Landgericht Karlsruhe:
Urteil vom 28. Oktober 2005
Aktenzeichen: 1 S 17/05

(LG Karlsruhe: Urteil v. 28.10.2005, Az.: 1 S 17/05)

Tenor

I.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Maulbronn vom 11.01.2005 - 2 C 397/04 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger in Höhe von 994,01 EUR von der durch die Autovermietung G., V., auf Grund der Rechnung vom 05.12.2003 - Rechnungsnummer xxx - geltend gemachten Forderung freizustellen.

2. Darüber hinaus wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 12,75 EUR zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 90 %, der Kläger 10%.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO)

Die zulässige Berufung hat in der Sache im Wesentlichen Erfolg. Dem Kläger steht gemäß §§ 7, 18, 17 StVG, § 3 Nr. 1 PflichtVersG, § 249 BGB in Höhe von insgesamt 994,01 EUR ein Anspruch auf Freistellung der von der Autovermietung G. mit Sitz in V. geltend gemachten restlichen Mietzinsforderung zu. Darüber hinaus kann er Zahlung der außergerichtlich angefallenen, in § 26 BRAGO vorgesehenen Unkostenpauschale in Höhe von 12,75 EUR beanspruchen. Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu.

I.

Der Umfang des Schadenersatzanspruchs des Klägers bestimmt sich nach § 249 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Hiernach darf der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten verlangen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGHZ 132, 373 ff. m. w. N.). Als erforderlich sind dabei nur diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. etwa BGH, MDR 2005, Seite 331 f.; 332 ff.; NJW 2005, 1041 ff.; 1043 ff.). Der Geschädigte ist zudem unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen (vgl. BGH a.a.O. m. w. N.). Im Allgemeinen ist allerdings davon auszugehen, dass der Geschädigte nicht allein deshalb gegen seine Verpflichtung zur Schadensgeringhaltung verstößt, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, solange dieser Umstand dem Geschädigten nicht ohne weiteres erkennbar war (vgl. BGH a.a.O. , vgl. ferner BGHZ 132, 375 ff., 378 ff.). Dieser Grundsatz kann jedoch dann keine uneingeschränkte Geltung mehr beanspruchen, wenn sich ein besonderer Tarif bei der Anmietung von Fahrzeugen durch einen Unfallgeschädigten entwickelt hat, der nicht mehr maßgeblich von Angebot und Nachfrage, sondern durch ein weitgehend gleichförmiges Verhalten der Anbieter bestimmt wird. Ein solches Preisbildungsverfahren kann nämlich zur Folge haben, dass die Preise der dem Unfallgeschädigten angebotenen Unfallersatztarife erheblich über den für Selbstzahlern angebotenen Tarifen liegen. In diesen Fällen kann der aus schadensrechtlicher Sicht zur Herstellung erforderliche Geldbetrag (§ 249 BGB) folglich nicht ohne weiteres mit dem Unfallersatztarif gleichgesetzt werden.

1.

