Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 25. Februar 1997
Aktenzeichen: 4 O 76/96

(LG Düsseldorf: Urteil v. 25.02.1997, Az.: 4 O 76/96)

Tenor

für Recht erkannt:

I.

Die Beklagte wird verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ord-nungsgeldes bis zu 500.000,- DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Siebvorrichtungen zum Sieben von körnigem Material mit einem Basisrahmen, mit einem Hebeförderer, durch welchen Material von einer am oder beim unteren Ende des Förderers liegenden Beladestation zu einer beim oberen Ende des Förderers liegenden Abgabestation gefördert wird, mit einem Förderer-Tragrahmen, der einstellbar auf dem Basisrahmen so angebracht und angeordnet ist, daß er den Förderer im wesentlichen in Längsrichtung bezüglich derjenigen Stelle bewegen kann, an welcher der Tragrahmen am Basisrahmen angebracht ist, mit einer Antriebseinrichtung, die mit dem Tragrahmen gekoppelt ist und dazu dient, die Stellung des Förderers bezüglich des Basisrahmens in Fördererlängsrichtung einzustellen, mit einer Führungseinrichtung, durch welche die Bewegung des Tragrahmens geführt wird, mit einem Unterrahmen, der über ein Gelenk verschwenkbar einstellbar auf dem Basisrahmen angeordnet ist, und ein Vibrationssieb trägt, welches so angeordnet ist, daß es Material auffängt, welches unter Schwerkrafteinwirkung vom oberen Ende des Förderers nach unten fällt, wobei der Unterrahmen um das Gelenk einstellbar ist, um die Neigung des Siebes so einzustellen, wie dies für die jeweiligen Betriebsbedingungen notwendig ist, wobei das Sieb in der eingestellten Neigung Material auffangen kann, welches unter Schwerkrafteinwirkung vom oberen Ende des Förderers nach unten fällt, mit einer Abgabeeinrichtung, durch welche getrennte gesiebte Materialfraktionen abgegeben werden, die nach dem Behandeln des Materials mit dem Vibrationssieb erhalten werden, und mit einem Gestänge, welches zwischen dem Unterrahmen und dem Tragrahmen angeordnet ist,

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzu-führen oder zu besitzen,

bei denen das Gestänge eine erste direkte Schwenkverbindung zwischen dem Unterrahmen und dem Tragrahmen aufweist, welches als einziges Unterstützungsmittel für den Unterrahmen dient und diesen daran hindert, unter Schwerkrafteinwirkung um das Gelenk zu verschwenken, und bei denen die Längseinstellung des Tragrahmens unter der Einwirkung der Antriebseinrichtung von einer Neigungs-Einstellung des Unterrahmens begleitet wird, die allein unter der Einwirkung der direkten Schwenkverbindung zwischen Unterrahmen und Tragrahmen erfolgt, das Ganze derart, daß das Vibrationssieb eine gewünschte eingestellte Neigung einnimmt, welche zu der in Längsrichtung eingestellten Stellung des Förderers paßt;

2.

der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 17.3.1994 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungs-zeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

II.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Patentinhaberin, der X, durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 17.3.1994 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird; die durch ihren Beitritt verursachten Kosten trägt die Streithelferin.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 400.000,-- DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin macht Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz wegen Verletzung des deutschen Anteils an dem europäischen Patent X (Klagepatents) geltend.

Das europäische Patent, als dessen Inhaberin die englische Gesellschaft X (im folgenden X genannt) eingetragen ist, wurde am 26.7.1988 aufgrund einer britischen Priorität vom 31.7.1987 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 1.2.1989 und die Patenterteilung am 27.10.1993 veröffentlicht.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der englischen Verfahrenssprache wie folgt:

