Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 25. November 2005
Aktenzeichen: 6 U 54/05

(OLG Köln: Urteil v. 25.11.2005, Az.: 6 U 54/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Urteil vom 25. November 2005 (Aktenzeichen: 6 U 54/05) in einem Berufungsverfahren über einen Unterlassungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten, einem Unternehmen im Bereich der Telekommunikation, entschieden. Im Urteil wurde das teilweise abgeänderte Teilurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn bestätigt.

Die Beklagte wurde verurteilt, der Klägerin 100.000 EUR plus Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.2.2004 zu zahlen. Der Klageantrag zu 1) wurde jedoch abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Klägerin sowie die Berufung der Beklagten wurden ebenfalls zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden gegeneinander aufgehoben und die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abgewendet werden. Die Revision wurde nicht zugelassen.

In der Begründung des Urteils wurde festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen ist. Dieser sei erst mit dem Zugang der Eingangsbestätigung der Klägerin vom 04.11.03 bei der Beklagten wirksam geworden. Die Beklagte habe gegen beide Alternativen der Unterlassungsverpflichtung verstoßen und dabei schuldhaft gehandelt. Die Festsetzung der Vertragsstrafe in Höhe von insgesamt 100.000 EUR wurde als angemessen erachtet.

Das Urteil ist rechtskräftig und der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf 200.000 EUR festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Köln: Urteil v. 25.11.2005, Az: 6 U 54/05


Tenor

1.)

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.2.2005 verkündete Teilurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 11 O 55/04 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 100.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.2.2004 zu zahlen.

Im übrigen wird der Klageantrag zu 1) abgewiesen.

2.)

Die weitergehende Berufung der Klägerin sowie die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

3.)

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.

4.)

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

5.)

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

B e g r ü n d u n g

Die Beklagte ist im Bereich der Telekommunikation Nachfolgerin des früheren staatlichen Unternehmens "Deutsche Bundespost". Die Klägerin ist eine ihrer Wettbewerber im Bereich der Auskunftsdienste. Sie verlangt - soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse - die Zahlung einer Vertragsstrafe.

Nach Liberalisierung des Telefonmarktes bieten neben der Beklagten inzwischen auch andere Anbieter Auskunftsdienstleistungen an. Die Beklagte fakturiert gegenüber den Endkunden, die so nur eine einzige Rechnung erhalten, auch diese Dienstleistungen Dritter. Die betreffenden Rechnungsbeträge sind in ihren Rechnungen unter "Leistungen anderer Anbieter" aufgeführt. Darüber hinaus zieht die Beklagte auch die fälligen Beträge ein. Grundlage hierfür sind die einschlägigen Bestimmungen des TKG und der TKV sowie ein Beschluss der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (im Folgenden: "RegTP") vom 14.03.2000.

Früher hatte die Beklagte über die Fakturierung und Einziehung der fälligen Beträge hinaus für ihre Wettbewerber auch Kundenanfragen sowie Reklamationen bearbeitet und insbesondere das Mahnverfahren durchgeführt (sogenanntes "Online-Billing"). Seit Mitte des Jahres 2001 erbringt die Beklagte mit Rücksicht auf den erwähnten Beschluss der RegTP diese Leistungen nicht mehr und beschränkt sich auf die Rechnungsstellung und Einziehung ("Offline-Billing"). Die vorliegende Auseinandersetzung beruht auf dem Vorwurf der Klägerin, die Beklagte habe im Jahre 2003 teilweise doch noch das erwähnte Online-Billing-Verfahren durchgeführt und dabei sie, die Klägerin, zu Unrecht von diesem Verfahren ausgeschlossen. Im einzelnen gründen sich diese Vorwürfe auf folgende Umstände:

Nachdem die Beklagte sich geweigert hatte, für die Klägerin Online-Billing-Leistungen zu erbringen, mahnte die Klägerin die Beklagte mit dem aus der Anlage K 18 ersichtlichen Schreiben vom 22.10.03 ab. Anlass für diese Abmahnung war der Umstand, dass die Beklagte im Auftrag eines weiteren Anbieters, nämlich der Deutsche Bahn Auskunft, das Online-Billing weiter betrieben hatte. Beanstandet wurde weiter, dass die Beklagte die Entgelte für Leistungen der Bahnauskunft unter der Rubrik "Verbindungen E. U." (also nicht als "Leistungen anderer Anbieter") aufgeführt hatte.

