Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Mai 2009
Aktenzeichen: 20 W (pat) 64/04

(BPatG: Beschluss v. 25.05.2009, Az.: 20 W (pat) 64/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 31 des Deutschen Patentund Markenamts vom 12. August 2004 aufgehoben und das Patent 198 11 064 widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 13. März 1998 eingereichte Patentanmeldung wurde das Patent 198 11 064 mit der Bezeichnung "Haussprechanlage" erteilt. Die Patenterteilung wurde am 14. Oktober 1999 im Patentblatt veröffentlicht. Das Patent umfasst insgesamt 18 Patentansprüche.

Der unabhängige Patentanspruch 1 lautet:

"Haussprechanlage, mit einer Außeneinheit (10) und mindestens einer Inneneinheit (38, 40), wobei die Inneneinheit (38, 40) ein Mobilteil einer schnurlosen Telefonanlage aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß

die Außeneinheit (10) eine einen Lautsprecher (26) und ein Mikrophon (28) aufweisende Basisstation (12) der schnurlosen Telefonanlage aufweist."

Bezüglich des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 18 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Gegen das Patent wurde von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 29. Dezember 1999, eingegangen am 11. Januar 2000, Einspruch erhoben, mit dem der vollständige Widerruf des Patents begehrt wurde. Die Einsprechende stützt ihren Einspruch auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) und nennt hierzu unter anderem die Druckschriften D2 DE 44 08 972 C1, D4 Fa. RITTO: Gesamtkatalog «93, Hausund Bürokommunikation, Beschallungstechnik, Seiten 62, 68 Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Patentabteilung 31 -hat das Patent mit Beschluss vom 12. August 2004 im erteilten Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden, mit der sie ihren Einspruch weiterverfolgt.

Sie beantragt, den Beschluss der Patentabteilung 31 des Deutschen Patentund Markenamts vom 12. August 2004 aufzuheben und das Patent 198 11 064 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisenund das Patent 198 11 064 auf der Grundlage der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Patentanspruch 1 aus der mündlichen Verhandlung sowie - Patentansprüche 2 bis 18 und Beschreibung und Zeichnungen Figuren 1 und 2 jeweils wie Patentschrift, hilfsweise: -Patentanspruch 1 und Beschreibung Spalte 1 jeweils aus der mündlichen Verhandlung, sowie -Patentansprüche 2 bis 18 und Beschreibung Spalten 2 bis 4 mit Zeichnungen Figuren 1 und 2 jeweils wie Patentschrift.

Die Patentansprüche gemäß Hauptund Hilfsantrag sind identisch. Der einzige unabhängige Patentanspruch 1 lautet übereinstimmend in beiden Anträgen unter Hinzufügung einer Merkmalsnummerierung:

M1 Haussprechanlage, mit M2 einer von außen zugänglichen Außeneinheit (10) M3 mit einer Rufeinrichtung in Form M3a mindestens einer Ruftaste (18, 22) oder M3b eines Tastenfeldes zum Eingeben eines Codes und M4 mindestens einer Inneneinheit (38, 40), M5 wobei die Inneneinheit (38, 40) ein Mobilteil einerschnurlosen Telefonanlage aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß

M6 in die Außeneinheit (10) eine einen Lautsprecher (26) undein Mikrophon (28) aufweisende Basisstation (12) derschnurlosen Telefonanlage eingesetzt ist.

Bezüglich des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 18 in der Fassung beider Anträge wird auf die Akte verwiesen.

Die Patentinhaberin widerspricht dem Vorbringen der Einsprechenden. Sie vertritt die Auffassung, dass der Patentgegenstand -jedenfalls in der verteidigten Fassung -patentfähig und die Beschwerde unbegründet sei, denn der Stand der Technik nähme die patentgemäße Haussprechanlage weder neuheitsschädlich vorweg noch sei diese dem Fachmann nahe gelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

1.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zum Widerruf des Patents, weil dessen Gegenstand weder in der verteidigten Fassung gemäß Hauptantrag, noch in der hilfsweise verteidigten Fassung patentfähig ist.

2.

Der Einspruch ist -wie die Patentabteilung zutreffend entschieden hatte zulässig. Die Einsprechende hat ihren formund fristgerecht erhobenen Einspruch auf den Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG gestützt und dabei insbesondere geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei nicht patentierbar, weil ergegenüber dem im Einspruch genannten Stand der Technik nicht neu sei bzw. nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit beruhe. Die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, wurden hinreichend detailliert dargelegt und in den Kontext der patentierten Erfindung gestellt. Damit sind alle Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt.

