Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. März 2011
Aktenzeichen: 17 W (pat) 116/06

(BPatG: Beschluss v. 29.03.2011, Az.: 17 W (pat) 116/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung geht aus einer internationalen Patentanmeldung (Veröffentlichungsnummer WO 03/077202 A1) hervor, die am 5. März 2003 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 6. März 2002 eingereicht worden ist. Sie trägt die Bezeichnung

"Visualisierung der Volumen-Volumen-Fusion".

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt hat die Prüfungsstelle im Prüfungsbescheid unter Anderem ausgeführt, der Anspruch 1 sei bereits mangels einer hinreichend vollständigen und klaren Lehre nicht gewährbar. Zudem lasse er gegenüber der Stand der Technik keine neue oder gar erfinderische Lehre erkennen. Aus entsprechenden Gründen seien auch die nebengeordneten Ansprüche 12 und 23 nicht gewährbar. Nach Fortfall der Patentansprüche 1, 12 und 23 seien auch die auf diese rückbezogenen Ansprüche nicht gewährbar.

Die Anmelderin hat neue Patentansprüche eingereicht; insbesondere wurden in den neuen nebengeordneten Anspruch 17 zusätzlich zum ursprünglichen Anspruch 23 die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 24 bis 26 alternativ eingefügt. Hilfsweise hat die Anmelderin um einen neuen Bescheid oder telefonische Rücksprache gebeten.

Daraufhin hat die Prüfungsstelle für Klasse G06T durch Beschluss vom 10. Juli 2006 die Anmeldung zurückgewiesen. Im Zurückweisungsbeschluss hat sie festgestellt, dass sich der neue Patentanspruch 17 nur unwesentlich vom ursprünglichen Anspruch 1 unterscheide. Die im Patentanspruch 17 vorgenommenen Ergänzungen beträfen drei alternative Arten der Projektion; da diese nicht näher präzisiert würden, müssten übliche bekannte Beeinflussungen der Projektionswerte unterstellt werden. Für eine dieser Alternativen hat die Prüfungsstelle ausgeführt, diese läge direkt auf der Hand; für die anderen Alternativen gelte Ähnliches. Somit lasse der nebengeordnete Patentanspruch 17 zumindest keine erfinderische technische Lehre erkennen und sei daher nicht gewährbar. Die Anmelderin habe keinen Antrag auf eine mündliche Anhörung gestellt. Eine solche sei sachlich auch entbehrlich gewesen, da der Anmelderin im schriftlichen Verfahren ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei. Eine darüber hinausgehende Erörterung erscheine weder notwendig noch geboten. Die Eingabe der Anmelderin vermittle auch eher den Eindruck, dass die Anmelderin nicht bereit sei, die vorausgegangenen Darstellungen der Prüfungsstelle ausreichend zu berücksichtigen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

-den Beschluss der Prüfungsstelle vom 10. Juli 2006 aufzuheben und die Anmeldung zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen;

-das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 21 vom 16. Juni 2006, Beschreibung S. 1 vom 16. Juni 2006, Beschreibung S. 2 bis 11 und 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5, eingegangen am 20. September 2004,

-die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

Im Hinblick auf den letztgenannten Punkt führt sie aus, der Zurückweisungsbeschluss des Deutschen Patentund Markenamts sei unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen. Mit ihrer Eingabe vom 16. Juni 2006 habe sie ein neues Patentbegehren eingereicht. Dabei seien sämtliche unabhängigen Patentansprüche sowohl klargestellt als auch eingeschränkt worden durch die Aufnahme von Merkmalen abhängiger Ansprüche, zu denen die Prüfungsstelle bislang noch nicht Stellung genommen hatte. Zudem habe die Anmelderin in dieser Eingabe den mit den neuen Merkmalen einhergehenden technischen Effekt erläutert und darauf hingewiesen, dass diese Vorgehensweise aus den durch die Prüfungsstelle beigezogenen Dokumenten nicht bekannt sei. Darüber hinaus habe sie klar dargelegt, dass sie auch zu einer weiteren Diskussion des überarbeiteten Patentbegehrens bereit war, denn sie habe explizit darum gebeten, entweder einen neuen Prüfungsbescheid zu erlassen oder fortgesetzte Bedenken der Prüfungsstelle in einem Telefonat zu erläutern. Die Zurückweisung basiere nicht nur auf der von der Prüfungsstelle erstmals im Zurückweisungsbeschluss geäußerten Einschätzung, die Merkmale der jeweils in die unabhängigen Ansprüche aufgenommenen Unteransprüche seien als geringfügige Ergänzungen anzusehen, die nicht geeignet seien, eine patentfähige Lehre zum technischen Handeln zu begründen. Darüber hinaus sei die fehlende erfinderische Tätigkeit des Patentanspruchs 17 (wie auch der anderen unabhängigen Ansprüche) erstmals im Zurückweisungsbeschluss ausführlich thematisiert worden. Die Anmelderin habe keinerlei Gelegenheit gehabt, sich zu diesen Punkten zu äußern. Damit liege aber eine Verletzung rechtlichen Gehörs vor.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt sind folgende Druckschriften genannt worden:

D1a: JP 2001-014446 A (Abstract und Computerübersetzung) D1b: US 6 480 732 B1 (Mitglied der Patentfamilie zu D1a) D2: US5961454A.

Vom Senat wurden zusätzlich die Druckschriften D3: US6283918B1 D4: T. Beyer et al.: A Combined PET/CT Scanner for Clinical Oncology, Journal of Nuclear Medicine, Vol. 41, No. 8, Aug. 2000, S. 1369 -1379 eingeführt.

Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Sie konnte jedoch keinen Erfolg haben, da die Gegenstände des Patentanspruchs 1 und der nebengeordneten Patentansprüche 9 und 17 nicht neu sind (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Satz 1 PatG).

1. Die Patentanmeldung betrifft die Visualisierung der Volumen-Volumen-Fusion.

Gemäß S. 1 Abs. 3 bis S. 2 Abs. 2 der für die nationale Phase eingereichten Unterlagen ist es häufig wünschenswert, medizinische Bilder zu kombinieren. Man betrachte zum Beispiel die Fusion zwischen Volumen der Positronenemissionstomographie (PET) und der Computertomographie (CT). Die PET-Volumenvoxelwerte messen den Funktionalaspekt der Untersuchung, typischerweise den Grad an metabolischer Aktivität. Die CT-Volumenvoxelwerte zeigten die Röntgenabsorption des zugrundeliegenden Gewebes und deshalb die anatomische Struktur des Patienten. Eine Querschnittsansicht des Multiplaner-Reformats (MPR) (gemeint ist offensichtlich Multiplanar-Reformat) eines PET-Volumens sehe typischerweise etwa wie eine rauschbehaftete und schlecht auflösende Version des entsprechenden MPR-Querschnitts aus dem CT-Volumen aus. Ein Benutzer sei gewöhnlich jedoch hauptsächlich daran interessiert, die Hochintensitätswerte aus dem PET-Volumen zu sehen, um zu sehen, wo sich diese "Hotspots" in der zugrundeliegenden anatomischen Struktur, die in dem CT-Volumen klar sichtbar ist, befinden. Eine herkömmliche MPR-MPR-Fusion ermögliche es einem Benutzer nur, die Beziehung zwischen den beiden Volumen zu sehen. Somit müsse der Benutzer alle Querschnitte ansehen, um die Beziehung vollständig zu verstehen. Dies sei sowohl zeitaufwendig als auch fehleranfällig. Aufgrund der Wichtigkeit des Bereitstellens nützlicher Visualisierungsinformationen wäre es wünschenswert und äußerst vorteilhaft, neue Techniken zur Visualisierung einer Volumen-Volumen-Fusion bereitzustellen, die die Nachteile des Stands der Technik überwinden (Aufgabe).

Der (mit zusätzlichen Gliederungszeichen versehene) Patentanspruch 1 betrifft demgemäß eina) System zum Visualisieren einer Volumen-Volumen-Fusion, umfassend:

b) einen Projektor zum Erzeugen eines projizierten Bildes durch Maximalintensitätsprojektion (MIP) oder Minimalintensitätsprojektion (MinIP) oder Volumenwiedergabe (VR) unter Verwendung eines ersten Volumens; c) einen Umformatierer zum Erzeugen eines Planarrepräsentationsbildes unter Verwendung eines zweiten Volumens; undd) einen Kombinierer zum Fusionieren des projizierten Bildes und des Planarrepräsentationsbildes zur Erzeugung eines zusammengesetzten Bildes.

Zudem betrifft die Anmeldung gemäß dem nebengeordneten Patentanspruch 9 (mit eingefügten Gliederungszeichen) eina) System zum Visualisieren einer Volumen-Volumen-Fusion, umfassend:

b*) einen ersten Projektor zum Erzeugen eines ersten projizierten Bildes durch Maximalintensitätsprojektion (MIP) oder Minimalintensitätsprojektion (MinIP) oder durch Wertwiedergabe (VR) unter Verwendung eines ersten Volumens;

c*) einen zweiten Projektor zum Erzeugen eines zweiten projizierten Bildes durch Maximalintensitätsprojektion (MIP) oder Minimalintensitätsprojektion (MinIP) oder Wertwiedergabe (VR) unter Verwendung eines zweiten Volumens; undd*) einen Kombinierer zum Fusionieren des ersten projizierten Bildes und des zweiten projizierten Bildes zur Erzeugung eines zusammengesetzten Bildes.

