Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 22. März 2011
Aktenzeichen: I-4 U 186/10

(OLG Hamm: Urteil v. 22.03.2011, Az.: I-4 U 186/10)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12. August 2010 verkündete Ur-teil der 14. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Mietwagen Patienten zu befördern, die ein fachgerechtes Tragen und eine fachgerechte Lagerung benötigen, wie geschehen bei dem Transport des Patienten M vom 07.08.2009.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Die Klägerin verfügt über Genehmigungen zum Krankentransport und zur Notfallrettung gemäß §§ 18 ff. RettG NW. Der Beklagte ist Inhaber von Genehmigungen nach §§ 49 ff. PBefG, wonach er sog. Mietwagen/Mietliegewagen betreiben darf.

Am 05.08.2009 fuhr die Klägerin den Patienten M von der Dialyse Dr. H zurück zur stationären Behandlung in das Krankenhaus C3 C. Der Patient litt nach Darstellung der Klägerin unter einem großen Dekubitus am Rücken sowie einem Dekubitus am Steiß. Der Patient konnte nicht auf dem Rücken liegen. Er benötigte einen Shunt, und es soll eine sog. Redondrainage gelegt gewesen sein, die zur Absaugung von Blut aus der Wunde diente. Der Patient wurde mit zusätzlichen Pflegekräften und mit einem Rettungstuch umgelagert.

Am 07.08.2009 wurde der Patient M vor der Dialysepraxis Dr. H in einem G-Transit des Beklagten angeliefert, was (um 13.30 Uhr) vermeintlich von zwei Mitarbeitern der Klägerin, den Zeugen T und D, beobachtet wurde. Der Patient M erlitt in der Praxis kurz nach dem Eintreffen einen Herz-Kreislauf-Stillstand und wurde zunächst wiederbelebt. Nach Rücktransport ins Krankenhaus C3 Bergmannsheil verstarb er noch am selben Tag.

Der Transport durch den Beklagten war von Seiten der Praxis Dr. H beauftragt, wobei der schriftliche Transportschein allerdings erst am 07.09.2009, also erst einen Monat nach der Fahrt, ausgestellt wurde. Auf dem, "Dauertransportschein" (Anlage zum Terminsprotokoll vom 12.08.2010, Bl. 107 d.A.) war insoweit als Transportart "F Liegendmietwagen" vermerkt.

Die Klägerin mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 28.01.2010 wegen Verstoßes gegen das Rettungsgesetz NW ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, dahin, es zu unterlassen, Patienten mit Mietwagen zu befördern, bei denen die beförderte Person auf medizinisch fachliche Betreuung angewiesen ist und/oder der besonderen Einrichtung eines Krankentransportwagens bedarf. Der Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.

Die Klägerin hat gemeint, der Transport des Patienten M durch den Beklagten sei wettbewerbswidrig gewesen, da der Beklagte nicht die erforderliche Genehmigung zum Krankentransport nach dem RettG NW gehabt habe. Sie hat behauptet, der Patient M sei bei dem Transport am 07.08.2009 erkennbar auf eine fachlichmedizinische Betreuung angewiesen gewesen und hätte der besonderen Einrichtung eines Krankentransportwagens bedurft. In dem G-Transit sei bei dem Transport aber nur ein Fahrer gewesen. In einem zweiten Fahrzeug sei ein weiterer Mitarbeiter des Beklagten hinzugekommen, um dem Fahrer beim Ausladen des Patienten zu helfen. Nach wie vor seien ein zentral venöser Katheter und eine Redondrainage gelegt gewesen. Der Patient sei nicht in der Lage gewesen, sich selbständig auf die Trage zu legen. Er habe nur ein krankenhausspezifisches Hemd angehabt und sei stark schmerzempfindlich gewesen. Er habe nur unter Zuhilfenahme von zusätzlichen Pflegekräften sach- und fachgerecht umgelagert werden können.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Mietwagen Patienten zu befördern, bei denen die beförderte Person auf medizinischfachliche Betreuung angewiesen ist und/oder der besonderen Einrichtung eines Krankentransportwagens bedarf, insbesondere a) Patienten zu befördern, die nicht ohne fremde Hilfe und ohne Betreuung durch ausgebildetes Rettungspersonal die Transporteinrichtung des Fahrzeugs benutzen können, b) Patienten zu befördern, bei denen fachgerechtes Umlagern, Heben und Tragen, z. B. situationsangepasstes Anheben des am Boden liegenden Patienten oder Überheben von Bett auf Trage oder Tragestuhl oder fachgerechte Lagerung bei Dekubitus oder fachgerechte, die Verletzung/Erkrankung berücksichtigende, Hilfe beim Einsteigen und Aussteigen notwendig sind.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat gemeint, es habe kein betreuungsbedürftiger Transport vorgelegen, und behauptet, es seien auch keine Anzeichen für eine Betreuungsbedürftigkeit des Patienten M erkennbar gewesen seien. Der Patient habe keiner medizinischfachlichen Betreuung bedurft, da er insbesondere weder einen zentralvenösen Katheter noch eine Redondrainage gehabt habe. Sein Fahrzeug sei ganz normal mit zwei Personen besetzt gewesen. Mit Nichtwissen hat der Beklagte bestritten, dass der Patient M einen Dekubitus am Rücken und am Steiß gehabt habe.

