Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juli 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 91/07

(BPatG: Beschluss v. 21.07.2009, Az.: 6 W (pat) 91/07)

Tenor

1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 04 B des Deutschen Patentund Markenamts vom 11. September 2007 wird aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Mobile Trennwand Anmeldetag: 6. Oktober 2005 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

-Ansprüche 1 bis 8, eingegangen am 22. Juni 2009, -Beschreibung, Seiten 1 und 2, eingegangen am 22. Juni 2009, -Beschreibung, Seiten 3 bis 10, eingegangen am 8. Oktober 2005, -3 Blatt Zeichnungen (Fig. 1 bis 3), eingegangen am 8. Oktober 2005.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Erfindung ist am 6. Oktober 2005 beim Deutschen Patentund Markenamt angemeldet worden.

Die Prüfungsstelle für Klasse E 04 B hat mit Beschluss vom 11. September 2007 die Anmeldung zurückgewiesen, da der Gegenstand nach Anspruch 1 vom 27. Juni 2007 sich in naheliegender Weise aus der DE 297 24 726 U1 (E1) ergebe und somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 16. Oktober 2007, eingegangen per Fax beim Deutschen Patentund Markenamt am selben Tag. Die Anmelderin hat im Beschwerdeverfahren neue Ansprüche sowie eine daran angepasste Beschreibung eingereicht und beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen vom 18. Juni 2009 zu erteilen.

Weiterhin beantragt die Anmelderin, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Die Prüfungsstelle habe entgegen der üblichen Praxis die auf einen Prüfungsbescheid hin geänderte Anmeldung, die detaillierte inhaltliche Ausführungen hinsichtlich der Schutzfähigkeit der Neufassung enthalten habe, zurückgewiesen ohne der Anmelderin, eine Gelegenheit zu einer erneuten Stellungnahme einzuräumen, obwohl erkennbar gewesen sei, dass die Anmelderin nun mit einer Patenterteilung rechnete. Dadurch sei der Anspruch der Anmelderin auf rechtliches Gehör verletzt worden. Nach der Rechtsprechung sei in der Regel eine Anhörung im Anmeldeverfahren sachdienlich.

Im Prüfungsund Beschwerdeverfahren sind neben der o. g. Druckschrift folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden.

E2: DE 196 34 391 A1, E3: DE 2O 2005 001 118 U1, E4: DE2240143A, E5: EP 0 201 104 B1, E6: AT 364 128, E7: US 34 00 504, E8: DE 24 04 874 A1, E9: AT 324 638, E10: US 3 309 816 und E11: US 3 107 400.

Der geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Mobile Trennwand mit mehreren an Laufschienen verfahrbar aufgehängten Wandelementen (1), dadurch gekennzeichnet, dass die Wandelemente (1) ohne tragenden Rahmen ausgebildet sind, wobei die Wandelemente (1) aus einem Kern (2) und aus beidseitig des Kerns (2) angeordneten Außenschalen (3, 4) bestehen, die eine innenseitige, gewichtsbeschwerende, aus Bitumen bestehende Schicht (301, 401), eine mittlere, aus Metall, Kunststoff, Schichtstoff, Holz, Kork, Glas, Gips oder aus GFK-ummantelten Papierwaben mit PU-Schaumfüllung bestehende Schicht (302, 402) und eine äußere Deckschicht (303, 403) für die Oberflächenbeschichtung aufweisen."

Es ist gemäß Abs. [0005] der DE 10 2005 048 156 A1 Aufgabe der Erfindung, eine mobile Trennwand nach dem Oberbegriff des Patentanspruches 1 zu schaffen, deren Wandelemente fertigungsund montagetechnisch einfach und universell verwendbar aufgebaut sind.

Wegen der Unteransprüche sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Die fristund formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und hat mit dem geänderten Patentbegehren auch Erfolg.

2.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Verfahren vor der Prüfungsstelle an einem formellen Mangel leidet, insbesondere, ob der Anmelderin nicht das erforderliche rechtliche Gehör gewährt worden ist. Da die Anmelderin im Beschwerdeverfahren nunmehr gewährbare Ansprüche eingereicht hat, entscheidet der Senat jedenfalls aus verfahrensökonomischen Gründen in der Sache selbst (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG) und lässt die Frage des Verfahrensmangels dahinstehen.

3.

Die gemäß Beschlussformel der Patenterteilung zugrunde liegenden Unterlagen sind ursprünglich offenbart und damit zulässig. Der geltende Anspruch 1 setzt sich aus Merkmalen nach den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 10, 11, 12 und 13 zusammen.

4.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist patentfähig.

4.1 Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist gegenüber dem angeführten Stand der Technik neu, weil der Offenbarungsgehalt keiner Entgegenhaltung sämtliche Merkmale des geltenden Anspruchs 1 umfasst, wie auch die nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit zeigen.