Ein so genannter Unfallersatztarif kann nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daher nur insoweit als erforderlicher Aufwand zur Schadensbeseitigung gemäß § 249 Abs. 2 BGB n. F. angesehen werden, als die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch die Kunden oder durch den Kfz-Vermieter und ähnlichem) einem gegenüber dem Normaltarif höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und in Folge dessen zur Schadensbehebung erforderlich sind (vgl. BGH, MDR 2005, 331 ff.; 332 ff.; NJW 2005, 1041 ff.; 1043 ff.; BGH, NJW 2005, 1933). Inwieweit dies der Fall ist, hat der Tatrichter auf Grund des Vortrags des Geschädigten - gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen - gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Die Beweislast für die Berechtigung eines gegenüber dem Normaltarif erhöhten Mietzinses obliegt dabei dem Geschädigten bzw. seinem Rechtsnachfolger. Soweit nach diesen Grundsätzen der in Ansatz gebrachte Unfallersatztarif auch mit Rücksicht auf die Unfallsituation nicht in dem geltend gemachten Umfang zur Herstellung erforderlich war, kann der Geschädigte oder dessen Rechtsnachfolger im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung (vgl. BGH a.a.O. ; vgl. ferner BGHZ 132, 373, 376 ff.) den übersteigenden Betrag nur ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer Normaltarif nicht ohne weiteres zugänglich war. Auf die Frage der Zugänglichkeit kommt es folglich erst an, wenn und soweit eine Erhöhung des Unfallersatztarifs gegenüber dem Normaltarif nicht bereits durch die besondere Unfallsituation gerechtfertigt ist. Hierfür haben der Geschädigte bzw. der Rechtsnachfolger darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass dem Geschädigten unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war. Zu einer Nachfrage nach einem günstigen Tarif ist ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter schon unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots gehalten, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss, die sich aus dessen Höhe sowie der kontroversen Diskussion und der neuen Rechtsprechung zu diesen Tarifen ergeben können. Je nach Lage des Einzelfalls kann es auch erforderlich sein, sich anderweitig nach günstigen Tarifen zu erkundigen. Hierbei kann es allerdings eine Rolle spielen, wie schnell der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt. Inwieweit der Geschädigte zur Erlangung eines Normaltarifs verpflichtet ist, seine Kreditkarte bzw. seine EC- Karte einzusetzen oder auf andere Weise eine Kaution zu stellen, hängt ebenfalls von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob dem Geschädigten im konkreten Fall die Schadensbeseitigung nur durch die Aufnahme von Fremdmitteln möglich oder zuzumuten ist (vgl. hierzu BGH, NJW 2005, 1933). Da die angesprochenen Maßnahmen nicht den Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Herstellungskosten im Sinne von § 249 BGB, sondern die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB betreffen, liegt die Darlegungs- und Beweislast insoweit grundsätzlich bei dem in Anspruch genommenen Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung. Allerdings kann sich für den zunächst nicht darlegungs- und beweispflichtigen Geschädigten je nach dem Inhalt des Vortrags der Gegenseite eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast ergeben (vgl. BGH a.a.O.).

2.

Der Bundesgerichtshof stellt damit strengere Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen als in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1996 (BGHZ 132, 373 ff.). Wenn der Geschädigte nicht darzulegen vermag, dass der ihm in Rechnung gestellte Unfallersatztarif aus betriebswirtschaftlichen Gründen im Hinblick auf die Besonderheiten der unfallbedingten Anmietung gerechtfertigt ist, kann er Ersatz solcher teueren Tarife regelmäßig nur dann verlangen, wenn ihm auch auf Nachfrage - gegebenenfalls auch bei Konkurrenzunternehmen - kein günstigerer Tarif angeboten wird. Damit hat der Bundesgerichtshof gegenüber seiner früheren Rechtsprechung die Erkundigungspflichten des Geschädigten verschärft. Im Streitfall ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Schadensereignis und die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zeitlich vor der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung lagen. Zwar kommt gerichtlichen Entscheidungen grundsätzlich eine so genannte unechte Rückwirkung zu, da sie auch für die Beurteilung zurückliegender, noch nicht abgeschlossener Sachverhalte rechtlich von Bedeutung sind. Jedoch ergeben sich Schranken aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit und des darin verankerten Vertrauensschutzes. Diese Grundsätze gebieten es, in den Fällen, in denen eine betroffene Partei in schutzwürdiger Weise mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen durfte, die so genannte unechte Rückwirkung von Gerichtsurteilen zeitlich zu begrenzen (vgl. hierzu etwa BGHZ 132, 6 ff.; BGHZ 145, 158 ff.; BGHZ 153, 311 ff.). Auch im Bereich der Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen ist Raum für einen solchen Vertrauensschutz. Denn ein Unfallgeschädigter konnte in aller Regel angesichts der vom Bundesgerichtshof im Jahr 1996 aufgestellten Grundsätze nicht ohne Weiteres damit rechnen, dass ihm nunmehr eine erhöhte Erkundigungspflicht bzw. eine Verpflichtung zur vorläufigen Eigenfinanzierung der Anmietung (gegebenenfalls auch durch Aufnahme von Fremdmitteln) auferlegt wird. Die Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen wurde in den letzten Jahren von den Instanzgerichten uneinheitlich beurteilt. Für einen durchschnittlichen Unfallgeschädigten zeichnete sich die zwischenzeitlich vollzogene Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ohne weiteres ab. Ihm wird häufig von den Autovermietern auch nicht offen gelegt, dass die Unfallersatztarife deutlich höher als die Selbstzahlertarife sind. Auch kann er nicht überblicken, in welcher Höhe die Unfallersatztarife betriebswirtschaftlich durch die besondere Anmietungssituation beim Unfallersatzgeschäft geprägt sind. Dies soll nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ja zukünftig gerade geklärt werden. Das Vertrauen des Geschädigten in die Erstattungsfähigkeit der von ihm aufgewendeten Mietwagenkosten verdient daher in aller Regel auch unter Berücksichtigung der Abwägung der Interessen der beteiligten Haftpflichtversicherer und der Versicherungsgemeinschaft bis zum Bekanntwerden der vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 19.04.2005 (NJW 2005, 1933) aufgestellten Grundsätze den Vorzug. Dies gilt jedenfalls insoweit, als sich nicht auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls dem Geschädigten von vorne herein Bedenken gegen die Angemessenheit der vom Mietwagenunternehmen verlangten Tarife aufdrängen mussten. Bis Mitte des Jahres 2005 konnten die Unfallgeschädigten daher grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Ersatzfähigkeit der ihnen in Rechnung gestellten Unfallersatztarife nicht in Frage gestellt würde, so lange den vom Bundesgerichtshof im Jahre 1996 aufgestellten Verhaltenspflichten genügt wurde.