3.

Die Erfindung betrifft eine Haussprechanlage mit einer Außeneinheit und mindestens einer Inneneinheit, wobei die Inneneinheit ein Mobilteil einer schnurlosen Telefonanlage aufweist (Spalte 1, Zeilen 3 bis 7 der Patentschrift). Eine solche Haussprechanlage, wie sie beispielsweise die Druckschrift D2 (DE 44 08 972 C1) offenbart, ist dem Fachmann -einem Diplom-Ingenieur mit Fachhochschulabschluss der Fachrichtung Elektrotechnik, der über Berufserfahrung auf dem Gebiet der Kommunikationstechnik, insbesondere der Hauskommunikation verfügt -bekannt.

Der Senat geht davon aus, dass unter der beanspruchten Haussprechanlage eine Einrichtung zu verstehen ist, die die Sprachkommunikation zwischen einem Außenbereich und einem Innenbereich eines Gebäudes ermöglicht, wobei der Außenbereich sich nicht notwendigerweise außerhalb des Gebäudes, sondern lediglich außerhalb des insoweit abgegrenzten Innenbereichs befindet. Beispielsweise kann der Außenbereich ein gegenüber einer Wohnung (Innenbereich) abgegrenzter Hausflurbereich sein. Die Außeneinheit ist dann derjenige Teil des Haussprechanlage, der im Außenbereich angeordnet ist, die Inneneinheit hingegen derjenige Teil des Haussprechanlage, der im Innenbereich angeordnet ist. Als schnurlose Telefonanlage sieht der Senat jede Art von Telefonanlage an, die mindestens eine Basisstation und mindestens ein nicht leitungsgebunden mit der Basisstation kommunizierendes Mobilteil umfasst. Derartige Anlagen sind dem Fachmann hinlänglich bekannt und weisen bei Bedarf auch einen Lautsprecher und ein Mikrophon zur Sprachkommunikation auf. Fehlen Lautsprecher und Mikrophon, vermittelt die Basisstation lediglich Gespräche zwischen angeschlossenen Telefonen. Die Basisstation ist nicht zwingend mit einem öffentlichen Telefonanschluss verbunden.

Mit der patentgemäßen Lehre soll gemäß der Patentschrift die Aufgabe gelöst werden, die bekannte Haussprechanlage zu vereinfachen (Spalte 1, Zeilen 19 bis 20 der Patentschrift). Eine solche Aufgabe stellt sich dem Fachmann in der Praxis von selbst. Sie ergibt sich unmittelbar aus Benutzerwünschen und dem ständigen Streben des Fachmanns nach kostengünstigen Lösungen, um die gewerbliche Anwendbarkeit der Haussprechanlage effektiv zu sichern.

4. Zum Hauptantraga) Zur Lösung der patentgemäßen Aufgabe lehrt Patentanspruch 1 in der gemäß Hauptantrag verteidigten Fassung eine Haussprechanlage, mit den oben angegebenen Merkmalen M1 bis M6.

b) Es kann dahinstehen, ob die im Rahmen der Beschränkung in den Patentanspruch 1 zusätzlich eingefügten Merkmale in den ursprünglichen Unterlagen eine ausreichende Stütze finden, weil der beschränkte und insoweit mit dem Hauptantrag verteidigte Patentanspruch 1 jedenfalls nicht schutzfähig ist. Er mag zwar neu und gewerblich anwendbar sein, er beruht aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

c) Dem Gesamtkatalog «93 der RITTO GmbH & Co. KG mit dem Titel "Hausund Bürokommunikation, Beschallungstechnik" (Druckschrift D4, Seiten 62, 68) ist eine Telefonzentrale für Haus und Büro mit der Bezeichnung "RITTO COMTEC" als bekannt entnehmbar, die Amtstelefone mit Hausund Türsprechanlagen verbindet (ebenda, Seite 62, 1. Absatz), wobei insbesondere angegeben ist, dass die Anlage zum Direktanschluss an die Türstation "RITTO PORTIER 3000" vorbereitet ist. Bei der Türstation "RITTO PORTIER 3000" handelt es sich um eine von außen zugängliche Außeneinheit (Merkmal M2) einer Haussprechanlage (Merkmal M1). Die Außeneinheit verfügt -wie aus der Abbildung auf dem Deckblatt des Katalogs ersichtlich -über eine Rufeinrichtung in Form eines Ruftastenfeldes, mithin mindestens eine Ruftaste (Merkmal M3, Alternative M3a). Die an die Telefonzentrale "RITTO COMTEC" anschließbaren Telefonapparate dienen -neben ihrer eigentlichen Funktion als Telefon -als Inneneinheit der Haussprechanlage (Merkmal M4). Ausdrücklich sind dabei auch schnurlose Funktelefone vorgesehen (ebenda, 2. Spalte, 2. Aufzählungspunkt). Mithin ist bekannt, dass die Inneneinheit ein Mobilteil einer schnurlosen Telefonanlage aufweist (Merkmal M5).

Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dadurch, dass in die Außeneinheit eine einen Lautsprecher und ein Mikrophon aufweisende Basisstation der schnurlosen Telefonanlage eingesetzt ist.

d) Dem Fachmann stellt sich bei der Planung einer Haussprechanlage mit den aus der Druckschrift D4 bekannten Grundkomponenten stets die Frage nach der Positionierung der Basisstation. Der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass die räumliche Positionierung der Basisstation relativ frei gewählt werden kann. Bei der Wahl des Standorts der Basisstation berücksichtigt der Fachmann unter anderem -die Ausbreitungsbedingungen für die zwischen der Basisstationund dem Mobilteil bzw. den Mobilteilen zu übertragenden Signale,

-die Position des Mobilteils bzw. der Mobilteile im Innenbereich,

-die Sendeleistung der Basisstation,

-die Signalempfindlichkeit des Mobilteils bzw. der Mobilteile,

-die baulichen Eigenschaften des Gebäudes.

Diese Parameter wirken für den Fachmann angesichts bekannter technischer Maßnahmen, wie zum Beispiel den Einsatz von Zwischenverstärkern (Repeater), im Wesentlichen jedoch nicht begrenzend. Insoweit sind im anspruchsgemäßen Kontext, bei dem eine Verbindung mit einem öffentlichen Telefonnetz nicht vorausgesetzt wird, alle räumliche Positionen der Basisstation für den Fachmann mehr oder weniger gleichwertig.

Der Fachmann wird deshalb bei der Planung einer Haussprechanlage jedwede Position der Basisstation in seine Überlegungen einbeziehen. Unter Kostengesichtspunkten wird der Fachmann jedoch eine Position der Basisstation bevorzugen, die mit einem möglichst geringen Installationsaufwand auskommt. Dabei spielt auch der Verkabelungsaufwand für die Verbindung der die Ruftasten umfassenden Außeneinheit und der Basisstation eine wesentliche Rolle. Prinzipiell ist nämlich für jede Ruftaste mindestens eine Verbindungsleitung zu der Basisstation zu verlegen. Insbesondere bei einer Vielzahl von Ruftasten ist dieser Aufwand auch nicht unerheblich. Der Fachmann wählt demzufolge eine Position für die Basisstation, bei der nur sehr kurze oder gar keine Kabel verlegt werden müssen. Am kürzesten sind die Leitungswege offensichtlich, wenn die Basisstation unmittelbar in die Außeneinheit eingesetzt wird, wobei sie dann zugleich auch ein Mikrophon und einen Lautsprecher aufweist, da diese in der bekannten Außeneinheit (Türstation RITTO PORTIER 3000) ohnehin vorhanden sind (D4: Deckblatt; Merkmal M6).

Somit gelangt der Fachmann ausgehend von der Druckschrift D4 allein aufgrund fachgemäßer Überlegungen, die durch Benutzerwünsche und Aufwandsbzw. Kostengesichtspunkte angeregt sind, zu dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Dieser Gegenstand beruht infolge dessen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Zum Hilfsantrag Für den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag gilt das unter II.4 zu dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag Ausgeführte in identischer Weise, nachdem beide Ansprüche identisch sind. Ohne Wirkung auf die Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ist der Umstand, dass gegenüber dem Hauptantrag ein Satz aus der Erfindungsbeschreibung gestrichen wurde (Spalte 1, Zeilen 32 bis 35 der Patentschrift). Der Senat sieht keine Veranlassung, den Anspruch aufgrund der Streichung anders auszulegen.

6. Nachdem sich der Hauptanspruch weder in der Fassung gemäß Hauptantrag noch in der Fassung des Hilfsantrags als rechtsbeständig erweist, kann die beantragte Aufrechterhaltung des Patents nicht erfolgen. Das Patent ist unter diesen Umständen vollständig zu widerrufen (BGH in GRUR-RR 2008, 456 -Installiereinrichtung, Tz. 22, m. w. N.).

Dr. Mayer Werner Gottstein Kleinschmidt Pr






BPatG:
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