Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. März 2007
Aktenzeichen: 6 W (pat) 353/03

(BPatG: Beschluss v. 06.03.2007, Az.: 6 W (pat) 353/03)

Tenor

Das Patent P 43 22 578 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das am 8. Mai 2003 veröffentlichte Patent DE 43 22 578 mit der Bezeichnung "Kupplungsscheibe" ist am 8. August 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu und beruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende auf folgende Druckschriften:

DE 79 34 135 U1 und DE 32 48 119 A1.

Die Einsprechende beantragt, das Patent DE 43 22 578 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin legt in der mündlichen Verhandlung einen neuen Anspruch 1 vor und beantragt, das Patent mit den erteilten Ansprüchen aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit dem in der Verhandlung vorgelegten Anspruch 1 und den erteilten Ansprüchen 2 bis 20, Beschreibung und Figuren gemäß Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten bzw. neuen Anspruchs 1 und des nebengeordneten Anspruchs 21 sowohl neu als auch erfinderisch sei.

Im Prüfungsverfahren wurden noch folgende Druckschriften berücksichtigt:

DE 41 17 582 A1 DE 41 15 579 A1 DE 40 23 836 A1 DE 39 21 283 A1 DE 32 48 119 A1 DE 29 51 573 A1.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Kupplungsscheibe, insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einem mit Innenprofil zum Aufsetzen auf einer Getriebeeingangswelle versehenen Nabenteil, das weiterhin ein Außenprofil aufweist, welches mit einem Innenprofil eines auf diesem aufgenommenen Scheibenteiles in Eingriff steht und über diese Profile zwischen Scheibenteil und Nabenteil eine geringe, begrenzte Kippbewegung sowie eine begrenzte radiale Verlagerbarkeit ermöglicht ist, das Scheibenteil radial außen Reibbeläge trägt und zwischen dem Nabenteil und dem Scheibenteil eine diese beiden Teile in eine konzentrische Lage drängende Vorkehrung angeordnet ist."

Der erteilte, nebengeordnete Anspruch 21 lautet:

"Verwendung einer Kupplungsscheibe nach wenigstens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Kupplungsscheibe zwischen einer Druckplatte und Gegendruckplatte einer Reibungskupplung einspannbar ist, die auf der mit einem Getriebe verbindbaren Sekundärschwungmasse eines Zweimassenschwungrades mit Torsionsdämpfer vorgesehen ist."

Wegen der auf den erteilten Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 20 sowie des in der Verhandlung vorgelegten Anspruchs 1 und auch wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und § 17 Abs. 1 GVG entsprechend zuständig.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Die erteilten Ansprüche 1 bis 21 sind zulässig, da sie sich aus den ursprünglichen Ansprüchen ergeben.

Die Zulässigkeit der erteilten Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.

b. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Kupplungsscheibe nach dem geltenden Anspruch 1 ist neu, da keine der genannten Druckschriften sämtliche im Anspruch 1 enthaltenen Merkmale zeigt.

Aus der DE 79 34 135 U1 ist bekannt eine Kupplungsscheibe, insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einem mit Innenprofil zum Aufsetzen auf einer Getriebeeingangswelle versehenen Nabenteil 18, das weiterhin ein Außenprofil 23 aufweist, welches mit einem Innenprofil 24 eines auf diesem aufgenommenen Scheibenteiles 19 in Eingriff steht (vgl. Fig. 1 bis 3 und 7 sowie S. 12, Abs. 3).

Die übrigen Merkmale des Anspruchs 1 sind dort nicht verwirklicht. So ist bei der Kupplungsscheibe nach der DE 79 34 135 U1 zwar zwischen den Zähnungen 23 und 24 ein begrenztes Winkelspiel gegeben (vgl. S. 12, Abs. 3, letzten 2 Zeilen), erfindungsgemäß soll aber kein Winkelspiel sondernzwischen Scheibenteil und Nabenteil eine geringe, begrenzte Kippbewegung sowie eine begrenzte radiale Verlagerbarkeit ermöglicht werden.

Ein Winkelspiel - wie es in der DE 79 34 135 U1 verwirklicht ist - erlaubt eine gegenseitige Verdrehbewegung zwischen dem Scheibenteil und dem Nabenteil, nicht aber eine Kippbewegung sowie eine radiale Verlagerbarkeit.

