Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 17. Mai 2004
Aktenzeichen: VII-Verg 72/03

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 17.05.2004, Az.: VII-Verg 72/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Beschluss entschieden, dass die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 1. Vergabekammer des Bundes abgelehnt wird. Die Antragsstellerin muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen.

In der Entscheidung geht es um die Berechnung der zu erstattenden Anwaltskosten. Die Vergabekammer hatte diese Kosten auf Basis des Nettoauftragswerts und der Mittelgebühren festgesetzt. Die Antragstellerin ist jedoch der Meinung, dass die Rechtsanwaltskosten nach dem Bruttoauftragswert und mit vollen Gebühren berechnet werden sollten.

Das Gericht ist jedoch anderer Ansicht und folgt der bisherigen Rechtsprechung. Demnach entspricht der Gegenstandswert, der für die Berechnung der Anwaltskosten relevant ist, fünf Prozent des Nettoauftragswerts. Die Vergabekammer hat in diesem Fall daher die Gebühren nach diesen Maßstäben korrekt festgesetzt.

Auch die Festsetzung der Mittelgebühren nach den Vorgaben der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung ist aus Sicht des Gerichts gerechtfertigt. Die Antragstellerin kann nicht erfolgreich argumentieren, dass aufgrund der speziellen Umstände des Vergabenachprüfungsverfahrens und der Fachkenntnisse des Rechtsanwalts höhere Gebühren angemessen wären. Die Gebühren müssen vielmehr unter Beachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls bestimmt werden und können nicht pauschal festgelegt werden.

Insgesamt ist die Beschwerde daher unbegründet und die Antragstellerin muss die Kosten des Verfahrens tragen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Beschluss v. 17.05.2004, Az: VII-Verg 72/03


Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Kostenfest-setzungsbeschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 24. November 2003 (VK 1 - 75/03) wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Antragsgegnerin in diesem Verfahren entstandenen Aufwendun-gen zu tragen.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 1.339 Euro

Gründe

(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)

I. Die Vergabekammer hat der Antragsgegnerin durch bestandskräftigen Beschluss vom 17.9.2003 aufgegeben, unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen auf der Grundlage der bisherige Angebotswertung eine neue Zuschlagsentscheidung zu treffen. Sie hat die Kosten des erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens und die in diesem Verfahren der Antragstellerin entstandenen Aufwendungen der Antragsgegnerin auferlegt. Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin ist für notwendig erklärt worden. Durch den weiteren Beschluss vom 24.11.2003 hat die Vergabekammer die der Antragstellerin von der Antragsgegnerin zu erstattenden Aufwendungen (und zwar Rechtsanwaltskosten nebst Auslagen) auf 3.529 Euro festgesetzt.

Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin dagegen, dass die Vergabekammer der Berechnung der zu erstattenden Aufwendungen lediglich den Nettoauftragswert (ohne Umsatzsteuer 269.478,23 Euro) sowie Mittelgebühren nach § 118 Abs. 1 BRAGO zugrunde gelegt hat. Sie erstrebt eine Berechnung der Rechtsanwaltskosten nach dem Bruttoauftragswert (einschließlich Umsatzsteuer) und den Ansatz voller Gebühren.

II. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

Die Vergabekammer hat es - ausgehend von der Nettoauftragssumme - für die Antragsstellerin mit Recht bei der Festsetzung je einer 7,5/10 Geschäfts- und Besprechungsgebühr nach § 118 Abs. 1 BRAGO belassen.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats - auf die die Vergabekammer im angefochtenen Beschluss verwiesen hat - entspricht in Vergabenachprüfungsverfahren der einer Berechnung von Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legende Gegenstandswert im Sinne von § 12 a Abs. 2 GKG fünf von Hundert der Nettoauftragssumme. Von diesem Wert ist die Vergabekammer bei der rechnerischen Ermittlung der von der Antragsgegnerin zu erstattenden Rechtsanwaltskosten der Antragstellerin (inzident und ohne den Gegenstandswert im Entscheidungssatz ihres Beschlusses festzusetzen) zutreffend ausgegangen. Nach der inzwischen in zahlreichen Entscheidungen zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung des Senats, von der abzugehen das Beschwerdevorbringen keine Veranlassung bietet, ist die Auftragssumme - im Einklang mit dem Normzweck des § 12 a Abs. 2 GKG - stets um den "durchlaufenden Posten" der Umsatzsteuer zu kürzen. Denn die von der Auftragssumme ohnedies abzuführenden Umsatzsteueranteile beeinflussen nicht die für das Interesse am (öffentlichen) Auftrag maßgebenden Ertrags- oder Gewinnchancen eines Bewerbers oder Bieters, deren Durchsetzung er mit seinem Nachprüfungsantrag verfolgt.

