Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. November 2000
Aktenzeichen: 9 W (pat) 74/99

(BPatG: Beschluss v. 06.11.2000, Az.: 9 W (pat) 74/99)

Tenor

1. Die Teilungserklärung vom 21. Oktober 1999, eingegangen am 22. Oktober 1999, ist unwirksam.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Patentabteilung 1.16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Prüfung eines Einspruchs das am 4. November 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Anmeldung 3-099 102 in Japan vom 5. November 1991 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Lagervorrichtung für einen zusammenklappbaren Sitz"

mit Beschluß vom 25. Juni 1999 widerrufen, weil die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik nach dem deutschen Gebrauchsmuster 19 44 654 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 ließen nichts erkennen, was über handwerkliche Maßnahmen hinausgehe.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Patentinhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie meint, die neu vorgelegten Patentansprüche 1 bis 8 seien zulässig, weil die neu aufgenommenen Merkmale aus der Patentschrift als zur beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen seien und deshalb in die Patentansprüche aufgenommen werden könnten. Die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 sei gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nur neu, sondern beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil sich daraus keine Anregung ergebe, einen Sitz in der beanspruchten Art schwenkbar anzuordnen. Entsprechendes gelte auch für die Patentansprüche nach den Hilfsanträgen.

Mit Eingabe vom 21. Oktober 1999 hat die Patentinhaberin die Teilung des Patents im Umfang von beigefügten Ansprüchen erklärt, die den Gegenstand der Teilanmeldung definieren sollen. Über den Patentanspruch 1 der Teilanmeldung hinausgehende Gegenstände sollen innerhalb des vorliegenden Patents bleiben. Nach Eingang der Teilungserklärung sind für die abgetrennte Anmeldung innerhalb von drei Monaten die nach §§ 35 und 36 PatG erforderlichen Anmeldungsunterlagen eingereicht und die Gebühren entrichtet worden.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten: Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Spalten 1 und 2 und Zeichnungen Figuren 1 bis 3 gemäß erteiltem Patent sowie eine Seite Beschreibungsergänzung vom 18. August 1998, hilfsweise: Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, weiter hilfsweise: Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, weiter hilfsweise: Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, weiter hilfsweise: Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung;

jeweils mit Beschreibung und Zeichnung gemäß Hauptantrag.

Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Vorrichtung zum Verstauen eines zusammenklappbaren Automobilsitzes in einer in einem Kabinenboden befindlichen Vertiefung, wobei der zusammenklappbare Automobilsitz ein Sitzkissen aufweist, dessen Unterseite bei Sitzgebrauch dem Kabinenboden zugewandt ist, und eine Rückenlehne aufweist, die an ihrem unteren Teil mit einem hinteren Teil des Sitzkissens schwenkbar verbunden ist, mit einer in der Nähe einer Kante der Vertiefung angeordneten Schwenkachse und einem an dem Sitzkissen angebrachten und an der Schwenkachse angelenkten Beschlag derart, daß der Sitz ganz in die Vertiefung verschwenkbar ist, nachdem die Rückenlehne auf das Sitzkissen umgelegt wurde, und dabei die Unterseite des Sitzkissens nach oben weist und im wesentlichen in Flucht zu dem Kabinenboden verläuft, dadurch gekennzeichnet, daß der Beschlag an dem hinteren Teil des Sitzkissens in einem unteren Bereich desselben angebracht ist, daß die Kante der Vertiefung in Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung vorne liegt, daß der Sitz nach hinten in die hinter dem zusammenklappbaren Sitz angeordnete Vertiefung verschwenkbar ist.