Auf diese Abmahnung gab die Beklagte die aus den Seiten 3 und 4 des angefochtenen Urteils ersichtliche Unterlassungserklärung ab. Die Parteien streiten darüber, ob und mit Wirkung zu welchem Zeitpunkt diese Erklärung angenommen worden ist.

Anschließend ist die Beklagte ihren Unterlassungsverpflichtungen hinsichtlich der Deutsche Bahn Auskunft nachgekommen, hat die geschuldeten Auskünfte jedoch nicht erteilt.

Hinsichtlich eines weiteren Anbieters, nämlich dem Auskunftsdienst "xxxxx Frag G./Deutscher Telefonbuchverlag" (im Folgenden: "Frag G."), rechnete die Beklagte auch weiterhin fremde Leistungen als eigene ab. Die Klägerin erwirkte daraufhin die aus Seite 6 des angefochtenen Urteils ersichtliche einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf. Zu dieser einstweiligen Verfügung hat die Beklagte nach Abschlussschreiben vom 19.01.2004 (Anlage K 4) unter dem 22.01.2004 eine Abschlusserklärung abgegeben (Anlage K 5).

Die Klägerin macht eine Vertragsstrafe - erstinstanzlich in Höhe von 1,2 Millionen Euro nebst Zinsen - sowie Auskunftsansprüche geltend. Hinsichtlich der Vertragsstrafe hat sie dies damit begründet, dass ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung durch die Rechnungsstellung für das Unternehmen "Frag G." feststehe und durch die Abschlusserklärung der Beklagten zugestanden sei. Die Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt. Sie habe ihre Leistungen für die Bahnauskunft eingestellt und bei dem Unternehmen "Frag G." ebenso verfahren können. Der Anspruch sei der Höhe nach angemessen, weil die Beklagte Marktführerin sei. Es lägen 24 Verstöße vor, weil nach Wirksamwerden der Verpflichtung zum 01.11.2003 24 Werktage vergangen seien und die Beklagte, wie sich aus ihrem als Anlage K 7 vorgelegten AGB ergebe, werktäglich sogenannte "Rechnungsläufe" durchgeführt habe, die als eigenständige Verstöße anzusehen seien. Die einzelnen Verstöße seien mit 50.000,00 EUR anzusetzen, weswegen sich der Betrag von 1,2 Millionen Euro ergebe.

Die Beklagte hat eingewandt, der Vertrag sei nicht, jedenfalls nicht vor dem 04.12. 2003 zustande gekommen, es liege kein Verstoß vor, weil sie gegenüber dem Unternehmen "Frag G." noch vertraglich gebunden gewesen sei, auch fehle es am Verschulden, weil die Verantwortlichen ihrer Rechtsabteilung nichts von dem Vertrag mit "Frag G." gewusst und diesen nach Kenntnisnahme sofort gekündigt hätten. Bei der Bemessung der Vertragsstrafe sei zudem von nur einem Verstoß auszugehen.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Teilurteil ausschließlich über die Vertragsstrafe entschieden und das Verfahren im Übrigen an die für Kartellsachen zuständige Kammer des LG Köln abgegeben.

Die Vertragsstrafe hat es in Höhe von 50.000,00 EUR mit der Begründung zuerkannt, der Vertrag sei zwar gemäß § 151 BGB schon vor dem 1.11.2003 zustande gekommen, es liege aber ein Fall der natürlichen Handlungseinheit vor, weswegen nur ein Verstoß zugrunde zu legen sei. Dieser sei mit 50.000,00 EUR angemessen geahndet.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien - selbstständig - Berufung eingelegt. Während die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage beantragt, erstrebt die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von weiteren 150.000 EUR.

Die Beklagte wiederholt ihren Vortrag, wonach der Vertrag jedenfalls nicht vor dem 04.12.2003 zustande gekommen ist. Im Übrigen sei die Vertragsstrafe von 50.000,00 EUR jedenfalls überhöht. Sie habe sich bemüht, die Verpflichtungserklärung einzuhalten, und die Behandlung des Auskunftsdienstes "Frag G." stelle lediglich einen Ausreißer dar, wie er in ihrer großen Organisation nicht vollständig zu vermeiden sei. Zudem sei in dem Zeitraum zwischen dem 01.11.2003 und dem 13.11.2003 lediglich ein Gesamtumsatz von gut 15.000,00 EUR erzielt worden, weswegen die Klägerin auch keinen größeren Schaden als diesen Betrag erlitten haben könne.