Das Landgericht C3 hat die Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen Dr. H abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein wettbewerbswidriger Transport nicht habe festgestellt werden können. Nach der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Transport des Patienten M durch den Beklagten von den Ärzten bewusst und gewollt angeordnet worden sei. Selbst wenn sich diese Anordnung bei näherer Überprüfung nicht als zutreffend erweise, sei dies dem Beklagten nicht anzulasten, da er sich auf derartige Anordnungen verlassen dürfe. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass ein Arzt aus der Praxis des Zeugen Dr. H in Abweichung von den bisherigen Transporten für den Transport am 07.08.2009 einen Liegendmietwagen des Beklagten für den Patienten angeordnet habe. Wenn eine derart bewusste und gewollte Anordnung von Ärzten getroffen werde, könne es von dem beauftragten Transportunternehmen nicht verlangt werden, dies von sich aus zu überprüfen. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Patient M auf der Trage nicht transportabel gewesen sei. Auch wenn der Zeuge Dr. H eingeräumt habe, dass ein besonderer Transport möglicherweise sinnvoll gewesen sei, sei ein Transport auf einer Trage offenkundig möglich gewesen. Alsdann sei nach der Aussage des Zeugen Dr. H davon auszugehen, dass die von ihm festgestellte Schnappatmung des Patienten beim Hereinfahren der Trage in die Dialysestation aufgetreten sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass Atembeschwerden bereits bei Beginn des Transports vorgelegen hätten. Das Vorliegen eines Dekubitus oder einer Wunddrainage sei offenbar nicht einmal für den fachkundigen Zeugen Dr. H ohne weiteres sichtbar gewesen. Soweit ein Katheter vorhanden gewesen sei, habe der Zeuge Dr. H angegeben, dass auch Ambulanzpatienten einen derartigen Katheter für die Dialyse tragen würden. Anhaltspunkte, die dem Beklagten bzw. seinen Mitarbeitern Veranlassung gegeben hätten, die Anordnung des Transportmittels zu hinterfragen, könnten nicht festgestellt werden. Im Übrigen hätte der Beklagte bei einer Nachfrage bei dem Zeugen Dr. H nur erfahren, dass der Transport bewusst in Abänderung der bisherigen Transporte durch einen Arzt angeordnet worden sei. Der Beklagte habe sich auf die getroffene Anordnung verlassen dürfen und habe deswegen nicht wettbewerbswidrig gehandelt, als er den Patienten M am 07.08.2009 transportiert habe.

Die Klägerin wehrt sich hiergegen mit ihrer Berufung. Sie meint weiterhin, dass der Beklagte nicht zur Beförderung des Patienten M berechtigt gewesen sei. Denn er habe einen Patienten befördert, der zwar nicht mehr infektiös gewesen sei, jedoch eine schwere Erkrankung, nämlich einen Dekubitus 4. Grades, also in der schlimmsten Form, gehabt habe. Dieser sei aufgrund seiner Dekubitusbehandlung spezielll gelagert gewesen, damit keine weiteren Druckgeschwüre entstehen. Bei dem Transport eines solchen Patienten, für den sowohl spezielle Lagerungs- als auch Hebetechniken erforderlich gewesen seien und der nicht ohne fremde Hilfe und Betreuung durch besondere Umlagerung auf der Trage habe Platz nehmen können, sei ein Krankentransport erforderlich gewesen. Es werde noch einmal darauf hingewiesen, dass der Patient am Transporttag einen sog. Shunt (nicht einen zentralvenösen Katheter) gehabt habe. Darüber hinaus sei eine Redon-Drainage gelegt gewesen, die zur Absaugung von Blut aus der Wunde gedient habe. Der Patient sei stark schmerzempfindlich gewesen. Nur unter Zuhilfenahme von zusätzlichen Pflegekräften habe der Patient sach- und fachgerecht mit einem Rettungstuch umgelagert werden können. Dieser sei auch nicht in der Lage gewesen, sich selbständig auf die Trage zu legen und habe ein krankenhaustypisches Hemd ("Engelhemdchen") angehabt.