Der (ebenfalls mit Gliederungszeichen versehene) nebengeordnete Patentanspruch 17 ist gerichtet auf ein A) Verfahren zum Visualisieren einer Volumen-Volumen-Fusion, mit den folgenden Schritten:

B) Erzeugen eines ersten Bildes unter Verwendung eines ersten Volumens;

C) Erzeugen eines zweiten Bildes unter Verwendung eines zweiten Volumens, wobei das zweite Bild ein durch Maximalintensitätsprojektion (MIP) oder Minimalintensitätsprojektion (MinIP) oder Wertwiedergabe (VR) projiziertes Bild ist; und D) Kombinieren des ersten Bildes und des zweiten Bildes um ein zusammengesetztes Bild zu erzeugen.

Als Fachmann sieht der Senat hier einen Fachhochschuloder Hochschul-Ingenieur der Fachrichtung Informatik an mit Erfahrung in der Entwicklung von Bilddaten verarbeitenden und darstellenden Verfahren und Systemen für die Medizintechnik.

Ein solcher Fachmann versteht die der Anmeldung zugrunde liegende Lehre folgendermaßen: Aus Volumendaten, die über medizinische Untersuchungsverfahren wie Computertomographie (CT) oder Positronenemissionstomographie (PET) gewonnen wurden, kann entweder über geeignetes Verarbeiten und Anordnen der Daten (Umformatierung in einem etwa durch ein Computerprogramm realisierten Umformatierer) eine geschichtete Anordnung von Querschnittsbildern (Multiplanar-Repräsentation MPR) erzeugt und hieraus ein Bild eines bestimmten Volumenquerschnitts (Planarrepräsentation) ausgewählt werden, oder es kann über (z. B. durch ein Computerprogramm realisierte) Projektion aus einer bestimmten Richtung ein projiziertes Bild eines Volumens (als Maximalintensitätsprojektion MIP, Minimalintensitätsprojektion MinIP oder Volumenwiedergabe bzw. Volume Rendering VR) erzeugt werden. Zwei solche Bilder sollen gemäß der vorliegenden Anmeldung über bekannte Verfahren (vgl. S. 7 Z. 1 bis S. 8 Z. 2 i. V. m. S. 9 Z. 4 bis 11) kombiniert ("fusioniert") werden. Mindestens eines der beiden Bilder ist ein durch Projektion aus einem ersten Volumen erzeugtes Bild; das andere Bild kann aus einem zweiten Volumen in beliebiger Weise hervorgehen (Verfahrensanspruch 17), es kann ein Querschnittsbild sein (Vorrichtungsanspruch 1), oder es kann ebenfalls ein projiziertes Bild sein (Vorrichtungsanspruch 9). Wie der Fachmann erkennt, ist hierbei unter dem in den Patentansprüchen 9 und 17 (wohl irrtümlich) als "Wertwiedergabe (VR)" bezeichneten Projektionsverfahren eine fachüblich bekannte Volumenwiedergabe (englisch "volume rendering (VR)") zu verstehen. Dies geht aus der gesamten Beschreibung hervor, in der durchgängig der Ausdruck "Volumenwiedergabe" verwendet wird; eine "Wertwiedergabe" kommt dort nicht vor.

2. Die Gegenstände des geltenden Anspruchs 1 und der nebengeordneten Ansprüche 9 und 17 sind nicht neu gegenüber dem aus der Druckschrift D3 Vorbekannten.

