Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. September 2006
Aktenzeichen: 23 W (pat) 326/04

(BPatG: Beschluss v. 19.09.2006, Az.: 23 W (pat) 326/04)

Tenor

Das Patent wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 R des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 12. Juni 1998 eingegangene Patentanmeldung das am 20. November 2003 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung "Elektrisches Kontaktelement" (Streitpatent) erteilt.

Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 19. Februar 2004, beim Patentamt als Fax eingegangen am selben Tag, Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent zu widerrufen, weil der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig sei (§ 59 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Der Einspruch stützt sich auf den Stand der Technik nach den Druckschriften:

- DE 197 18 996 C1 (Druckschrift D1) - DE 297 13 960 U1 (Druckschrift D2) - DE 43 24 061 C2 (Druckschrift D3) - DE 44 02 002 A1 (Druckschrift D4) und - DE 295 02 779 U1 (Druckschrift D5), von denen die Druckschriften D1 und D5 auch bereits im Prüfungsverfahren zum Stand der Technik in Betracht gezogen worden sind.

Die Einsprechende vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D2 jeweils nicht neu sei bzw. gegenüber dem Stand der Technik nach Druckschrift D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, wenn er dahingehend eingeschränkt interpretiert werde, dass die Wände des Kontaktkörpers jeweils eine der Federzungen des weiteren, unter einem rechten Winkel zum ersten Buchsenkontaktbereich angeordneten Buchsenkontaktbereichs tragen. Die Ausbildung eines einteiligen, im Wesentlichen kastenförmigen Kontaktelements sei dem Fachmann auch durch die Druckschrift D3 nahegelegt.

Hinsichtlich des nebengeordneten Patentanspruchs 7 verweist die Einsprechende auf die Druckschriften D1 und D2, aus denen jeweils die Verwendung eines elektrischen Kontaktelements in einer modularen Busverbindung bekannt sei. Darüber hinaus sei auch aus Druckschrift D4 eine modulare Busverbindung bekannt, bei der die einzelnen Kontaktelemente jeweils einen Messerkontakt und einen korrespondierenden Buchsenkontakt aufwiesen. Somit seien auch im unabhängigen Patentanspruch 7 keine Merkmale enthalten, die eine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.

Die untergeordneten Patentansprüche enthielten lediglich einfache konstruktive Maßnahmen und hätten somit nichts zum Inhalt, was auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2004 beantragt, das Streitpatent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten, weil der Gegenstand der Erfindung durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik weder neuheitsschädlich getroffen noch nahegelegt sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2006 hat die Patentinhaberin das Streitpatent unverändert mit den erteilten Unterlagen, hilfsweise mit in der Verhandlung vorgelegten Patentansprüchen 1 nach Hilfsantrag 1 bzw. 2 verteidigt und die Auffassung vertreten, dass die Gegenstände der nebengeordneten erteilten Patentansprüche 1 und 7, zumindest jedoch diejenigen der Patentansprüche 1 nach Hilfsantrag 1 bzw. 2 durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen seien.

Die Einsprechende hat in der in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unzulässig erweitert sei und dass die Gegenstände der nebengeordneten erteilten Patentansprüche 1 und 7 und der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik neuheitsschädlich getroffen bzw. nahegelegt seien.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.

Hilfsweise stellt sie den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, weiter hilfsweise Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2006, Beschreibung und Zeichnung, Figuren 1 bis 9, gemäß Patentschrift.

Die erteilten nebengeordneten Patentansprüche 1 und 7 lauten (nach Berichtigung eines grammatikalischen Fehlers im Patentanspruch 1 und eines falschen Bezugszeichens im Patentanspruch 7):

