Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. November 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 182/04

(BPatG: Beschluss v. 09.11.2005, Az.: 32 W (pat) 182/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 30 - vom 19. Juli 2004 aufgehoben.

Gründe

I.

Die am 9. Dezember 2003 für

"Zuckerwaren, hergestellt aus oder unter Verwendung von Fruchtgummi und/oder Schaumzucker und/oder Gelee und/oder Lakritze, ausgenommen für medizinische Zwecke"

angemeldete Wortmarke BIO LIFE ist von der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts nach vorangegangener Beanstandung (der Internet-Seiten zu einer "Bio Life Messe" und zu "Bio Life Sciences" beigefügt waren) durch Beschluss eines Regierungsangestellten im gehobenen Dienst vom 19. Juli 2004 als nicht unterscheidungskräftig zurückgewiesen worden.

"BIO LIFE" (wörtlich übersetzt "biologisches Leben") verweise im übertragenen Sinn auf "gesundes Leben", dh eine gesundheits- und ernährungsbewusste, "biologisch" ausgerichtete Lebensweise. Im Zusammenhang mit Zuckerwaren werde schlagwortartig darauf hingewiesen, dass die betreffenden Erzeugnisse naturbelassenbiologischen Ursprungs seien und ein gesundheitsbewusstes Leben förderten. Der Verkehr sehe hierin nur eine werbende Sachaussage, nicht aber einen betrieblichen Herkunftshinweis.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie stellt den Antrag, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Juli 2004 aufzuheben.

Marken, denen - wie hier - eine beschreibende Aussage nur nach mehreren Analyseschritten entnommen werden könne, seien weder freihaltebedürftig noch fehle es ihnen an jeglicher Unterscheidungskraft. Zudem seien Zuckerwaren ernährungsphysiologisch nicht vorteilhaft und somit nicht geeignet, ein gesundheitsbewusstes Leben zu fördern. Der Verbraucher werde den Kontrast zwischen der Beschaffenheit des Produkts und der Bezeichnung "BIO LIFE" sofort erkennen, letztere daher als originell ansehen, etwa als Seitenhieb auf die vielfach als "lustfeindlich" empfundene Bio-Bewegung.

Die BIOMILD-Entscheidung (EuGH GRUR 2004, 680) sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil das Wortelement LIFE - anders als MILD für Joghurt und Milchprodukte - für Zuckerwaren keine Merkmalsbeschreibung darstelle.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist - da vor dem 31. Dezember 2004 eingelegt - ohne vorherige Erinnerung statthaft und auch sonst zulässig (§ 66, § 165 Abs 4 MarkenG). Sie hat auch in der Sache Erfolg, weil einer Registrierung der angemeldeten Wortfolge keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 Nrn 1 und 2 MarkenG entgegenstehen.

Eine unmissverständliche Produktmerkmalsbezeichnung iSd § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG stellt "BIO LIFE" für (nichtmedizinische) Zuckerwaren der beanspruchten Herstellungsart ersichtlich nicht dar; der angefochtene Zurückweisungsbeschluss - anders als noch der vorangegangene Beanstandungsbescheid - stützt sich auch nicht auf diesen Gesichtspunkt.

Die als Marke angemeldete Bezeichnung verfügt auch über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Unter dieser versteht man die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hauptfunktion einer Marke ist es, die Ursprungsidentität der so gekennzeichneten Waren zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist - unbeschadet der erforderlichen, auf den Einzelfall bezogenen sorgfältigen und gründlichen Prüfung - grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Marke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und/oder handelt es sich nicht um ein gebräuchliches Wort (bzw eine Wortfolge) der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass ihr jegliche Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (st Rspr; vgl BGH BlPMZ 2002, 85 - INDIVIDUELLE; 2004, 30 - Cityservice).

"BIO LIFE" verkörpert in der Gesamtheit seiner Teile einen eher nichtssagenden Pleonasmus mit - vagem - Hinweis auf das "Leben". Ob "Bio Life Sciences" einen Fachbegriff auf naturwissenschaftlichem Gebiet darstellt, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Die seitens der Markenstelle ermittelten Belege sind jedenfalls nicht geeignet, eine mangelnde betriebskennzeichnende Hinweiskraft für "Zuckerwaren" zu belegen. Zwar mag das erste Teilelement BIO für Lebens- und Genussmittel aller Art schutzunfähig sein. Für die Kombination mit LIFE gilt diese Beurteilung aber nicht. Anders als MILD (für Joghurt und Milchprodukte) ist LIFE (für Zuckerwaren) nicht glatt beschreibend, weshalb - insoweit in Übereinstimmung mit der Auffassung der Anmelderin - der BIOMILD-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (aaO) im vorliegenden Fall keine Argumente gegen eine Schutzgewährung entnommen werden können. Ob maßgebliche Verbraucherkreise - wie die Anmelderin meint - den ironisch wirkenden Kontrast zwischen Produktbeschaffenheit und Markennamen erfassen, ist für die Beurteilung der Unterscheidungskraft letztlich nicht maßgeblich.

Der angefochtene Beschluss der Markenstelle kann somit keinen Bestand haben und ist auf die Beschwerde hin aufzuheben.

Prof. Dr. Hacker Kruppa Viereck Hu






BPatG:
Beschluss v. 09.11.2005
Az: 32 W (pat) 182/04


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