Verwaltungsgericht Wiesbaden:
Beschluss vom 15. Juli 2015
Aktenzeichen: 6 L 490/15.WI

(VG Wiesbaden: Beschluss v. 15.07.2015, Az.: 6 L 490/15.WI)

1. Aufgabe des Zensusgesetzes 2011 bzw. des Zensusvorbereitungsgesetzes 2011 ist es nicht die ausreichende Finanzausstattung zu sichern, sondern der Zensus 2011 dient lediglich dazu, eine amtliche Einwohnerzahl von Bund, Ländern und Gemeinden festzustellen

2. Einem Anspruch auf "Nichtlöschung" steht die Regelung des § 15 ZensVorG 2011 und - soweit es noch um sonstigen Hilfsmerkmale aus dem ZensG 2011 geht - die Vorschrift des § 19 Abs. 1 ZensG entgegen.

3. § 19 ZensG 2011 und § 15 ZensVorbG 2011 stellen mit ihren Löschungsverpflichtungen ein Äquivalent zur Auskunftspflicht der jeweiligen Betroffenen dar. Denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung enthält auch das Gebot der frühest möglichen Vernichtung und Löschung von Daten.

4. Wenn Verwaltungsgerichte die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf die erheblichen finanziellen Lasten der Kommunen die gesetzlichen Löschfristen zurückzutreten haben, bedarf es insoweit zwingend der Beiladung der betroffenen Personen - also aller Bürger - , um dessen Daten es geht.

5. Im Rahmen von sogenannten "Schiebeverfügungen" für notwendig erachtete Daten wäre gesetzeskonform und ohne Verstoß gegen geltendes Recht einer Aufbewahrung und Auswertung der Daten aus dem Zensusvorbereitungsgesetz 2011 bis zum 9. Mai 2017 möglich.

Tenor

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird zurückgewie- sen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin möchte im Wege der einstweiligen Anordnung erreichen, dass das gesamte, beim Statistischen Bundesamt vorhandene Datenmaterial aus dem Zensus 2011, soweit es zur Ermittlung der in diesem Zusammenhang festgestellten neuen amtlichen Einwohnerzahl der Antragstellerin verwendet wurde, von der Löschung auszunehmen und weiter aufzubewahren, bis über die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Amtes für Statistik B vom 10.06.2013 durch das Verwaltungsgericht F rechtskräftig entschieden worden ist.

Mit Bescheid vom 03.06.2013 wurde die amtliche Einwohnerzahl auf dem Stand 9. Mai 2011 vom Amt für Statistik B bezüglich der Antragstellerin auf 28.219 Personen festgestellt. Der Bescheid enthält allgemeine Ausführungen zum Ablauf des Zensusverfahrens und am Ende ein Datenblatt mit Angaben zur Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahl bezüglich der am 9. Mai 2011 gemeldeten Personen, davon mit Nebenwohnung 926 Personen und 29.138 Personen mit alleiniger Hauptwohnung. Im Weiteren werden aufgeführt nach Mehrfachfalluntersuchung, nach Erhebung von Anschriften mit Sonderbereichen und anhand der Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis, welche Veränderungen sich im Einzelnen dabei ergeben haben. So ergibt die Mehrfachfalluntersuchung eine Übererfassung von 222 Personen und eine Untererfassung von 1 Person, mithin einen Saldo von Minus 221 Personen. Hingegen wurde in dem Bereich der Anschriften mit Sonderbereich eine Übererfassung von 130 Personen festgestellt und bei der Erfassung auf Stichprobenbasis letztlich eine Übererfassung von 628 Personen. Mithin reduzierte sich die Einwohnerzahl gegenüber den im Melderegister festgelegten Personen auf 28.219, mithin knapp 100 Personen weniger als im Melderegisterbestand der Antragstellerin. Darüber hinaus wurde bezüglich der Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis die jeweilige Schichtung vorgelegt.

Gegen diesen Bescheid nebst Widerspruchsbescheid vom 23.05.2014, welcher umfangreiche Ausführungen zum Zensus enthält und in dessen Anlage ein Bericht des Statistischen Bundesamtes über den Zensustest 2008 beigefügt war, erhob die Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht F mit dem Begehren, den Bescheid in der Form des Widerspruchsbescheides aufzuheben.

Dabei wurde zunächst vorgetragen, dass vor dem Zensus 2011 zum Stichtag 30.04.2011 die fortgeschriebene amtliche Einwohnerzahl 30.890 Personen betragen habe. Die Antragstellerin habe mit anderen Gemeinden ein Gutachten durch Herrn Dr. Tim Hoppe, €Eine wissenschaftliche Betrachtung des Zensus 2011 € Gutachten zur Zensusdurchführung und zu den Zensusergebnissen in Brandenburg€, eingeholt. Der Gutachter komme im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen:

