Verwaltungsgericht Arnsberg:
Beschluss vom 12. Juni 2006
Aktenzeichen: 12 L 502/06

(VG Arnsberg: Beschluss v. 12.06.2006, Az.: 12 L 502/06)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin Kopien des Schriftverkehrs zwischen der Abteilung 8 der Antragsgegnerin sowie dem Bergamt S. und den Rechtsanwälten I. , F. , in dem Amtshaftungsverfahren zwischen dem Land NRW und der Wohnungsverwaltung S. vor dem Landgericht T. (1 O 214/04) ab Zustellung der Klageschrift an das Land NRW bis zum 6. April 2006 zur Verfügung zu stellen,

hat - ungeachtet der Frage, ob die Bezirksregierung auch hinsichtlich des Schriftverkehrs des Bergamtes S. mit den benannten Rechtsanwälten die richtige Antragsgegnerin ist - in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 123 Abs.1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs.1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs.3 VwGO i.V.m. § 920 Abs.2 der Zivilprozessordnung (ZPO) muss der Antragsteller sowohl das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer sofortigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft machen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, denn die Antragstellerin hat bereits einen Anordnungsanspruch auf Zugang zu dem begehrten Schriftverkehr nach § 4 Abs.1 des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein- Westfalen (IFG NRW) nicht glaubhaft gemacht.

Insoweit kann dahin stehen, ob von der prinzipiellen Anwendbarkeit des IFG NRW, die auch dann gegeben sein kann, wenn der Bürger von der Behörde Informationen zur Durchführung eines gegen diese gerichteten Amtshaftungsprozesses begehrt,

vgl. zur Einsicht in Bautagebücher Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) - Rechtsprechungsreport (RR) 2003, S.800 ff.

auch dann auszugehen ist, wenn - wie hier - Einsicht in die Korrespondenz einer Behörde mit den von ihr für den Amtshaftungsprozess bevollmächtigten Rechtsanwälten begehrt wird.

Denn ein Informationsanspruch der Antragstellerin gemäß § 4 Abs.1 IFG NRW scheidet vorliegend jedenfalls nach § 7 IFG NRW aus.

Es spricht bereits vieles dafür, dass es sich bei den begehrten Kopien des Schriftverkehrs um Protokolle vertraulicher Beratungen im Sinne des § 7 Abs.1 Alt. 3 IFG NRW handelt, für die der Antrag auf Informationszugang abzulehnen ist. Neben Niederschriften mündlicher Beratungen dürfte diese Alternative des § 7 Abs.1 IFG NRW auch den Austausch von Meinungen in schriftlicher Form umfassen, mit dem ein Beratungsergebnis angestrebt wird,

vgl. Praxis der Kommunalwissenschaft, Landesausgabe NRW, Band A 1, Gliederungsnummer A 16 NW, Erläuterungen zu § 7 IFG NRW, Ziffer 2.2

wobei Beratungen von Behörden mit den von ihnen konsultierten Rechtsanwälten auch regelmäßig vertraulich sind (vgl. etwa § 43 a Abs.2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)).

Jedenfalls findet die Ablehnung des Antrags der Antragstellerin aber ihre Rechtfertigung in § 7 Abs.2 a) IFG NRW. Hiernach soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, wenn sich der Inhalt der Information auf den Prozess der Willensbildung innerhalb von und zwischen öffentlichen Stellen bezieht.

Dies trifft hinsichtlich der begehrten prozessbezogenen Korrespondenz der Behörden mit den Rechtsanwälten zu, denn diese dient ihrer Zweckbestimmung nach der Festlegung, zu welchen sachlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten in welcher Weise in dem anhängigen Amtshaftungsprozess vorgetragen werden soll. Da es insoweit gerade um die Entscheidung über das weitere prozessuale Verhalten der Antragsgegnerin geht, steht einer Anwendung des § 7 Abs.2 a) IFG NRW demnach auch nicht entgegen, dass die Entscheidung, einen im Vorfeld angesprochenen Vergleich abzulehnen und sich auf ein Klageverfahren einzulassen, naturgemäß bereits getroffen worden ist.