Ein solcher prozessualer Vertrauensschutz ist nicht deswegen abzulehnen, weil der Bundesgerichtshof in seinen jüngsten Urteilen zur Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen nicht auf dieses Rechtsinstitut gesondert eingegangen ist. Denn der Bundesgerichtshof hatte aus seiner Sicht keine Veranlassung, sich mit dieser Frage näher zu befassen. In den von ihm im Oktober 2004 und im Februar 2005 verkündeten Urteilen (vgl. MDR 2005, 331 ff.; 332 ff.; NJW 2005, 1041 ff.; 1043 ff.) stand die Frage im Vordergrund, ob der verlangte Tarif deswegen ersatzfähig ist, weil aus betriebswirtschaftlicher Sicht gegenüber dem Normaltarif deutliche Zuschläge vorzunehmen sind. Der Bundesgerichtshof hat daher den Berufungsgerichten aufgegeben, die entsprechenden tatrichterlichen Feststellungen zu treffen. In seiner Entscheidung vom 19.04.2005 (NJW 2005, 1933) hat sich der Bundesgerichtshof schließlich mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter einen höheren Unfallersatztarif auch dann geltend machen kann, wenn solche betriebswirtschaftlichen Zuschläge nicht gerechtfertigt sind. Hierbei hat er zu den erhöhten Anforderungen an die Erkundigungspflicht des Geschädigten sowie zu seiner Verpflichtung zur vorläufigen Eigenfinanzierung näher Stellung genommen. Auch hierbei hat er dem Berufungsgericht aufgegeben, zunächst zu klären, ob nicht bereits aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Erhöhung des Normaltarifs vorzunehmen ist. In zweiter Linie hat er das Berufungsgericht angehalten, zu klären, ob alternativ hierzu festgestellt werden könne, dass dem Unfallgeschädigten ein günstigerer Normaltarif nicht ohne weiters zugänglich war. Der Bundesgerichtshof hat folglich in allen Fällen dem Berufungsgericht eine Verpflichtung zu einer umfassenden Tatsachenaufklärung hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Aspekte und der Zugänglichkeit eines Normaltarifs auferlegt. Dabei ist er davon ausgegangen, dass eine Erstattungsfähigkeit der verlangten Tarife nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, also diese auch unter Zugrundelegung der neu aufgestellten Grundsätze je nach den besonderen Tatumständen als erforderlicher Aufwand zu entschädigen sind. Angesichts der für den Bundesgerichtshof noch völlig offenen Tatsachengrundlagen bestand für ihn kein Bedürfnis, sich aus revisionsrechtlicher Sicht vorsorglich und generell auch mit Vertrauensschutzgesichtspunkten zu befassen. Diese Frage war offensichtlich von den betroffenen Parteien auch nicht gesondert aufgeworfen worden. Daher lässt sich aus dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof zu diesem Gesichtspunkt nicht ausdrücklich Stellung bezogen hat, nicht ableiten, dass der Bundesgerichtshof die Anwendung dieser Grundsätze von vorne herein ausschließen wollte.