-Die im Zensus 2011 gewählte Unterscheidung zwischen Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern und mindestens 10.000 Einwohnern ist durch die Ergebnisse des Zensustest nicht gedeckt und damit willkürlich getroffen;-die im Zensus 2011 angewandten unterschiedlichen Methoden für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern und mindestens 10.000 Einwohnern weisen einen Strukturbruch auf, der gegenüber Einflüssen von anderen Effekten robust ist;-zwischen beiden Methodengruppen bestehen signifikante Unterschiede dahingehend, dass Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern benachteiligt worden sind; die Unterschiede sind unabhängig davon, ob die konsolidierten Melderegisterzahlen oder die fortgeschriebene amtliche Einwohnerzahl betrachtet werden;-signifikante Unterschiede ergeben sich aus einem Erhebungseffekt, der bedeutet, dass bei der Stichprobenerhebung sowohl Karteileichen als auch Fehlbestände durch die Erhebungsbeauftragten leichter identifiziert werden, als dies bei der Erhebung bei Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern der Fall ist; dies ist gerade bei einem hohen Anteil an Bewegungen durch Geburten, Sterbefälle, Wegzüge und Zuzüge in den Städten relevant;-signifikante Unterschiede ergeben sich auch aus den Null-Anschriften in den Stichproben;-signifikante Unterschiede lassen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf Fehler in den Stichproben (fehlerhafte Designgewichte) zurückführen. Anschriften-Größenklassen sind über- oder unterrepräsentiert in die Hochrechnung eingegangen mit der Folge, dass die errechneten neuen amtlichen Einwohnerzahlen nicht korrekt sind.Der Gutachter fordere für die genaue Untersuchung und Offenlegung von den statistischen Ämtern des Bundes und der Länder die Veröffentlichung der Anteile der Null-Anschriften in der Schicht der jeweiligen Gemeinde, Veröffentlichung der Daten der Stichprobenziehung und Einsichtnahme in das Adressen- und Gebäuderegister.

Hieraus schließt die Antragstellerin, dass wesentliche Vorschriften des Zensusgesetzes 2011, auf dem die festgesetzte Einwohnerzahl beruhe, verfassungswidrig seien. Dabei stellt sie insbesondere auf die Ungleichbehandlung hinsichtlich der unterschiedlichen Erhebungsmethoden zwischen unter und über 10.000 Einwohner ab. Auch sei die Genauigkeitsanforderung verfehlt, wenn in einer einzelnen Gemeinde die Wahrscheinlichkeit einer über 1%-igen Abweichung der tatsächlichen Einwohnerzahl von der festgestellten Einwohnerzahl über 5 % liege. Der einfache relative Standardfehler liege in der weiteraus überwiegenden Zahl der Gemeinden über 0,5 %. Die Qualitätsvorgabe des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 werde daher deutlich verfehlt. Eine Dokumentation von Untererfassungen sei nicht möglich. Um die Einwohnerzahlen nachvollziehen zu können, müssten mindestens zusätzliche Unterlagen vorgelegt werden, aus denen sich folgende Informationen ergeben:

-Veröffentlichung der Anteile der Null-Anschriften in der Schicht der Gemeinde;-Veröffentlichung der Daten der Stichprobenziehung;-Einsichtnahme in das Adressen- und Gebäuderegister (AGR);-Einsichtnahme in die vom Statistischen Bundesamt verwendeten Quelltexte und-Daten zu den innergemeindlichen Bewegungen.Ferner wurde in dem Verfahren ein Gutachten für die Verwaltungsrechtssache der Stadt Bremerhaven gegen Freie Hansestadt Bremen von Prof. Dr. Helmut Küchenhoff, welches im Auftrag des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen erstellt worden ist, vorgelegt. Hierbei kam der Gutachter zu dem Ergebnis:

€Insgesamt ist bei der Fehlerabschätzung der Einwohnerzahl beim Zensus 2011 durch das Statistische Bundesamt nur eine reine 'sampling error' angegeben. Design und Berechnung hierzu sind klar nachvollziehbar, ausreichend validiert und korrekt und nach wissenschaftlichen Standards durchgeführt worden.

Eine Betrachtung anderer Fehlerquellen ergibt eine mögliche systematische Verzerrung und eine Vergrößerung des Standardfehlers. Zentral ist dabei aus meiner Sicht der Messfehler bei der Erhebung.

Da aber keine unabhängige Kontrollzählung (€Post Enumeration Surveys€) durchgeführt wurde und eine Auswertung der Wiederholungsbefragung nicht vorliegt, ist eine Qualifizierung des Messfehlers, von dessen Wirkung die Güte der Schätzung der Einwohnerzahl nicht möglich. Es ist aber davon auszugehen, dass der Gesamtfehler bei der Schätzung der Einwohnerzahl beim Zensus höher ist, als der jeweils ausgewiesene relative Standardfehler.€

Das Amt für Statistik B habe mitgeteilt, dass die dem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden Daten von der Antragsgegnerin bearbeitet worden seien. Konkret handele es sich um Daten aus dem Anschriften- und Gebäuderegister (AGR) sowie die Bereithaltung eines Referenzdatenbestandes (§ 12 Abs. 4 Satz 3 ZensG). In vergleichbaren Verfahren anhängiger Zensusklagen hätten nordrheinwestfälische Gerichte bei Klagen gegen den Landesbetrieb Information und Technik Nordrheinwestfalen (IT.NRW), aber auch gegen das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung und das Statistische Bundesamt einen Anordnungsanspruch für begründet erachtet. So habe das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 25.03.2105 ausgeführt, dass es eine Beweissicherung für geboten erachte, um dem Anspruch der Gemeinde auf effektiven Rechtsschutz gerecht zu werden. Dabei sei es unerheblich, auf welche Daten im Einzelnen es im Klageverfahren entscheidungserheblich ankomme. Die Löschungspflicht des § 19 ZensG verstoße im Übrigen gegen Art. 19 Abs. 4 GG und die verfassungsrechtlich garantierten Rechte der Antragstellerin und sei damit durchgreifend verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Insoweit werde auch auf die Begründung eines Beschlusses des VG Aachen vom 31.03.2015 verwiesen.

