Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. September 2007
Aktenzeichen: 27 W (pat) 70/06

(BPatG: Beschluss v. 18.09.2007, Az.: 27 W (pat) 70/06)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13. April 2006 werden aufgehoben und die Erinnerung der Widersprechenden gegen den Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Juli 2004 zurückgewiesen.

Gründe

I Die Widersprechende hat gegen die am 17. Dezember 1998 veröffentlichte Eintragung der am 13. Januar 1997 angemeldeten, für

"Computerhardware; Peripheriegeräte für Computer, insbesondere Drucker, Rechner, Taschenrechner, tragbare Terminals, Laptops, Tastaturen, Modems, Anzeige- und Datensichtgeräte, Speichereinheiten, Floppydisk-Laufwerke beziehungsweise Diskettenlaufwerke, Bildschirme, Scanner, Magnetspeichereinheiten, CD-ROMs; Multimedia-Einrichtungen, insbesondere zur Ver- und Bearbeitung von stehenden und laufenden Bildern, insbesondere Videofilmen; Bild- und Textverarbeitungsgeräte, einschließlich Karten dazu; hard- und softwaretechnische Videokonferenzeinrichtungen, Videokarten, Videobenutzerkarten, Grafikkarten, CCD-Kameras, TV-Karten, Display-Karten, PC/TV-Signalwandler; Computersoftware, insbesondere Grafiksoftware"

geschützten Marke Nr. 397 00 985 Widerspruch eingelegt aus ihrer am 7. November 1991 angemeldeten und seit 20. November 1992 für

"Geräte der Unterhaltungselektronik, soweit in Klasse 9 enthalten, insbesondere Radios, Autoradios, Schallplattenspieler, Kassettenrecorder, Videokameras und -recorder, CD-Player, Tonbandgeräte, Ton- und Bildaufzeichnungs-, Übertragungs-, Verstärkungs- und Wiedergabegeräte, Lautsprecher, Fernsehgeräte, Videospiele (zum Anschluss an ein Fernsehgerät), Computer, Spielcomputer, Heimcomputer, Videocassetten (bespielte und unbespielte), Schallplatten, Audiocassetten (bespielte und unbespielte), Antennen, Radiorecorder, Projektoren, Equalizer, Mikrofone, Bildschnittgeräte, Computerspiele; elektrische Haushaltsgeräte, nämlich Kaffee- und Teemaschinen, Toaster, Schnellkochtöpfe, Grillgeräte, Herde, Kühlschränke, Warmwasserbereiter, Heizplatten, Eierkocher, Waffeleisen, Eismaschinen und geräte, Dörrapparate für Obst, Flaschenwärmer für Babies, Staubsauger, Heizlüfter, Heizstrahler, Saftpressen, Haartrockner, Bügeleisen, Folienschweißgeräte, Personen- und Küchenwaagen, Küchenmesser; Tafelgeschirr (nicht aus Edelmetall), Küchen- und Kochgeschirr, elektrisch betriebene Werkzeuge, insbesondere Bohrmaschinen, Schleifmaschinen, Bohrschrauber, Hobelmaschinen, Fräsmaschinen, Sägen, Heckenscheren"

eingetragenen Marke Nr. 2 024 972 LIFE.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Erstbeschluss vom 14. Juli 2004 den Widerspruch zurückgewiesen.