A screening apparatus for screening particulate material and comprising:

a base frame (6);

an elevating conveyor (3) arranged to convey material from a loading station (1) at or near to a lower end of the conveyor to a discharge station at an upper end of the conveyor;

a conveyor carrying frame (4) adjustably mounted on the base frame (6) and arranged so as to be capable of moving the conveyor (3) generally lengthwise relative to the mounting of the carrying frame (4) on the base frame (6);

drive means (14, 16) coupled with the carrying frame (4) for adjusting the position of the conveyor (3) lengthwise relative to the base frame (6);

guide means (5) for guiding the movement of the carrying frame (4);

a subframe (8) pivotally adjustably mounted on the base frame (6) via a pivot (9) and carrying a vibratory screen (12) arranged to receive material falling unter gravity from the upper end of the conveyor (3), said subframe (8) being adjustable about said pivot (9) in order to adjust the attitude of the screen (12) to suit any particular operating requirements and in which it is able to receive material falling under gravity from the upper end of the convoyer (3);

discharge means for discharging separate screened portions of the material after treatment by the vibratory screen (12): and

a linkage (7) between the subframe (8) and the carrying frame (4);

characterised in that the linkage comprises a direct pivotal connection (7) between the subframe (8) and the carrying frame (4) which forms the sole means of supporting the subframe (8) from pivoting under gravuti about pivot (9), and in that lengthwise adjustment of the carrying frame (4) under the action of the drive means (14, 16), ist accompanied by pivotal adjustment of the subframe (8) under the sole action of the direct pivotal connection (7) between subframe (8) and carrying frame (4) such that the vibratory screen (12) takesup a required adjusted attitude to suit the lengthwise adjusted position of the conveyor (3).

In der deutschen Übersetzung hat Anspruch 1 folgenden Wortlaut:

Siebvorrichtung zum Sieben von körnigem Material mit einem Basisrahmen (6); mit einem Hebeförderer (3), durch welchen Material von einer am oder beim unteren Ende des Förderers liegenden Abgabestation gefördert wird; mit einem Förderer-Tragrahmen (4), der einstellbar auf dem Basisrahmen (6) so angebracht und angeordnet ist, daß er den Förderer (3) im wesentlichen in Längsrichtung bezüglich derjenigen Stelle bewegen kann, an welcher der Tragrahmen (4) am Basisrahmen (6) angebracht ist; mit einer Antriebseinrichtung (14, 16), die mit dem Tragrahmen (4) gekoppelt ist und dazu dient, die Stellung des Förderers (3) bezüglich des Basisrahmens (6) in Fördererlängsrichtung einzustellen; mit einer Führungseinrichtung (5), durch welche die Bewegung des Tragrahmens (4) geführt wird; mit einem Unterrahmen (8), der über ein Gelenk (9) verschwenkbar einstellbar auf dem Basisrahmen (6) angeordnet ist und ein Vibrationssieb (12) trägt, welches so angeordnet ist, daß es Material auffängt, welches unter Schwerkrafteinwirkung vom oberen Ende des Förderers (3) nach unten fällt, wobei der Unterrahmen (8) um das Gelenk (9) einstellbar ist, um die Neigung des Siebes (12) so einzustellen, wie dies für die jeweiligen Betriebsbedingungen notwendig ist, wobei das Sieb in der eingestellten Neigung Material auffangen kann, welches unter Schwerkrafteinwirkung vom oberen Ende des Förderers (3) nach unten fällt; mit einer Abgabeeinrichtung, durch welche getrennte gesiebte Materialfraktionen abgegeben werden, die nach dem Behandeln des Materiales mit dem Vibrationssieb erhalten werden; und mit einem Verbindungsglied (7), welches zwischen dem Unterrahmen (8) und dem Tragrahmen (4) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß das Gestänge eine erste direkte Schwenkverbindung (7) zwischen dem Unterrahmen (8) und dem Tragrahmen (4) aufweist, welches als einziges Unterstützungsmittel für den Unterrahmen (8) dient und diesen daran hindert, unter Schwerkrafteinwirkung um das Gelenk (9) zu verschwenken; und daß die Längseinstellung des Tragrahmens (4) unter der Einwirkung der Antriebseinrichtung (14, 16) von einer Neigungs-Einstellung des Unterrahmens (8) begleitet wird, die allein unter der Einwirkung der direkten Schwenkverbindung (7) zwischen Unterrahmen (8) und Tragrahmen (4) erfolgt, das Ganze derart, daß das Vibrationssieb (12) eine gewünschte eingestellte Neigung einnimmt, welche zu der in Längsrichtung eingestellten Stellung des Förderers (3) paßt.