Die Antragstellerin habe sich im Vorfeld des angestrengten Eilrechtsschutzverfahrens noch nicht mit der Bitte, die angekündigte Löschung der Daten der Antragstellerin nicht vorzunehmen, an die Antragsgegnerin gewandt. Einen solchen Antrag habe sie nunmehr mit Schriftsatz vom 04.06.2015 gestellt. Gleichwohl fehle es dem vorliegenden Eilrechtsschutzantrag nicht an dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund habe sich bereits im Vorfeld der Klageverfahren mit Schreiben vom 08.10.2013 mit der Bitte an die Antragsgegnerin gewandt, während der laufenden Rechtsbehelfsverfahren gegen die Feststellungsbescheide der Gemeinden von einer Löschung der zensusbezogenen Daten der betroffenen Gemeinden abzusehen. Die Antragsgegnerin habe unmissverständlich mit Schreiben vom 22.10.2013 mitgeteilt, dass sie nach § 19 Abs. 1 ZensG 2011 zur Löschung verpflichtet sei und keine Möglichkeit sehe, von dieser Pflicht eine Ausnahme zu machen. Auch habe man einen entsprechenden Eilrechtsschutzantrag gegen das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung beim VG München angestrengt. Bislang sei unklar, ob die Antragsgegnerin noch weitere Informationen, die für eine Überprüfung des Feststellungsbescheides erforderlich seien, löschen wolle. Hierbei gehe es insbesondere um die Quellcodes des Statistikprogramms, die es in Kombination mit einer Verfahrensdokumentation ermöglichen würde, dass der Ablauf der Arbeitsschritte nachvollzogen werden könnte. Für die Nachstellung der Arbeitsschritte würde dann auch eine Bereitstellung anonymisierter Daten genügen. Dem stehe § 16 Abs. 1 BStatG nicht entgegen.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, das gesamte, bei ihr vorhandene, für die Ermittlung und Überprüfung der amtlichen Einwohnerzahl relevante, die Antragstellerin betreffende Datenmaterial aus dem Zensus 2011 von den Datenlöschungen auszunehmen und weiter aufzubewahren, bis über die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg vom 10.06.2013 durch das VG Frankfurt/Oder rechtskräftig entschieden worden ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie weist zunächst darauf hin, dass die einschlägigen Löschvorschriften im Zensusgesetz 2011 seit Juli 2009 und im Zensusvorbereitungsgesetz 2011 seit Dezember 2007 bekannt seien. Vor Juni 2015 seien keine weiteren Datenlöschungen geplant.

Am 11.06.2015 führte der Berichterstatter in diesem und zwei parallel anhängigen Verfahren (Stadt X und Stadt Y) einen Erörterungstermin durch. Hierbei wurden umfangreiche Ausführungen der Antragsgegnerin zu der Ermittlung der Mehrfacherfassung, der Sonderbereiche, aber auch der Stichprobenbasis gemacht. Ferner legte die Antragsgegnerin eine Liste der Daten des Anschriften- und Gebäuderegisters nach § 2 Abs. 3 ZensVorbG 2011 und Hilfsmerkmale aus dem ZensG 2011 im Verantwortungsbereich des Statistischen Bundesamtes mit einem Löschplan vor. Hierzu wurde klargestellt, dass dies die Daten seien, die die Behörde beabsichtige, zu dem angegebenen Termin zu löschen, es sei denn, von dem vorgesetzten Ministerium des Inneren käme plötzlich eine andere Weisung. Man sei jedoch bereit, im Falle einer Änderung des Löschplans, dies den Beteiligten unverzüglich vorzulegen. Spätester Löschtermin sei der 9. Mai 2017 bzw. der 9. Mai 2015.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird voll inhaltlich auf das Protokoll vom 11.06.2015 Bezug genommen.

Bezüglich der Anfrage des Gerichtes, ob ein Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter bestehe, teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit, dass die Anfrage, ob die Antragstellerin mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden sei, angesichts des beabsichtigten Erörterungstermins obsolet geworden sein dürfte (Bl. €.GA).

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, eine Vorgangskopie der Akte des VG F sowie der Gerichtsakten 6 L 461/15. WI und 6 L 528/15.WI Bezug genommen, welche sämtlich zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung gemacht worden sind.

II.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann ein Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Vorliegend würde die bevorstehende Löschung von Daten eine Veränderung des bestehenden Zustandes bedeuten, wobei das Begehren der Antragstellerin zunächst unabhängig von dem Verantwortlichen und dem Ort der Speicherung das gesamte, die Antragstellerin betreffende Datenmaterial aus dem Zensus 2011 erfasst, soweit es der Löschung nach § 19 ZensG 2011 (BGBl. I 2009, S. 1781) bzw. §§ 15 und 16 Zensusvorbereitungsgesetz 2011 (BGBl. I 2007, S. 2808; BGBl. I S. 1781 <Art. 3 des Gesetzes vom 08.07.2009>) unterliegt.

