Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Juli 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 317/03

(BPatG: Beschluss v. 20.07.2004, Az.: 24 W (pat) 317/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke Pliseeist für verschiedene Waren der Klassen 3, 14 und 25 zur Eintragung in das Register angemeldet.

Mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung teilweise, und zwar für die Waren

"Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen", wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 8 Abs 2 Nr 1, 37 Abs 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, daß das französische Wort "Plisse" bzw das deutsche Wort "Plissee" schmale, gepreßte Falten in einem Gewebe bzw das gefältelte Gewebe selbst bezeichne. Die angemeldete Marke würden die angesprochenen Verkehrskreise daher als bloße sachbezogene Angabe dahingehend verstehen, daß die betreffenden Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen mit Plissee-Gewebe ge- oder verarbeitet seien, nicht jedoch als ein Zeichen, welches die Waren eines Unternehmens von denjenigen anderen Unternehmen unterscheide. Die Abweichungen in dem angemeldeten Markenwort "Plisee" zu der korrekten deutschen oder französischen Schreibweise des Wortes sei zu minimal, um die Schutzfähigkeit begründen zu können. Laien würden möglicherweise die exakte Schreibweise nicht kennen und Fachkreise würden eher von einem Schreibfehler ausgehen, zumal nicht selten die ebenfalls falsche Schreibweise "Plisee" zu beobachten sei, wie eine dem Anmelder übermittelte Internet-Recherche belege.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Nach seiner Auffassung kann die Beurteilung der Markenstelle keinen rechtlichen Bestand haben. Soweit das Amt auf Laien abstelle, würden diese nicht nur die exakte Schreibweise, sondern auch den Sinngehalt des Begriffs "Plissee" nicht kennen. Für den Endverbraucher stelle die angemeldete Marke daher ein reines Fantasiewort dar. Soweit auf Fachkreise abgestellt werde, die den Begriff "Plissee" kennen, seien die Abweichungen hiervon in dem angemeldeten Markenwort keinesfalls so gering, als daß die Fachleute darin ohne weiteres Nachdenken die Sachbezeichnung erkennen oder die Abweichungen entweder nicht oder als (mögliche) richtige Wiedergabe bzw bewußte werbemäßige Verstümmelung des Fachbegriffs wahrnehmen würden. Der Accent Aigu in der angemeldeten Marke weise für den deutschsprachigen Betrachter auf ein französisches Wort hin, bei dem er aber nicht ausschließen könne, daß ihm im Französischen eine völlig andere Bedeutung zukomme. Angesichts des sehr speziellen, für deutsche Sprachgepflogenheiten unüblichen Fachworts "Plissee", könne das Markenwort "Plisee" auch nicht als eine leicht erkennbare werbemäßige Verstümmelung hiervon angesehen werden.

Der Anmelder beantragt (sinngemäß), die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats steht der Eintragung der angemeldeten Marke das absolute Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft im Sinn der genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl ua EuGH MarkenR 2002, 231, 235 (Nr 35) "Philips/Remington"; MarkenR 2003, 187, 190 (Nr 40) "Linde ua"; MarkenR 2004, 116, 120 (Nr 48) "Waschmittelflasche"). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren abzustellen ist (vgl EuGH aaO (Nr 41) "Linde ua"; aaO (Nr 50) "Waschmittelflasche"). Außerdem ist zu berücksichtigen, daß der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen idR so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl ua BGH GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"; EuGH aaO (Nr 53) "Waschmittelflasche"). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl ua BGH aaO "marktfrisch"; GRUR 2001, 1153, 1154 "anti KALK"). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist die Beurteilung der Markenstelle nicht zu beanstanden, daß das angemeldete Markenwort "Plisee" von den beteiligten Verkehrskreisen in bezug auf die konkret von der Zurückweisung betroffenen Waren lediglich als eine deren stoffliche Beschaffenheit bezeichnende Sachangabe und nicht als betriebliches Unterscheidungsmerkmal verstanden wird.

Das französische Wort "plisse" bzw das entsprechende im deutschen Sprachgebrauch befindliche Fremdwort "Plissee" beschreibt als Bezeichnung für schmale bis mittelbreite gepreßte oder gewebte Falten eines Stoffes oder Kleidungsstückes (vgl petit Larousse en couleurs, 1988, S 770; Alfons Hofer, Textil- und Modelexikon, 7. Aufl, S 683; Naumann & Göbel, Neues deutsches Wörterbuch, 1996, S 706; Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl, CD-ROM, zu "Plissee") unmittelbar ein Beschaffenheitsmerkmal von Bekleidungsstücken, die aus oder unter Verwendung von plissiertem Stoff hergestellt sein können. Dies ist, worauf die Markenstelle zutreffend hingewiesen hat, auch bei Kopfbedeckungen, zB Damenhüten mit Plissee-Krempen, vorstellbar. Die unmittelbar warenbeschreibende Bedeutung des Wortes "Plissee" (bzw franz "plisse") wird von dem Anmelder auch nicht in Abrede gestellt.