Die nachfolgende Abbildung stammt aus der Klagepatentschrift und zeigt in Figur 1 eine seitliche Ansicht eines erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiels und in Figur 2 eine seitliche Ansicht eines abgewandelten Ausführungsbeispiels:

X und die Klägerin schlossen am 11.1.1996 eine schriftliche Vereinbarung, aufgrund derer X der Klägerin eine nichtausschließliche Lizenz unter anderem an dem Klagepatent einräumte. Außerdem heißt es in der Vereinbarung unter Punkt 2.2 und 2.3, daß die erteilte Lizenz das Recht einschließt, gegen Verletzer zu klagen, und X alle Ansprüche auf die Klägerin überträgt, die auf früheren und gegenwärtigen Verletzungen der lizenzierten Rechte basieren, insbesondere Schadensersatzansprüche. Wegen des weiteren Inhalts der Vereinbarung, soweit diese von der Klägerin vorgelegt worden ist, wird auf Anlage 25 verwiesen.

Die Beklagte importiert und vertreibt in Nordirland von der Streithelferin hergestellte Hochleistungs-Shredder-Sieb- und Aufhaldungs-Anlagen unter der Typenbezeichnung "Finlay 393 HYDRASCREEN". Die Klägerin hat als Anlage 5 ein Prospektblatt der Streithelferin betreffend die genannten Vorrichtung und als Anlage 6 ein solches der Beklagten vorgelegt. Außerdem hat sie vergrößerte und mit Bezeichnungen versehene Fotokopien schematischer Darstellungen der Vorrichtung in Arbeits- und Transportstellung aus dem Prospektblatt der Nebenintervenientin eingereicht, die nachfolgend wiedergegeben werden:

Mit Schriftsatz vom 27.9.1996 ist die Streithelferin dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform das Klagepatent.

Sie beantragt,

wie zuerkannt.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der Streithelferin gegen das Klagepatent erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Sie vertreten die Auffassung, daß die angegriffene Vorrichtung die technische Lehre des Klagepatens nicht verwirklicht.

Zur Begründung des Aussetzungsantrags verweisen sie auf die Ausführungen in der als Anlage B 6 vorgelegten Nichtigkeitsklageschrift.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsbegehren der Beklagten und der Streithelferin unter Hinweis auf ihre als Anlage 27 vorgelegte Nichtigkeitsklageerwiderung entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Klägerin stehen die gegenüber der Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz zu, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 9 Nr. 1, 14, 139 Abs. 1 und 2, 242, 259 BGB.

I.

Die Erfindung betrifft eine Siebvorrichtung mit einem neigbaren Vibrationssieb zum Sieben körnigen Materials, wie es etwa zum Trennen von feineren und gröberen Körnern bei Kies, Kohle, gebrochenem Felsmaterial oder anderem körnigen Material verwendet wird.