Bei einer Löschung von Daten € und damit korrespondierend bei Ablehnung der begehrten weiteren Speicherung € bestünde auch die Gefahr, dass die Verwirklichung von Rechten der Antragsstellerin wesentlich erschwert werden könnte, wenn die fraglichen Daten bezüglich der Überprüfung des Bescheids vom 03.05.2013 von Bedeutung sein könnten € was derzeit nicht bekannt und glaubhaft gemacht worden ist.

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt und es steht ihr ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Dies auch und obwohl sich die Antragstellerin an die Antragsgegnerin erstmals mit Schriftsatz vom 04.06.2015 gewandt hat.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Der Antragstellerin mag zwar ein Anordnungsgrund zur Seite stehen, da die vom Antragsbegehren umfassten Daten in ihrer vollständigen Unbestimmtheit gelöscht würden und dadurch eine Veränderung des bestehenden Zustandes, durch die die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin in dem Hauptsacheverfahren gegen den Bescheid vom 03.05.2013 erschwert werden könnte, unmittelbar bevorstehen könnte.

Die Antragstellerin hat jedoch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO).

40Entgegen der Auffassung der Antragstellerin geht es vorliegend bei den von der Antragsgegnerin zu löschenden Daten nicht nur um solche Daten, welche gemäß § 19 Abs. 1 ZensG zu löschen sind, sondern um die Daten, welche gemäß § 15 Zensusvorbereitungsgesetz (ZensVorG) 2011 zu löschen sind. Denn es geht vorliegend im Wesentlichen um das beim Statistischen Bundesamt erstellte und geführte Anschriften- und Gebäuderegister, wie sich auch aus dem in dem Erörterungstermin vorgelegten Verzeichnis ergibt. Insoweit steht einem Anspruch auf Nichtlöschung zunächst die Regelung des § 15 ZensVorG 2011 und € soweit es noch um sonstigen Hilfsmerkmale aus dem ZensG 2011 geht € die Vorschrift des § 19 Abs. 1 ZensG entgegen.

Dass die Verwaltungsgerichte in Nordrhein-Westfalen in Eilverfahren gegen den Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen diesem aufgeben haben, das Datenmaterial aus dem Zensus im Jahre 2011 von der Datenlöschung nach § 19 ZensG 2011 vorläufig auszunehmen und nicht zu löschen, mag bezüglich des Datenbestandes des Landesbetriebes IT.NRW als Grundlage noch angehen. Soweit jedoch das OVG Bremen im Beschluss vom 27.04.2015 (1 LC 315/14) der Antragsgegnerin die Datenlöschung nach § 19 ZensG 2011 im Hinblick auf § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO untersagt, mag dem so sein, denn die Daten der Antragsgegnerin, welche vorliegend im Wesentlichen im Streit liegen, sind nach § 15 ZensVorbG 2011 zu löschen und damit von dem Beschluss des OVG Bremen gar nicht erfasst. Dies mit der Folge, dass der Beschluss des OVG Bremen ins Leere geht.

Dabei unterstellt das erkennende Gericht, dass die Antragstellerin alle die von der Antraggegnerin in dem Erörterungstermin als zu löschend bezeichneten Daten und damit auch die nach dem Zensusvorbereitungsgesetz 2011 meint € auch wenn der Antrag in seiner Unbestimmtheit von dem €vorhandenen Datenmaterial aus dem Zensus 2011€ spricht.

43Hinzu kommt, dass beide Normen (§ 19 ZensG 2011 und § 15 ZensVorbG 2011) ein Äquivalent sind zur Auskunftspflicht der jeweiligen Betroffenen. Insoweit kann das erkennende Gericht nicht nachvollziehen, wieso die zitierten Gerichte, welche eine €Löschungsuntersagung€ ausgesprochen haben, die betroffenen Bürger nicht beigeladen haben. Die Daten der Antragsgegnerin sind € wie in dem Erörterungstermin und schriftsätzlich (Schriftsatz vom 29.06.2015 in 6 L 582/15.WI) hinreichend ausgeführt - personenbeziehbar und insoweit Daten des jeweiligen Betroffenen gemäß § 3 Abs. 1 BDSG, also einer natürlichen Person als Grundrechtsträger aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Denn obwohl die Namen gelöscht worden sind, gibt es genügend Merkmale, die eine Personenbestimmbarkeit ermöglichen (z.B. Straße, Hausnummer, Geschlecht, Alter usw.). Sind bei einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind diese beizuladen (notwendige Beiladung), § 65 Abs. 2 VwGO. Hieran fehlt es in den bekannten stattgebenden Entscheidungen. Auch fehlt jegliche Ausführung, warum eine Beiladung unterlassen wurde.