An den Patentanspruch 1 schließen sich abhängige Patentansprüche 2 bis 8 an, die Ausgestaltungen der Vorrichtung nach Patentanspruch 1 betreffen.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:

Vorrichtung zum Verstauen eines zusammenklappbaren Automobilsitzes in einer in einem Kabinenboden befindlichen Vertiefung , wobei der zusammenklappbare Automobilsitz ein Sitzkissen aufweist, dessen Unterseite bei Sitzgebrauch dem Kabinenboden zugewandt ist, und eine Rückenlehne aufweist, die an dem Sitzkissen angelenkt ist, mit einer in der Nähe einer Kante der Vertiefung angeordneten Schwenkachse und einem an dem Sitzkissen angebrachten und an der Schwenkachse angelenkten Beschlag derart, daß der Sitz ganz in die Vertiefung verschwenkbar ist, nachdem die Rückenlehne auf das Sitzkissen umgelegt wurde, und dabei die Unterseite des Sitzkissens nach oben weist und im wesentlichen in Flucht zu dem Kabinenboden verläuft, dadurch gekennzeichnet, daß der Sitz nach hinten in die hinter dem zusammenklappbaren Automobilsitz angeordnete Vertiefung verschwenkbar ist und daß der Beschlag an einem hinteren unteren Teil des Sitzkissens angebracht ist.

An diesen Patentanspruch 1 schließen sich rückbezogene Patentansprüche 2 bis 4 an.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:

Vorrichtung zum Verstauen eines zusammenklappbaren Automobilsitzes in einer in einem Kabinenboden befindlichen Vertiefung, wobei der zusammenklappbare Automobilsitz ein Sitzkissen aufweist, dessen Unterseite bei Sitzgebrauch dem Kabinenboden zugewandt ist, und eine Rückenlehne aufweist, die an ihrem unteren Teil mit einem hinteren Teil des Sitzkissens schwenkbar verbunden ist, mit einer in der Nähe einer Kante der Vertiefung angeordneten Schwenkachse und einem an dem Sitzkissen angebrachten und an der Schwenkachse angelenkten Beschlag derart, daß der Sitz ganz in die Vertiefung verschwenkbar ist, nachdem die Rückenlehne auf das Sitzkissen umgelegt wurde, und dabei die Unterseite des Sitzkissens nach oben weist und im wesentlichen in Flucht zu dem Kabinenboden verläuft, dadurch gekennzeichnet, daß der Beschlag an dem hinteren Teil des Sitzkissens in einem unteren Bereich desselben angebracht ist, daß die Kante der Vertiefung in Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung vorne liegt, daß der Sitz nach hinten in die hinter dem zusammenklappbaren Sitz angeordnete Vertiefung verschwenkbar ist, und daß eine das Sitzkissen bei Sitzgebrauch desselben in seinem vorderen Bereich in Abstand zum Kabinenboden haltende Stütze vorgesehen ist, welche bei in die Vertiefung verschwenktem Automobilsitz im wesentlichen nicht über die Unterseite des Sitzkissens hervorsteht.

An diesen Patentanspruch 1 schließen sich rückbezogene Patentansprüche 2 und 3 an.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet:

Vorrichtung zum Verstauen eines zusammenklappbaren Automobilsitzes in einer in einem Kabinenboden befindlichen Vertiefung, wobei der zusammenklappbare Automobilsitz ein Sitzkissen aufweist, dessen Unterseite bei Sitzgebrauch dem Kabinenboden zugewandt ist, und eine Rückenlehne aufweist, die an dem Sitzkissen angelenkt ist, mit einer in der Nähe einer Kante der Vertiefung angeordneten Schwenkachse und einem an dem Sitzkissen angebrachten und an der Schwenkachse angelenkten Beschlag derart, daß der Sitz ganz in die Vertiefung verschwenkbar ist, nachdem die Rückenlehne auf das Sitzkissen umgelegt wurde, und dabei die Unterseite des Sitzkissens nach oben weist und im wesentlichen in Flucht zu dem Kabinenboden verläuft, dadurch gekennzeichnet, daß der Sitz nach hinten in die hinter dem zusammenklappbaren Automobilsitz angeordnete Vertiefung verschwenkbar ist und daß der Beschlag an einem hinteren unteren Teil des Sitzkissens angebracht ist, und daß an der Unterseite des Sitzkissens eine Stütze zur Abstützung des Sitzkissens am Kabinenboden angebracht ist.