Die Klägerin reduziert ihre Forderung auf nunmehr insgesamt 200.000,00 EUR. Sie meint weiterhin, es müsse von 24 Einzelverstößen ausgegangen werden. Jedenfalls lägen aber zumindest deswegen zwei Verstöße vor, weil die Beklagte nicht nur Rechnungen sondern auch Mahnungen versandt habe. Zudem habe sie auch vorsätzlich gehandelt. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten habe diese nämlich einerseits (schon) am 13.11.2003 den Vertrag mit dem Unternehmen "G." gekündigt, andererseits sei der Kunde L. noch unter dem 28.11.2003 wegen einer Rechnung vom 13.11.2003 gemahnt worden, die auch Auskünfte des Unternehmens "Frag G." enthalten habe.

II

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat teilweise auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht gem. § 339 BGB eine Vertragsstrafe in Höhe von insgesamt 100.000 EUR zu. Demgegenüber ist die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten unbegründet.

1.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien ein durch eine Vertragsstrafe gesicherter Unterlassungsvertrag zustande gekommen ist. Das ist abweichend von der Auffassung der Kammer allerdings erst mit Zugang der Eingangsbestätigung der Klägerin vom 04.11.03 (Anlage K 8) bei der Beklagten geschehen.

Der Unterlassungsvertrag ist nicht schon am 29.10.2003 mit Zugang der Unterlassungserklärung der Beklagten vom selben Tage bei der Klägerin zustande gekommen. Die Unterlassungserklärung müsste dazu die Annahme eines vorangegangenen Angebotes der Klägerin darstellen. Das käme in Frage, wenn die Klägerin ihrer Abmahnung den Entwurf einer Unterlassungserklärung beigefügt hätte, der inhaltlich mit der späteren Unterlassungserklärung übereinstimmte. Das kann jedoch nicht zugrunde gelegt werden. Die als Anlage K 15 vorgelegte Abmahnung der Klägerin vom 22.10.03 erwähnt zwar (Seite 3 unten) eine "beigefügte Verpflichtungserklärung", diese ist jedoch nicht mit vorgelegt worden. Dasselbe gilt für das im Briefkopf der Unterlassungserklärung der Beklagten vom 29.10.03 aufgeführte Schreiben der Klägerin vom 28.10.03, das sich ebenfalls nicht in der Akte befindet. Die Unterlassungserklärung der Beklagten kann vertragsrechtlich daher nicht als Annahme, sondern nur als Angebot zum Vertragsschluss angesehen werden.

Das Landgericht hat angenommen, der Vertrag sei am Tage des Zugangs der Unterlassungserklärung bei der Klägerin gemäß § 151 Satz 1 BGB zustande gekommen. Dem kann nicht gefolgt werden. Auch unter den Voraussetzungen des § 151 BGB ist für den Vertragsschluss eine nach außen hervortretende eindeutige Betätigung des Annahmewillens erforderlich (vgl. BGHZ 74,352,356). Die Bestimmung erklärt demgegenüber lediglich den Zugang der Annahmeerklärung für entbehrlich. Ein damals auch nur konkludent zum Ausdruck gebrachter Wille der Klägerin, die Erklärung der Beklagten anzunehmen, ist ihrem Vortrag indes nicht zu entnehmen.

Zudem hat der BGH in der Entscheidung GRUR 02, 824 ff. - "Teilunterwerfung" seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach die Übersendung einer Unterlassungserklärung nur dann den Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung beinhaltet, wenn die Unterwerfungserklärung nicht oder zumindest nicht in einem wesentlichen Punkt von demjenigen abweicht, was der Anspruchsteller insoweit verlangt hat (a.a.O., S. 825; vgl. auch Fezer-Büscher, § 8 Rz. 129; Harte/Henning/Beckedorf, § 8 Rz. 34, jeweils m.w.N.). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, könnte ohne Kenntnis des Wortlauts der mit der Abmahnung geforderten Unterlassungserklärung nicht festgestellt werden.