Dies ist auch insoweit problematisch, als fast die gesamte bundesdeutsche verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bei Verfahren gegen die Heranziehung im Rahmen der Stichprobe eine Verpflichtung zur Auskunft angenommen hat. So hat das VG Neustadt (Weinstraße) mit Urteil vom 21.11.2011, Az. 4 K 817/11.NW, unter Randnr. 40 nach juris, ausgeführt:

€Der Gesetzgeber hat auch hinreichend Vorsorge dafür getroffen, dass die gesammelten Daten nicht reidentifiziert und rückverfolgt werden können (ebenso VG Berlin, Beschluss vom 22. August 2001 - VG 6 L 1.11 -, juris). Zum einen ist nach §§ 21, 22 BStatG die Zusammenführung von Einzelangaben aus Bundesstatistiken oder solcher Einzelangaben mit anderen Angaben zum Zwecke der Herstellung eines Personen-, Unternehmens-, Betriebs- oder Arbeitsstättenbezugs außerhalb der Aufgabenstellung dieses Gesetzes oder der eine Bundesstatistik anordnenden Rechtsvorschrift bei Strafe verboten. Zum anderen sind die Ordnungsnummern, Hilfsmerkmale und Erhebungsunterlagen nach §§ 13 Abs. 3, 19 Abs. 1 und 2 ZensG 2011 nach Abschluss der Aufbereitung des Zensus, spätestens vier Jahre nach dem Berichtszeitpunkt zu löschen. Dass dieser Zeitraum € der der statistischen Aufbereitung des Zensus (vgl. §§ 9 und 12 ZensG 2011) sowie den Maßnahmen zur Sicherung der Qualität des Zensusergebnisses (vgl. §§ 14 ff. ZensG 2011) dient € unverhältnismäßig lang ist, ist nicht ersichtlich (vgl. auch den Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zum Datenschutz für die Jahre 2009 und 2010, Seite 96). € Ein gleichwohl theoretisch verbleibendes Reidentifizierungsrisiko hat der Einzelne grundsätzlich als notwendige Folge einer im überwiegenden Allgemeininteresse angeordneten Statistik hinzunehmen (vgl. BVerfG, NJW 1988, 962; Bay. VGH, Beschluss vom 24. September 2010 - 5 ZB 10.1870 -, juris).€ (ebenso VG Braunschweig, Beschl. v. 03.04.2012, Az. 5 B 199/11 unter Bezug auf die obige Entscheidung bei Rdnr. 17 ff. und weitere Rechtsprechung).

Die Gerichte haben damals unisono zum Ausdruck gebracht, dass eine Löschung spätestens vier Jahre nach dem Berichtszeitpunkt (nach § 19 ZensG 2011) vorzunehmen ist.

47Wenn nun einzelne Verwaltungsgerichte die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf die erheblichen finanziellen Lasten der Kommunen die gesetzlichen Löschfristen zurückzutreten haben, bedarf es insoweit zwingend der Beiladung der betroffenen Personen - also aller Bürger -, um dessen Daten es geht. Denn bezüglich der Daten der Antragstellerin (des Statistischen Bundesamtes) bestünde sonst die Möglichkeit, dass diese ihr Löschungsbegehren beim Verwaltungsgericht Wiesbaden geltend machen können und so widerstreitende Entscheidungen für denselben Lebenssachverhalt ergehen. Um dies zu verhindern, hat die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) das Institut der Beiladung geschaffen. Immerhin ging der Gesetzgeber davon aus, dass die vor dem Zensus durchgeführte amtliche Bevölkerungszahl aus der Fortschreibung um etwa 1,3 Millionen Menschen über der vermuteten Bevölkerungszahl in Deutschland liegt (vgl. BT-Drucksache 165525, Begründung A allgemeiner Teil, Ziffer 2, S. 11). Insoweit es zu Reduzierungen der Bevölkerung in den einzelnen Gemeinden mit der Einwohnerzahl kommen muss.

Hinzu kommt, dass das Gericht von der Verfassungswidrigkeit von § 15 ZensVorbG bzw. § 19 ZensG 2011 überzeugt sein müsste, was hier jedoch nicht der Fall ist. Der Gesetzgeber hat vielmehr an vielfachen Stellen zum Ausdruck gebracht, dass gerade die erhobenen personenbezogenen Daten für den Zensus 2011 im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung eines jeden Einzelnen (Volkszählungsurteil BVerfGE 65, 1 ff.) so kurz wie möglich aufbewahrt werden sollen.

Insoweit sind die Löschungsverpflichtungen auch Ausfluss des Europarechtes als gemäß Verordnung EG (Nr. 763/2008) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über Volks- und Wohnungszählungen (ABl. L 218, S. 14 i.V.m. der Verordnung EG (Nr. 322/1997) des Rates vom 17. Februar 1997 über Gemeinschaftsstatistiken (ABl. L 52, S. 1) die vertraulichen Daten, die die einzelstaatlichen Stellen und ihre Gemeinschaftsdienststelle für die Erstellung der Gemeinschaftsstatistiken erheben, so geschützt werden müssen, damit das Vertrauen der Auskunftgebenden gewonnen wird und erhalten bleibt (Erwägungsgrund 13 VO Nr. 322/1997). Im Übrigen, soweit keine spezifischen Vorschriften für die Verarbeitung von Daten im Rahmen des statistischen Programms der Gemeinschaften gelten, findet die Richtlinie 95/46 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung von personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr Anwendung (vgl. Erwägungsgrund 16 VO Nr. 322/1997).