Auf die Erinnerung der Widersprechenden hat die Markenstelle mit Erinnerungsbeschluss vom 13. April 2006 den Erstbeschluss aufgehoben und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Auf die zulässige Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke habe die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren "Computer" und "Lautsprecher" hinreichend glaubhaft gemacht. Zu diesen seien die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren teils identisch teils ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei normal, von einer originären Kennzeichenschwäche könne genauso wenig ausgegangen werden wie von einer Steigerung der Kennzeichnungskraft. Die Marken seien auch kollisionsbegründend ähnlich. Dabei könne dahinstehen, ob der Bestandteil "Life" die jüngere Marke präge, denn die Marken würden auf jeden Fall miteinander gedanklich in Verbindung gebracht, da der Bestandteil "Life" als Stammbestandteil geeignet sei und die Widersprechende entsprechend gebildete Drittmarken, nämlich "LIFE-TEC", "LIFE-SAT" und "LIFE-Sign", habe, wobei die angegriffene Marke wie die Marke "LIFE-Sign" einen beschreibenden Anklang im Zusatz "View" aufweise. Aufgrund dessen sei unter Aufhebung des den Widerspruch zurückweisenden Erstbeschlusses die jüngere Marke auf den Widerspruch aus der Widerspruchsmarke zu löschen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie hält eine Verwechslungsgefahr für nicht gegeben. Gegen die Annahme einer assoziativen Verwechslungsgefahr durch die Markenstelle spreche vor allem, dass allein in Klasse 9 83 Marken mit dem Markenbestandteil "LIFE" eingetragen seien, von denen nur einige wenige der Widersprechenden gehörten; von diesen sei im Übrigen eine Benutzung der Marken "LIFE-SAT" und "LIFETEC" nicht bekannt; es werde zudem bestritten, dass die Widersprechende mit zahlreichen Inhabern von Drittmarken Abgrenzungsvereinbarungen geschlossen oder gegen diese Marken Widerspruch eingelegt habe. Unzutreffend sei auch die Annahme normaler Kennzeichnungskraft, denn wie das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 11. Juli 1995 (Az. 20 U 82/94) ausgeführt habe, handele es sich bei "LIFE" um ein "Modewort ohne Kennzeichnungskraft"; dem habe sich auch das HABM in mehreren Entscheidungen angeschlossen. Gegen die Annahme einer assoziativen Verwechslungsgefahr spreche schließlich auch der Charakter der angegriffenen Marke als Gesamtbegriff, was von der Vorstellung der Zugehörigkeit zu einer Markenserie wegführe.

Es werde bestritten, dass die Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutzt werde, da die vorgelegten Unterlagen nicht nachweisen würden, dass die Marke auf den Geräten angebracht werde; selbst wenn eine Benutzung der Marke "LIFE" für Computer und Lautsprecher aber nachgewiesen sei, bedeute dies nicht, dass damit auch eine Benutzung der angeblichen Drittmarken nachgewiesen oder liquide sei.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält eine Verwechslungsgefahr für gegeben, wobei ihrer Ansicht nach bereits eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bestehe. Die Widerspruchsmarke werde aufgrund der Glaubhaftmachung für Computer, MP3-Player, DVD-Player, Lautsprecher, Fernseher/Monitore sowie ein Software-Paket rechtserhaltend benutzt, wobei die Angabe von Mindestumsätzen und die Schwärzung der Rechnungen in den Benutzungsunterlagen aus Wettbewerbsgründen erfolge. Zu diesen seien die Waren der angegriffenen Marke hochgradig ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke sei auch normal. Eine originäre Kennzeichnungsschwäche läge nicht vor. Auch eine nachträgliche Schwächung läge mangels Kenntnis benutzter Drittmarken nicht vor; gegen einen Großteil der Drittmarken habe die Widersprechende Widerspruch erhoben oder mit ihren Inhabern Abgrenzungsvereinbarungen getroffen. Da die Marken zudem hochgradig ähnlich seien, so dass die Löschung der angegriffenen Marke zu Recht angeordnet worden sei, sei die Beschwerde zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft. Hierbei hat die Widersprechende die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt.

II A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann eine Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden.

1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hängt die Beurteilung der Verwechslungsgefahr von den miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 -- Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints) ab, wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. -Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243). Diese Komponenten dürfen allerdings nicht schematisch angewendet werden, denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der Schutz der älteren Marke auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der Marke und insbesondere ihre Hauptfunktion der Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] - Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] - Adam Opel/Autec).

2. Nach diesen Grundsätzen ist der Grad der Markenähnlichkeit trotz teils identisch teils hochgradig ähnlich beanspruchter Waren zu gering, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

a) Ob eine rechtserhaltende Benutzung für die beiden Benutzungszeiträume von Dezember 1993 bis Dezember 1998 nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sowie von Juli 2002 bis Juli 2007 nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG glaubhaft gemacht wurde, kann im Ergebnis wegen der fehlenden Verwechslungsgefahr dahinstehen, wobei eine Benutzung allerdings nur für Computer und Lautsprecher glaubhaft gemacht wurde, weil nur hierfür Angaben zu beiden Benutzungszeiträumen vorliegen und sich aus den im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen eine Anbringung der Widerspruchsmarke nur auf diesen Waren ergibt.

b) Geht man von einer rechtserhaltenden Benutzung für Computer aus, bestehen - was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist - zumindest sehr enge Berührungspunkte zu den angegriffenen Waren der Klasse 9, die sowohl funktional als auch aufgrund der üblichen Vertriebsstätten mit Computern in engem Zusammenhang stehen und somit mit diesen, soweit nicht identisch, jedenfalls als hochgradig ähnlich anzusehen sind.

c) Die vorliegend zu vergleichenden Marken sind allerdings nicht in einem kollisionsbegründenden Grad ähnlich.