Im Stand der Technik ist aus der WO-A X - wie in der Klagepatentschrift erläutert wird - eine Siebvorrichtung bekannt, die einen Basisrahmen, einen Hebeförderer, durch welchen Material von einer am oder beim unteren Ende des Förderers liegenden Beladestation zum oberen Ende des Förderers getragen wird, einen Tragrahmen, der so einstellbar ist, daß der Förderer im wesentlichen in Längsrichtung bewegt wird, um die Stellung der Abgabe von Material vom obengelegenen Ende des Förderers abzuändern, und einen Siebkasten umfaßt, der auf einem Unterrahmen unterhalb des Abgabeendes des Förderers angeordnet ist und über hydraulische Arbeitszylinder vom Basisrahmen getragen ist. Ein Kniehebelgestänge stellt eine Verbindung zwischen dem Unterrahmen und dem Förderer-Tragrahmen her, wobei bei beiden Enden des Gestänges Schwenkverbindungen vorgesehen sind und die Anordnung so gewählt ist, daß das Kniehebelgestänge bei longitudinaler Justierung des Förderers eine Schwenkbewegung um dasjenige Schwenkgelenk ausführt, über welches er mit dem den Siebkasten tragenden Unterrahmen verbunden ist. Das longitudinale Bewegen des Förderers ist somit eine Relativbewegung bezüglich des Siebkastens und hat keinen Einfluß auf die vom Siebkasten eingenommene Stellung, da das Kniehebelgestänge ausschließlich um seine Schwenklagerung auf dem Unterrahmen verschwenkt wird, wenn der Förderer in im wesentlichen longitudinaler Richtung bewegt wird. Die vom Siebkasten eingenommene Winkelstellung ist ausschließlich durch die hydraulischen Arbeitszylinder vorgegeben, welche den Unterrahmen tragen, auf welchem befestigt der Siebkasten vom Basisrahmen getragen ist. Dabei führt eine Verstellung dieser Arbeitszylinder zu einer Neigungsänderung des Siebkastens bezüglich des Basisrahmens. Wird darüber hinaus die Neigung des Siebkastens durch Betätigen der hydraulischen Arbeitszylinder geändert, so führt dies zu einer nach oben oder unten gerichteten Schwenkbewegung, die bezüglich des Förderer-Tragrahmens erfolgt. Dies ist darauf zurückzuführen, daß das Kniehebelgestänge den Unterrahmen und den Förderer-Tragrahmen gelenkig miteinander verbindet, und zwar über die bei jedem der Enden des Gestänges vorgesehenen Schwenklager.

Der Erfindung liegt das Problem zugrunde, einen verbesserten Aufbau für eine Siebvorrichtung zu schaffen, bei welchem man eine automatische Einstellung der Neigung des Vibrationssiebes bei longitudinalem Verstellen des Förderers erhält, wodurch das dem Förderer zugeführte Material unter Schwerkrafteinwirkung vom Förderer problemlos auf das Sieb fallen kann, und zwar für jede beliebige benötigte Neigung, auf welche das Sieb eingestellt wird, ohne daß zusätzliche Einstellarbeiten notwendig sind. Es wird auch als vorteilhaft angesehen, wenn dieses automatische Einstellen stattfinden kann, solange die Siebvorrichtung im Betrieb ist, ohne daß der Materialfluß durch die Vorrichtung unterbrochen werden muß.

Das soll durch folgende Anordnung erreicht werden:

1. Siebvorrichtung zum Sieben von körnigem Material

2. mit einem Basisrahmen (6),

3. mit einem Hebeförderer (3),

3.1. durch welches Material von einer am oder beim unteren Ende des Förderers liegenden Beladestation (1) zu einer beim oberen Ende des Förderers liegenden Abgabestation gefördert wird,

4. mit einem Förderer-Tragrahmen (4),

4.1 der einstellbar auf dem Basisrahmen (6)

4.2 so angebracht und angeordnet ist, daß er den Förderer (3) im wesentlichen in Längsrichtung bezüglich derjenigen Stelle bewegen kann, an welcher der Tragrahmen (4) am Basisrahmen (6) angebracht ist,

5. mit einer Antriebseinrichtung (14, 16),

5.1. die mit dem Tragrahmen (4) gekoppelt ist

5.2. und dazu dient, die Stellung des Förderers (3) bezüglich des Basisrahmens (6) in Förderlängsrichtung einzustellen,

6. mit einer Führungseinrichtung (5),

6.1 durch welche die Bewegung des Tragrahmens (4) geführt wird,

7. mit einem Unterrahmen (8),

7.1 der über ein Gelenk (9) verschwenkbar einstellbar auf dem Basisrahmen (6) angeordnet ist

7.2 und ein Vibrationssieb (12) trägt;