An diesen Patentanspruch schließen sich rückbezogene Patentansprüche 2 und 3 an.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 lautet:

Vorrichtung zum Verstauen eines zusammenklappbaren Automobilsitzes in einer in einem Kabinenboden befindlichen Vertiefung, wobei der zusammenklappbare Automobilsitz ein Sitzkissen aufweist, dessen Unterseite bei Sitzgebrauch dem Kabinenboden zugewandt ist, und eine Rückenlehne aufweist, die an dem Sitzkissen angelenkt ist, mit einer in der Nähe einer Kante der Vertiefung angeordneten Schwenkachse und einem an dem Sitzkissen angebrachten und an der Schwenkachse angelenkten Beschlag derart, daß der Sitz ganz in die Vertiefung verschwenkbar ist, nachdem die Rückenlehne auf das Sitzkissen umgelegt wurde, und dabei die Unterseite des Sitzkissens nach oben weist und im wesentlichen in Flucht zu dem Kabinenboden verläuft, dadurch gekennzeichnet, daß der Sitz nach hinten in die hinter dem zusammenklappbaren Automobilsitz angeordnete Vertiefung verschwenkbar ist und daß der Beschlag an einem hinteren unteren Teil des Sitzkissens angebracht ist, und daß an der Unterseite des Sitzkissens eine Stütze zur Abstützung des Sitzkissens am Kabinenboden angebracht ist, welche bei in die Vertiefung verschwenktem Automobilsitz nicht über die Unterseite des Sitzkissens hervorsteht.

An diesen Patentanspruch schließen sich rückbezogene Patentansprüche 2 und 3 an.

Die Einsprechende stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Teilungserklärung sei unwirksam, weil ihr zufolge das Patent hinsichtlich seines in den Patentansprüchen formulierten Gegenstandes nicht um einen abgetrennten Teil vermindert werden soll.

Bezüglich der Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag meint sie, daß die Änderung der Ausdrücke "Rückenlehne ... an dem Sitzkissen angelenkt" in "Rückenlehne ... mit ... Sitzkissen schwenkbar verbunden" und "unteren Teil des Sitzkissens" in "unteren Bereich des Sitzkissens" eine unzulässige Erweiterung darstelle. Die Merkmale nach den Patentansprüchen 2 und 3 seien in der Patentschrift nicht als zur Erfindung gehörend erkennbar, die Merkmale nach Patentanspruch 2 seien darüber hinaus gegenüber der Beschreibung unzulässig verallgemeinert. Soweit die verbleibenden Patentansprüche nicht wörtlich mit den erteilten Patentansprüchen übereinstimmten, seien die Merkmale nach diesen Patentansprüchen teilweise in der allgemeineren Fassung nicht aus der Patentschrift herleitbar. Soweit entsprechende Änderungen in den Patentansprüchen gemäß den Hilfsanträgen vorgesehen seien, gelte Entsprechendes.

Im übrigen hält sie die Vorrichtung nach den Patentansprüchen 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag 1 gegenüber dem Stand der Technik nach dem deutschen Gebrauchsmuster 19 44 654 für nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend. Die in die Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 4 aufgenommenen Merkmale bezüglich der Anordnung einer Stütze sieht sie im Hinblick auf den Stand der Technik nach der deutschen Offenlegungsschrift 21 07 435 als einfache handwerkliche Maßnahmen, die lediglich eine nicht erfinderische Aggregation darstellten.

Wegen Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze vom 21. Oktober 1999 und 18. Oktober 2000 verwiesen.

II.

Die statthafte Beschwerde der Patentinhaberin ist frist- und formgerecht eingelegt worden, in der Sache aber nicht begründet.

1. Die Teilungserklärung ist unwirksam.

Die Teilung des Patents nach § 60 PatG setzt schon begrifflich voraus, daß das Patent gegenständlich in mindestens zwei Teile aufgespalten wird (vgl. BGH in Bl 1999, 192, 194 - Kupplungsvorrichtung). Für eine wirksame Teilung genügt es nicht, daß der abgetrennte Gegenstand und das zu teilende Patent lediglich merkmalsmäßige Überschneidungen aufweisen. Erforderlich ist vielmehr, daß die Trennanmeldung - zumindest auch - einen Gegenstand umfaßt, der Gegenstand der - sinnvoll verstandenen - Patentansprüche des erteilten Patents ist und von diesem abgetrennt wird. Ein Patent wird nicht in zwei Teile aufgespalten, wenn der Gegenstand der Trennanmeldung - wie im vorliegenden Fall - zwar im Patent enthalten ist, aber das erteilte Patent - hinsichtlich seines in den Patentansprüchen formulierten Gegenstandes - nicht um den abgetrennten Teil vermindert wird (vgl BGH aaO).