Da der Transportschein wesentlich später ausgestellt worden sei, sei nicht nachvollziehbar, dass sich der Beklagte vermeintlich hierauf habe verlassen können. Es habe nur eine telefonische Beauftragung durch eine Mitarbeiterin der Praxis gegeben. Auch habe das Landgericht verkannt, dass auch die diesbezügliche Anordnung des Arztes nicht immer maßgeblich sein könne. Denn auch die Anordnung bzw. Transportbescheinigung des behandelnden Arztes, einen an einem Dekubitus 4. Grades operierten Patienten, der auch beim Arzt besonders gelagert werde, im Wege der einfachen Krankenfahrt zu befördern, sei mit dem Rettungsgesetz nicht vereinbar. Auch der Arzt, dessen Einschätzung der medizinischen Situation zwar maßgeblich sei und vom Beförderungsunternehmer naturgemäß nicht in Frage gestellt werden könne und solle, sei nicht in der Lage, die Vorschriften des Gesetzes außer Kraft zu setzen. Für den Bereich der Mietwagen würden - auch bereits nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (OVG NRW, Az. 13 A 2457/05, Rn. 26) - ausschließlich die Fahrten verbleiben, bei denen die beförderten Personen nicht in irgendeiner Weise auf medizinischfachliche Betreuung angewiesen seien. Der Lagerungsaufwand bei Dekubitus sei auch nach dem Flyer der Kassenärztlichen Vereinigung eindeutig dem KTW zugeordnet. Der Beklagte sei mit dem insoweit bindenden Schreiben der Stadt C3 vom 12.02.2010 darauf hingewiesen worden, dass er im Zweifelsfalle den Arzt darauf hinweisen müsse, dass er nur Beförderungen nach dem Personenbeförderungsgesetz durchführen dürfe. Auch die Praxis Dr. H habe das Schreiben der Stadt C3 frühzeitig gekannt. Ebenso habe es in anderen Städten, so E, C und C2, Anweisungen an die entsprechenden Unternehmen im Hinblick auf die Genehmigungen nach § 49 PBefG (Verkehr mit Mietwagen) gegeben.

Der Zeuge Dr. H habe eindeutig bestätigt, dass der Patient M Dekubitus gehabt habe. Dieser sei auf einer speziellen Wechseldruckmatraze gelagert worden, wodurch bereits für einen Laien die Schwere der Krankheit erkennbar gewesen sei. Das Landgericht habe ferner nicht berücksichtigt, dass der Zeuge Dr. H bestätigt habe, dass der Patient aufgrund der Dekubitus-Behandlung spezial gelagert worden sei, damit keine weiteren Druckgeschwüre entstehen, und dass ein entsprechend besonderer Transport sinnvoll gewesen wäre. Ebenso wenig seien die von ihr erstinstanzlich benannten Zeugen berücksichtigt worden.