Weiterhin ist in der DE 79 34 135 U1 keine Vorkehrung angeordnet, welche Nabenteil und Scheibenteil in eine konzentrische Lage drängt, d. h. dafür sorgt, dass Nabenteil und Scheibenteil auf einen gemeinsamen Mittelpunkt zentriert werden. Die in der DE 79 34 135 U1 vorgesehene Vorkehrung, bestehend aus den elastisch verformbaren Klauen 26, sorgt vielmehr dafür, dass das Scheibenteil in axialer Richtung (vgl. den Pfeil F1 in Fig. 2) an einem Positionieranschlag zur Anlage gelangt (vgl. S. 14, Abs. 5). Eine konzentrische Ausrichtung kann durch die Klauen 26 schon deshalb nicht erfolgen, da diese aufgrund ihrer konstruktiven Ausgestaltung keine nennenswerten, in radialer Richtung wirkenden Kräfte erzeugen, welche eine radiale Zentrierung von Nabenteil und Scheibenteil bewirken könnten.

Der diesbezügliche Vortrag der Einsprechenden, wonach der Fachmann - ein mit der Konstruktion von Kupplungen befasster Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Erfahrung auf diesem Gebiet - in der DE 79 34 135 U1 aufgrund der Fig. 2 und 3 und der dort gezeigten Darstellung eine radiale Zentrierung von Nabenteil und Scheibenteil automatisch mitliest, wird durch die Beschreibung nicht gedeckt, da dort ausschließlich von einer axialen Ausrichtung (vgl. z. B. S. 12, letzter Abs.), nicht aber von einer radialen Ausrichtung der fraglichen Teile die Rede ist. Auch würde der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung nicht auf die Idee kommen, den Klauen 26 nach der DE 79 34 135 U1 eine in radialer Richtung wirksame Kraftkomponente zuzuordnen, da er weiß, dass eine Feder in der dargestellten Form keine verwertbaren Kräfte in radialer Richtung hervorrufen kann.

Die Neuheit gegenüber den übrigen Druckschriften ist nicht angezweifelt worden, sie ist auch gegeben, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen.

c. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Kupplungsscheibe gemäß dem erteilten Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits beim Neuheitsvergleich ausgeführt, offenbart die DE 79 34 135 U1 eine Kupplungsscheibe, insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einem mit Innenprofil zum Aufsetzen auf einer Getriebeeingangswelle versehenen Nabenteil 18, das weiterhin ein Außenprofil 23 aufweist, welches mit einem Innenprofil 24 eines auf diesem aufgenommenen Scheibenteiles 19 in Eingriff steht. Weitergehende und im hier vorliegenden Fall relevanten Merkmale sind dort nicht zu entnehmen.

Denn bei dieser Kupplungsscheibe erfährt das Scheibenteil 19 eine Zentrierung in axialer Richtung (vgl. S. 8, Abs. 4). Kippbewegungen bzw. radiale Verlagerungen des Scheibenteils 19 sind in dieser Druckschrift nicht angesprochen und es ist auch den Figuren kein in diese Richtung gehender Hinweis zu entnehmen. Insoweit kann es dahinstehen, inwieweit der Vortrag der Einsprechenden zutrifft, dass durch das bei der Bezugslinie zur Position 24 in Fig. 2 gezeigte Spiel zwischen den Verzahnungen 23 und 24 eine Kippbewegung und radiale Verlagerbarkeit des Scheibenteils ermöglicht würde. Ein solches Spiel ist vielmehr für eine einwandfreie und verschleißfreie Funktion von miteinander kämmenden Verzahnungen unumgänglich.

Somit kann von der DE 79 34 135 U1 keine Anregung dahingehend ausgehen, zwischen Scheibenteil und Nabenteil eine geringe, begrenzte Kippbewegung sowie eine begrenzte radiale Verlagerbarkeit zuzulassen und eine zwischen Nabenteil und Scheibenteil eine diese beiden Teile in eine konzentrische Lage drängende Vorkehrung anzuordnen.

Eine solche Anregung vermag auch der übrige Stand der Technik nicht zu geben.

Die DE 32 48 119 A1 erläutert eine Kupplungsscheibe, insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einem mit Innenprofil zum Aufsetzen auf einer Getriebeeingangswelle versehenen Nabenteil 2, das drehfest mit einem Scheibenteil 3 verbunden ist (vgl. S. 14, Z. 14 bis 15). Weiterhin ist dort eine Belagträgerscheibe 4 vorgesehen, welche entgegen der Wirkung von Kraftspeichern 8 relativ zu dem Scheibenteil 3 verdrehbar angeordnet ist. Wie im Einzelnen in dem die Seiten 15 und 16 übergreifenden Absatz erläutert wird, ist außerdem eine die Belagträgerscheibe 4 und die Nabe 2 in eine konzentrische Lage drängende Vorkehrung getroffen, welche eine Zentrierung der Belagträgerscheibe 4 relativ zu der Nabe 2 in radialer Richtung bewirkt.