Nach der Teilungserklärung vom 21. Oktober 1999 sollen über den Anspruch 1 der Teilanmeldung hinausgehende Gegenstände innerhalb des vorliegenden Patents bleiben. Anspruch 1 der Teilanmeldung umfaßt nach der Teilungserklärung Anspruch 1 der Patentschrift, ergänzt durch das Merkmal gemäß Spalte 1, Zeilen 64 bis 67 der Patentschrift. Da die Gegenstände der erteilten Patentansprüche 1 bis 4 dieses Merkmal nicht aufweisen, gehen sie über den Anspruch 1 der Teilanmeldung hinaus und bleiben deshalb gemäß der Teilungserklärung im Stammpatent. Damit wird das erteilte Patent - hinsichtlich seines in den Patentansprüchen formulierten Gegenstandes - nicht um den abgetrennten Teil vermindert und das Patent in diesem Sinne nicht gegenständlich in zwei Teile aufgespalten. Eine wirksame Teilungserklärung liegt deshalb nicht vor.

Die Patentinhaberin meint demgegenüber, das Patent werde auch im vorliegenden Fall um den abgetrennten Teil vermindert, weil es wegen des abgetrennten Teiles nicht mehr auf den Teil beschränkt werden könne, der Gegenstand der Trennanmeldung geworden sei.

Insoweit beruft sich die Patentanmelderin aber zu Unrecht auf die Entscheidung des 17. Senats des BPatG vom 15. Juni 1999 (BlPMZ 2000, 31 ff). Nach dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt war das im Stammverfahren verbliebene Patent gegenüber dem erteilten Patent durch die hilfsweise abgegebene Teilungserklärung in zweierlei Hinsicht vermindert worden, zum einen durch die Aufnahme eines Merkmals aus der Beschreibung in den (einzigen) Patentanspruch, zum anderen durch die Aufnahme eines sogenannten Disclaimers in die Beschreibung. Demgegenüber soll nach der hier zu beurteilenden Teilungserklärung das erteilte Patent seinem Wortlaut nach völlig unverändert bleiben; die von der Patentinhaberin erst nach dem Zugang der Teilungserklärung vorgelegten Unterlagen für eine beschränkte Aufrechterhaltung sind insoweit unbeachtlich (vgl. BGH GRUR 1996, 747, 750 - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem). Nach Ansicht des Patentinhabers soll es genügen, wenn sich die entsprechende Verminderung aus der Trennungserklärung in der Akte des Stammpatents ergibt. Diese Auffassung widerspricht jedoch den Anforderungen, die an die Bestimmtheit einer Teilungserklärung zu stellen sind. Die Teilungserklärung muß unzweideutig zum Ausdruck bringen, daß das Patent geteilt wird, welcher Gegenstand im Stammpatent verbleibt und was Gegenstand des weiteren Einspruchsverfahrens ist (vgl. BGH aaO S. 751 - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem, BPatG aaO S. 34). Es kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Verminderung des Stammpatents im Wortlaut der Patentansprüche zum Ausdruck kommen muß oder ob die Beschränkung (möglicherweise nur ausnahmsweise, vgl. BPatG aaO S. 35) auch lediglich in der Beschreibung oder in den Zeichnungen erfolgen kann. Keinesfalls kann es genügen, in der Teilungserklärung nur anzugeben, welcher Gegenstand von der Teilanmeldung erfaßt werden soll, und es dann dem Amt oder Gericht bzw. der Öffentlichkeit zu überlassen, durch eigene Rückschlüsse aus der Teilungserklärung die Beschränkung des Stammpatents dort "hineinzulesen". Etwas anderes kann auch der genannten BPatG-Entscheidung nicht entnommen werden.