D3 betrifft ein Gerät für die medizinische Diagnose, in dem medizinische Bilddaten kombiniert dargestellt werden. Fig. 1 und die zugehörige Beschreibung zeigen den Verfahrensablauf: In Schritt S1 werden zwei dreidimensionale Datensätze (Volumina) über ein B-Mode-Ultraschallverfahren und ein Doppler-Ultraschallverfahren erzeugt. Hieraus werden über Querschnittstransformation und Bildverarbeitung dreidimensionale Datensätze F(x,y,z) und G(x,y,z) generiert (Schritte S2, S3 und S4). Aus dem einen Datensatz wird z. B. durch Volumenwiedergabe ("volume rendering") ein Bild erzeugt, vgl. Sp. 5 Z. 7 bis 12; bei diesem Verfahren handelt es sich um ein fachüblich bekanntes Projektionsverfahren, das zwangsläufig einen entsprechenden (z. B. computerimplementierten) Projektor erfordert, was der Fachmann ohne Weiteres mitlas -Merkmale b), C) in der Alternative "Volumenwiedergabe (VR)". Der andere Datensatz enthält tomographische Bilder in einer Multiplanarrepräsentation, vgl. Sp. 5 Z. 26 bis 28 und Z. 33 bis 35, die wie oben erwähnt über Querschnittstransformation und Bildverarbeitung, d. h. über geeignete Umformatierung in einem Umformatierer erzeugt wurden -Merkmale c), B). Das Projektionsbild aus dem ersten Datensatz wird mit einem tomographischen Bild (Querschnittsbild) aus dem zweiten Datensatz durch Addition fusioniert, vgl. Sp. 5 Z. 12 bis 16; dies muss notwendigerweise mit Hilfe einer hierfür geeigneten Einrichtung (z. B. einem Computerprogramm), d. h. in einem entsprechenden Kombinierer geschehen -Merkmale d), D). Somit wird im System und Verfahren gemäß D3 eine Volumen-Volumen-Fusion durchgeführt -Merkmale a), A). Fig. 2 stellt dies anhand von Bildern dar: Der erste Datensatz (Fig. 2A) zeigt einen Tumor, der zweite Blutgefäße (Fig. 2B). In ausgewählten Querschnittsebenen wird jeweils das zugehörige Schichtbild des ersten Datensatzes mit dem der Querschnittsebene vorgelagerten Teil der volumengerenderten Struktur aus dem zweiten Datensatz überlagert (Fig. 2C, 2D und 2E).

Somit sind durch den Inhalt der Druckschrift D3 das System gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 und ebenso das Verfahren gemäß dem geltenden Patentanspruch 17 (jeweils in der Alternative "Volumenwiedergabe (VR)") neuheitsschädlich vorweggenommen.

Außerdem zeigt D3 in Fig. 14 und 15 mit den zugehörigen Beschreibungsteilen eine andere Ausführungsform, wobei zwei (selbstverständlich jeweils über Projektion in einem entsprechenden Projektor erzeugte, siehe oben) volumengerendete Darstellungen aus den beiden Datensätzen fusioniert werden, vgl. insbesondere Sp.9 Z.29 bis 52 -Merkmale a), d*), sowie b*) und c*) jeweils in der Alternative "Volumenwiedergabe (VR)".

Somit nimmt dieses Ausführungsbeispiel in der Druckschrift D3 das System gemäß Anspruch 9 (in der Alternative "Kombination zweier Volumenwiedergaben") neuheitsschädlich vorweg.

3. Der Anspruch 1 und ebenso die nebengeordneten Ansprüche 9 und 17 sind demnach nicht gewährbar.

Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die abhängigen Patentansprüche 2 bis 8, 10 bis 16 und 18 bis 21 nicht gewährbar (BGH in GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät").

Da die Sache entscheidungsreif war, konnte dem Antrag auf Zurückverweisung an das Deutsche Patentund Markenamt zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens nicht entsprochen werden.

III.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist zulässig. Er hat auch Erfolg.

Wegen der Formulierung "kann" in § 80 Abs. 3 PatG wird die Beschwerdegebühr zurückgezahlt, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind alle Umstände des Falles, insbesondere das Verhalten der Beteiligten und die Sachbehandlung durch das Patentamt unter dem Gesichtspunkt der Ordnungsmäßigkeit und der Angemessenheit seiner Maßnahmen zu würdigen (Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 80 Rdnr. 21). Die Billigkeit der Rückzahlung kann sich danach aus der Sachbehandlung durch das Deutsche Patentund Markenamt ergeben (vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Auflage, § 80 Rdnr. 110 ff.), wenn diese für die Erhebung der Beschwerde ursächlich war. Ursächlich in diesem Sinne ist ein Verstoß, wenn aus der Sicht eines verständigen Beschwerdeführers nicht auszuschließen ist, dass die Entscheidung ohne den Fehler anders ausgefallen wäre und er deshalb die Beschwerde für notwendig halten durfte. Dies ist hier der Fall.

