Landgericht Hannover:
Urteil vom 23. Juni 2005
Aktenzeichen: 25 O 64/05

(LG Hannover: Urteil v. 23.06.2005, Az.: 25 O 64/05)

Tenor

1. Den Verfügungsbeklagten wird es untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Pauschalreisen diese prospektmäßig vorzustellen, ohne den Verbraucher gleichzeitig im Prospekt selbst exakt über den zu zahlenden Reisepreis für die unterschiedlich angebotenen Reisedaten und Abflugorte zu informieren.

2. Den Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt 2 Jahre nicht überschreiten darf.

3. Die einstweilige Verfügung bedarf zur Vollziehung der vorherigen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,-- €.

Der Verfügungsklägerin wird nachgelassen, diese durch Bankbürgschaft der..., zu erbringen.

4. Die Verfügungsbeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist die ... zu deren satzungsgemäßen Aufgaben auch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört.

Die Verfügungsbeklagte zu 1. ist Reiseveranstalter mit Sitz in.... Sie hat als Zustellungsbevollmächtigte die Verfügungsbeklagte..., mit Sitz in..., bestellt.

Die Verfügungsbeklagte zu 1. bewirbt in ihrem Prospekt Pauschalbroschüre ... Pauschalreisen z.B. mit dem Reiseziel Mallorca, indem sie für die einzelnen Hotels aufenthaltsbezogene Reverenzpreise pro Person und Woche anführt, die jedoch, wie auf Seite 7 des Prospektes angezeigt, nur Dienstags ab Düsseldorf gelten. Dazu heißt es in Seite 4 des Reiseprospektes:

€Dynamische Pauschalreise

Der in der Pauschalpreistabelle angegebene Preis gilt nur für den jeweils von uns angegebenen Flughafen und Verkehrstag.

Sollten Sie einen anderen Abflughafen oder Verkehrstag bevorzugen, findet Ihr Reisebüro bei ... alle verfügbaren Flugplätze der bekanntesten deutschen Fluggesellschaften (Air Berlin, Condor, Hapag Lloyd, LTU) zu den aktuellen Tagespreisen. Durch die Möglichkeit der individuellen Kombination Ihrer Flugdaten können Sie sich die günstigsten Flugpreise und/oder die von Ihnen gewünschten Abflug- sowie Rückflugzeiten auswählen und somit die auf Ihre persönlichen Ansprüche zugeschnittene dynamische Pauschalreise zusammenstellen.€

Mit ihrem Prospekt bewirbt die Verfügungsbeklagte zu 1. jedoch nicht nur die angegebenen Reverenzreisen, sondern sie bewirbt auch alle anderen sich aus dem Prospekt ergebenden Reisemöglichkeiten. Dazu sind auf Seite 6 die jeweiligen Flugtage und Flughäfen mit den Reisezielen angegeben.

Die Verfügungsklägerin behauptet, die Verfügungsbeklagte zu 2. sei die Vertriebsgesellschaft der Verfügungsbeklagten zu 1. und vertreibe die Pauschalreisen aus der Pauschalbroschüre ... ebenfalls.

Die Verfügungsklägerin hält die von den Verfügungsbeklagten in ihrem Sommerprospekt angegebenen Prospektangaben für unzulässig, weil sich aus dem Prospekt nicht der Preis für eine Reise ergebe, soweit der Kunde einen anderen als den Referenztag buchen will.

Die Verfügungsklägerin meint, dies verstoße gegen die BGB Info V § 4 und sei damit wettbewerbswidrig im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

1. Den Verfügungsbeklagten wird es untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Pauschalreisen diese prospektmäßig vorzustellen, ohne den Verbraucher gleichzeitig im Prospekt selbst exakt über den zu zahlenden Reisepreis für die unterschiedlich angebotenen Reisedaten und Abflugorte zu informieren.

2. Den Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt 2 Jahre nicht überschreiten darf.

3. Die Verfügungsbeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Verfügungsbeklagten haben beantragt,

1. den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen,

2. hilfsweise: die einstweilige Verfügung nicht ohne vorherige Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens € zwei (2) Millionen für vollstreckbar zu erklären,

3. für den Fall der Zurückweisung des Verfügungsantrags oder seiner Zurücknahme: der Antragstellerin die Kosten des Verfügungsverfahrens einschl. derjenigen Kosten aufzuerlegen, die durch die Hinterlegung ihrer Schutzschrift entstanden sind.

