches Pendant "Wall-Street-Korrespondent" vom Senat mehrfach in erkennbar beschreibenden Verwendungen belegt werden (vgl. z.B. www.newsmax.com/moneynews/archives/articles/€a=2001/9/17/80735: Eric Fry, our Wall Street correspondent, describes it: ..."; www.thestreet.com/comment/keyhole/766551.html: He is the former assistant managing editor for Forbes, the Wall Street correspondent for Time and the Bottom Line columnist for New York."; www.moneyanswers.com/money_software.html: "... Mr. Goodman was on the editorial staff of Money magazine, where he served as Wall Street correspondent, ..."; www.securitiesindustrycommentator.com/BNBookstore/bestsellers.htm: "... CNBC«s Wall Street correspondent ..."; www.-guardian.co.uk/guardiancontacts/page/0,7024,329164,00.html: "Name - Jane Martinson ... Title - Wall Street correspondent ... Career - 2000: Guardian, Wall Street correspondent 1999: Guardian, US business correspondent ..."; www.dradio.de/cgibin/es/neuhintergrundw/197.html: "Andy Server, Wall Street Korrespondent des Magazins Fortune, sagt, alle wollten sich anscheinend nur bereichern: ..."; http://rcswww.urz.tudresden.de/~ciip/praktikausa.html: "1. Praktikum als Assistent bei einer führenden Nachrichtenagentur ... Extras: Arbeiten mit DEM deutschen Wall Street Korrespondenten"; www.commerzbank.de/journal/finanzen/archiv/geld100/artikel3.htm: "Markus K.K..., 28, ist Wall-Street-Korrespondent des Nachrichten-Senders ntv und meldet sich jeden Wochentag live vom Börsenparkett aus New York".

Sofern der letztgenannte Bericht des Magazins COMMERZBANK JOURNAL online, möglicherweise auch die davor genannte Stellenausschreibung, von einer Person berichtet, die Gesellschafter der Anmelderin ist, so handelt es sich dennoch um eine rein beschreibende Verwendung der deutschen Singularform der angemeldeten Bezeichnung.

In bezug auf die angemeldeten Dienstleistungen stellt die angemeldete Marke eine Angabe darüber dar, dass die Dienstleistungen von oder mit Hilfe von Wall-Street-Korrespondenten erbracht werden. Sie vermittelt damit verkehrswesentliche Eigenschaften über die beanspruchten Dienstleistungen. Denn der Verkehr wird davon ausgehen, dass die so gesammelten und gelieferten Nachrichten von Korrespondenten vor Ort an der Wall Street recherchiert sind, so dass es sich um vergleichsweise aktuelle und authentische Informationen aus diesem Umfeld handelt. Angesichts der belegten Übung von Presseunternehmen, die Funktion entsprechender Mitarbeiter als "Wall Street correspondent" bzw. "Wall-Street-Korrespondent" herauszustellen, besteht ein offensichtliches Bedürfnis der Mitbewerber der Anmelderin an einer ungehinderten Verwendung der angemeldeten Bezeichnung. Die angemeldete Marke ist daher nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, wobei die Indizwirkung der Voreintragung der Marke in den Vereinigten Staaten aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Senats als widerlegt angesehen werden muss.

Soweit die Anmelderin hiergegen einwendet, dass sich die angemeldeten Dienstleistungen nicht auf Informationen aus dem Umfeld der Wall Street beschränkten sondern umfassend seien, vermag dies unter Berücksichtigung der Grundsätze der Entscheidung BGH BlPMZ 2002, 261 - AC das Bestehen eines Eintragungshindernisses nicht zu beseitigen. Danach führt ein nur für einen Unterbegriff bzw. Teilausschnitt der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen (hier: Sammeln und Liefern von mit der Wall Street in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen) bestehendes Eintragungshindernis zur Schutzunfähigkeit auch für den beanspruchten Oberbegriff, da es der Anmelder sonst in der Hand hätte, die gesetzlichen Eintragungshindernisse durch Anmeldung des Oberbegriffs und Benutzung für den (vom Eintragungshindernis erfassten) Unterbegriff zu umgehen.

Entgegen der Ansicht der Anmelderin ist im Eintragungsverfahren auch nicht zu prüfen, ob den Bedürfnissen des Verkehrs durch eine nach § 23 Nr. 2 MarkenG zulässige Benutzung Rechnung getragen werden kann. Diese an die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anknüpfende Auffassung ist nicht mit der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vereinbar (vgl. EuGH GRUR 1999,723 - Chiemsee). In einer neueren Entscheidung hat der Gerichtshof betont, dass Art. 6 MarkenRL (dem die Vorschrift des § 23 MarkenG nachgebildet ist) nur die Beschränkung der Wirkungen einer einmal eingetragenen Marke betreffe, hingegen nicht die Verlagerung der Beurteilung der Eintragungshindernisse auf die Verletzungsgerichte rechtfertige. Im Gegenteil sprächen Zahl und Ausführlichkeit der Eintragunghindernisse sowie der breite Fächer an Rechtsbehelfen für eine strenge und vollständige Prüfung, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu vermeiden (EuGH v. 6. Mai 2003 - Farbe Orange, E 58f., vorab veröffentlicht unter www.-curia.eu.int/jurisp/cgibin/gettext.pl€lang=de&num=79969493C19010104&...).

Im Übrigen weist die zur Eintragung angemeldete Bezeichnung nicht die für eine Marke erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2001, 413, 414 - SWATCH, m.w.N.; GRUR 2001, 240, 241 - SWISS ARMY; MarkenR 2001, 407 - antiKALK). Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH MarkenR 2001, 408, 409 - INDIVIDUELLE m.w.N.).

Es kann dahinstehen, ob diese Grundsätze der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem Erlass der o.g. Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Zukunft in vollem Umfang weiter aufrecht erhalten werden können. Jedenfalls wird die angemeldete Marke selbst den bisher vom Bundesgerichtshof aufgestellten niedrigen Anforderungen an die Unterscheidungskraft nicht gerecht. Wie oben ausgeführt, stellt sie eine Angabe über die Art des (Mit-)Erbringers der Dienstleistungen dar und beschreibt damit wichtige Umstände mit Bezug auf die Dienstleistungen. Soweit in der Großschreibung des Anfangsbuchstabens des Wortes "correspondent" eine orthografische Abweichung gesehen werden mag, ist die durchgängige Großschreibung nicht nur allgemein werbeüblich, sondern lässt sich teilweise ebenfalls in beschreibenden Verwendungen belegen (vgl. www.abc.net.au/foreign/stories/s415550.htm: "Richard Quest, Wall Street Correspondent"; www.rte.ie/news/2001/1227/-morningireland.html: "...and Conor O«Clery, Wall Street Correspondent with the Irish Times, ...")

Die Beschwerde war damit zurückzuweisen.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 13.05.2003
Az: 33 W (pat) 375/01


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