Die Klägerin beantragt (nach teilweiser Antragsänderung im Senatstermin),

unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Mietwagen Patienten zu befördern, die ein fachgerechtes Tragen und eine fachgerechte Lagerung benötigen, wie geschehen bei dem Transport des Patienten M vom 07.08.2009.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Das Landgericht habe in zutreffender Weise aufgrund der Aussage des Zeugen Dr. H die Transportfähigkeit des Patienten bejaht und zugrunde gelegt, dass es bei der Durchführung des Transportes ausschließlich auf die Feststellungen des behandelnden Arztes ankomme. Die von der Klägerin benannten Zeugen könnten demgegenüber zu dem Zustand des Patienten bezogen auf den Zeitpunkt des tatsächlich durchgeführten Transports nichts sagen. Keiner dieser Zeugen sei zugegen gewesen, als der hier fragliche Transport ausgeführt worden sei. Diese könnten durch eigene Wahrnehmung keine Bekundungen zum gesundheitlichen Zustand des Zeugen M zum Zeitpunkt des Transportes tätigen. Auch eine Überprüfung des Gesundheitszustandes habe durch diese nicht durchgeführt werden können. Der Zeuge S2 habe auch keine Maßnahmen vorgenommen, die er nur im Rahmen eines qualifizierten Krankentransports hätte ausführen können oder dürfen. Er habe hier lediglich die üblichen Hilfestellungen gegeben. Es habe weder eine wie auch immer geartete Lagerung gegeben, noch habe eine wie auch immer geartete weitergehende Hilfestellung stattgefunden. Die Behauptung der Klägerin, es hätten entsprechende Maßnahmen zum Transport bzw. zur Lagerung des Patienten stattgefunden, die nur Bestandteil eines qualifizierten Krankentransports hätten sein können, werde ausdrücklich streitig gestellt. Der Patient sei bei der Durchführung des Transports mit einer Netzhose mit Vorlage sowie einem krankenhaustypischen Hemd bekleidet gewesen. Dies sei auch ausreichend gewesen, da es sich um einen heißen Tag gehandelt habe, als der Patient von der Station des Bergmannsheil C3 zur Dialyse Dr. H befördert worden sei. Bei der Patientenübergabe seien vom Pflegepersonal keinerlei Besonderheiten oder Einschränkungen des Bergmannsheil mitgeteilt worden. Von einem Dekubitus sei keine Rede gewesen. Von diesem sei auch nichts bemerkt worden. Der Transport sei ohne Besonderheiten verlaufen. Herr M sei zu diesem Zeitpunkt schmerzfrei und ohne weiteres ansprechbar gewesen. Auf eine ganz normale Ansprache im Rahmen eines Gesprächs habe er reagiert. Auch dem Zeugen Dr. H sei von einem Dekubitus nichts bekannt gewesen. Dieser habe selbst keinerlei Veranlassung gesehen, hier einen qualifizierten Krankentransport durch einen KTW anzuordnen. Im Übrigen habe sich der Zeuge S am "22.02." nochmals auf der Station 2.2. im C C3 wegen des angeblichen Dekubitus erkundigt. Auch hier sei ein solcher nicht bekannt gewesen. Der zentrale Venenkatheter sei abgestöpselt und mit einem Pflaster am Hals verklebt gewesen. Von einer Redondrainage sei weder dem Zeugen S2 noch den anderen Beteiligten etwas bekannt gewesen. Die Einordnung der Fahrt als Krankenfahrt sei zutreffend und richtig gewesen. Ein qualifizierter Krankentransport durch einen KTW oder gar einen RTW sei weder angezeigt noch notwendig gewesen und daher auch von Herrn Dr. H nicht angeordnet worden.

Der Patient sei am 29.07.2009 im Bereich des ehemaligen Dekubitus mit einer Haut- bzw. Lappendeckung (Hautverpflanzung) versehen gewesen. Die Knieverletzung sei bis zum Hautniveau verheilt gewesen und habe keine Beeinträchtigung dargestellt. Einen sog. Shunt habe der Patient nicht gehabt. Ein solcher werde durch einen operativen Eingriff am Unterarm des Dialysepatienten eingesetzt. Der Patient M habe einen Dialysedauerkatheter im Bereich des Halses gehabt. Eine Redondrainage habe es nicht mehr gegeben.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Ihr steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I, III Nr. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 18; 2 II; 3 I, IV RettG NW zu.

I.

Soweit die Klägerin ihren Antrag nunmehr teilweise modifiziert hat, handelt es sich im Hinblick auf § 253 II Nr. 2 ZPO lediglich um eine Konkretisierung, die den Streitgegenstand unberührt lässt und sich auch kostenmäßig nicht auswirkt. Es ging mit der Klage von Anfang an wegen des Transportes des Patienten M vom 07.08.2009 um einen Verstoß gegen das Rettungsgesetz aus dem Grunde, dass dieser nach dem Vortrag der Klägerin wegen einer Dekubituserkrankung betreuungsbedürftig war und ein fachgerechtes Tragen und eine fachgerechte Lagerung benötigte.

II.

Ein Verstoß des Beklagten gegen die Vorschriften des Rettungsgesetzes ist gegeben. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist begründet. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Transport vom 07.08.2009 um eine Beförderung einer kranken Person handelte, die fachgerechter Hilfe bedurfte, für die der Beklagte über eine entsprechende Genehmigung verfügen müsste.

1. Die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nach dem UWG sind begründet. Die Beklagte hat bei diesem Transport geschäftlich gehandelt i.S.v. § 2 Nr. 1 UWG.