4.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die AT 324 638 B (E9) beschreibt zwar eine mobile Trennwand mit mehreren an Laufschienen verfahrbar aufgehängten Wandelementen 1 (vgl. Fig. 1 bis 3), die ohne tragende Rahmen ausgebildet sind und aus einem Kern 23 und aus beidseitig des Kerns 23 angeordneten, mindestens einschichtigen Außenschalen 22 bestehen (vgl. Beschreibung Seite 2, ab Zeile 45, Fig. 5 und 6). Aber Wandelemente, deren Außenschalen eine innenseitige, gewichtsbeschwerende, aus Bitumen bestehende Schicht, eine mittlere, aus Metall, Kunststoff, Schichtstoff, Holz, Kork, Glas, Gips oder aus GFK-ummantelten Papierwaben mit PU-Schaumfüllung bestehende Schicht und eine äußere Deckschicht für die Oberflächenbeschichtung aufweisen, sind weder der AT 324 638 B (E9) noch der US 3 309 816 (E10) noch den übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften zu entnehmen.

Somit vermag der aufgezeigte Stand der Technik weder für sich allein betrachtet, noch in einer Zusammenschau eine Anregung zur erfindungsgemäßen Lösung zu geben, da ihm jeglicher Hinweis auf eine mobile Trennwand nach der Lehre des geltenden Anspruchs 1, insbesondere auf ihren dreischichtigen Aufbau der Außenschalen, fehlt.

Der geltende Anspruch 1 ist daher gewährbar.

5.

Damit sind auch die von diesem getragenen, ebenfalls ursprünglich offenbarten, auf nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des Anmeldungsgegenstandes gerichteten Unteransprüche 2 bis 8 gewährbar.

6.

Für die beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr besteht keine Veranlassung.

Nach § 80 Abs. 3 PatG kann die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden, wenn es auf Grund besonderer Umstände nicht der Billigkeit entsprechen würde, die Gebühr einzubehalten. Die Anordnung der Rückzahlung ist immer dann billig, wenn bei ordnungsmäßiger und angemessener Sachbehandlung der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nicht in Betracht gekommen wäre und damit die Erhebung der Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätten vermieden werden können (vgl. dazu Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 73 Rn. 124 ff., 132, 133 f, 140 m. w. N.; Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 80 Rn. 23; Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 80 Rn. 95).

Ein solcher Verstoß ist vorliegend für den Senat nicht ersichtlich.

Es mag zwar sein, dass andere Prüfungsstellen vor einer Zurückweisung mehrere Prüfungsbescheide absetzen. Entscheidend ist jedoch, ob im vorliegenden konkreten Fall die Prüfungsstelle die Grenzen des verfahrensrechtlich Zulässigen überschritten und Rechte der Anmelderin verletzt hat. In diesem Zusammenhang ist für den Senat maßgeblich, dass bereits im Prüfungsbescheid vom 6. September 2006 die Prüfungsstelle explizit und unter dezidierter Angabe von jeweils mehren Fundstellen die später von der Anmelderin zusammengefassten Merkmale der Ansprüche 1 und 3 als jeweils nicht gewährbar angesehen hat. Hieraus hätte die Anmelderin erkennen können, dass wohl auch die Neufassung nicht zur Patentfähigkeit führen würde. Die Prüfungsstelle traf vorliegend auch keine besondere Aufklärungsund Hinweispflicht (§ 139 ZPO), weil die Anmelderin offenbar über einen eigenen Bereich Patente/Schutzrechte verfügt, der von einem wohl in diesen Bereichen erfahrenen Mitarbeiter mit Angestelltenvollmacht betreut wird, der die Erfolgsaussichten seiner Anmeldung realistisch einschätzen kann und dieser Mitarbeiter auch nicht eindeutig einen erneuten Bescheid gefordert hat. Außerdem besteht kein Recht darauf, dass die Prüfungsstelle ihre Entscheidung vorher detailliert ankündigt und mit der Anmelderin diskutiert, sofern diese -wie hier -bei Anwendung der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt erkennen kann, auf welche rechtlichen Gesichtspunkte es ankommt. Vertretbare rechtliche Gesichtspunkte muss ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich von sich aus in Betracht ziehen (vgl. Schulte, a. a. O., Einl. Rn. 240 m. w. N.; vgl. auch Busse, a. a. O., § 45 Rn. 31, 39). Ob ein Formfehler vorliegt und inwieweit die von der Anmelderin zitierte Rechtsprechung zur Notwendigkeit einer Anhörung im Patenterteilungsverfahren, die wohl auf nicht ohne weiteres verallgemeinerungsfähige Einzelfälle fokussiert ist, im vorliegenden Fall greift, ist aber letztlich auch in Verbindung mit der Frage der Rückerstattung der Beschwerdegebühr nicht entscheidungserheblich. Der möglicherweise vorliegende Formfehler im Verfahren vor der Prüfungsstelle ist nämlich jedenfalls nicht kausal für die Einlegung der Beschwerde geworden, da die zunächst im Beschwerdeverfahren nach wie vor mit Hauptantrag verfolgten Patentansprüche aus den von der Prüfungsstelle bereits aufgezeigten Gründen ebenfalls nicht gewährbar waren und zur Zurückweisung der Anmeldung geführt hätten. Die erneute, gegenüber dem vor der Prüfungsstelle verfolgten Begehren deutlich abgewandelte, gewährbare Fassung geht vielmehr erst auf einen detaillierten Hinweis des Berichterstatters des Senats im Beschwerdeverfahren zurück.

Dr. Lischke Guth Ganzenmüller Küest Cl






BPatG:
Beschluss v. 21.07.2009
Az: 6 W (pat) 91/07


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