Soweit das OVG Nordrhein-Westfalen in dem Beschluss vom 03.06.2015 (Az. 4 B 458/15) davon ausgeht, dass der Gesetzgeber sich darüber im Klaren gewesen sein müsse, dass zumindest einige Feststellungen amtlicher Einwohnerzahlen angefochten werden würden, mag dem so sein. Gerade wenn der Gesetzgeber sich dessen bewusst war und trotzdem die Löschungsfristen geschaffen hat, entsteht keine verfassungsrechtliche Regelungslücke, denn zwischen der Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl und dem Löschzeitraum liegen zwei oder mehr Jahre, ein Zeitraum, in dem ein Gericht im Rahmen des Justizgewährungsanspruches auch entscheiden kann, so es den Justizgewährungsanspruch ernst nimmt und von der Justizverwaltung personell ausreichend besetzt wurde.

51Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Löschungsregelungen den verfassungsrechtlich geschützten Belangen der Gemeinden ein zu geringes Gewicht beimessen, so dass insoweit von einer Verfassungswidrigkeit der Vorschriften auszugehen ist. Soweit andere gesetzliche Regelungen an die amtliche Einwohnerzahl aus einer Statistik anknüpfen, ist es nicht Aufgabe des Zensusgesetzes 2011 bzw. des Zensusvorbereitungsgesetzes 2011 die ausreichende Finanzausstattung zu sichern, sondern dient der Zensus 2011 lediglich dazu, eine amtliche Einwohnerzahl von Bund, Ländern und Gemeinden festzustellen und so der Bereitstellung der Grundlage für eine Fortschreibung der Einwohnerzahl für die Zeit zwischen zwei Volkszählungen (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 ZensG 2011). Damit ist es nicht Aufgabe einer Statistik, Finanzmittel und adäquate Finanzausstattung von Gemeinden zu schaffen.

Dies insbesondere, als eine Statistik nur so gut ist, wie die statistischen Daten. Soweit die Antragstellerin eine komplette Kontrolle und Nachvollziehbarkeit der einzelnen Datensätze anstrebt, ist dies nicht Aufgabe der Statistik (in diesem Sinne siehe zur Einkommens- und Verbraucherstichprobe VG Wiesbaden, Urt. v. 15.3.2013 € 6 K 1374/11.WI, GewArch 2013, 255-256, rechtskräftig; HessVGH, Beschl. v. 2.10.2013 € 6 A 954/13.Z; siehe auch BfDI, 4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2012 und 2013, 5.3.2 Informationsfreiheit und Statistikgeheimnis € kein einfaches, aber letztlich doch klares Verhältnis(€), S. 64 ff.). Dies würde statistisch erhobene Zahlen, welche nur so gut sind wie ihre Grundlage, überfordern.

Dessen ist sich der Gesetzgeber auch bei der diesmaligen Wahl eines registergestützten Zensus mit Stichprobe bewusst gewesen. Soweit Zweifel an der Richtigkeit der Register bestünden, die dann zu dem Ergebnis führen, ist es nicht Aufgabe der Gerichte, diese in einem vorliegenden Verfahren zu überprüfen. Insoweit sehen die Verfahrensordnungen auch Möglichkeiten vor, solche Problematiken z.B. durch Beweislastregelungen u.a. zu klären.

Wie bereits ausgeführt, betreffen Löschungsvorschriften gerade auch die Rechte der betroffenen Bürger im Rahmen ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Hierbei handelt es sich um ein Grundrecht, welches die Befugnisse des Einzelnen gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1 € Volkszählungsurteil). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung enthält auch das Gebot der frühest möglichen Vernichtung und Löschung von Daten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.09.1997, Az. 1 BvR 970/97 € nach juris).

Im Hinblick auf das zuvor Ausgeführte kann eine Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen nur dazu führen, dass die Löschungsvorschriften im ZensG 2011 bzw. ZensVorbG 2011 nicht verfassungswidrig sind.

Wie die Verwaltungsgerichte vielfach ausgeführt haben, dienen die Fristen dem Schutz des Rechts des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung und auch als Rechtfertigung dafür personenbezogene Daten für den Zensus offenbaren zu müssen. Auch ist ein Rechtsschutz der betroffenen Gemeinden innerhalb angemessener Frist zumindest theoretisch möglich, so dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht zurücktreten muss.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit dem vorliegenden Antrag eine Vorratsdatenspeicherung begehrt. Sie möchten die Daten - die sie nicht weiter bestimmt - erhalten wissen, für den Fall, dass sie in irgendeiner Form erforderlich sein könnten. In welcher Form dies möglich sein soll, erklärt sie nicht. Damit fehlt es schon an einer notwendigen Bestimmbarkeit eines zukünftigen Speicherungszweckes, wenn man die Löschungsfristen als rechtswidrig ansehen würde. Folgt man den Überlegungen des OVG Nordrhein-Westfalen, ist der Zweck, für den die Daten aufzubewahren sein sollen, in keiner Weise bestimmt. Das OVG Nordrhein-Westfalen und das OVG Bremen lassen es insoweit vermissen, zwischen den erforderlichen Daten zur Überprüfung und dem jeweiligen Überprüfungszweck und dem Löschzeitpunkt zu differenzieren.