"1. Elektrisches Kontaktelement bestehend aus einem Messerkontaktbereich (2) zur Verbindung mit einem komplementären Kontaktelement und aus mindestens zwei Buchsenkontaktbereichen (3, 4, 5) zur Verbindung mit weiteren komplementären Kontaktelementen, wobei ein erster Buchsenkontaktbereich (3), der passend zum Messerkontaktbereich (2) ausgebildet ist, auf einer Linie mit dem Messerkontaktbereich (2) angeordnet ist, die weiteren Buchsenkontaktbereiche (4, 5)unter einem rechten Winkel zum ersten Buchsenkontaktbereich (3) angeordnet sind, die Buchsenkontaktbereiche (3, 4, 5) jeweils eine erste Federzunge (6) und eine zweite Federzunge (7) aufweisen, die bereichsweise federnd parallel zueinander gebogen durch Stanzen und Biegen aus einem Metallblechteil ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Messerkontaktbereich (2) und die Buchsenkontaktbereiche (3, 4, 5) mit einem Kontaktkörper (8) verbunden sind, welcher zwei gegenüberliegend parallel angeordnete Wände (9, 10) aufweist, die jeweils eine der Federzungen (6, 7) der Buchsenkontaktbereiche (3, 4, 5) tragen.

7. Verwendung eines elektrisches Kontaktelements nach einem der Ansprüche 1 bis 6 in einer modularen Busverbindung, im Wesentlichen bestehend aus einer Vielzahl von mit Längsseiten nebeneinander angeordneten Kontaktaufnahmegehäusen, die auf einer ersten Längsseite die Messerkontaktbereiche (2) des elektrischen Kontaktelements aufnehmen und die auf der gegenüberliegenden zweiten Längsseite die auf einer Linie mit den Messerkontaktbereichen (2) angeordneten ersten Buchsenkontaktbereiche (3) des elektrischen Kontaktelements aufnehmen, derart, dass die Kontaktaufnahmegehäuse eine durchkontaktierte Busverbindung von Kontaktelement zu Kontaktelement bilden, wobei jedes Kontaktelement weitere Buchsenkontaktbereiche (4, 5) aufweist, die im Kontaktaufnahmegehäuse parallel zur Längsseite des Kontaktaufnahmegehäuses und senkrecht zum ersten Buchsenkontaktbereich (3) von der Busverbindung abzweigend angeordnet sind."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom erteilten Patentanspruch 1 durch die Einfügung "in Form einer ersten und einer zweiten Wand" im Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1 "welcher zwei gegenüberliegend parallel angeordnete Wände (9, 10) aufweist" vor dem Wort "aufweist".

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 enthält neben sämtlichen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs zusätzlich das letzte Merkmal "wobei die zweite Federzunge (7) des ersten Buchsenkontaktbereichs (3) über eine zusätzliche Seitenwand (15) des Kontaktkörpers (8) mit der ersten Federzunge (6) des ersten Buchsenkontaktbereichs (3) verbunden ist.

Hinsichtlich der erteilten Unteransprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Januar 2005 eingelegt worden ist.

III.

Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Der Einspruch ist jedoch nicht begründet, denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sind die Gegenstände der nebengeordneten erteilten Patentansprüche 1 und 7 durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen.

1. Zulässigkeit des Einspruchs Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin zwar nicht in Frage gestellt worden. Jedoch haben Patentamt und Gericht auch ohne Antrag der Patentinhaberin die Zulässigkeit des Einspruchs in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu überprüfen (vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59, Rdn. 145), da ein unzulässiger - einziger - Einspruch zur Beendigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents führt (vgl. hierzu Schulte, PatG, 7. Auflage, § 61, Rdn. 24; BGH GRUR 1987, 513, II.1. - "Streichgarn").

Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestehen im vorliegenden Fall aber insofern keine Bedenken, als die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist u. a. gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 den Widerrufsgrund der mangelnden Neuheit - d. h. der fehlenden Patentfähigkeit - geltend gemacht und die Tatsachen im Einzelnen angegeben hat, die den Einspruch rechtfertigen (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), indem sie im Einspruchsschriftsatz den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Stand der Technik nach der Druckschrift D1 und sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents hergestellt hat (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li. Sp., Abs. 1 - "Epoxidation"; Mitt. 2004, 18, Amtlicher Leitsatz - "Automatisches Fahrzeuggetriebe"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 77 bis 82). Ob die dabei vorgetragenen Tatsachen den Widerruf des Patents auch tatsächlich rechtfertigen, ist nicht bei der Zulässigkeit, sondern bei der Begründetheit des Einspruchs zu prüfen (vgl. BGH BlPMZ 1987, 203, 204, li. Sp., vorle. Abs. - "Streichgarn"; BlPMZ 1985, 142, Leitsatz - "Sicherheitsvorrichtung"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 84).