Die Kupplungsscheibe nach dem Streitpatent unterscheidet sich hiervon dadurch, dassdas Nabenteil ein Außenprofil aufweist, welches mit einem Innenprofil eines auf diesem aufgenommenen Scheibenteiles in Eingriff steht und über diese Profile zwischen Scheibenteil und Nabenteil eine geringe, begrenzte Kippbewegung sowie eine begrenzte radiale Verlagerbarkeit ermöglicht ist, das Scheibenteil radial außen Reibbeläge trägt und zwischen dem Nabenteil und dem Scheibenteil eine diese beiden Teile in eine konzentrische Lage drängende Vorkehrung angeordnet ist.

Zusätzlich betrifft die DE 32 48 119 A1 eine grundsätzlich andere Bauart von Kupplungen, da dort ein integrierter Schwingungsdämpfer in Form von Kraftspeichern 8 vorgesehen ist, während die Kupplungen sowohl nach der Erfindung als auch nach der DE 79 34 135 U1 ohne einen integrierten Schwingungsdämpfer arbeiten. Darüber hinaus sind gemäß der Erfindung die Reibbeläge an dem mit der Nabe verbundenen Scheibenteil befestigt, welches über zugeordnete Profile 3, 5 derart an der Nabe 2 gelagert ist, dass eine geringe, begrenzte Kippbewegung sowie eine begrenzte radiale Verlagerbarkeit ermöglicht ist. Bei der Kupplungsscheibe nach der DE 32 48 119 A1 dagegen ist ein separater Reibbelagträger 4 vorgesehen, welcher über die Kraftspeicher 8 mit dem drehfest auf dem Nabenteil 2 gelagerten Scheibenteil 3 verbunden ist.

Bereits aufgrund der anders gearteten konstruktiven Ausgestaltung der Kupplungsscheibe hatte der Fachmann keine Veranlassung, die DE 32 48 119 A1 bei der Suche nach einer Lösung für sein Problem, nämlich eine Kupplungsscheibe zu schaffen, die sowohl Achsversätze als auch Winkelversätze zwischen der Motorabtriebswelle und der Getriebeeingangswelle ausgleichen kann, in Betracht zu ziehen, da dort weder eine Kippbewegung noch eine radiale Verlagerbarkeit zwischen Nabenteil und Scheibenteil vorgesehen ist.

Der übrige im Prüfungsverfahren berücksichtigte und von der Einsprechenden nicht mehr aufgegriffene Stand der Technik zeigt ebenfalls keine Kupplungsscheibe, bei der zwischen Nabenteil und Scheibenteil eine diese beiden Teile in eine konzentrische Lage drängende Vorkehrung vorgesehen ist.

Somit vermag selbst eine Zusammenschau des nachgewiesenen Standes der Technik nicht zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 zu führen, da der grundlegende Gedanke, zwischen Nabenteil und Scheibenteil eine diese beiden Teile in eine konzentrische Lage drängende Vorkehrung vorzusehen, im nachgewiesenen Stand der Technik ohne Vorbild bzw. Anregung ist.

Der erteilte Anspruch 1 ist somit bestandsfähig.

Das gleiche gilt für den nebengeordneten Anspruch 21.

Der nebengeordnete Anspruch 21 bezieht sich auf die Verwendung der erfindungsgemäßen Kupplungsscheibe, die zwischen einer Druckplatte und Gegendruckplatte einer Reibungskupplung einspannbar ist, die auf der mit einem Getriebe verbindbaren Sekundärschwungmasse eines Zweimassenschwungrades mit Torsionsdämpfer vorgesehen ist.

Da die Kupplungsscheibe als solche - wie vorstehend ausgeführt - bestandsfähig ist, gilt dies zwangsläufig auch für ihre Verwendung, da dem Stand der Technik keine Anregung zu entnehmen ist, die Kupplungsscheibe in der im erteilten Anspruch 1 angegebenen Art auszugestalten und die so ausgebildete Kupplungsscheibe zwischen einer Druckplatte und Gegendruckplatte einer Reibungskupplung einzuspannen, die auf der mit einem Getriebe verbindbaren Sekundärschwungmasse eines Zweimassenschwungrades mit Torsionsdämpfer vorgesehen ist.

Der nebengeordnete Anspruch 21 ist somit ebenfalls bestandsfähig.

e. Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 20 bestandsfähig, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen der Kupplungsscheibe nach Anspruch 1 betreffen.






BPatG:
Beschluss v. 06.03.2007
Az: 6 W (pat) 353/03


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