Sie behaupten, die Verfügungsbeklagte zu 2. sei nicht passivlegitimiert, die ... habe mit der Erstellung des Prospektes und dem Kauf der Flugkontingente und der Reservierung der Hotels nichts zu tun. Sie stelle lediglich Kontakte zu den deutschen Reisebüros her und betreibe das Callcenter und verkaufe auch Reisen an Kunden.

Die Verfügungsbeklagte zu 1. bestreitet den Gerichtsstand, sie selbst sei eine Gesellschaft ... Rechtes und unterliege nicht dem deutschen Gerichtsstand.

Ferner rügt sie, die Abmahnung sei verspätet, die Monatsfrist nach der Abmahnung sei nicht eingehalten.

Die Verfügungsbeklagte zu 1. meint, die Angabe eines Reverenzpreises im Prospekt sei ausreichend im Sinne des genauen Preises nach § 4 BGB Info V.

Bei der von der Verfügungsbeklagten zu 1. angebotenen dynamischen Pauschalreise handele es sich um ein innovatives Neuprodukt, was nach 2 Jahren Entwicklungszeit jetzt an dem Markt gehen solle. Durch die Einbindung vieler Fluglinien sei es nicht möglich, im Prospekt einen genauen Preis auszuwerfen, dies sei zwar im Internet möglich, lasse sich jedoch bei einer Katalogwerbung nicht 1 : 1 übertragen. Die Angabe von Reverenzpreisen sei eine gängige Reisepreispraxis. Wenn ein Kunde Zugang zum Internet habe, könne er ohne weiteres den verbindlichen Preis feststellen, dasselbe gelte, wenn er über die Hotline mit der Verfügungsbeklagten Kontakt aufnähme oder über ein Reisebüro nachfrage. Die notwendigen Preisbeispiele in dem Katalog reichten für die Preissicherheit der Kunden aus.

Wegen des übrigen Parteivortrags wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und Prospektmaterial verwiesen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet, beiden Verfügungsbeklagten ist zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Pauschalreisen diese prospektmäßig vorzustellen, ohne den Verbraucher gleichzeitig im Prospekt selbst exakt über den zu zahlenden Reisepreis für die unterschiedlich angebotenen Reisedaten und Abflugorte zu informieren.

Der von der Verfügungsbeklagten zu 1. gefertigte Reiseprospekt genügt durch die Angabe nur eines Referenzpreises nicht § 4 Abs. 1 BGB Info V.

Der Dritte Abschnitt der BGB Info V regelt die Informations- und Nachweispflichten von Reiseveranstaltern und darin speziell in § 4 die Prospektangaben in folgender Weise:

Stellt der Reiseveranstalter über die von ihm veranstalteten Reisen einen Prospekt zur Verfügung, so muss dieser deutlich lesbare klare und genaue Angaben enthalten über den Reisepreis.

Der von der Verfügungsbeklagten verwendete Reiseprospekt übergeschrieben als Pauschalbroschüre ... genügt diesen gesetzlichen Vorgaben nicht und ist deshalb wettbewerbswidrig im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

Die Angabe eines aufenthaltsbezogenen Reverenzpreises ist keine genaue Angabe über den Reisepreis. Ein Reverenzpreis ist schon vom Wortsinn her kein genauer Preis. Der Duden €das Fremdwörterbuch€ erwähnt unter dem Stichwort €Reverenz€ Bericht und Auskunft (meist plural), von einer Vertrauensperson gegebene Auskunft, die man als Empfehlung vorweisen kann. Der sogenannte Rechtschreibungsduden definiert €Reverenz€ als Beziehung und Empfehlung. Nach dem Buch: Drück es treffender aus, bedeutet €Reverenz€ €Empfehlung, Angebot, Vorschlag, Anerbieten, geboten, Antrag und Aufforderung€.