2. Zulässigkeit der erteilten Patentansprüche Im Einspruchsverfahren ist die Zulässigkeit der Patentansprüche von Amts wegen auch dann zu überprüfen, wenn von der Einsprechenden der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung - wie vorliegend - nicht geltend gemacht worden ist (vgl. hierzu BGH Mitt. 1995, 243, Leitsatz 2 - "Aluminium-Trihydroxid").

Gegen die Zulässigkeit der erteilten Patentansprüche 1 bis 7 des Streitpatents gibt es jedoch keine Bedenken.

Im erteilten Patentanspruch 1 sind nämlich die Merkmale der ursprünglichen Patentansprüche 1 bis 4 vereinigt, während die erteilten Unteransprüche 2 bis 6 inhaltlich - in dieser Reihenfolge - den ursprünglichen Patentansprüchen 5 bis 9 entsprechen und der nebengeordnete erteilte Patentanspruch 7 inhaltlich mit dem ursprünglichen Patentanspruch 10 identisch ist.

3. Patentgegenstand Gemäß der Streitpatentschrift (vgl. Abschnitt [0003]) wird im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 von einem elektrischen Kontaktelement ausgegangen, wie es aus der Druckschrift D1 bekannt ist (vgl. dort das elektrische Kontaktelement (Kontaktmittel 6) mit dem Messerkontaktbereich (vorderer Buskontakt 9), dem passend zu dem Messerkontaktbereich (9) ausgebildeten, auf einer Linie mit diesem angeordneten ersten Buchsenkontaktbereich (hinterer Buskontakt 10), dem zum ersten Buchsenkontaktbereich (10) unter einem rechten Winkel angeordneten weiteren Buchsenkontaktbereich (Leiterplattenkontakt 8) sowie den durch Stanzen und Biegen aus einem Metallblechteil ausgebildeten, bereichsweise federnd parallel zueinander gebogenen ersten und zweiten Federzungen der beiden Buchsenkontaktbereiche (8 und 10) im Anspruch 1 i. V. m. den Figuren 2 bis 4 nebst zugehöriger Beschreibung).

Bei diesem bekannten gattungsgemäßen elektrischen Kontaktelement sieht die Patentinhaberin den rechtwinklig abgebogenen weiteren Buchsenkontaktbereich direkt an den Messerkontaktbereich angeschlossen, wobei die Verbindung über einen kleinen Steg erfolge, der auch als Biegeachse fungiere (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0003], letzter Satz).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein elektrisches Kontaktelement anzugeben, das möglichst einfach hergestellt werden kann und für die Verteilung von elektrischen Signalen in einer modularen Busverbindung eingesetzt werden kann (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0004]).

Diese Aufgabe wird mit dem elektrischen Kontaktelement nach dem erteilten Patentanspruch 1 gelöst.