Entgegen seiner Auffassung handelt es sich bei dem Ausdruck "Plissee" nicht um ein spezielles, nur dem Fachverkehr geläufiges Fachwort, sondern, wie die Nennung in gängigen deutschen Standardwörterbüchern (vgl oben) zeigt, um einen im deutschen Sprachgebrauch allgemein geläufigen Begriff, dessen Kenntnis auch beim Durchschnittsverbraucher vorausgesetzt werden kann. Das Wort "Plissee" wird daher sowohl der Fachverkehr, also Hersteller und Händler von Bekleidungsstücken und Kopfbedeckungen, als auch das Käuferpublikum dieser Waren als einschlägige Beschaffenheitsangabe und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen.

Nicht anders verhält es sich mit dem konkret angemeldeten Markenwort "Plisee", trotz der von der deutschen Wortform "Plissee" wie auch dem französischen Wort "plisse etwas abweichenden bzw abgewandelten Schreibweise. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt der Abwandlung eines Fachbegriffs die Unterscheidungskraft, soweit die abgewandelte Bezeichnung keine individualisierende Eigenheit aufweist. Davon ist auszugehen, wenn der Verkehr entweder den Unterschied in der Schreibweise zwischen dem angemeldeten Zeichen und der Sachangabe regelmäßig oder zumindest sehr häufig nicht bemerkt (vgl BGH MarkenR 2003, 393, 395 "Lichtenstein", wonach in solchen Fällen sogar die Annahme einer freihaltebedürftigen Angabe iSd § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG gerechtfertigt ist) oder er in der Abwandlung ohne weiteres den ihm bekannten Fachbegriff als solchen erkennt (vgl BGH GRUR 1994, 805, 806 "Alphaferon"; GRUR 1995, 48, 49 "Metoproloc"; GRUR 2002, 540, 541 "OMEPRAZOK"). Diese Voraussetzungen treffen hier zu.

Die Beurteilung der Markenstelle, daß die Abweichungen in der angemeldeten Marke im Vergleich zu der richtigen Schreibweise des Begriffs "Plissee" so wenig auffällig sind, daß sie von den beteiligten Verkehrskreisen entweder gar nicht bemerkt bzw diese darin eine - mögliche - richtige Wiedergabe des Begriffs oder aber einen offensichtlichen Schreibfehler sehen werden, ist nicht zu beanstanden. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die französische Sprache und Orthographie - anders als die englische Sprache - in der deutschen Bevölkerung relativ gering verbreitet ist, und daher häufig gewisse Unsicherheiten bezüglich der Rechtschreibung französischer (Fremd-)Worte auftreten. Hinzu kommt, daß die neue deutsche Rechtschreibung gerade in bezug auf Fremdwörter einige Änderungen gebracht, insbesondere weitere Schreibweisen eröffnet hat. So gibt es ua mehr eingedeutschte Schreibungen, die neben der bisherigen Form zugelassen sind. Beispielsweise dürfen eine Reihe von Wörtern aus dem Französischen, die auf "e" enden, neu auch mit "ee" geschrieben werden (zB "passe" oder "passee", "Expose" oder "Exposee") (vgl Duden, Das Fremdwörterbuch, 6. Aufl Bd 5, S 21). Ferner handelt es sich bei der in der Anmeldung gewählten Schreibweise "-ee" um eine in zahlreichen französischen Wörtern vorkommende Endung (vgl zB "lampee" = tüchtiger Schluck; "Promethee = Prometheus; "protegee" = Schützling; "saucee" = Regenguß, Dusche; vgl Langenscheidts Handwörterbuch Französisch). Soweit die angesprochenen inländischen Verkehrsteilnehmer die nicht korrekte Schreibweise des angemeldeten Markenworts überhaupt bewußt wahrnehmen, werden daher die mit der französischen Sprache weniger vertrauten Personen das Markenwort aufgrund des Accent aigu über dem ersten "e" meist als die vermeintlich richtige französische Wortform des Begriffs "Plissee" ansehen. Diejenigen Verkehrsteilnehmer hingegen, die über ausreichende Französischkenntnisse verfügen, um die Abweichung auch von der französischen Wortform zu erkennen, werden die unrichtige Endung als naheliegenden Schreibfehler werten, der offensichtlich auf der Unkenntnis der korrekten französischen Endung "e" bzw der eingedeutschten Endung "ee" beruht. Daß sich dem Publikum weiterhin die Schreibweise mit einfachem "s", statt mit Doppel-"ss" in der Wortmitte als naheliegender, nicht selten gemachter Schreibfehler darstellt, belegt die dem Anmelder mit dem Beanstandungsbescheid vom 6. Januar 2003 übermittelte Internet-Recherche (Bl 8/9 der Markenakten), die etliche Treffer ausweist, in denen der Ausdruck "Plissee" falsch "Plisee" geschrieben ist. In jedem Fall ist damit davon auszugehen, daß beachtliche Teile des angesprochenen inländischen Verkehrs in dem Markenwort ohne weiteres die ihnen bekannte Beschaffenheitsangabe "Plissee" als solche erkennen und - soweit sie diese wahrnehmen - der leicht abgewandelten Schreibweise keine individualisierende, die Unterscheidungskraft begründende Eigenart beimessen werden.

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BPatG:
Beschluss v. 20.07.2004
Az: 24 W (pat) 317/03


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