Die Klägerin hat aber durch ihre Eingangsbestätigung vom 04.11.03 (Anlage K 8) das Vertragsangebot angenommen. Das belegt schon die Formulierung "wir bestätigen hiermit den Eingang der von Ihnen unterzeichneten Verpflichtungserklärung...". Denn die Klägerin hat anschließend nicht etwa die Erklärung als inhaltlich unzureichend beanstandet, sondern "auf der Basis der darin eingegangenen Verpflichtung" Ansprüche auf Auskunft und Kostenübernahme geltend gemacht. Zudem liegt in dieser Geltendmachung der sich aus der Verpflichtungserklärung ergebenden Ansprüche eine eindeutige konkludente Annahmeerklärung, weil die Ansprüche ohne ein Zustandekommen des Vertrages und damit ohne eine Annahme der Unterlassungserklärung durch die Klägerin nicht bestünden.

Diese Annahmeerklärung ist auch rechtzeitig erfolgt. Es kann offen bleiben, ob Angebote zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages durch den Schuldner regelmäßig unbefristet erfolgen (vgl. dazu Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 12 Rz.1.115), weil die etwaige Annahmefrist gemäß § 147 Abs. 2 BGB jedenfalls nicht überschritten ist. Die Klägerin hat durch ihren Bevollmächtigten nach einer Woche auf die Unterwerfungserklärung reagiert. Angesichts der Komplexität der Ansprüche und der Notwendigkeit der Abstimmung des Bevollmächtigten mit der Klägerin konnte die Beklagte erwarten, dass die Klägerin eine Woche zur Überprüfung benötigen würde. Diese Sicht wird durch den Umstand bestätigt, dass die Beklagte selbst noch etwa drei Wochen nach Abgabe der Unterlassungserklärung, nämlich unter dem 20.11.2003, angefragt hat, ob die Klägerin die Verpflichtungserklärung annehme, und sich nicht etwa auf den Standpunkt gestellt hat, die Annahmefrist sei verstrichen (Anlage K 9).

2.

Die Unterlassungsvereinbarung der Parteien enthält ein Vertragsstrafeversprechen nach dem "neuen Hamburger Modell". Danach hat im Falle des Vertragsverstoßes der Gläubiger das Recht, nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) eine Vertragsstrafe zu bestimmen. Die Billigkeit dieser Bestimmung ist auf Verlangen des Schuldners gemäß § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich zu überprüfen.

Diese im vorliegenden Verfahren durchzuführende Überprüfung führt zur Festsetzung einer Vertragsstrafe in Höhe von 100.000,00 EUR, weswegen die Berufung der Klägerin teilweise begründet und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen ist.

Die Beklagte hat durch die unveränderte Abwicklung des Vertrages mit dem Unternehmen "Frag G." gegen beide Alternativen der Unterlassungsverpflichtung verstoßen.

Wie aus der Anlage 1 zur Abmahnung der Klägerin vom 04.12.2003 ersichtlich ist, hat die Beklagte noch unter dem 13.11.2003 Leistungen des Auskunftsdienstes "Frag G." gegenüber Telefonkunden als eigene Leistungen, nämlich unter der Rubrik "Verbindungen E. U.", geltend gemacht. Darüber hinaus hat sie unter dem 28.11.2003 die Begleichung der Rechnung des Kunden L., in der auch Leistungen von "Frag G." abgerechnet waren, angemahnt. Dass die Beklagte - wie sie erstinstanzlich vorgetragen hat - hierzu gegenüber dem Unternehmen "Frag G." vertraglich verpflichtet gewesen sein mag, ist unerheblich. Indem sie sich verpflichtete, derartige "Online-Billing" Dienste nicht mehr zu erbringen, hatte die Beklagte für die Einhaltung dieser Verpflichtung einzustehen. Wenn ihr dies rechtlich nicht möglich gewesen sein sollte, hätte sie die Unterlassungserklärung nicht uneingeschränkt abgeben dürfen. Im Übrigen hat die Beklagte später - wie sich ihrem Vortrag entnehmen lässt offenbar unproblematisch - das Vertragsverhältnis zu "Frag G." kurzfristig gekündigt und auf Offline-Billing umgestellt.

Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Die behauptete Unkenntnis der Mitarbeiterin ihrer Rechtsabteilung von der Existenz der Vertragsbeziehung zu dem Unternehmen "Frag G." ist auch angesichts des Umstandes, dass es sich um einen nicht in der Zentrale der Beklagten, sondern im Bezirk Norddeutschland gepflegten Vertrag handelt, unerheblich. Nachdem die Beklagte die Verpflichtung eingegangen war, oblag es ihr sicherzustellen, dass diese bundesweit eingehalten wurde.

Der Höhe nach entspricht die Festsetzung einer Vertragsstrafe von 100.000 EUR der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB.

Nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut (Ziffer 1 am Ende) gilt die vertragliche Vereinbarung "für alle ab dem 01.11.2003 gewählten Verbindungen". Die Beklagte war daher, wenn der Vertrag auch erst mit Zugang der Eingangsbestätigung der Klägerin vom 4.11.2003 bei ihr zustande gekommen ist, rückwirkend bereits vom 1.11.2003 an - spätestens aber seit dem 4.11. - zu seiner Einhaltung verpflichtet. Die Beklagte hat indes nach dem 31.10.2003 nicht nur gegenüber dem Kunden L., sondern gegenüber sämtlichen Telefonkunden, die Dienstleistungen des Unternehmens "Frag G." in Anspruch genommen hatten, diese in Rechnung gestellt und erforderlichenfalls Mahnungen ausgesprochen und so gegen die Unterlassungspflichten verstoßen. Erst am 13.11.2003 ist in der Rechtsabteilung ihrer Zentrale das Vertragsverhältnis zu "Frag G." wahrgenommen und die Notwendigkeit der Beendigung des Offline-Billing mit diesem Unternehmen erkannt worden.

Bei der vertragswidrigen Rechnungsstellung und Mahnung der Kunden durch die Beklagte handelt es sich im Ausgangspunkt um eine in die Tausende gehende Vielzahl von Verstößen. Dies kann entgegen der Auffassung der Klägerin aber nicht zu einer entsprechenden Vervielfachung der verwirkten Vertragsstrafe führen. Nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 01, 758 ff - "Trainingsvertrag") ist vielmehr bei gleichartigen Verstößen zunächst zu prüfen, ob eine natürliche Handlungseinheit im Rechtssinne vorliegt. Ist das nicht der Fall, so ist unter Auslegung des Vertrages zu untersuchen, ob es sich um gleichartige fahrlässige Verletzungshandlungen handelt, die unter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen worden ist. In diesen Fällen liegt die Annahme nahe, dass die Parteien, auch wenn sie - wie im Streitfall - die Formulierung "für jeden Einzelfall" gewählt haben, nur die Verwirkung einer einzigen Vertragsstrafe vereinbaren wollten.

Zu Recht hat die Kammer auf der Grundlage dieser Rechtsprechung bereits die Voraussetzungen einer natürlichen Handlungseinheit bejaht. Eine solche ist bei einem engen Zusammenhang der Einzelakte und einer auch für Dritte erkennbaren Zugehörigkeit zu einer Einheit anzunehmen (vgl. BGH GRUR 61, 307 - "Krankenwagen II"; Baumbach/Hefermehl/Bornkamm a.a.O., Rz 1.147). Die Beklagte hatte das Vertragsverhältnis mit dem Unternehmen "Frag G." pflichtwidrig übersehen. Aufgrund dieses - einen - Fehlverhaltens ist es zwar zu einer Vielzahl von Rechnungsstellungen und Mahnungen gekommen, die jeweils für sich genommen zur Begründung eines Vertragsverstoßes ausreichen würden, diese beruhen aber nicht auf einzelnen gesonderten Verletzungshandlungen, sondern auch für Dritte erkennbar allein darauf, dass die Parteien ein Massengeschäft betreiben und das Vertragsverhältnis mit "Frag G." der Unterlassungsvereinbarung noch nicht angepasst war. Das gilt auch angesichts des Umstandes, dass an den Werktagen jeweils Rechnungsläufe stattgefunden haben, die nicht vollautomatisch, sondern von Menschenhand gesteuert worden oder zumindest kontrolliert abgelaufen sein sollen. Denn auch diese Rechnungsläufe gewährleisteten nicht, dass das Vertragsverhältnis zu dem Unternehmen "Frag G." in seiner Bedeutung für die Vertragsvereinbarung erkannt wurde. Eine jeweils einzeln vorwerfbare Verletzungshandlung mit eigenem Unwertgehalt liegt danach weder in den einzelnen Rechnungen und Mahnungen, noch entgegen der Auffassung der Klägerin in der werktäglichen Fortsetzung der Praxis nach Absolvierung der Rechnungsläufe.