Denn das elektrische Kontaktelement nach dem erteilten Patentanspruch 1 ermöglicht - insoweit entsprechend dem Stand der Technik nach Druckschrift D1 (vgl. Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung) bzw. Druckschrift D2 (vgl. Figuren 1 bis 3 und 15 mit Beschreibung) - einen Einsatz für die Verteilung von elektrischen Signalen in einer modularen Busverbindung dadurch, dass es einen Messerkontaktbereich (2) und einen ersten Buchsenkontaktbereich (3) aufweist, der passend zum Messerkontaktbereich (2) ausgebildet und auf einer Linie mit dem Messerkontaktbereich (2) angeordnet ist, so dass der Messerkontaktbereich (2) in den Buchsenkontaktbereich (3) eines komplementären Kontaktelements einsteckbar ist und der erste Buchsenkontaktbereich (3) den Messerkontaktbereich (2) eines weiteren komplementären Kontaktelements aufnehmen kann. Auf diese Weise ist eine dem jeweiligen Bedarf entsprechende Anzahl elektrischer Kontaktelemente zu einem durchgehenden modularen Bus verbindbar. Der auf eine einfache Herstellbarkeit des elektrischen Kontaktelements gerichtete Teil der Aufgabe wird dadurch gelöst, dass der Kontaktkörper (8) zwei gegenüberliegend parallel angeordnete Wände (9, 10) aufweist, die jeweils eine der Federzungen (6, 7) der Buchsenkontaktbereiche (3, 4, 5) tragen. Dadurch vereinfacht sich nämlich die Herstellung der weiteren Buchsenkontaktbereiche (4, 5) gegenüber dem Stand der Technik nach Druckschrift D1, bei dem zur Herstellung des - einzigen - weiteren Buchsenkontaktbereichs (8) ein über einen Steg (24) mit einer Wand (Schenkel 22) des doppelwandigen (Schenkel 21 und 22) Messerkontaktbereichs (9) verbundenes Stanzteil mehrfach gebogen werden muss (vgl. die dortigen Figuren 2 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung). Dadurch, dass zwei gegenüberliegend parallele Wände (9, 10) des Kontaktelements jeweils eine der Federzungen (6, 7) sämtlicher Buchsenkontaktbereiche (3, 4, 5) tragen, ist zudem die Übertragung möglichst hoher Leistungen (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0005]) und eine besondere Stabilität sämtlicher Buchsenkontaktbereiche erzielbar (vgl. Schriftsatz vom 11. August 2005, Seite 4, Abschnitt "2. Lehre des Streitpatents").

Das letzte Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents, wonach zwei einander gegenüberliegend parallel angeordnete Wände (9, 10) des Kontaktkörpers (3) jeweils eine der Federzungen (6, 7) der - d. h. sämtlicher - Buchsenkontaktbereiche (3, 4, 5) tragen, besagt eindeutig, dass jede der zwei parallelen Wände (9, 10) jeweils eine von zwei Federzungen (6, 7) (vgl. hierzu das entsprechende Merkmal im Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1) eines jeden der Buchsenkontaktbereiche (3, 4, 5) tragen. Soweit die Einsprechende einen Widerspruch zwischen diesem Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1 und Ausführungsbeispielen - beispielsweise denjenigen nach den Figuren 2 und 6 - sieht und das betreffende Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1 entsprechend umzudeuten versucht, kann dem insofern nicht gefolgt werden, als bei Abweichungen zwischen Patentanspruch und Beschreibung eines Patents der Wortlaut des Patentanspruchs vorgeht, zumal das betreffende Merkmal des Patentanspruchs 1 hier zudem aus sich heraus klar - d. h. nicht auslegungsbedürftig - ist.

4. Patentfähigkeit Das - zweifelsohne gewerblich anwendbare - elektrische Kontaktelement nach dem erteilten Patentanspruch 1 und die durch den erteilten Patentanspruch 7 gelehrte Verwendung eines elektrischen Kontaktelements nach einem der Ansprüche 1 bis 6 sind gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruhen diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung und Herstellung von elektrischen Kontaktelementen für modulare Busverbindungen befasster, berufserfahrener Elektroingenieur mit Fachhochschulausbildung zu definieren ist.

A. Patentanspruch 1 a) Der erteilte Patentanspruch 1 des Streitpatents ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu.

Die Druckschrift D1 offenbart ein elektrisches Kontaktelement, das nicht nur - unbestritten - sämtliche Merkmale nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweist, sondern darüber hinaus auch bereits die Merkmale nach dessen kennzeichnendem Teil enthält, wonach:

- der Messerkontaktbereich (9) und die Buchsenkontaktbereiche (8 und 10) mit einem Kontaktkörper (ohne Bezugszeichen) verbunden sind,

- welcher zwei gegenüberliegend parallel angeordnete Wände aufweist (siehe die zwei Schenkel 21 und 22 des Messerkontaktbereichs (10),

- die jeweils eine der Federzungen des mit dem Messerkontaktbereich (9) auf einer Linie angeordneten ersten Buchsenkontaktbereichs (10) tragen

(vgl. hierzu die Figuren 2 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung).

