Amtsgericht Westerstede:
Urteil vom 19. Dezember 2001
Aktenzeichen: 21 C 792/01 V

(AG Westerstede: Urteil v. 19.12.2001, Az.: 21 C 792/01 V)

Tenor

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte betreibt im Internet über ihre Homepage eine Auktionsplattform, auf der neben anderen Artikeln auch Reisen versteigert werden. Auf der Website der Beklagten laufen durchschnittlich rund 30.000 Auktionen, täglich laufen 5.000 Auktionen aus bzw. werden neu ausgebracht. Die Teilnahme an einer Auktion setzt eine Registrierung voraus. Hierfür genügt die Angabe einer E-Mail-Adresse. Eine Überprüfung der wahren Identität der Benutzer führt die Beklagte nicht durch.

Am 04.04.2000 gelangte der Kläger auf die Homepage der Beklagten. Die Beklagte macht die Registrierung auf ihrer Plattform von der Kenntnisnahme ihrer AGB abhängig. Der Kläger klickte einfach weiter, ohne Kenntnis vom Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu nehmen. Er ersteigerte über die Auktionsplattform der Beklagten eine mehrtägige Karibikkreuzfahrt für 1.300,00 DM von dem Anbieter m.. Hinter dieser Bezeichnung verbarg sich F., Spanien. Die Beklagte informierte den Kläger am 04.04.2000 per E-Mail über die Ersteigerung der Reise und bat ihn, den Anbieter zu kontaktieren, um Zahlung und Versand abzuwickeln. Am 05.04.2000 erhielt der Kläger von dem Anbieter der Reise eine Glückwunsch-E-Mail, verbunden mit der Aufforderung zur Zahlung des Reisepreises in Höhe von 1.300,00 DM zuzüglich 30,00 DM Versandkosten. Am 06.04.2000 überwies der Kläger 1.330,00 DM auf das Konto des F. bei der C. Bank, Teneriffa, Spanien.

Der Kläger erhielt keine Reiseunterlagen. F. befindet sich auf der Flucht. Rückzahlung des geleisteten Betrages kann der Kläger von ihm nicht erlangen.

Die Parteien streiten über den Umfang der Vertragspflichten der Beklagten.

Der Kläger behauptet, er habe die ersteigerte Reise nicht antreten können. Er meint, die Beklagte habe ihn darauf hinweisen müssen, dass der Reisepreis erst mit Beendigung der Reise fällig gewesen sei und dass bei einer Vorauszahlung ein Anspruch auf Aushändigung eines Sicherungsscheins bestanden habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.330,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.09.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31.10.2001 von den Parteien vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Von einer weiteren Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht aus pVV (positiver Vertragsverletzung) zu, selbst wenn man unterstellt, dass er die ersteigerte Reise nicht hat antreten können.

Der Kläger hat sich an einer Online-Auktion auf der Plattform der Beklagten beteiligt. Die Beklagte stellte die technisch-organisatorische Plattform zur Verfügung, auf der Transaktionen zwischen Anbieter und Bieter direkt durchgeführt werden konnten. Zwischen dem Kläger als Bieter und Ersteigerer einerseits und der Beklagten kam ein Teilnahmevertrag zustande. Der Kläger hatte an die Beklagte keine Gebühren oder Provisionen zu zahlen, so dass zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis (§ 662 BGB) entstand (Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, München 2001, Seite 58, 59, Randnr. 14, 15). Dieser Teilnahmevertrag wird durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ausgestaltet. Diese AGB sind gemäß § 2 Abs. 1 AGBG wirksam in den Vertrag der Parteien einbezogen worden. Die Beklagte hat den Kläger bei Vertragsabschluss ausdrücklich auf diese AGB hingewiesen und ihm die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Der Kläger war mit der Geltung der AGB einverstanden. Dies hat er dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er seine Registrierung auf der Plattform der Beklagten nicht etwa abbrach, sondern weiterklickte.

Die Beklagte hat keine Pflichten aus dem Vertrag mit dem Kläger verletzt.

Welche Sorgfaltspflichten die Beklagte gegenüber dem Kläger trafen, ist nach den Umständen, Sinn und Zweck des Vertrages sowie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu bestimmen, §§ 133, 157 BGB. Danach durfte der Kläger keine wesentlichen Informationen durch die Beklagte erwarten. Die Beklagte hatte auf den Auktionsverlauf keinen Einfluss. Sie vermittelt nur den Kontakt zwischen Anbietern und Ersteigerern wie dem Kläger. Sie stellt die erforderlichen technischen Rahmenbedingungen bereit.