2. Zum Hauptantrag Das Patent bezieht sich auf eine Vorrichtung mit den Merkmalen nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1, die aus dem deutschen Gebrauchsmuster 19 44 654 bekannt ist. In der Beschreibungseinleitung der Patentschrift ist ausgeführt, daß sich die Vertiefung vor dem zugeordneten Sitz befinde. Dem Patent liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zum Verstauen eines zusammenklappbaren Automobilsitzes anzugeben, die ohne Kabinenboden-Vertiefung vor dem Sitz auskommt.

Diese Aufgabe wird bei einer gattungsgemäßen Vorrichtung mit den Merkmalen nach dem Kennzeichen des Patentanspruchs 1 gelöst.

Die unbestritten neue und gewerblich anwendbare Vorrichtung nach Patentanspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Vorrichtung nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 gemäß dem deutschen Gebrauchsmuster 19 44 654 ist die Vertiefung, in die der Automobilsitz verschwenkbar ist, in Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung vor dem Automobilsitz angeordnet. Dies hat offensichtlich den Nachteil, daß der Abstand des Automobilsitzes zum in Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung vor ihm angeordneten Automobilsitz so groß gewählt werden muß, daß der zusammenklappbare Automobilsitz ungehindert am Vordersitz vorbei in die vor ihm liegende Vertiefung verschwenkt werden kann. Die Automobilsitze können deshalb nicht, wie in moderneren Fahrzeugen üblich, mit möglichst geringem Abstand hintereinander angeordnet werden, so daß die hintere Sitzreihe bei Sitzgebrauch den Frachtraum mehr als unbedingt erforderlich beschränkt.

Wenn sich bei einem solchen Fahrzeug in der Praxis die Forderung stellt, daß die hintere Sitzreihe näher an die vor ihr angeordneten Automobilsitze herangerückt wird, um hinter der hinteren Sitzreihe den Frachtraum bei Sitzgebrauch zu vergrößern, stellt sich dem Fachmann, einem Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinen- oder Kraftfahrzeugbau mit Erfahrung in der Anordnung und Ausbildung von Automobilsitzen, von selbst die Aufgabe, nach einer Vorrichtung zum Verstauen eines Automobilsitzes zu suchen, die ohne Kabinenboden-Vertiefung vor dem Automobilsitz auskommt. Ein solcher Fachmann wird dabei nicht nur, wie die Patentinhaberin meint, an Lösungen denken, wie sie aus der französischen Patentschrift 881 601 oder der US-Patentschrift 3 202 453 bekannt sind. Entgegen der Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung eingebaute Automobilsitze gemäß der französischen Patentschrift 881 601 werden häufig nicht gewünscht und Führungsschienen, über die ein Sitz mit auf das Sitzkissen umgelegter Rückenlehne gemäß der US-Patentschrift 3 202 453 in eine Vertiefung schiebbar ist, die hinter dem in Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung eingebauten Automobilsitz angeordnet ist, sind sehr aufwendig. Der Fachmann wird deshalb nach Lösungen suchen, die einerseits die Vertiefung vor dem Automobilsitz und andererseits die mit den bekannten Lösungen verbundenen Nachteile vermeiden. Dabei wird er ohne besondere Überlegung erkennen, daß ein in Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung eingebauter Automobilsitz nicht nur in einfacher Weise in eine vor dem Automobilsitz vorgesehene Vertiefung in Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung nach vorne, sondern in ebenso einfacher Weise in eine hinter dem Automobilsitz angeordnete Vertiefung nach hinten geschwenkt werden kann, und daß hierzu lediglich die Schwenkachse und die Beschläge am Sitzkissen entsprechend verlegt werden müssen. Aufgrund derart einfacher Überlegungen gelangt der Fachmann aber ohne erfinderische Tätigkeit zu dem Vorschlag, bei einer Vorrichtung nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 entsprechend der Vorrichtung nach dem deutschen Gebrauchsmuster 19 44 654 den Beschlag zum Schwenken des in Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung eingebauten Automobilsitzes statt am vorderen Teil des Sitzkissens an dem hinteren Teil des Sitzkissens in einem unteren Teil desselben anzubringen und die Schwenkachse in der Nähe der Kante der Vertiefung anzuordnen, die in Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung vorne liegt, so daß der Sitz nach hinten in die hinter dem zusammenklappbaren Sitz angeordnete Vertiefung verschwenkbar ist. Überraschende technische Effekte werden mit derart einfachen Maßnahmen nicht erreicht, denn es ist ohne weiteres vorhersehbar, daß dadurch mehr Frachtraum in Sitzposition hinter dem Automobilsitz und eine einfache Verschwenkung des Automobilsitzes in die Vertiefung möglich ist. Damit ergibt sich aber eine Vorrichtung mit allen Merkmalen nach Patentanspruch 1 ohne erfinderische Tätigkeit.