8. das Vibrationssieb ist so angeordnet, daß es Material auffängt, welches unter Schwerkrafteinwirkung vom oberen Ende des Förderers (3) nach unten fällt;

9. wobei der Unterrahmen (8) um das Gelenk (9) einstellbar ist, um die Neigung des Siebes (12) so einzustellen, wie dies für die jeweiligen Betriebsbedingungen notwendig ist, wobei das Sieb in der eingestellten Neigung Material auffangen kann, welches unter Schwerkrafteinwirkung vom oberen Ende des Förderers (3) nach unten fällt,

10. mit einer Abgabeeinrichtung,

10.1.durch welche getrennte gesiebte Materialfraktionen abgegeben werden, die nach dem Behandeln des Materials mit dem Vibrationssieb erhalten werden,

11. mit einem Verbindungsglied (7),

11.1 welches zwischen dem Unterrahmen (8) und dem Tragrahmen 4) angeordnet ist;

12. das Gestänge weist eine erste direkte Schwenkverbindung (7) zwischen dem Unterrahmen und dem Tragrahmen (4) auf,

12.1.welches als einziges Unterstützungsmittel für den Unterrahmen (8) dient und diesen daran hindert, unter Schwerkrafteinwirkung um das Gelenk (9) zu verschwenken;

13. die Längseinstellung des Tragrahmens (4) wird unter der Einwirkung der Antriebseinrichtung (14, 16) von einer Neigungseinstellung des Unterrahmens (8) begleitet,

14. die allein unter der Einwirkung der direkten Schwenkverbindung (7) zwischen Unterrahmen (8) und Tragrahmen (4) erfolgt, das Ganze derart, daß das Vibrationssieb (12) eine gewünschte Neigung einnimmt, welche zu der in Längsrichtung eingestellten Stellung des Förderers (3) paßt.

Wird es bei einer solchen Vorrichtung notwendig, die Neigung des Vibrationssiebes einzustellen, also die Schrägstellung seiner oberen Sieboberfläche bezüglich der Horizontalen so einzurichten, wie dies für ein speziell zu siebendes Material richtig ist, so braucht man nur die Stellung des Förderers und des Unterrahmens zu verändern und das Sieb folgt automatisch der Einstellung des Förderers derart, daß das Sieb (nach Einstellung auf die benötigte neue Neigung) weiterhin Material auffangen kann, welches unter Schwerkrafteinwirkung vom oberen Ende des Förderers herabfällt, ungeachtet der Tatsache, daß eine Verstellung aller drei dieser Komponenten (Förderer, Unterrahmen und Sieb) bezüglich des Basisrahmens erfolgt.

II.

Die Siebvorrichtung der Beklagten entspricht der in Anspruch 1 des Klagepatents beschriebenen technischen Lehre. Das ist zwischen den Parteien hinsichtlich der Merkmale 1 - 11.1 und 13 unstreitig, so daß es insoweit keiner weiteren Begründung bedarf.

Wortlautgemäß verwirklicht ist bei der angegriffenen Ausführungsform darüber hinaus aber auch das Merkmal 12.1, wonach die erste direkte Schwenkverbindung zwischen dem Unterrahmen und dem Tragrahmen als "einziges" Unterstützungsmittel für den Unterrahmen dient und diesen daran hindert, unter Schwerkrafteinwirkung um das Gelenk zu verschwenken. Eine solche Schwenkverbindung liegt bei der angegriffenen Ausführungsform in Gestalt des Verbindungsglieds GZ1 vor, das zwischen dem Tragrahmen HFRA und dem Unterrahmen SI/SIRA angeordnet ist (vgl. die oben wiedergegebenen zeichnerischen Darstellungen). Zudem handelt es sich bei dieser Schwenkverbindung um das "einzige" Unterstützungsmittel für den Unterrahmen SI/SIRA.

