Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. September 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 50/00

(BPatG: Beschluss v. 21.09.2000, Az.: 25 W (pat) 50/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe I Die Bezeichnung NUTRIMED ist am 11. April 1994 angemeldet und am 28. April 1995 unter der Nummer 2 905 185 als Marke für "pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, Lösungen zur parenteralen Ernährung, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Zusammenstellen und Abgabe von diätetischen Erzeugnissen und parenteralen Ernährungslösungen für einzelne Patienten; Pflege von Kranken, insbesondere von ambulanten Patienten und Hilfe bei der häuslichen Pflege" in das Markenregister eingetragen worden. Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 15. Juni 1995 ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der prioritätsälteren, am 2. September 1993 angemeldeten und seit dem 29. Juli 1999 für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich Dermatika, Immunologika, Onkologika, Mineralstoff-, Spurenelement- und Vitaminpräparate" eingetragenen Marke 2 105 903 NAUTIMED.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Marken könnten sich zwar teilweise auf identischen Waren begegnen. Aber auch ausgehend davon und bei anzunehmender normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, bei angesprochenen breiten Verkehrskreisen und deshalb insgesamt zu forderndem deutlichen Markenabstand, sei dieser Abstand eingehalten. Die Markenwörter unterschieden sich durch die Abweichungen in den Wortanfangsbestandteilen "NUTRI-" und "NAUTI-" ausreichend, zumal der übereinstimmende Endbestandteil "MED" kennzeichnungsschwach sei. Auch die in den Anfangsbestandteilen vorhandenen Begriffsanklänge würden zur besseren Unterscheidbarkeit der Markenwörter beitragen. Auch unter anderen Gesichtspunkten bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken zu bejahen und die angegriffene Marke zu löschen.

Da die Marken sich auf identischen Waren begegnen könnten, seien strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, die nicht eingehalten seien. Im Hinblick auf die gleiche Silbenzahl, gleiche Silbenanlaute, die identische Endsilbe "med" und die Übereinstimmung in sieben von acht Buchstaben sei der Grad der Übereinstimmung so groß, daß Verwechslungsgefahr bestehe.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Widersprechende verkenne, daß die Markenwörter sich in den Wortanfängen "NUTRI" und "NAUTI" sowohl klanglich als auch schriftbildlich deutlich unterschieden. Eine Annäherung beschränke sich auf die beschreibende und verbrauchte Endsilbe "MED". Darüber hinaus werde die Unterscheidbarkeit der Marken durch die den Wortanfangsbestandteilen innewohnenden unterschiedlichen Begriffsinhalte erleichtert. Deshalb bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß §§ 152, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, der nach §§ 152, 158 Abs 2 Satz 2, 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG Anwendung findet.

Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach können die Waren sich Marken teilweise auf gleichen Waren begegnen, da die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke aufgeführten Warengruppen jedenfalls vom weiten Warenbegriff "pharmazeutische Erzeugnisse" im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke umfaßt werden.

Verwechslungsfördernd kommt hinzu, daß es sich auch um solche Waren handeln kann, die von den allgemeinen Verkehrskreisen typischerweise im Wege der Selbstmedikation und nicht selten in Drogerie- oder Supermärkten auch ohne fachkundige Beratung erworben werden. Andererseits ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit allerdings je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz 26 - Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ/TISSERAND), wobei der Verkehr erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die - wie vorliegend - den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufbringt (vgl dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, da entgegenstehende Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind.

Die Ähnlichkeit der Vergleichsmarken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Warenlage die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch wenn angesichts der möglichen Warenidentität und der uneingeschränkten Berücksichtigung breiter Verkehrskreise strenge Anforderungen an den Markenabstand gestellt werden, wird die jüngere Marke diesen Anforderungen gegenüber der Widerspruchsmarke gerecht.

Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks der Marken und der Verwechslungsgefahr ist zunächst von Bedeutung, daß die Übereinstimmung der Marken in der Endsilbe "MED" nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Sie weist deutlich erkennbar auf den warenbeschreibenden Begriff "Medizin" hin und ist darüber hinaus eines der gebräuchlichsten Wortelemente im Bereich pharmazeutischer Kennzeichnungen. Zwar muß die gemeinsame Schlußsilbe "med" bei der Beurteilung des jeweiligen klanglichen Gesamteindrucks und der Verwechslungsgefahr angemessen berücksichtigt werden, jedoch kommt ihr bei isolierter Betrachtungsweise praktisch keine kennzeichnende Bedeutung zu. Die Aufmerksamkeit des Verkehrs wird sich deshalb noch stärker als dies ohnehin der Fall ist, auf den Wortanfang und die dort vorhandenen Unterschiede richten.

In klanglicher Hinsicht stimmen die Vergleichsbezeichnungen zwar bei gleicher Silbenzahl und ähnlichem Sprechrhythmus im Anfangslaut "N" und in der Schlußsilbe "MED" überein. Demgegenüber unterscheiden sie sich aber in den Wortanfangsbestandteilen "NUTRI" und "NAUTI" - und zwar insbesondere in den klangtragenden Vokallauten der ersten Sprechsilbe - markant, was um so stärker ins Gewichts fällt, weil der Verkehr Wortanfänge erfahrungsgemäß stärker zu beachten pflegt als nachfolgende Wortteile (so ständige Rechtsprechung, vgl hierzu zB BGH GRUR 1995, 50 ff, 53 - Indorektal/Indohexal). Darüber hinaus unterscheiden sich auch die konsonantischen Anlaute der zweiten Sprechsilbe "TR" gegenüber "T" nicht unerheblich, da die in der angegriffenen Marke unmittelbar aufeinanderfolgenden Konsonanten eine enge klangliche Verbindung eingehen und als einheitlicher und gegenüber dem "T" abweichender Laut empfunden werden. Diese Unterschiede führen nach Auffassung des Senats auch zu einem ausreichend abweichenden klanglichen Gesamteindruck der Markenwörter.

Auch in schriftbildlicher Hinsicht heben sich die Markenwörter durch die unterschiedlichen Buchstaben in den Anfangsbestandteilen "NUTRI" gegenüber "NAU-TI" noch ausreichend deutlich voneinander ab, wobei die in den jeweiligen Gegenmarken nicht enthaltenen abweichenden Buchstaben "A" und "R", aber auch die unterschiedliche Stellung der Buchstaben "U" und "T" innerhalb der Marken einen ausreichenden Markenabstand bewirkt. Bei der Beurteilung der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr ist zudem zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Angesichts der ausreichend klaren Unterschiede der Vergleichsbezeichnungen in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht kann dahinstehen, ob die abweichenden Bedeutungsanklänge in den Anfangsbestandteilen innerhalb der Vergleichsbezeichnungen in relevantem Umfang erkannt werden und so zusätzlich verwechslungsmindernd wirken können.

Nach alledem konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Brandt Knoll Pü






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Beschluss v. 21.09.2000
Az: 25 W (pat) 50/00


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