Die Klägerin ist zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs gemäß § 8 III Nr. 1 UWG befugt, weil sie Mitbewerberin des Beklagten ist. Mitbewerber ist nach der Legaldefinition des § 2 I Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem Unternehmer als Anbieter von Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Davon ist bei den Parteien auszugehen. Auch wenn diese generell in unterschiedlichen Branchen (Krankentransportunternehmung einerseits und Mietwagenunternehmung andererseits) tätig sind, treffen sie mit ihren unterschiedlichen Leistungen jedenfalls in dem sich überschneidenden Grenzbereich ihrer Märkte zusammen, in dem theoretisch sowohl ein Krankentransport als auch eine Krankenfahrt verordnet werden könnte. Insoweit versuchen beide Parteien innerhalb desselben Abnehmerkreises ihre gewerblichen Dienstleistungen abzusetzen, wie vor allem auch der vorliegende Fall zeigt, in dem man um die Berechtigung des Transports für einen potentiell betreuungsbedürftigen Patienten streitet.

2.

Geklärt ist überdies, dass es sich bei der Bestimmung des § 18 RettG NW, die Krankentransporte durch private Unternehmen unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt, um eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG handelt. Dieser Genehmigungsvorbehalt dient zwar in erster Linie dem öffentlichen Interesse an einem funktionsfähigen, flächendeckenden und bedarfsgerechten Rettungsdienst. Er dient aber auch dem Schutz der im Wege des Krankentransports zu befördernden Kranken, Verletzten und sonstigen hilfsbedürftigen Personen (BGH GRUR 2009, 881 - Überregionaler Krankentransport; Senat, Urt. v. 17.11.2005, 4 U 105/05; u. Urt. v. 09.02.2010, 4 U 174/09).

3.

Der Beklagte ist im Streitfall als Unternehmer im Sinne des § 2 I PBefG grundsätzlich zwar berechtigt, kranke Personen mit seinen Mietwagen im Rahmen von sog. Krankenfahrten zu befördern. Eine Personenförderung im Sinne dieses Gesetzes stellt es aber nach § 1 II Nr. 2 PBefG gerade nicht dar, wenn kranke oder sonstige hilfsbedürftige Personen in einem Krankenkraftwagen befördert werden müssen, die während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung oder dessen besonderer Einrichtungen bedürfen oder wenn dies zumindest auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist. Sofern kranke Personen befördert werden, die insbesondere einer fachgerechten Betreuung bedürfen, bedarf es hierfür der Genehmigung nach dem Rettungsgesetz. Wer nur die Genehmigung zur Personenbeförderung hat, darf keine Krankentransporte durchführen (vgl. Senatsurteile a.a.O.).

a)

Der Patient M war an Dekubitus erkrankt und aus diesem Grunde betreuungsbedürftig. Er bedurfte eines fachkundigen Tragens und einer fachkundiger Lagerung. Dies steht nach der Aussage des Zeugen Dr. H und den diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts fest. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen steht außer Frage und wird auch vom Beklagten nicht angegriffen. Der Zeuge ist zu allen maßgeblichen Fragen befragt worden. Einer erneuten Einvernahme des Zeugen, wie vom Beklagten im Senatstermin beantragt, bedurfte es nicht. Der Senat zieht aus der Aussage des Zeugen Dr. H und den vom Landgericht getroffenen Feststellungen lediglich andere rechtliche Schlüsse, auf die unten unter lit. b) eingegangen wird.