Patentanspruch 1 hat deshalb keinen Bestand. Die Patentansprüche 2 bis 8 haben schon aus formalen Gründen keinen Bestand, weil sie auf den nicht bestandsfähigen Patentanspruch 1 zurückbezogen sind.

3. Zum Hilfsantrag 1 Die Patentansprüche 1 bis 4 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 1 bis 4. Patentanspruch 1 unterscheidet sich von dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag sachlich im wesentlichen dadurch, daß die Verbindung zwischen Rückenlehne und Sitzkissen allgemeiner definiert ist und daß die Kante der Vertiefung in der Nähe der Schwenkachse nicht in einem Bezug zur Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung steht. Die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 weist somit weniger Merkmale auf als die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag. Für die verbleibenden Merkmale gelten die entsprechenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit bezüglich der Merkmale nach dem Hauptanspruch. Die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 beruht somit ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Patentanspruch 1 hat deshalb keinen Bestand. Die Patentansprüche 2 bis 4 haben wiederum aus formalen Gründen keinen Bestand, weil sie auf den nicht bestandsfähigen Patentanspruch 1 zurückbezogen sind.

4. Zum Hilfsantrag 2 Der Patentanspruch 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, daß das Merkmal angefügt ist, daß eine das Sitzkissen bei Sitzgebrauch desselben in seinem vorderen Bereich im Abstand zum Kabinenboden haltende Stütze vorgesehen ist, welche bei in die Vertiefung verschwenktem Automobilsitz im wesentlichen nicht über die Unterseite des Sitzkissens hervorsteht.

In der Patentschrift ist hierzu in Spalte 2, Zeilen 20 bis 27, ausgeführt, daß an einem vorderen Teil einer normalerweise dem Boden zugewandten Unterseite des Sitzkissens ein Stützzapfen winkelmäßig bewegbar angebracht ist. Wenn der Sitz benutzt wird, weist der Stützzapfen nach unten und sitzt auf dem Boden auf, um das Sitzkissen in der geneigten Lage zu halten.

Bei der Vorrichtung nach dem deutschen Gebrauchsmuster 19 44 654 ist das Sitzkissen mit seiner gesamten Unterseite auf dem Kabinenboden abgestützt. Wenn sich bei einem solchen Automobilsitz, der in der zum Hauptantrag ausgeführten naheliegenden Weise in eine in Fahrzeugvorwärtsfahrtrichtung hinter ihm angeordnete Vertiefung nach hinten geschwenkt werden soll, noch zusätzlich aus der Praxis die Forderung ergibt, daß die Neigung des Sitzkissens verstellbar ausgebildet sein soll, ist der Fachmann gehalten, im Stand der Technik nach entsprechenden Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Hierbei kann er die deutsche Offenlegungsschrift 21 07 435 nicht übersehen, aus der ein höhenverstellbares Sitzkissen (Sitzteil 2) bekannt ist, bei dem eine das Sitzkissen bei Sitzgebrauch desselben in seinem vorderen Bereich im Abstand zum Kabinenboden haltende Stütze in Form eines am Sitzrahmen 11 über Achsschenkel 10 nach unten klappbaren Fußteils 9 vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer solchen Stütze bei einer nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhenden Vorrichtung nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, um auch bei dieser Vorrichtung die mit der Stütze verbundenen, auf der Hand liegenden vorteilhaften Wirkungen auszunützen, stellt nur eine einfache handwerkliche Maßnahme dar. Da die Unterseite des Sitzkissens bei in die Vertiefung verschwenktem Automobilsitz im wesentlichen in Flucht mit dem Kabinenboden verläuft, versteht es sich von selbst, daß auch eine solche klappbare Stütze so klappbar angeordnet werden muß, daß auch sie bei in die Vertiefung verschwenktem Automobilsitz im wesentlichen nicht über die Unterseite des Sitzkissens hervorsteht, um den Frachtraum nicht zu beeinträchtigen. Durch derart einfache bauliche Maßnahmen ergibt sich aber bereits eine Vorrichtung nach Patentanspruch 1 ohne erfinderische Tätigkeit.