Die Prüfungsstelle hat den Anspruch der Anmelderin auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt dann vor, wenn eine Anmeldung ohne vorherige Beanstandung der Mängel, auf die die Entscheidung gestützt ist, zurückgewiesen wird (§ 48 Satz 2 PatG i. V. m. § 42 Abs. 3 Satz 2 PatG; Schulte, a. a. O., Einl. Rdnr. 257 Punkt 7). Dabei kann dahinstehen, ob das rechtliche Gehör der Anmelderin mittels einer Anhörung oder mittels eines weiteren Prüfungsbescheids hätte gewahrt werden müssen. Die Prüfungsstelle hätte nämlich mindestens durch den Erlass eines weiteren Prüfungsbescheids auf die veränderte Sachlage reagieren müssen, die sich durch die Einreichung des geltenden Anspruchs 1 vom Juni 2006 gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1, der dem Amtsbescheid vom Juni 2005 zugrunde lag, ergeben hat.

Mit dem geltenden Anspruch 17 hat die Anmelderin ein Merkmal des vorher geltenden, allgemeiner formulierten Anspruchs 23 präziser gefasst, um sich vom Stand der Technik abzugrenzen. Es wurde nämlich erstmalig beansprucht, dass das projizierte Bild durch Maximalintensitätsprojektion (MIP) oder Minimalintensitätsprojektion (MinIP) oder Wert-(bzw. Volumen-)wiedergabe (VR) erzeugt ist. Auch wenn es sich bei den neuen, alternativen Merkmalen um an sich bekannte Projektionsverfahren handelt, so stellen diese Merkmale jedenfalls nicht nur formal, sondern auch inhaltlich eine Einschränkung hinsichtlich der Art des ursprünglich nur allgemein als projiziert charakterisierten Bildes dar (in den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 23 sind implizit auch andere Möglichkeiten der Projektionsbilderzeugung aus Volumendaten enthalten, etwa Oberflächenrendering, die vom geltenden Anspruch 17 nicht mehr umfasst sind); eine eventuelle Unwesentlichkeit dieser Merkmale war zumindest nicht ohne Weiteres zu erkennen.

Im ersten und einzigen Prüfungsbescheid hat die Prüfungsstelle im Zuge der Abhandlung der mangelnden Neuheit gegenüber den Druckschriften D1a bzw. D1b (aus welchen alle wesentlichen Merkmale der mit dem ursprünglichen Patentanspruch 1 beanspruchten Lehre bekannt seien) auch die mangelnde erfinderische Lehre angesprochen. Eine weitergehende Argumentation hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit ist dem Bescheid nicht zu entnehmen. Auch finden sich keinerlei Hinweise auf eine inhaltliche Stellungnahme zu den mit Eingabe vom 16. Juni 2006 neu hinzugekommenen Merkmalen oder zu den ursprünglichen Unteransprüchen, aus welchen diese Merkmale hervorgehen. Im Beschluss hat sich die Prüfungsstelle erstmals sowohl mit den Unterschieden zwischen dem geltenden Patentanspruch 17 vom 16. Juni 2006 und dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 beschäftigt als auch mit dem Mangel an erfinderischer Tätigkeit im Einzelnen auseinandergesetzt. Die Anmelderin kannte somit vor Erlass des Zurückweisungsbeschlusses nicht die Gründe, die nach Ansicht der Prüfungsstelle der Gewährbarkeit des Patentbegehrens vom 16. Juni 2006 entgegenstanden, und hatte keine Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.

Hinzu kommt, dass das Verhalten der Anmelderin gerade keinen Anlass für die Vermutung gab, die Anmelderin sei nicht bereit, die Darstellungen der Prüfungsstelle ausreichend zu berücksichtigen. Auf den Erstbescheid hin hat die Anmelderin vielmehr durch die Neuformulierung der Patentansprüche, eine Erläuterung ihrer von der Beurteilung der Prüfungsstelle abweichenden Sicht der Dinge und durch ihren hilfsweise gestellten Antrag auf einen neuen Bescheid oder telefonische Rücksprache deutlich ihre Bereitschaft erkennen lassen, an einer zielgerichteten Weiterführung des Verfahrens mitzuwirken und auch auf Einwände der Prüfungsstelle einzugehen.

Es erscheint durchaus denkbar, dass durch einen weiteren Bescheid oder eine Anhörung das Verfahren so weit hätte gefördert werden können, dass die Anmelderin auf die Einlegung der Beschwerde verzichtet hätte. Diese Möglichkeit ist der Anmelderin durch den auf ihre Eingabe vom 16. Juni 2006 folgenden Zurückweisungsbeschluss auf unbillige Weise genommen worden.

Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die festgestellten Mängel in der Verfahrensführung durch die Prüfungsstelle der Grund für die Beschwerdeerhebung waren. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht daher der Billigkeit.

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BPatG:
Beschluss v. 29.03.2011
Az: 17 W (pat) 116/06


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