Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Januar 2001
Aktenzeichen: 17 W (pat) 2/99

(BPatG: Beschluss v. 16.01.2001, Az.: 17 W (pat) 2/99)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 08 C des Deutschen Patentamts vom 2. September 1998 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Vorrichtung zur berührungslosen Signalübertragung zwischen beweglichen Einheiten"

ist am 29. November 1996 beim Deutschen Patentamt eingereicht worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G08C mit Beschluß vom 2. September 1998 aus den Gründen des Bescheides vom 23. Juli 1997 mangels Neuheit zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie hat ihre Anmeldung auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 12 weiterverfolgt.

Der geltende Anspruch 1 lautet (mit ergänzter Gliederung und einer Berichtigung nach § 95 PatG im Merkmal c durch Verwendung des Wortes "wobei" anstelle desWortes "daß"):

"Vorrichtung zur gleichzeitigen breitbandigen Signal- und schmalbandigen Energieübertragung zwischen gegeneinander beweglichen Einheiten mittels einer reflexionsfrei abgeschlossenen Leitung, a) wobei zumindest eine Signalquelle sowie eine Signalsenkeund eine Energiequelle sowie eine Energiesenke induktiv beweglich bzw. galvanisch fest an die Leitung angekoppelt sind, b) und zumindest eine induktive Koppeleinrichtung zur ausschließlichen Ein- bzw. Auskopplung von Gegentaktsignalen vorhanden ist, b1) deren Grad der Ankopplung an die Leitung für den Fall der Signalauskopplung in dem zur Signalübertragung verwendeten Frequenzbereich auf die Auskopplung geringer Energie ausgelegt ist undb2) gleichzeitig für den Fall der Energieauskopplung in dem zur Energieübertragung verwendeten Frequenzbereich zur Auskopplung großer Energiemengen ausgelegt istc) und wobei die Übertragung von Signalen in unterschiedlichen Frequenzbereichen erfolgt."

Bezüglich des Wortlautes der geltenden Ansprüche 2 bis 12 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Vorrichtung nach Anspruch 1 ist nach Ansicht der Anmelderin durch den im bisherigen Verfahren herangezogenen Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt und demzufolge patentierbar.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1, 3, 3/1 und 4 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung als Anlage zum Schriftsatz vom 15. Januar 2001, sowie ursprünglich eingereichte Seiten 2 und 9 bis 17, ursprünglich eingereichte 3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 9.

II.

Die in rechter Frist und Form eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie hat insoweit Erfolg, als sie zur Zurückverweisung der Anmeldung zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt führt (§ 79 Abs 3 Satz 1 Nr 3 PatG).

Der Erteilungsantrag ist zulässig. Die in der Gattungsbezeichnung des Anspruchs 1 angesprochene gleichzeitige Übertragung von Signalen im Breitbandbereich und von Energie im Schmalbandbereich unter Verwendung einer reflexionsfrei abgeschlossenen Leitung ist durch den Anspruch 6 und die Beschreibung Seite 7, 1. Abs. vom Anmeldetag ursprünglich offenbart.

Die weiteren Merkmale des geltenden Anspruchs 1 sind durch die am Anmeldetag eingegangenen Beschreibungsseiten 12 (iVm Fig 1 zu Merkmal a), Seite 4, 1. Abs. (Merkmale b, b1), Seite 7, 2. Abs. (Merkmal b2) und Seite 7, 1. Abs. (Merkmal c) ursprünglich offenbart. Die geltenden Ansprüche 2 bis 12 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 4 bis 14, wobei die Zulässigkeit der Änderung im geltenden Anspruch 3 (Ersatz des Wortes "verbesserten" durch "frequenzabhängigen") durch die Beschreibungsseite 8, 1. Abs. vom Anmeldetag gegeben ist.

Der geltende Patentanspruch 1 bezieht sich auf eine Vorrichtung zur gleichzeitigen breitbandigen Signal- und schmalbandigen Energieübertragung zwischen gegeneinander beweglichen Einheiten mittels einer reflexionsfrei abgeschlossenen Leitung, a) wobei zumindest eine Signalquelle sowie eine Signalsenke und eine Energiequelle sowie eine Energiesenke induktiv beweglich bzw. galvanisch fest an die Leitung angekoppelt sind, b) und zumindest eine induktive Koppeleinrichtung zur ausschließlichen Ein- bzw. Auskopplung von Gegentaktsignalen vorhanden ist, b1) deren Grad der Ankopplung an die Leitung für den Fall der Signalauskopplung in dem zur Signalübertragung verwendeten Frequenzbereich auf die Auskopplung geringer Energie ausgelegt ist undb2) gleichzeitig für den Fall der Energieauskopplung in dem zur Energieübertragung verwendeten Frequenzbereich zur Auskopplung großer Energiemengen ausgelegt istc) und wobei die Übertragung von Signalen in unterschiedlichen Frequenzbereichen erfolgt.