Dazu ist zu bemerken, dass durch den Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht ausgeschlossen ist, dass besagter Kontaktkörper - insoweit entsprechend dem Stand der Technik nach Druckschrift D1 (vgl. dort in Fig. 4 die sich unterhalb des weiteren Buchsenkontaktbereichs 8 erstreckende Verlängerung des Messerkontaktbereichs 9) - als Verlängerung des Messerkontaktbereichs - d. h. wie dieser ausgebildet ist, zumal gemäß Druckschrift D1 besagter Verlängerung keine Messerkontakt-Funktion zukommt, da der erste Buchsenkontaktbereich (10) so kurz ist, dass er nicht einmal den gesamten Messerkontaktbereich (9) ohne die Verlängerung aufzunehmen vermag (vgl. Fig. 4). Von daher ist die Verlängerung ersichtlich kein Bestandteil des Messerkontaktbereichs (9), sondern ein Kontaktkörper im Sinne des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents, mit dem der Messerkontaktbereich (9) und die Buchsenkontaktbereiche (8, 10) verbunden sind.

Nach alledem unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents von dem in der Druckschrift D1 offenbarten Kontaktelement noch dadurch, dass bei ihm die zwei parallelen Wände (9, 10) des Kontaktkörpers (8) jeweils eine der Federzungen der (also sämtlicher) Buchsenkontaktbereiche tragen, wohingegen beim Stand der Technik nach Druckschrift D1 die zwei Wände (21, 22) des Kontaktkörpers zwar ebenfalls jeweils eine der Federzungen des ersten Buchsenkontaktbereichs (10) tragen, die beiden Federzungen (16, 17) des weiteren Buchsenkontaktbereichs (8) jedoch gemeinsam von einer Wand (22) des Kontaktkörpers getragen werden (vgl. die Figuren 2 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung).

Die Druckschrift D2 offenbart ein elektrisches Kontaktelement, das folgende Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents zeigt (vgl. Fig. 15 mit zugehöriger Beschreibung auf Seite 13, letzter Absatz bis Seite 14, Absatz 2):

- einen Messerkontaktbereich (Buskontakt 6a) zur Verbindung mit einem komplementären Kontaktelement (vgl. Fig. 15 i. V. m. Fig. 3) und - zwei Buchsenkontaktbereiche (Buskontakt 6b, Leiterplattenkontakt 55) zur Verbindung mit weiteren komplementären Kontaktelementen (vgl. die Figuren 3 und 15),

- wobei ein erster Buchsenkontaktbereich (Buskontakt 6b), der passend zum Messerkontaktbereich (Buskontakt 6a) ausgebildet ist, auf einer Linie mit dem Messerkontaktbereich (Buskontakt 6a) angeordnet ist (vgl. Fig. 15),

- der weitere Buchsenkontaktbereich (Leiterplattenkontakt 55) unter einem rechten Winkel zum ersten Buchsenkontaktbereich (Buskontakt 6b) angeordnet ist (vgl. Fig. 15),

- die Buchsenkontaktbereiche (Buskontakt 6b, Leiterplattenkontakt 55) jeweils eine erste Federzunge und eine zweite Federzunge (ohne Bezugszeichen) aufweisen, die bereichsweise federnd parallel zueinander gebogen durch Stanzen und Biegen aus einem Metallblechteil ausgebildet sind (vgl. Fig. 15 i. V. m. Seite 14, Absatz 2, Zeilen 9 bis 12),

- der Messerkontaktbereich (Buskontakt 6a) und die Buchsenkontaktbereiche (Buskontakt 6b, Leiterplattenkontakt 55) mit einem Kontaktkörper (ohne Bezugszeichen) verbunden sind (vgl. Fig. 15)

- und der Kontaktkörper zwei gegenüberliegend parallel angeordnete Wände (ohne Bezugszeichen) aufweist, die jeweils eine der Federzungen des ersten Buchsenkontaktbereichs (Buskontakt 6b) tragen (vgl. Fig. 15).

Damit weist der Stand der Technik nach Druckschrift D2 die gleichen Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents wie derjenige nach Druckschrift D1 auf, wobei sich bei ihm der Kontaktkörper aufgrund seiner andersartigen Ausbildung vom Messerkontaktbereich (Buskontakt 6a) noch deutlicher abhebt (vgl. Fig. 15).