aa) Marken sind als ähnlich anzusehen, wenn die Übereinstimmungen im Bild, im Klang oder in der Bedeutung der gegenüberstehenden Zeichen - wobei eine Ähnlichkeit in einer dieser drei Aspekte für die Annahme einer Verwechslungsgefahr bereits ausreicht (vgl. BGH GRUR 1959, 182, 185 Quick; GRUR 1979, 853, 854 LILA; GRUR 1990, 367, 368 alpi/Alba Moda; GRUR 1992, 110, 112 dipa/dib; GRUR 1992, 550, 551 acpharma; GRUR 1999, 241, 243 - Lions) - in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) die vorhandenen Unterschiede so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können. Hierfür ist grundsätzlich auf den jeweiligen Gesamteindruck unabhängig vom Prioritätsalter der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2005, 1043, 1044 [Rz. 28 f. - Thomson Life; GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 233 f. - Rausch/Elfi Rauch). Daneben kommt eine Markenähnlichkeit auch in Betracht, wenn Bestandteile einer komplexen Marke, die Bestandteilen der gegenüberstehenden Marke entsprechen, den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck dominieren (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 [Rz. 30] - THOMSON LIFE) oder prägen (vgl. BGH GRUR 2006, 60 Tz. 17 - coccodrillo).

bb) Hiernach scheidet eine Markenähnlichkeit aufgrund der grafisch abweichenden Gestaltung der angegriffenen Marke und wegen des in der Widerspruchsmarke nicht enthaltenen Begriffs "View" in visueller, akustischer und begrifflicher Hinsicht aus.

Die angegriffene Marke wird auch nicht allein von dem übereinstimmenden Begriff "Life" geprägt, weil dieser mit dem nachfolgenden Bestandteil "View" schon aufgrund der grafischen Gestaltung, welche beide Begriffe miteinander verbindet, eine Einheit bildet. Der Einwand der Widersprechenden, der Begriff "View" sei warenbeschreibend, verfängt dabei nicht, da sich ein solches Verständnis dieses Bestandteils dem Verkehr erst bei einer analysierenden Betrachtung der Gesamtmarke erschließen kann, zu welcher der Verkehr aber nach ständiger Rechtsprechung nicht neigt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 - Vamos; BGH GRUR 195, 408, 409 - PROTECH). Da der Verkehr eine Marke stattdessen so nimmt, wie sie ihm entgegentritt, wird er aus der angegriffenen Marke keinen Bestandteil herauslösen, sondern diese als Gesamtheit wahrnehmen und wiedergeben.

cc) Eine Markenähnlichkeit in Form des gedanklichen Inverbindungbringens i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz MarkenG ist zwar auch dann zu bejahen, wenn der Verkehr, obwohl er die Marken auseinanderhält, einem in ihnen vorhandenen übereinstimmenden Element einen Hinweis auf den Inhaber der älteren Marke entnimmt. Dies ist aber nur anzunehmen, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines einzigen Unternehmens sieht, so dass er auch nachfolgende Bezeichnungen, die den wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Zeicheninhaber zuordnet (vgl. BGH WRP 2002, 534, 536 - BIG; BGH WRP 2002, 537, 541 - BANK 24). Eine solche Konstellation kommt in Betracht, wenn der Stammbestandteil für sich allein kennzeichenrechtlichen Schutz genießt und der Inhaber dieses Kennzeichens bereits eine Zeichenserie mit diesem Bestandteil gebildet hat und der Verkehr aufgrund besonderer Umstände diesen Bestandteil als geeignet für die Bildung einer Zeichenserie ansieht (vgl. BGH GRUR 1999, 587, 589 - Cefallone; BGH WRP a. a. O. - BIG).

Hier scheidet trotz der von der Widersprechenden gebildeten Zeichenserie, in welche sich die angegriffene Marke nach dem ihr zugrundeliegenden Bildungsprinzip ohne weiteres einreiht, eine Verwechslungsgefahr aus, weil der Verkehr wegen zahlreicher Drittmarken keinen Anlass hat, Marken, welche den gemeinsamen Bestandteil "Life" enthalten, allein der Widersprechenden zuzuordnen.