Der Beklagten kann nicht gefolgt werden, wenn sie dies unter Hinweis auf das Gestänge ST verneint, das zwischen dem Unterrahmen SI/SIRA und dem Basisrahmen RA bzw. RALA2 angeordnet ist. Denn dieses Gestänge ST kann nicht als weiteres Unterstützungsmittel für den Unterrahmen im Sinne von Merkmal 12.1 angesehen werden. Zwar ist es zutreffend, daß das Gestänge ST, wenn es sich in einer Stellung, wie sie in der als Anlage 7 vorgelegten Zeichnung gezeigt wird, befindet, den Unterrahmen SI/SIRA - neben dem Verbindungsglied GZ1 - daran hindert, unter Schwerkraftwirkung um das Gelenk GZ 2 zu verschwenken, wie dies im zweiten Teil des Merkmals 12.1 ausdrücklich vorgesehen ist.

Dieser Umstand allein stellt jedoch noch nicht die Qualifikation des Verbindungsglieds GZ1 in Frage, einziges Unterstützungsmittel für den Unterrahmen im Sinne der Erfindung zu sein. Das ergibt sich für den Fachmann, auf dessen Sicht es für die Auslegung der technischen Lehre des Klagepatents entscheidend ankommt, wenn er sich erarbeitet, welche technische Funktion dadurch erfüllt wird, daß die Schwenkverbindung zwischen Unterrahmen und Tragrahmen als das einzige Unterstützungsmittel für den Unterrahmen vorgesehen ist. Denn dann gelangt er zu dem Ergebnis, daß unter einem weiteren Unterstützungsmittel, das die erfindungsgemäße Alleinstellung der Schwenkverbindung zwischen Unterrahmen und Tragrahmen aufhebt, allein ein solches Mittel zu verstehen ist, mit dem die Neigung des Unterrahmens selbständig beeinflußt werden kann, indem dieser um das Verbindungsglied zwischen Unterrahmen und Tragrahmen verschwenkt wird, ohne daß die Ursache dafür in einer Longitudinalbewegung des Tragrahmens liegt.

Das erschließt sich dem Fachmann, wenn er die Erfindung gegenüber dem in der Patentschrift erwähnten und beschriebenen Stand der Technik abgrenzt. Bei der aus der WO-A 85 03 652 bekannten Siebvorrichtung ist der Siebkasten 14 einerseits mit einem Gelenk 46 mit dem Chassis der Siebvorrichtung und andererseits über das Gelenk 50 mit einem Hydraulikzylinder 48 verbunden. Allein durch Bewegungen des Hydraulikzylinders 48 kann die Neigung des Siebkastens verstellt werden. Wird hingegen der Hebeförderer 11 durch Bewegen des Hydraulikzylinders 42 in Längsrichtung verstellt, ist dies ohne Einfluß auf die Stellung des Siebkastens. Die zwei seitlichen Lenker 44, die den Hebeförderer 11 mit dem Siebkastens 14 verbinden, dienen allein der Führung des vorderen Endes des Hebeförderers auf einer Kreisbahn um die Achse der siebseitigen Gelenke der Lenker 44, bewegen den Siebkasten aber nicht mit. Gegenüber diesem Stand der Technik ist - entsprechend den Merkmalen 13 und 14 - erfindungsgemäß eine Siebvorrichtung vorgesehen, bei der die Längseinstellung des Tragrahmens unter Einwirkung der mit diesem gekoppelten Antriebseinrichtung allein infolge der direkten Schwenkverbindung zwischen Unter- und Tragrahmen von einer Neigungseinstellung des Unterrahmens begleitet wird.