Mithin unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents auch vom Stand der Technik nach Druckschrift D2 noch dadurch, dass bei ihm die zwei Wände (9, 10) des Kontaktkörpers (8) jeweils eine der Federzungen (6, 7) sämtlicher Buchsenkontaktbereiche (3, 4, 5) tragen, wohingegen gemäß Druckschrift D2 die zwei parallelen Wände des Kontaktkörpers nur jeweils eine der Federzungen des ersten Buchsenkontaktbereichs (Buskontakt 6b) tragen, während die beiden Federzungen des weiteren Buchsenkontaktbereichs (Leiterplattenkontakt 55) gemeinsam von einer Wand des Kontaktkörpers getragen werden (vgl. Fig. 15).

Die von der Einsprechenden nicht in Frage gestellte Neuheit des Gegenstands des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften D3 bis D5 ergibt sich implizit aus den nachfolgenden diesbezüglichen Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit.

b) Der im Verfahren befindliche Stand der Technik vermag dem vorstehend definierten zuständigen Durchschnittsfachmann den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents weder einzeln noch in einer Zusammenschau nahezulegen.

Die Druckschriften D1 und D2 führen den Fachmann insofern vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents weg, als danach einerseits - insoweit entsprechend der Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents - zwei gegenüberliegend parallel angeordnete Wände des Kontaktkörpers auch bereits jeweils eine der Federzungen des ersten Buchsenkontaktbereichs tragen, andererseits jedoch die beiden Federzungen des weiteren Buchsenkontaktbereichs bewusst jeweils gemeinsam von einer Wand des Kontaktkörpers getragen werden (vgl. Druckschrift D1, Figuren 2 bis 4 bzw. Druckschrift D2, Fig. 15). Insoweit liegt hier beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents eine Abkehr von eingefahrenen Wegen vor (vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage, § 4 Rdn. 69), wobei es das Verdienst der Patentinhaberin ist (vgl. Schriftsatz vom 11. August 2005, Seite 5, Abschnitt "2. Lehre des Streitpatents" bzw. Streitpatentschrift, Abschnitt [0005]), erstmals die Nachteile der in den Druckschriften D1 und D2 vorgesehenen Anordnung beider Federzungen des weiteren Buchsenkontaktbereichs an einer Wand des Kontaktkörpers erkannt zu haben (vgl. hierzu auch BGH BlPMZ 1985, 274, 275, li. Sp. vorl. Abs. - "Körperstativ"). Soweit die Einsprechende geltend macht, dass der Fachmann den weiteren Buchsenkontaktbereich beim Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D2 im Bedarfsfall ebenfalls - insoweit entsprechend den Ausführungsbeispielen nach den Figuren 1, 2 und 6 bis 9 des Streitpatents - um 90¡ drehen und dessen eine Federzunge dabei mit der einen Wand und die andere Federzunge mit der anderen Wand des Kontaktkörpers verbinden könnte, beruht dies auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise in Kenntnis der Erfindung. Eine Anregung hierzu kann der Fachmann durch die Druckschriften D1 und D2 ohne Kenntnis der Erfindung nämlich insofern nicht erhalten, als die Drehung des weiteren Buchsenkontaktbereichs um 90¡ ersichtlich durch den dortigen - ein und denselben - Anwendungsfall erzwungen und daher unverzichtbar ist (vgl. Druckschrift D1, Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung bzw. Druckschrift D2, Figuren 1 bis 3 nebst Beschreibung). Folglich hat der Fachmann aufgrund des Offenbarungsgehalts der Druckschriften D1 und D2 keinerlei Veranlassung, bei den daraus bekannten elektrischen Kontaktelementen zusätzlich auch die beiden Federzungen des weiteren Buchsenkontaktbereichs von je einer der zwei parallelen Wände des Kontaktkörpers tragen zu lassen, wie dies der Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents entspricht.