So gibt es im nationalen Register weit über 1000 und im Gemeinschaftsmarkenregister weit über 2000 Marken, welche den Bestandteil "LIFE" bzw. "Life" in Alleinstellung oder in Verbindung mit weiteren (Wort-) Bestandteilen enthalten. In Leitklasse 9 weist das nationale Register 59 Marken mit dem Bestandteil "LIFE" in Alleinstellung oder in Verbindung mit anderen Bestandteilen aus; von den in anderen Leitklassen eingetragenen Waren sind insgesamt 170 Marken auch für Klasse 9 geschützt. Für die Ware "Computer" wiederum weist das nationale Register insgesamt 74 Marken mit dem Bestandteil "LIFE" aus. Die Widersprechende wiederum besitzt hiervon lediglich 9 Marken, nämlich die Marken Nr. 990 383 "LIFE", 1 137 138 "LIFETEC", 2 024 972 "LIFE", 2 054 928 "LIFE", 2 056 447 "LIFESAT", 2 056 448 "LIFE-SAT", 2 105 842 "LifeSign", 398 396 41 "LIFETEC" und 398 496 44 "LIFE", die mit Ausnahme der erstgenannten u. a. für Computer geschützt sind. Gemeinschaftsweit sind 362 Marken mit dem Bestandteil "LIFE" in Klasse 9 eingetragen, von denen lediglich zwei Marken der Widersprechenden gehören, nämlich die Marken Nr. GM 4617924 "onlife" und GM 4585295 "LIFE".

Ob diese vielen Drittmarken auch tatsächlich benutzt werden, ist zwar nicht bekannt, allein die große Zahl solcher Dritteintragungen spricht aber bereits indiziell dafür, dass ein jedenfalls nicht allzu kleiner Teil von ihnen tatsächlich in Benutzung ist. Auch die Widersprechende, welche, soweit Amtsermittlungen hierzu nicht möglich sind, als diejenige, welche sich auf das Bestehen einer Verwechslungsgefahr beruft, hierfür darlegungs- und beweispflichtig wäre, hat nichts dazu vorgetragen, dass Drittmarken auf dem hier relevanten Warensektor nicht benutzt würden; vielmehr spricht ihr Vortrag, sie habe mit solchen Drittzeichen, soweit sie Computer betreffen, entweder Abgrenzungsvereinbarungen getroffen oder gehe gegen deren Inhaber außergerichtlich und gerichtlich vor, für die Benutzung durch eine nicht unerhebliche Anzahl an Drittmarken. Der letztgenannte Vortrag wäre im Übrigen zwar grundsätzlich geeignet, den sich aus der Zahl an Drittmarken ergebenden Schluss auf einen mangelnden Hinweis des Stammbestandteils "LIFE" auf die Widersprechende zu entkräften; nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke diesen Vortrag aber, da er sich ihrer Wahrnehmung entzieht, zulässigerweise mit Nichtwissen (§ 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 138 Abs. 4 ZPO) bestritten hat, hätte es der Widersprechenden, da auch hier die Amtsermittlung nach § 73 Abs. 1 MarkenG an ihre Grenzen stößt, oblegen, diesen allein in ihr Wissen gestellten Vortrag durch entsprechende Beweisantritte nach § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. §§ 371 bis 455 ZPO nachzuweisen. Da es aber an solchen Beweisantritten fehlt, ist weiterhin davon auszugehen, dass der Verkehr Marken mit dem Bestandteil "LIFE" wegen der Drittzeichenlage nicht als Hinweis allein auf die Widersprechende und die von ihr gebildete Zeichenserie ansieht; hierfür sprechen auch die Entscheidungen der Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes Nr. R 441/05-2 und R 335/02-2 (veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM), denen zufolge der Begriff "life" wegen einer Vielzahl von Drittmarken kennzeichnungsschwach sei, sowie die den Widerspruch zurückweisende Entscheidung Nr. 492/2002 der Widerspruchsabteilung des Harmonisierungsamtes in Sachen LIFEBOOK # LIFE, LIFESAT, LIFETEC, LifeSign, welche die Beschwerdeführerin des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt vorgelegt hat und die zwischenzeitlich infolge Rücknahme des Widerspruchs der Beschwerdegegnerin des vorliegenden Verfahrens gegenstandslos geworden ist.