Die Berufung der Klägerin hat gleichwohl teilweise Erfolg, weil nicht nur eine, sondern zwei Handlungseinheiten vorliegen und deswegen der von dem Landgericht bestimmte Betrag von 50.000 EUR der Billigkeit nicht entspricht.

Diese Sicht rechtfertigt sich allerdings nicht aus dem von der Klägerin angeführten Umstand, dass die Beklagte gegen beide Alternativen der Unterlassungsvereinbarung verstoßen hat. Der Beklagten ist für den Zeitraum bis zu dessen "Entdeckung" nur der Vorwurf zu machen, dass sie den Vertrag mit dem Unternehmen "Frag G." im Rahmen der Umsetzung ihrer übernommenen Unterlassungsverpflichtung nicht berücksichtigt, sondern insoweit die alte Praxis fortgesetzt hat. Der Umstand, dass diese Praxis gegen zwei getrennte rechtliche Verpflichtungen verstieß, stellt rechtlich nicht zwei, sondern nur eine Handlung dar, weswegen der Bemessung der Vertragstrafe insoweit eine natürliche Handlungseinheit bis zum 13.11. 2003 zugrunde zu legen ist und es infolgedessen nicht entscheidend darauf ankommt, ob - wie oben angesprochen - die Beklagte mit dem 1.11. oder erst dem 4.11.2003 zur Unterlassung verpflichtet war.

Es liegt aber eine Zäsur in der Verhaltensweise der Beklagten nach Aufdeckung der Vertragsbeziehungen zu "Frag G." durch die Rechtsabteilung ihrer Zentrale. Dabei macht die Klägerin keine gesonderten Rechte mit der deswegen auch nicht zu überprüfenden Begründung geltend, die Beklagte habe nicht alles zumutbare und erforderliche getan, um die Versendung aktuell in Arbeit befindlicher Rechnungsstellungen zu verhindern. Sie beanstandet aber zu Recht, dass säumige Kunden weiterhin gemahnt worden sind. Diese Verfahrensweise beruht auf einem neuen Handlungsentschluss der Beklagten, der mit den bis dahin in fahrlässiger Unkenntnis von dem Inhalt der Vertragsbeziehungen erfolgten Rechnungsstellungen und Mahnungen nicht in einer rechtlichen Handlungseinheit steht. Ebenso ergibt die Auslegung des Vertrages nicht, dass die Parteien für die gegebene Fallkonstellation nur eine einzige Vertragsstrafe als verwirkt vereinbaren wollten.

Die Beklagte hat nach der Entdeckung der Relevanz des Unterlassungsvertrages auch für ihre Vertragsbeziehungen zu dem Unternehmen "Frag G." bewusst in Kauf genommen, dass Kunden, die durch dieses Unternehmen erbrachte Auskünfte nicht bezahlt hatten, weiterhin durch die - teilweise oder vollständig - automatisierten Abläufe gemahnt werden würden, wie dies im Fall des Kunden L. durch die Klägerin nachgewiesen ist. Dass sie etwa keinen Einfluss auf diese Abläufe gehabt oder es einen unzumutbaren Aufwand bedeutet hätte, die "Frag G." betreffenden Mahnungen auszufiltern, trägt die Beklagte selbst nicht vor und liegt auch nicht nahe. Dieses vorwerfbare Verhalten stellt sich nicht als Teilakt des seit Vertragsbeginn fahrlässig erfolgten Vertragsverstoßes dar, weil es auf einem neuen Entschluss der Beklagten beruht, durch das Verstöße gegen die Vertragsvereinbarung sogar bewusst in Kauf genommen worden sind. Die Beklagte handelte seit der Erkenntnis, dass auch ihr Vertragsverhältnis zu "Frag G." von der Vereinbarung betroffen war, bedingt vorsätzlich. Das steht aber der Wertung als natürliche Handlungseinheit nicht entgegen. Die Beklagte hat nicht mehrfach durch jeweils neuen Tatentschluss gegen das Verbot verstoßen, sondern sich einmal entschlossen, ihr Mahnverhalten hinsichtlich der säumigen Kunden des Unternehmens beizubehalten und dabei die Verletzung der vertraglichen Verpflichtung in Kauf genommen. Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 11.11.2005 für ihren gegenteiligen Standpunkt angeführten Fundstellen, die den Fall des lediglich bedingten Vorsatzes ohnehin nicht anführen, betreffen, wie jeweils ausdrücklich erwähnt ist, das Institut der natürlichen Handlungseinheit nicht, sondern die Frage, ob bei rechtlich selbständigen Handlungen eine Zusammenfassung in Betracht kommt.

Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände entspricht eine Vertragsstrafe von insgesamt 100.000 EUR für beide Verstöße im Sinne des § 315 BGB billigem Ermessen.

Der Senat teilt die Auffassung der Kammer, wonach für die auf Fahrlässigkeit beruhende Rechnungsstellung und Mahnung in der Zeit vom 1.11.2003 bis zum 13.11. 2003 ein Betrag von 50.000 EUR der Billigkeit entspricht. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Beklagten greifen nicht durch. Dass die Beklagte sich abgesehen von dem hier streitigen Vertragsverhältnis zu "Frag G." an ihre Verpflichtung gehalten hat, obwohl sie Anlass zu der Annahme sah, der Vertrag sei noch nicht angenommen, entsprach ihren Obliegenheiten. Dass sie mit den Anrufen für "Frag G." einen Gesamtumsatz von nur gut 15.000,00 EUR gemacht hat, ist in dem Urteil des Landgerichts bereits angemessen berücksichtigt worden und kann nicht etwa dazu führen, den Vertragsstrafebetrag auf diese Summe zu reduzieren. Die Beklagte war auch entgegen ihrer Darstellung gerade nicht besonders sorgfältig darauf bedacht, die eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten. Das zeigt der Umstand, dass ihr ihre Vertragsbeziehungen zu dem Unternehmen "Frag G." entgangen sind.

Unter zusätzlicher Berücksichtigung des zweiten Verstoßes entspricht es der Billigkeit, beide Handlungen gleich zu gewichten und die Vertragsstrafe dementsprechend auf insgesamt 100.000 EUR festzusetzen. Nach der "Entdeckung" des Vertragsverhältnisses zu dem Unternehmen "Frag G." ist nicht etwa nur der Telefonkunde L. abgemahnt worden. Vielmehr ist mit der Klägerin, deren diesbezüglicher Hochrechnung in ihrer Berufungsbegründung die Beklagte nicht widersprochen hat, davon auszugehen, dass mindestens 533 erfolglose Mahnungen ausgesprochen worden sind. Auch wenn diese Zahl deutlich niedriger liegt als die Zahl der bis zum 13.11.2003 absprachewidrig versandten Rechnungen, handelt es sich nicht um einzelne "Ausreißer". Zudem ist zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie in dem zweiten Handlungsabschnitt der Vorwurf des (bedingt) vorsätzlichen Handelns trifft.

Dass die Fortsetzung der Mahntätigkeit dem Unternehmen "Frag G." für den begrenzten Zeitraum von 15 Werktagen einen gewissen Wettbewerbsvorteil verschafft haben mag, ist in der Gewichtung beider Verstöße mit je 50.000 EUR ebenso berücksichtigt wie der von der Klägerin im Schriftsatz vom 11.11.2005 noch angeführte Umstand, dass die Beklagte nur für einen kürzeren Zeitraum die Leistungen des Unternehmens "Frag G." als eigene Leistungen abgerechnet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die der Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Die Anwendung dieser Rechtsfragen auf den vorliegenden Einzelfall hat nicht im Sinne des § 543 Abs.2 Ziff.1 ZPO grundsätzliche Bedeutung. Ebenso ist aus diesem Grunde eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs.2 Ziff.2 ZPO).

Streitwert für das Berufungsverfahren: 200.000 EUR.






OLG Köln:
Urteil v. 25.11.2005
Az: 6 U 54/05


Link zum Urteil:
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