Eine Anregung hierzu kann der Fachmann indessen auch nicht bei Einbeziehung der Druckschriften D3 bis D5 erhalten, da keine dieser Druckschriften ein elektrisches Kontaktelement offenbart, das neben einem Messerkontaktbereich und einem ersten Buchsenkontakt zumindest einen weiteren Buchsenkontakt im Sinne des Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweist (vgl. Druckschrift D3, Fig. 3 mit zugehöriger Beschreibung, Druckschrift D4, Figuren 3, 5 und 7 nebst zugehöriger Beschreibung bzw. Druckschrift D5, Fig. 1 mit Beschreibung). Demnach kann der Fachmann auch durch die Druckschriften D3 bis D5 unmöglich zu dem letzten Merkmal nach dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 des Streitpatents angeregt werden, wonach zwei gegenüberliegend parallel angeordnete Wände des Kontaktkörpers jeweils eine der Federzungen der - d. h. auch der weiteren - Buchsenkontaktbereiche tragen.

Das elektrische Kontaktelement nach dem Patentanspruch 1 des Streitpatents ist demnach patentfähig.

B. Patentanspruch 7 Der auf eine Verwendung eines elektrischen Kotaktelements nach einem der Ansprüche 1 bis 6 gerichtete nebengeordnete erteilte Patentanspruch 7 des Streitpatents ist durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik ebenfalls nicht patenthindernd getroffen.

Der Einsprechenden kann zwar dahingehend gefolgt werden, dass die Druckschriften D1 und D2 jeweils die Verwendung der daraus bekannten elektrischen Kontaktelemente in einer modularen Busverbindung vorschlagen, bei der der Messerkontaktbereich des jeweiligen Kontaktelements jeweils in den ersten Buchsenkontaktbereich eines benachbarten Kontaktelements derart eingreift, dass die elektrischen Kontaktelemente eine durchkontaktierte Busverbindung von Kontaktelement zu Kontaktelement bilden, die aus einer Vielzahl mit Längsseiten nebeneinander angeordneter Kontaktaufnahmegehäuse besteht, die auf einer ersten Längsseite die Messerkontaktbereiche und auf der gegenüberliegenden zweiten Längsseite die mit den Messerkontaktbereichen auf einer Linie angeordneten ersten Buchsenkontaktbereiche des jeweiligen elektrischen Kontaktelements aufnehmen, derart, dass die Kontaktaufnahmegehäuse eine durchkontaktierte Busverbindung von Kontaktelement bilden, wobei jedes Kontaktelement einen weiteren Buchsenkontaktbereich aufweist, der im Kontaktaufnahmegehäuse parallel zur Längsseite des Kontaktaufnahmegehäuses und senkrecht zum ersten Buchsenkontaktbereich von der Busverbindung abzweigend angeordnet ist (vgl. Druckschrift D1, Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 nebst zugehöriger Beschreibung bzw. Druckschrift D2, Anspruch 1 i. V. .m den Figuren 1 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung). Auch ist aus Druckschrift D4 eine modulare Busverbindung bekannt, bei der die einzelnen Kontaktelemente jeweils einen Messerkontakt und einen korrespondierenden Buchsenkontakt aufwiesen (vgl. die Ansprüche 1 und 3 bis 5 i. V. m. den Figuren 3, 5 und 7 mit zugehöriger Beschreibung). Da jedoch der erteilte Patentanspruch 7 des Streitpatents auf die Verwendung eines elektrischen Kontaktelements nach einem der Patentansprüche 1 bis 6 gerichtet ist, wird dessen Patentfähigkeit von derjenigen des elektrischen Kontaktelements nach dem erteilten Patentanspruch 1 des Streitpatents mitgetragen.

6. Unteransprüche An den Patentanspruch 1 des Streitpatents können sich die darauf direkt oder indirekt zurückbezogenen erteilten Unteransprüche 2 bis 6 anschließen, die vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsarten des Gegenstands des Patentanspruchs 1 betreffen.

7. Beschreibung In der Beschreibung der Streitpatentschrift ist der maßgebliche Stand der Technik angegeben, von dem die Erfindung ausgeht, und das beanspruchte elektrische Kontaktelement anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.

Bei dieser Sachlage war das Streitpatent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.






BPatG:
Beschluss v. 19.09.2006
Az: 23 W (pat) 326/04


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