Ein weiteres Unterstützungsmittel neben der Schwenkverbindung zwischen Unter- und Tragrahmen, mit dem eine Verstellung des Unterrahmens bewirkt werden kann, etwa in Gestalt des Hydraulikzylinders 46 mit dem bei der aus dem Stand der Technik bekannten Vorrichtung der Siebkasten 14 bewegt werden kann, ist hingegen erfindungsgemäß unerwünscht. Denn dadurch könnte die nach Merkmal 14 mit der direkten Schwenkverbindung zwischen Unterrahmen und Tragrahmen angestrebte Neigung des Vibrationssiebes 13 passend zu der in Längsrichtung eingestellten Stellung des Förderers 3 beeinträchtigt werden. Dies soll dadurch verhindert werden, daß in Merkmal 12.1 vorgeschrieben ist, daß das Gestänge bzw. die direkte Schwenkverbindung zwischen dem Unter- und dem Tragrahmen als einziges Unterstützungsmittel für den Unterrahmen dient und diesen daran hindert, unter Schwerkrafteinwirkung um das Gelenk 9 zu verschwenken. Mittel, die die Neigungseinstellung des Unterrahmens nicht bestimmen können, weil sie den Unterrahmen neben dem Gestänge 7 lediglich zusätzlich abstützen, sind also nicht als weiteres, nach Merkmal 12.1 des Klagepatentanspruchs ausgeschlossenes Unterstützungsmittel anzusehen. Nach dem Vorbringen der Parteien im Termin wird das Gestänge ST überdies für die Zeit, in der die Neigung des Unterrahmenen SI/SIRA durch eine Longitudinalbewegung des Tragrahmens HF verändert wird, abmontiert, wirkt dann also auch nicht mehr als Stütze.

Nach alledem führt das Vorhandensein des Gestänges ST die angegriffene Ausführungsform nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents.

Die angegriffene Ausführungsform verfügt zudem über eine "direkte" Schwenkverbindung zwischen dem Unterrahmen und dem Tragrahmen, so wie sie in den Merkmalen 12 und 14 beschrieben ist. Die Beklagte hat demgegenüber eingewandt, daß bei der angegriffenen Ausführungsform zwischen dem Tragrahmen HF und dem Unterrahmen SI das Gestänge SIRA angeordnet sei, weshalb von eine "direkten" Schwenkverbindung nicht vorliege. In dieser Beurteilung kann der Beklagten nicht zugestimmt werden.

Mit der erfindungsgemäßen Vorgabe, daß die Schwenkverbindung eine "direkte" ist, soll erreicht werden, daß sich die Bewegungen des Tragrahmens unmittelbar über die Schwenkverbindung dem Unterrahmen dergestalt mitteilen, daß das Vibrationssieb die nach Merkmal 14 gewünschte Neigung einnimmt. Dafür ist es unerheblich, ob unmittelbar die Träger des Unter- und des Tragrahmens miteinander verbunden sind, oder aber - wie bei der angegriffenen Ausführungsform - die Träger des Tragrahmens mit einem besonderen Gestänge, das seinerseits starr mit den Trägern des Unterrahmens in Verbindung steht. Auch in einem solchen Fall ist eine direkte Schwenkverbindung im Sinne der Erfindung anzunehmen.

III.

1. Da die Beklagte den Gegenstand des Klagepatents rechtswidrig benutzt hat, ist sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG. Der Unterlassungsanspruch umfaßt auch die Benutzungshandlungen des Gebrauchens und des Einführens, weil durch den unstreitigen Umstand, daß die Beklagte die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland anbietet, in Verkehr bringt und zu diesen Zwecken besitzt, auch die Gefahr begründet ist, daß sie diese gebraucht oder zu diesen Zwecken selbst einführt. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer wird zwar regelmäßig allein durch in der Vergangenheit erfolgte patentverletzende Vertriebshandlungen noch nicht die Gefahr begründet, daß zukünftig auch patentverletzende Herstellungshandlungen begangen werden, weil die Bereitstellung von Produktionsmitteln im allgemeinen umfangreicher Vorkehrungen bedarf, was regelmäßig der Vermutung entgegensteht, daß ein in der Vergangenheit nur als Vertreiber in Erscheinung getretener Patentverletzer zukünftig auch als Hersteller auftreten wird. Diese Überlegungen sind jedoch, wenn keine besonderen Umstände vorgetragen werden, nicht auf die anderen in § 9 Nr. 1 PatG genannten Benutzungshandlungen übertragbar.