Soweit darauf abstellt wird, dass unterschiedliche Erhebungsmethoden erfolgten, bei Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern als Vollerhebung und bei Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern auf Stichprobenbasis, so hat dies statistische Auswirkungen € ganz ohne Zweifel. Wenn man dies überprüfen will, müssen die dafür notwendigen Daten benannt werden. Dies muss auch das jeweils erkennende Gericht machen, wenn es die Überprüfung durchführen will. Denn zum Zeitpunkt der Speicherung musste der Zweck der Daten feststehen (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 BDSG; Art. 6 und 7 Richtlinie 95/46/EG vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr; dazu EuGH, Urteil vom 24. November 2011, Az. C-468/10 und C-469/10). Fällt der Zweck weg, sind die Daten zu löschen, es sei denn, es läge eine zulässige Zweckänderung vor. Diese ist in einer pauschalen Aufbewahrung, für €welche Zwecke auch immer€, gerade nicht gegeben.

Soweit das OVG Nordrhein-Westfalen die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten meint erkennen zu können, wäre es Aufgabe des jeweils in der Hauptsache erkennenden Gerichtes, dieses schon seit mindestens einem Jahr einzuholen (so aber VG Bremen mit dem Gutachten Prof. Dr. Küchenhoff). Auf ein solches Gutachten käme es jedoch nach allgemeiner Rechtsauffassung nur dann an, wenn das Zensusgesetz 2011 als solches nicht verfassungswidrig wäre, was aber die Antragstellerseite und die übrigen Gemeinden geltend machen. Ein entsprechendes angekündigtes Verfahren ist jedoch von dem Land Berlin gerade bis heute nicht eingeleitet worden.

Im Übrigen bedarf es keiner weiteren inzidierten Kontrolle, um zu wissen, dass Statistiken nur so gut sind, wie die Daten, die eingepflegt wurden, mithin die Statistik immer mit Fehlern behaftet ist. Da ein Abgleich mit dem Melderegister auf gar keinen Fall erfolgen darf, ist auch nicht nachvollziehbar, wie eine Kontrolle heute noch möglich sein soll. Was kontrollierbar ist, hat das IT.NRW in dem Schriftsatz an alle Statistischen Ämter und Länder vom 03.12.2013 (Blatt 31 GA VG Braunschweig 5 A 79/15 aus GA 6 L 461/15.WI) ausgeführt, dass soweit Zweifel an der konkreten Umsetzung des Hochrechnungsverfahrens bestünden, das Statistische Bundesamt ausgehend von den gemeldeten Personen nach Mehrfachfallprüfung und den in der Haushaltsstichprobe als existent festgestellten Personen die Hochrechnung der Einwohnerzahl noch einmal nachrechnen könnte. Dies hat offensichtlich bis heute keines der mit der Sache befassten Gerichten gefordert.

Auch bestünde die Möglichkeit, einzelne Klarstellungen und Aufklärungen vorzunehmen, wie dies in dem Erörterungstermin mit der Antragsgegnerseite ausgeführt wurde. Diese hat jedoch die Antragstellerin nicht vorgenommen, sondern abgelehnt. Sie schreibt zwar letztmalig mit Schriftsatz vom 16. Juni 2015, dass es wünschenswert wäre, wenn die Antragsgegnerin die notwendigen Informationen, Handlungsanleitungen, Schaubilder und Übersichten zur Verfügung stelle, damit auch die Antragstellerin die Bedeutung der bereits gelöschten Daten und Hilfsmerkmale wie auch der zur Löschung vorgesehenen Daten und Hilfsmerkmale im Rahmen der Einwohnerzahlermittlung erkennen und nachvollziehen könne. Jedoch wurden im Rahmen des Erörterungstermins am 11.06.2015 diverse Datenfelder angesprochen, in denen das Statistische Bundesamt auch ohne Verstoß gegen das Statistikgeheimnis hätte Auskunft geben können. Eine entsprechende Regelung und Nachfrage bezüglich dieser Informationen erfolgte jedoch von Antragstellerseite gerade nicht. Vielmehr wurde trotz ausreichender Gelegenheit, sich darüber Gedanken zu machen und Unterbrechung der Sitzung anschließend von allen beteiligten Antragsstellern eine Entscheidung bezüglich der €Löschfrage€ begehrt.

Insoweit verhält sich die Antragstellerin auch widersprüchlich, wenn sie im Klageverfahren vor dem VG Frankfurt/Oder Auskunft begehrt, diese aber letztendlich in dem vorliegenden Verfahren trotz hinreichender Gelegenheit nicht realisiert, sondern nur eine weitere Speicherung der Daten, also ein Unterlassen der Löschung, begehrt.

63In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen von sogenannten €Schiebeverfügungen€ für notwendig erachtete Daten gesetzeskonform und ohne Verstoß gegen geltendes Recht einer Aufbewahrung und Auswertung der Daten aus dem Zensusvorbereitungsgesetz 2011 bis zum 9. Mai 2017 möglich wäre (vgl. BT-Drucksache 3/09, S. 91 X zu Art. 3, zu Abs. 3 S. 91). Mithin vermag insoweit das Gericht vorliegend € entgegen OVG Nordrhein-Westfalen € nicht von einer Verfassungswidrigkeit auszugehen, da die gesetzliche Höchstlöschfrist noch nicht erreicht ist.