Der Zeuge Dr. H hat nach Einsicht in die Krankenunterlagen ausgesagt, wie es auch in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils (S. 4 f.) festgehalten ist, dass der Patient M einen Dekubitus 4. Grades, also in der schlimmsten Form, hatte. Am 29.07.2009 war er daran operiert worden. Der Patient wurde aufgrund der Dekubitusbehandlung auch weiterhin in der Praxis Dr. H spezialgelagert, und zwar damit keine weiteren Druckgeschwüre entstehen. So bestehen überhaupt keine Zweifel, dass objektiv ein Fall der Betreuungsbedürftigkeit vorlag. Soweit der Zeuge Dr. H einen besonderen Transport für "sinnvoll" hielt, unterstützt auch dies die klaren Feststellungen zur fortbestehenden Dekubituserkrankung, wobei zu konstatieren ist (was für die vorliegende Entscheidung nicht maßgeblich ist), dass trotz dieses unzweideutigen Befundes nur ein Mietwagen beauftragt worden ist. Dieser ist auch keineswegs ausgeräumt durch den Vortrag des Beklagten, der Zeuge S2 habe sich am "22.02." nochmals auf der Station 2.2 im C C3 wegen des angeblichen Dekubitus erkundigt; auch hier sei ein solcher nicht bekannt gewesen. Dieser Vortrag ist nicht nur völlig unsubstantiiert, er lässt vor allem auch nicht erkennen, welcher Fachmann oder Arzt trotz vorheriger Operation mitgeteilt haben soll, dass der Dekubitus denn nun verschwunden sei. Einer Einvernahme des Zeugen S2 bedurfte es insofern nicht. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass, wie im Senatstermin erörtert worden ist, die Praxis Dr. H wegen der Entwicklung nach der Operation nun eine bewusste Entscheidung getroffen habe, dass nunmehr ein qualifizierter Transport nicht mehr erforderlich sei. Zum einen verortete der Zeuge Dr. H die Transportänderung aus einem gänzlich anderen Grund, nämlich weil der Patient zuvor eine Infektion hatte, die gegen verschiedene Antibiotika resistent war. Zum anderen vor allem hat der Zeuge das noch akute Vorliegen eines Dekubitus bestätigt. Deshalb wurde der Patient nach wie vor spezialgelagert, damit gerade auch keine weiteren Druckgeschwüre entstehen. Das ist objektiv eindeutig. Von einer Heilung infolge der kurz vorher erfolgten Operation ist mitnichten die Rede.

b)

Insofern bestehen keine Zweifel, dass der Patient objektiv einer fachkundigen Betreuung bedurfte, ohne dass es noch auf das Vorhandensein eines sog. Shunts etc. ankommt. So ist plausibel eine zwingende medizinische Notwendigkeit angegeben bei "Dekubitus, Osteoporose" in dem Flyer der Kassenärztlichen Vereinigung zum Krankentransport. Das Gutachten Dr. H2 zur fachlichen bzw. medizinischen Betreuung im Sinne der Krankentransportrichtlinien betrachtet als Indikation für die Verordnung eines Krankentransports wiederum die Notwendigkeit eines fachgerechten Umlagerns, Hebens und Tragens. Ebenso gehen auch die Genehmigungsbehörden davon aus, dass die Grundlage für die Auswahl des geeigneten und erforderlichen Transportmittels zwar die medizinische Bewertung der Grunderkrankung/Verletzung eines Patienten durch den Arzt bildet, dass aber gleichwohl die Voraussetzungen der Transportvoraussetzungen zu prüfen sind und auch der Arzt nötigenfalls darauf aufmerksam zu machen ist, dass ein verordneter Transport nicht durchgeführt werden kann, wenn die Voraussetzungen für einen Transport nach dem Personenbeförderungsgesetz nicht vorliegen (vgl. hierzu etwa das vorgelegte Schreiben der Stadt C3 vom 12.02.2009). Ferner wird für einen einfachen Transport vorausgesetzt, dass der Fahrgast keine Überwachung oder Betreuung benötigen darf und das Transportmittel ohne fremde Hilfe benutzen können muss (vgl. Schreiben der Stadt C vom 03.08.2010, und der Stadt E vom 15.11.2010).

Für die wettbewerbliche Beurteilung ist, anders als es das Landgericht gemeint hat, die ärztliche Verordnung nicht allein maßgeblich. Denn auch die Anordnung bzw. Transportbescheinigung des behandelnden Arztes, an Dekubitus leidende und deshalb betreuungsbedürftige Patienten im Wege des einfachen Krankentransports zu befördern, wäre mit dem Rettungsgesetz nicht vereinbar. Auch der Arzt, dessen Einschätzung der medizinischen Situation naturgemäß maßgeblich ist und vom Beförderungsunternehmer auch nicht in Frage gestellt werden kann, ist nicht der Lage, die Vorschriften dieses Gesetzes außer Kraft zu setzen. Von daher kann auch nicht entscheidend sein, dass der Beklagte sich hierauf vermeintlich umfassend verlassen hat, abgesehen auch davon, dass dieser eine schriftliche Anordnung zu diesem Zeitpunkt auch noch gar nicht in den Händen hatte. Zu beachten dabei ist, dass es auf ein Verschulden für den Unterlassungsanspruch selbst nicht ankommt. Allenfalls im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO würde gegebenenfalls maßgeblich, ob eine etwaige Zuwiderhandlung schuldhaft erfolgt ist.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 22.03.2011
Az: I-4 U 186/10


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