Die beanspruchte Lehre ist hinsichtlich der im Prüfungsverfahren herangezogenen Druckschrift 1) DE 44 12 958 A1 und der von der Anmelderin genannten Druckschrift 2) DE 44 46 779 A1 neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In Druckschrift 1 wird eine Einrichtung zur Übertragung von Daten zwischen einem Sendemodul und einem Empfangsmodul, die relativ zueinander verstellbar sind , beschrieben. Eines der Module wird durch eine an den Enden mit wellenwiderstandsgleichen Abschlußwiderständen beschaltbare, dh reflexionsfrei abgeschlossene, elektrische Leitung gebildet, an das das andere, als Sensor ausgebildete Modul beispielsweise induktiv angekoppelt werden kann. Beide Module sind an Sende- und Empfangselektroniken angeschlossen (Ansprüche 1, 8 und 10). Bei der bekannten Einrichtung soll für die Datenübertragung - auch mit Gegentaktsignalen (Sp 2, Z 29-34; Anspruch 12) - eine breitbandige Kopplung mit geringer Dämpfung zwischen Sender und Empfänger ermöglicht werden (Sp 1, Z 35-41; Sp 3, Z 14-19). Zur Energieübertragung wird eine von der Leitung getrennte, parallel zu ihr geführte Koppelschleife (oder Wicklung) 76 verwendet, die mit dem zu versorgenden, beweglichen Verbraucher 72 über einen Transformator 73 gekoppelt ist (Sp 5, Z 24-40; Fig 7). Eine Energiequelle ist fest an die Koppelschleife 76 anschließbar (Fig 7).

Über die benutzten Frequenzbereiche für die Datenübertragung werden in Druckschrift 1 keine Angaben gemacht. Der Fachmann wird jedoch bei Realisierung der Lehre von Druckschrift 1 zur Verhinderung von Störungen des Datenverkehrs die Energieübertragung beispielsweise im niederfrequenten und die Datenübertragung im höherfrequenten Bereich durchführen. Insoweit gehört zum Offenbarungsgehalt der Druckschrift 1 die Übertragung von Daten und Energie in unterschiedlichen Frequenzbereichen.

Somit stimmt der aus der Druckschrift 1 bekannte Gegenstand mit der Vorrichtung nach Anspruch 1 insoweit überein, als bei ihm - gleichzeitig eine breitbandige Signal- und eine Energieübertragung in unterschiedlichen Frequenzbereichen zwischen gegeneinander beweglichen Einheiten mittels einer reflexionsfrei abgeschlossenen Leitung durchführbar ist und - eine induktive Koppeleinrichtung zur Ein- und Auskopplung von Gegentaktsignalen vorhanden ist.

Im Unterschied zu diesem Stand der Technik wird nach der Lehre des Anspruchs 1 sowohl die breitbandige Signal- als auch die (schmalbandige) Energieübertragung über eine Leitung vorgenommen, wobei die induktive Koppeleinrichtung so dimensioniert ist, daß sie im Frequenzbereich der breitbandigen Signalübertragung nur wenig Energie und im Frequenzbereich der Energieübertragung viel Energie auskoppelt.

Diese Dimensionierung beruht auf der Erkenntnis des Erfinders, daß im Bereich der breitbandigen Signalübertragung die mit geringem Koppelfaktor parallel an die Leitung angekoppelten beweglichen Einheiten nicht als ausgeprägte Stoßstelle wirken und somit keine störenden Reflexionen auf dieser Leitung verursachen, wogegen im Bereich der Energieübertragung aus dem hohen Koppelfaktor resultierende ausgeprägte Stoßstellen und damit verbundene größere Reflexionen bei der Energieübertragung selbst tolerierbar sind und bei der in einem anderen Frequenzbereich vorgenommenen Datenübertragung keine störende Wirkung entfalten. Diese Gestaltung der Koppeleinrichtung bei der Vorrichtung nach Anspruch 1 mit nur einer Leitung für die Daten- und Energieübertragung vermag die Druckschrift 1 nicht nahezulegen, da dort bei einer nur für die Datenübertragung benutzten Leitung auf eine Kopplung mit geringer Dämpfung, dh einem hohen Koppelfaktor, Wert gelegt wird und der Fachmann - ein FH-Ingenieur der Nachrichtentechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Datenübertragungstechnik - aus dieser Druckschrift somit weder eine Anregung erhält, die für die Datenübertragung benutzte Leitung zusätzlich für die Energieübertragung einzusetzen noch die Datenübertragung mit geringem Koppelfaktor (d.h. hoher Dämpfung zwischen Datenquelle und Datensenke) vorzunehmen.

Hinsichtlich der aus Druckschrift 1 bekannten Einrichtung zur Datenübertragung ist die Vorrichtung nach Anspruch 1 somit neu und beruht diesbezüglich auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Gleiches gilt in bezug auf Druckschrift 2, da dort eine Anordnung zur berührungslosen induktiven Übertragung elektrischer Leistung zu beweglichen Einheiten mittels einer Leiterschleife beschrieben wird, die auch bei großer Leitungslänge eine niedrige Induktivität aufweist (Anspruch 1; Sp 2, Z 42-45; Sp 3, Z 1-20). Der Aspekt der Datenübertragung ist in Druckschrift 2 nicht angesprochen. Demzufolge lassen sich dieser Druckschrift auch keine Anregungen zur Lehre des Anspruchs 1 entnehmen.

Auch eine verbindende Betrachtung der Druckschriften 1 und 2 vermag die Vorrichtung nach Anspruch 1 aus den aufgezeigten Gründen nicht nahezulegen.

Da das Patentbegehren in der vorliegenden Fassung der Prüfungsstelle noch nicht vorgelegen hat, hielt es der Senat für sachgerecht, die Sache zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Grimm Dr. Greis Püschel Schusterprö






BPatG:
Beschluss v. 16.01.2001
Az: 17 W (pat) 2/99


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