2. Die Beklagte hat der Klägerin außerdem Schadensersatz zu leisten, § 139 Abs. 2 PatG. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, daß der Patentinhaberin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

3. Außerdem ist die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern zu können, § 242 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

4. Zu einer nach § 148 ZPO möglichen Aussetzung der Verhandlung besteht keine hinreichende Veranlassung. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 - Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 - Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 - Flachdachabläufe) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 - Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, daß das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Nach diesen Grundsätzen ist die Verhandlung hier nicht auszusetzen. Soweit die Streihelferin die von ihr erhobene Nichtigkeitsklage auf eine unzulässige Erweiterung des erteilten Patentanspruchs gegenüber der ursprünglichen Anmeldung stützt, verweist sie zur Begründung lediglich auf einen Vergleich der Wortlaute des ursprünglich angemeldeten Anspruchs 1 mit dem später erteilten Anspruch 1 des Klagepatents. Allein daraus läßt sich eine unzulässige Erweiterung jedoch nicht ableiten, weil der gesamte Offenbarungsgehalt der Anmeldung zu berücksichtigen ist.

Die Streithelferin stützt ihre Nichtigkeitsklage zudem auf die bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigte und ausdrücklich in der Klagepatentschrift erwähnte WO X (Anl. 2). Auch diesem Vorbringen können jedoch nicht die für eine Aussetzung erforderlichen Erfolgsaussichten beigemessen werden. Die Entgegenhaltung nimmt die Erfindung nicht neuheitsschädlich vorweg, weil sie keine direkte Schwenkverbindung zwischen Unter- und Tragrahmen zeigt, aufgrund derer durch die Längseinstellung des Tragrahmens eine Neigungseinstellung des Unterrahmens bewirkt wird, derart, daß das Vibrationssieb eine Neigung einnimmt, die zu der in Längsrichtung eingestellten Stellung des Förderers paßt. Die seitlichen Verbindungen 44 zwischen dem Hebeförderer 11 und dem Siebkasten 14 dienen lediglich der Nachführung des oberen Endes des Hebeförderers, haben aber auf die Neigung des Siebes keinen Einfluß. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht sehr wahrscheinlich, daß das Bundespatentgericht das Klagepatent nicht als erfinderisch ansehen wird.

Die Erfindung wird überdies nicht durch die AT-PS X nahegelgt. Diese zeigt zwar eine Vorrichtung, bei der

das Förderband über ein Gelenk 11 mit dem Siebkasten 12 verbunden ist. Zur Einstellung der Neigung des Siebkastens dient aber eine Zylindereinheit 13. In dem bei dem oberen Förderbandabschnitt 1 der Entgegenhaltung zusätzlich vorgesehenen in Längsrichtung verschiebbare Halter 5 lagert eine mit einem Hydraulikmotor ausgestattete antreibbare Umlenkrolle 4, mit deren Hilfe das Förderband gespannt werden kann (vgl. Anlage K 12, S. 3, Z. 30 ff., Figur 1). Die thoertische Möglichkeit, durch eine Längsverschiebung des Halters 5 die Neigung des Siebkastens zu bestimmen, wird dem Fachmann vor diesem Hintergrund nicht nahegelegt. Zudem ist bei der Entgegenhaltung in Gestalt der Zylinder-Kolbeneinheit 13 ein weiteres Unterstützungsmittel in dem oben erläuterten Sinn von M. 12.1 vorhanden.

Hinsichtlich der weiterhin entgegengehaltenen US-PS X gilt, daß diese keine Siebvorrichtung, sonderen eine ausfahrbare Stütze mobiler Arbeitsmaschinen offenbart. Das damit angesprochene technische Fachgebiet liegt jedoch zu weit von dem der Erfindung entfernt, als daß angenommen werden kann, daß sich der Fachmann, der sich mit der Konstruktion einer Siebvorrichtung beschäftigt, aus der US-amerikanischen Druckschrift Anregungen holt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 400.000,-- DM.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 25.02.1997
Az: 4 O 76/96


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/66cf5f0a4066/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_25-Februar-1997_Az_4-O-76-96




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