Das Wort Reverenzpreis wird allerdings in keinem der drei zitierten Werke selbst definiert. Nach dem Wortsinn des Wortes Reverenz liegt bei den genannten Definitionen jedoch nahe, dass keine Genauangabe gemeint sein dürfte.

Auch die Kammer definiert einen Reverenzpreis nicht als einen genauen Preis, sondern eher als einen Beispielspreis.

Da die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung auch unstreitig gestellt hat, dass die angebotenen Preise für die Pauschalreisen wesentlich abweichen können, wenn der Kunde andere Verkehrstage und Verkehrsflughafen wählt, steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Verfügungsbeklagte in ihrem Prospekt keine genauen Preise für die von ihr beworbenen Pauschalreisen angibt. Darin liegt der Verstoß gegen § 4 BGB Info V.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kunde auf andere Weise den genauen Reisepreis vor Reiseantritt erfahren kann und auch erfährt. Unter Zuhilfenahme einer Internetverbindung zu der Verfügungsbeklagten dürfte auch zur Überzeugung der erkennenden Kammer sich ein Reisepreis unschwer feststellen lassen, Gleiches gilt, wenn ein Kunde die Hotline der Verfügungsbeklagten zu 2. benutzt oder aber sich an ein Reisebüro wendet, das Reisen der Verfügungsbeklagten verkauft. Das allerdings ist nicht ausreichend, um den Verstoß gem. § 4 BGB Info V auszuräumen.

Der Gesetzgeber hat zur Überzeugung der Kammer bewußt dem Reiseveranstalter die Pflicht auferlegt, in einem Prospekt genaue Preise anzugeben, weil für den Kunden somit ein Weg eröffnet werden soll, sich Gewißheit über den Reisepreis zu verschaffen, ohne mit dem Reiseanbieter selbst vorher in Kontakt treten zu müssen.

Die übrigen formellen Monita der Verfügungsbeklagten zu 1. und 2. sind unbegründet.

Dazu im Einzelnen:

Ein ... Reiseveranstalter wie die Verfügungsbeklagte zu 1. unterliegt schon nach ihren eigenen Reisebedingungen (vgl. dazu Prospekt Seite 79 16.4) gegenüber Verbrauchern deutschem Recht. Auf ihn ist daher auch deutsches Wettbewerbsrecht anzuwenden.

Soweit die Verfügungsbeklagte zu 2. meint, nicht passivlegitimiert zu sein, steht dem entgegen, dass sie selbst nach ihrem eigenen unstreitigen Vortrag werbend für Reisen aus dem Prospekt auftritt. Dies ergibt sich im übrigen auch daraus, dass die Verfügungsbeklagte zu 2. sich im Internet als Vertriebsgesellschaft der Verfügungsbeklagten zu 1. darstellt.

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist auch nicht verfristet, wie die Verfügungsbeklagten meinen. Zwar ist die Monatsfrist nicht ganz eingehalten, weil die Abmahnung den Verfügungsbeklagten am 12.05. zugegangen war und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erst am 15.06. bei Gericht eingegangen war. Die Verfügungsbeklagten haben sich aber selbst 11 Tage Zeit für eine Rückantwort genommen, so dass die Kammer die geringfügige Überschreitung der Monatsfrist zur Anbringung des Gesuches auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht beanstandet.

Die Verfügungsbeklagten hatten gefordert, die einstweilige Verfügung nicht ohne vorherige Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens 2 Mio. Euro für vollstreckbar zu erklären. Sie haben geltend gemacht, die 2 Mio. Euro setzten sich zusammen aus Produktionskosten des Reisekatalogs und aus den Kosten der Werbekampanien, die im Radio und in Printmedien im Mai/Juni 2005 gelaufen seien. Der Prospekt sei in der Auflage von 350.000 Stück produziert worden, wovon ca. 100.000 Stück verteilt seien.

Der Kammer schien angesichts dessen, dass die Verfügungsbeklagten erst seit kurzer Zeit neu werbend auf dem deutschen Markt aufgetreten sind, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000 € vor Vollziehung der einstweiligen Verfügung angemessen und ausreichend.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.






LG Hannover:
Urteil v. 23.06.2005
Az: 25 O 64/05


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