Danach konnte der Kläger eine Überprüfung der Identität und Bonität des Anbieters F. durch die Beklagte nicht erwarten.

Erwarten konnte er ebenfalls nicht einen Hinweis der Beklagten auf § 651 k Abs. 4 BGB, wonach beim Reisevertrag ein Reiseveranstalter Zahlungen des Reisenden auf den Reisepreis vor Beendigung der Reise nur fordern oder annehmen darf, wenn dem Reisenden ein Sicherungsschein übergeben wird. Die insoweit normierte Pflicht traf F.. Die aus einem Vertrag zwischen dem Kläger und F. entstehenden Pflichten können bei einer Konstellation wie der vorliegenden nicht durch die Annahme von Aufklärungs- und Informationspflichten auf die Beklagte abgewälzt werden.

Die Beklagte ist auch nicht nach dem Fernabsatzgesetz verpflichtet, Informationen zu erteilen, die vom (gewerblichen) Anbieter als Vertragspartner des Klägers zu geben sind. Informationspflichten der Beklagten, die die Risiken des mit anderen Teilnehmern zu schließenden Vertrages anbelangen, werden vom Fernabsatzgesetz nicht festgelegt (Spindler/Wiebe, a. a. O., Seite 117, 118, Randnr. 38).

Bei der Vielzahl der auf der Auktionsplattform der Beklagten abgewickelten Auktionen ist es der Beklagten nicht möglich, jeden Ersteigerer mit konkreten Vertragsabwicklungshinweisen zu bedenken. Bei der Menge der abgewickelten Auktionen erwartet kein Teilnehmer solche konkreten Hinweise der Beklagten. Online-Auktionen sind geradezu gekennzeichnet durch das so entstehende Risiko für den Ersteigerer.

Die Beklagte haftet damit nicht für ein Unterlassen, also einen Verstoß gegen Verhaltenspflichten.

Die Beklagte hat auch nicht durch positives Tun Sorgfaltspflichten gegenüber dem Kläger verletzt.

Sie hat gerade kein Vertrauen des Klägers in ein gefahrloses Bieten und eine risikolose Abwicklung eines Vertrages des Klägers mit F. erweckt. Die Beklagte hat vielmehr in ihren AGB darauf hingewiesen, dass sie keine Kontrolle über die Qualität der angebotenen Artikel und keinen Einfluss auf die Geschäftsabwicklungen zwischen den Parteien habe, die Nutzung des Dienstes auf eigenes Risiko geschehe und sie keine Garantien für die Artikel gebe, die angeboten werden. Weiter heißt es in ihren AGB:

Der Benutzer stellt ...(die Beklagte)... von jeder Haftung, Ansprüchen und Kosten frei.

Diese Aufklärung des Klägers über mögliche Risiken erfolgte vor dessen Teilnahme an der Auktion. Pflichten, gegen die die Beklagte durch ihr Verhalten verstoßen hätte, sind damit nicht ersichtlich.

Insbesondere stellt auch das Angebot der Reise durch F. auf der Auktionsplattform der Beklagten kein Angebot eines verbotenen Artikels im Sinne von Abs. 4 der AGB der Beklagten dar. Das Reiseangebot durch F. war weder durch § 651 k Abs. 4 BGB noch durch § 147 b Gewerbeordnung verboten.

Die Glückwunsch-E-Mail der Beklagten an den Kläger vom 04.04.2000 bedeutet nichts. Die Mitteilung, der Kläger habe in der näher beschriebenen Auktion den Zuschlag erhalten, er solle den Anbieter kontaktieren, war korrekt.

Eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten gegenüber dem Kläger scheidet damit aus.

Damit kann dahinstehen, ob eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten nicht auch wegen § 5 Abs. 2 Teledienstegesetz (TDG) ausscheidet. Gemäß § 5 Abs. 2 TDG sind Diensteanbieter für fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nur dann verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern.

Schließlich kann mangels objektiver Pflichtverletzung der Beklagten dahinstehen, ob nicht ein Schadensersatzanspruch des Klägers auch wegen eines Mitverschuldens ausscheidet, § 254 BGB. Hat doch der Kläger offenbar ohne Kenntnis vom Zeitpunkt der Reise und der Anzahl der Reisetage und weiterer Einzelumstände Zahlung an F. geleistet.

Eine andere Anspruchsgrundlage kommt für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch nicht in Betracht.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 Satz 1, 713 ZPO.






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