Der Schluss auf eine fehlende Eignung des (Stamm-) Bestandteils als Hinweis auf die Widersprechende wird auch nicht dadurch entkräftet, dass die Widersprechende eine Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke infolge starker Benutzung geltend gemacht hat; denn hierzu reichen ihre auf das Mindeste beschränkten Angaben in ihren Benutzungsunterlagen nicht aus, weil sich aus diesen Angaben nicht auf eine Stellung ihrer Marke einschließlich ihrer Serienmarken auf dem gesamten Marktsektor schließen lässt, welche Grundlage für die Annahme sein könnte, dass sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen über eine solche Bekanntheit verfügt, aufgrund derer ihre Kennzeichnungskraft als gesteigert angesehen und diese vom Verkehr als Stammzeichen einer allein auf die Widersprechende hindeutenden Zeichenserie angesehen werden könnte.

dd) Auch eine gedankliche Verbindung zwischen den Zeichen liegt nicht vor. Hiervon ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur auszugehen, wenn der Verkehr zwar die hinter den Zeichen stehenden Unternehmen auseinanderhält, aber unzutreffend den Eindruck gewinnt, diese seien wirtschaftlich miteinander verbunden, weil sich das ältere Zeichen allgemein zu einem Hinweis auf das oder die Unternehmen der Widersprechenden entwickelt hat (vgl. BGH GRUR 2002, 171, 175 - Marlboro). Ein solcher Eindruck kann bei den angesprochenen Verkehrskreisen dabei insbesondere dann hervorgerufen werden, wenn ein mit der Widerspruchsmarke identisches oder ähnliches Zeichen, das als Bestandteil in die angegriffene Marke aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es deren Erscheinungsbild dominiert oder prägt (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 [Rz. 30] - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859, 860 f. [Rz. 18] - Malteserkreuz; GRUR 2002, 171, 174 - Marlboro-Dach; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang). Soweit sich die Widersprechende auf Letzteres beruft, übersieht sie, dass der Europäische Gerichtshof nach dem ausdrücklichen Wortlaut seiner Entscheidung (a. a. O., Rz. 30) eine selbständig kennzeichnende Stellung nur als Ausnahmefall ansieht, der nur vorliegt, wenn der Verkehr die an sich als Gesamtzeichen eingetragene angegriffene Marke tatsächlich als Mehrfachkennzeichnung ansieht, also als Kombination voneinander unabhängiger Kennzeichnungen, wie dies etwa bei der häufigen Kombination von (getrennt voneinander eingetragenen) Erst- und Zweitmarken auf bestimmten Warenbereichen der Fall ist; in seiner THOMSON LIFE-Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof diesen Ausnahmefall aber nur bei Hinzufügung einer Firmenkennzeichnung oder einer bekannten Marke zu dem übernommen älteren Zeichen bejaht; auch der BGH stellt hierzu in seiner MALTESERKREUZ-Entscheidung (vgl. BGH GRUR 2006, 859, 860 f. [Rz. 22]) nicht nur auf die konkrete Gestaltung, sondern insbesondere auch auf die Kennzeichnungsgewohnheiten des betroffenen Waren- oder Dienstleistungssektors ab, soweit dem Verkehr bestimmte Markengestaltungen als besonderer Hinweis auf die angebotenen Waren geläufig sind, wie dies im konkreten Fall für Kreuzdarstellungen bei karitativen Organisationen angenommen wurde. Dazu, dass ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt, ist aber weder etwas seitens der Widersprechenden vorgetragen worden, noch ergibt sich dies aus sonstigen Umständen; insbesondere ist der nachgestellte weitere, mit dem ersten Bestandteil untrennbar verbundene Begriff "View" in der angegriffenen Marke weder die Firma ihrer Inhaberin noch eine dieser gehörende bekannte Marke, noch ist ersichtlich, dass einer der beiden Bestandteile auf dem hier relevanten Warengebiet der Computerwaren als übliche Kennzeichnung gebräuchlich ist.

d) Unter Berücksichtigung des nicht ausreichenden Grades an Markenähnlichkeit kann damit im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden. Da die Markenstelle somit im Erinnerungsbeschluss zu Unrecht eine Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat, war auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke die anderslautende Erinnerungsentscheidung der Markenstelle aufzuheben und die Erinnerung der Widersprechenden gegen den ihren Widerspruch zu Recht abweisenden Erstbeschluss zurückzuweisen.

B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

C. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Zu befinden war vielmehr allein auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung über die Verwechselbarkeit der Vergleichsmarken aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falls. Dies gilt auch für den Grad der Markenähnlichkeit, welchen der Senat anders als die Widersprechende und die Markenstelle in deren Erinnerungsbeschluss beurteilt, denn auch insoweit beruht die Entscheidung des Senats unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur assoziativen Verwechslungsgefahr allein auf einer unterschiedlichen Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten in Bezug auf die Frage, ob mit dem Bestandteil "Life" gebildete Kennzeichnungen allein der Widersprechenden zugeordnet werden.

Dr. Albrecht Kruppa Schwarz Me






BPatG:
Beschluss v. 18.09.2007
Az: 27 W (pat) 70/06


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