Patentanspruch 1 hat deshalb keinen Bestand.

Die Patentansprüche 2 und 3 haben wiederum aus formalen Gründen keinen Bestand, weil sie auf den nicht bestandsfähigen Patentanspruch 1 rückbezogen sind.

5. Zum Hilfsantrag 3 Der Patentanspruch 1 ist durch Zusammenfassung der erteilten Patentansprüche 1 und 4 gebildet. Die Patentansprüche 2 und 3 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 2 und 3.

Der Patentanspruch 1 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 einerseits so geändert, wie der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 gegenüber dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag geändert ist. Darüber hinaus ist wie im erteilten Patentanspruch 4 bezüglich der Stütze herausgestellt, daß an der Unterseite des Sitzkissens eine Stütze zur Abstützung des Sitzkissens am Kabinenboden angebracht ist. Die Anbringung der Stütze an der Unterseite des Sitzkissens stellt ebenfalls nur eine einfache bauliche Maßnahme dar, die um so näher liegt, als auch die Stütze nach der deutschen Offenlegungsschrift 21 07 435 an der Unterseite des Sitzkissens angebracht ist. Für die verbleibenden Merkmale gelten die entsprechenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit bezüglich der Merkmale der Vorrichtung nach dem Hilfsantrag 2. Die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 beruht somit ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Patentanspruch 1 hat deshalb keinen Bestand. Die Patentansprüche 2 und 3 haben wiederum schon aus formalen Gründen keinen Bestand, weil sie auf den nicht bestandsfähigen Patentanspruch 1 rückbezogen sind.

6. Zum Hilfsantrag 4 Der Patentanspruch 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 durch das angefügte Merkmal, daß die Stütze bei in die Vertiefung verschwenktem Automobilsitz nicht über die Unterseite des Sitzkissens hervorsteht. Das angefügte Merkmal entspricht mit Ausnahme der fehlenden Wortfolge "im Wesentlichen" dem in Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 angefügten Merkmal.

Soweit die Merkmale der Vorrichtung nach Patentanspruch 1 mit den Merkmalen der Vorrichtungen nach den Patentansprüchen 1 gemäß Hilfsantrag 3 und 2 übereinstimmen, gelten zur erfinderischen Tätigkeit die entsprechenden Ausführungen nach den Hilfsanträgen 3 und 2. Da es sich auch von selbst versteht, daß die Stütze wahlweise so angeordnet werden kann, daß sie bei in die Vertiefung verschwenktem Automobilsitz entweder nur im Wesentlichen oder überhaupt nicht über die Unterseite des Sitzkissens hervorsteht, kann auch durch dieses Merkmal eine erfinderische Tätigkeit nicht begründet werden. Die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 beruht somit ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Patentanspruch 1 hat deshalb keinen Bestand. Die Patentansprüche 2 und 3 haben wiederum schon aus formalen Gründen keinen Bestand, weil sie auf den nicht bestandsfähigen Patentanspruch 1 zurückbezogen sind.

Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob die von der Einsprechenden beanstandeten Änderungen in sämtlichen Patentansprüchen zulässig sind.

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BPatG:
Beschluss v. 06.11.2000
Az: 9 W (pat) 74/99


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