Ebenso wenig scheidet eine Anwendung des § 7 Abs.2 a) IFG NRW deshalb aus, weil es sich bei den Rechtsanwälten selbst nicht um eine öffentliche Stelle handelt. Denn dies ändert nichts daran, dass es gerade Ziel der anwaltlichen Beratung ist, bei der internen Willensbildung der Antragsgegnerin Hilfestellung zu leisten, so dass sich der Inhalt des Schriftverkehrs auf den Prozess der internen Willensbildung „bezieht". Im Übrigen ist allgemein anerkannt, dass eine Behörde etwa bei Gerichtsverfahren - zumal bei einem Amtshaftungsprozess mit beträchtlichem Streitwert - externen Sachverstand in Anspruch nehmen kann, so dass die Prozessbevollmächtigten insoweit zum Lager der öffentlichen Stelle rechnen.

Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ablehnung des Antrags nach § 7 Abs.2 a) IFG NRW demnach erfüllt, so ist auch eine besondere Fallgestaltung, die ausnahmsweise ein Absehen von der Ablehnung gebieten würde, vorliegend nicht ersichtlich.

Unabhängig von Vorstehendem hat die Antragstellerin zudem auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die mit dem vorliegenden Antrag begehrte Vorwegnahme der Hauptsache ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes die Antragstellerin schwer und unzumutbar belasten würde, was etwa dann angenommen werden kann, wenn ohne eine einstweilige Anordnung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein endgültiger und erheblicher Rechtsverlust droht.

Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den rechtshängigen Amtshaftungsanspruch schon deshalb nicht glaubhaft gemacht, weil die Antragstellerin nicht hinreichend konkretisiert hat, in welcher Hinsicht ihr ohne Einsicht in die begehrte Korrespondenz eine Niederlage im Amtshaftungsprozess konkret drohen könnte. Sie hat hierzu lediglich angegeben, dass sich aus dem Schriftverkehr „z.B. Informationen über Verteidigungsstrategien und nicht in den Prozess eingeführte Argumente für die Begründetheit der Amtshaftungsklage" ergeben sollen und insoweit auf verschiedene bereits früher erhaltene Unterlagen verwiesen, aus denen sich nach ihrer Ansicht ergibt, dass die Antragsgegnerin den Kausalzusammenhang zwischen Arbeiten des Bergamtes und dem Tagebruch einräumt. Die Antragstellerin hat aber weder dargelegt, welche konkreten Tatsachen im Amtshaftungsprozess überhaupt (noch) streitig sind, noch zu welchen etwa streitigen Tatsachen - und ggf. inwiefern - sie sich weitere Aufschlüsse aus der begehrten Korrespondenz verspricht. Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der für den Amtshaftungsprozess maßgeblichen Rechtsfragen, wobei das Landgericht die rechtliche Würdigung des Streitfalls ohnehin unabhängig von einem dahingehenden Vortrag der Beteiligten vorzunehmen hat, so dass nach alledem nicht glaubhaft gemacht ist, dass die begehrte Einsichtnahme in den Schriftverkehr geboten ist, um einen ohne diese Einsichtnahme wahrscheinlich drohenden Rechtsverlust zu verhindern.

Scheidet die Annahme eines Anordnungsgrundes schon aus den vorstehenden Erwägungen aus, so kann dahin stehen, wie sich insofern der Umstand auswirkt, dass die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erst über 1 ½ Jahre nach Einleitung des Amtshaftungsverfahrens vor dem Hintergrund einer möglicherweise baldigen Terminierung der Sache gestellt hat und insofern maßgeblich zu der in zeitlicher Hinsicht zugespitzten Prozesslage beigetragen haben dürfte.

Vgl. zu diesem Gesichtspunkt OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, a.a.O.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs.2, 53 Abs.3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Kammer hat den insoweit mangels konkreterer Anhaltspunkte für ein Hauptsacheverfahren zugrundezulegenden Regelstreitwert von 5.000,00 EUR trotz des vorläufigen Charakters des vorliegenden Verfahrens wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache nicht weiter reduziert.






VG Arnsberg:
Beschluss v. 12.06.2006
Az: 12 L 502/06


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