Der Senat ist - entgegen der Meinung der Antragstellerin - mit Blick auf die gegenteilige Auffassung anderer Oberlandesgerichte, die den Bruttoauftragswert ansetzen, nicht gehalten, die Streitwertfrage gemäß § 124 Abs. 2 GWB dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Die Vorlagepflicht ist - ihrem Sinn nach - auf die Fälle von Entscheidungsdivergenzen in vergaberechtlichen Fragen in der Hauptsache beschränkt. Sie erstreckt sich nicht auf Abweichungen in kostenrechtlichen Fragen zu Normen des GKG (vgl. Senat WuW/E Verg 828, 832 m.w.N.). Im Übrigen bestätigt § 124 Abs. 2 Satz 3 GWB, dass die Vorlagepflicht sich nicht ausnahmslos auf alle Entscheidungsdivergenzen bezieht. Danach sind Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 und nach § 121 GWB (ihrer eilbedürftigen Behandlung wegen) von einer Vorlage an den Bundesgerichtshof ausgenommen. Der Vorschrift des § 124 Abs. 2 Satz 3 GWB kommt indes nicht die Bedeutung einer abschließenden Regelung zu. Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof ist vielmehr auch dann ausgeschlossen, wenn sie vom Zweck des Gesetzes nicht gefordert ist. Der Zweck der Vorlagepflicht liegt - so die Gesetzesbegründung der Bundesregierung (vgl. Sonderveröffentlichung WuW, GWB - Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 170) - in der Sicherung einer bundeseinheitlichen Rechtsprechung in Vergabesachen. Dieser Zweck trifft nur auf solche Fälle von Divergenzen zu, in denen ein Oberlandesgericht seiner Entscheidung in der Hauptsache als tragende Begründung einen Rechtssatz zu Grunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. z.B. Beschluss vom 11.08.1998, Az. 2 B 74/98, NVwZ 1999, 406 m.w.N.).

2. Auch die Festsetzung von Mittelgebühren nach § 118 Abs. 1 BRAGO ist nicht zu beanstanden. Bei den anwaltlichen Gebühren nach § 118 Abs. 1 BRAGO handelt es sich um Rahmengebühren, die der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen bestimmt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO). Ist die Gebühr - wie im vorliegenden Fall - von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO).

Dies trifft im Streitfall auf die Bestimmung voller Gebühren durch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu. Denn eine Festsetzung der jeweils vollen Gebühr ist nach Lage der Vergabekammerakten sowie nach eigenem Vortrag der Antragsstellerin im vorliegenden Fall so weit vom vertretbar Angemessenen entfernt, dass sie nicht (mehr) als billig anzusehen ist. Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren obsiegt, weil das Angebot der Beigeladenen eine Nachunternehmererklärung im geforderten Umfang nicht enthielt und deswegen - ohne dass Erklärungen wirksam nachgereicht werden konnten - von der Wertung gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b), § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A zwingend auszuschließen war. Diese die Hauptsacheentscheidung der Vergabekammer tragenden (und nach Akteneinsicht im Verfahren auch von der Antragstellerin vorgebrachten) Erwägungen qualifizieren das vorliegende Nachprüfungsverfahren als solches von objektiv unterdurchschnittlichem rechtlichem Schwierigkeitsgrad. Die dadurch aufgeworfenen zentralen Rechtsfragen waren unter der von der Antragstellerin vertretenen Annahme, mit dem Vergaberecht vertraute Rechtsanwälte zu ihrer Vertretung zugezogen zu haben, rechtlich einfach gelagert. Der Prozesstoff war seinem Umfang nach überdies begrenzt. Aus dem Kreis insgesamt unterdurchschnittlich zu bewertender Vergabenachprüfungsverfahren hob sich die vorliegende Sache allenfalls durch ihre am Gegenstandswert sichtbare Bedeutung maßvoll heraus. Bei dieser Sachlage ist an der Einschätzung der Vergabekammer, wonach die anwaltliche Tätigkeit der Verfahrensvertreter der Antragstellerin - gemessen an den Umständen des vorliegenden Falles - mit dem Ansatz von Mittelgebühren nach § 118 Abs. 1 BRAGO angemessen bewertet ist, im Ergebnis nichts auszusetzen.

Die Überlegungen, mit denen die Antragstellerin im Übrigen einen Ansatz voller Gebühren zu rechtfertigen sucht, entsprechen nicht den für Rahmengebühren geltenden gesetzlichen Vorgaben in § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. Die Antragstellerin macht in einem allgemein zu verstehenden Sinn geltend, die Bestimmung von Mittelgebühren sei in (erstinstanzlichen) Vergabenachprüfungsverfahren wegen der gesetzlich ausgestalteten Art des Verfahrens vor der Vergabekammer, der bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Spezialkenntnisse und wegen des Umfangs der durch hohen Zeitdruck zusätzlich erschwerten anwaltlichen Tätigkeit nicht als unbillig zu bewerten. Nach einem solchen generalisierenden Maßstab sind die anwaltlichen Gebühren in Vergabenachprüfungsverfahren jedoch nicht zu bemessen. § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO verweist den Rechtsanwalt vielmehr darauf, die Rahmengebühren unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen, die nach dem dargestellten Befund einen über den Mittelwert hinausgehenden Ansatz als unangemessen erscheinen lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 17.05.2004
Az: VII-Verg 72/03


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