Sollte das Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens oder eines anderen Verfahrens zu dem Ergebnis kommen, dass das Zensusgesetz 2011 verfassungswidrig ist, wären sämtliche Daten zu löschen, da für die Datenerhebung und weitere Speicherung keine Rechtsgrundlage mehr bestünde. Dies mit der Folge, dass auch insoweit von einer Verfassungswidrigkeit der Löschungsregeln nicht offensichtlich ausgegangen werden kann.

Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes gebietet auch ansonsten in keiner Weise, sämtliche Daten, welche bei der Antragsgegnerin vorhanden sind, weiter zu speichern. Dies insbesondere, als die Antragsgegnerin in dem Erörterungstermin zwei Listen vorgelegt hat mit einer Übersicht, wann welche noch vorhandenen Daten gelöscht werden. Insoweit hätten die entsprechenden Daten von der Antragstellerin bezeichnet werden können, welche nicht gelöscht werden sollen. Ein Totalverlust aller Daten führt zwar auch dazu, dass eine Überprüfung der noch vorhandenen Daten nicht mehr möglich ist. Jedoch hätte es die Antragstellerin zumindest noch zum Zeitpunkt des Erörterungstermins in der Hand gehabt, bestimmte Informationen von der Antragsgegnerin zu erfahren. Darüber hinaus ergibt sich aus sämtlichen Verfahren eine Vielzahl von Informationen zu der Frage einer möglichen Verfassungswidrigkeit des Zensusgesetzes 2011 sowie zu möglichen formellen Verfahrensmängeln. Solche Fragen sind auch nach der Löschung der Daten noch voll umfänglich gerichtlich überprüfbar.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren nur die Aufhebung des Feststellungsbescheides begehrt hat. Dies offensichtlich in der Annahme, dass es dann bei dem vorhergehenden Bescheid der Feststellung der Einwohner verbliebe. Insoweit hat die Antragstellerin offensichtlich auch gar kein Interesse, eine ggf. noch niedrigere Einwohnerzahl feststellen zu lassen.

Gerade insoweit bedarf es einer Speicherung von Daten auf Vorrat, ohne dass ein entsprechender konkreter, substantiierter Zweck vorliegt, nicht. Das Begehren der Antragstellerin richtet sich vielmehr auf das Sammeln von Daten ähnlich einem CRM-System mit dem Ergebnis, €wir schauen denn mal, was wir mit den Daten machen€. Dies ist im Lichte des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und der noch gültigen Richtlinie 95/46/EG vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr gerade unzulässig. Im Falle des Inkrafttretens der Grundverordnung wäre eine solche Speicherung dann auch bezüglich der öffentlichen Stellen erheblich bußgeldbewährt (bis 1 Mio. Euro pro Tat <Datensatz>).

Nach alledem steht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG der weiteren, nicht zweckgebundenen Speicherung der noch vorhandenen Daten entgegen. Dies insbesondere, weil die weitere Aufbewahrung die nicht auszuschließende Gefahr bietet, dass die Daten Unbefugten bekannt werden (vgl. VG Potsdam, Beschl. v. 21.04.2015, Az. VG 12 L 450/15). Auch wären der tatsächliche Zeitrahmen der weiteren Speicherung und ein konkretes Löschdatum nicht benannt. Hiermit wäre es den in der Hauptsache zur Entscheidung berufenen Gerichten frei, die Zeiträume maximal auszudehnen. Gleiches gilt soweit die andere Verfahren als vorgreiflich ansehen werden.

Das Gericht sieht insoweit von einer Beiladung der betroffenen Personen ab, da die Antragstellerin mit ihrem Begehren nicht durchdringen kann (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 30.04.2015, Az. 10 E 2183/15).

Nach alledem ist der Antrag zurückzuweisen (im Ergebnis ebenso VG Potsdam, Beschluss vom 21.04.2015, Az. 12 L 450/15 € nach Juris; VG Freiburg, Beschluss vom 20.05.2015, Az. 3 K 922/15; VG Sigmaringen, Beschluss vom 28.05. 2015, Az. 8 K 1993/15; VG Hamburg, Beschluss vom 30.04.2015, Az. 10 E 2183/15; a.A. OVG Nordrhein-Westfahlen, Beschluss vom 03.06.2015, Az. 4 B 512/15 und 4 B 458/15; VG Düsseldorf, Beschluss vom 15.04.2015, Az. 20 L 1001/15; VG Aachen, Beschluss vom 13.04.2015, Az.4 L 298/15; OVG Bremen, Beschluss vom 27.04.2015, Az. 1 LC 315/14).

Als Unterlegene hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert entspricht der Bedeutung der Sache, es sei denn, man würde die Differenz des Finanzausgleiches für die nächsten 10 Jahre zugrunde legen, wovon das Gericht absieht, da es gerade nicht um Finanzfragen geht.






VG Wiesbaden:
Beschluss v. 15.07.2015
Az: 6 L 490/15.WI


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/67e5367e6ac5/VG-Wiesbaden_Beschluss_vom_15-Juli-2015_Az_6-L-490-15WI




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