3.

Unter Zugrundelegung der aufgezeigten Maßstäbe ist der Kläger grundsätzlich berechtigt, die ihm in Rechnung gestellten Mietwagenkosten in Höhe von 2.641,32 EUR abzüglich einer mit 5 % anzusetzenden Eigenersparnis (vgl. hierzu Urteil der Kammer vom 20.02.2002 - 1 S 140/01 -; Urteil vom 11.09.2002 - 1 S 54/02 -; Urteil vom 19.02.2003 - 1 S 172/02) sowie abzüglich der von der Beklagten bereits geleisteten 1.515,43 EUR zu beanspruchen. Es verbleibt somit ein erstattungsfähiger Restbetrag in Höhe von 994,01 EUR.a)

Die Erstattungsfähigkeit dieser gegenüber einem Normaltarif erhöhten Mietwagenkosten ergibt sich allerdings nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Denn der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass der ihm in Rechnung gestellte Tarif deswegen gerechtfertigt ist, weil aus betriebswirtschaftlicher Sicht unfallbedingte Zuschläge gegenüber einem Normaltarif vorzunehmen sind.

aa)

Der Kläger begründet die Erstattungsfähigkeit des ihm berechneten Unfallersatztarifs zunächst mit einem Vergleich der in den Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch ausgewiesenen Nutzungsausfallentschädigungen. Er nimmt insoweit Bezug auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.11.2004 (MDR 2005, 268 ff.), die sich mit der Frage der Bemessung von Nutzungsausfallentschädigung bei einer unterbliebenen Anmietung eines Pkws befasst. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung zwar nochmals bekräftigt, dass die von der Rechtsprechung herangezogenen Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch eine geeignete Methode zur Schadensschätzung für die Festlegung der angemessenen Nutzungsausfallentschädigung darstellen. Hieraus kann aber entgegen der Auffassung des Klägers nicht gefolgert werden, dass der vom Bundesgerichtshof unter Anwendung der genannten Tabellen als Nutzungsentschädigung für angemessen erachtete Betrag von 35 % bis 40 % der üblichen Miete auch zur Ermittlung der Erforderlichkeit von tatsächlich gezahlten Mietwagenkosten herangezogen werden kann (a. A. Wenning, NZV 2005, 169 ff.). Der Ansicht des Klägers, die genannten Beträge von 35 % - 40 % der üblichen Miete könnten ohne weiteres auf 100 % hochgerechnet mit dem erstattungsfähigen Mietzins gleichgesetzt werden, kann nicht gefolgt werden. Eine Schätzung des erstattungsfähigen Mietzinses auf der Grundlage der hochgerechneten Nutzungsausfallentschädigung ist nämlich bereits deswegen abzulehnen, weil dieses Vorgehen nicht der vom Bundesgerichtshof verlangten Ermittlung betriebswirtschaftlich gerechtfertigter Zuschläge zum Selbstzahlertarif entspricht. Zudem hat der Kläger nicht berücksichtigt, dass der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1996 (BGHZ 132, 373 ff.) einer Schätzung der konkret zu ersetzenden Mietwagenkosten auf der Grundlage des dreifachen Betrags der Nutzungsausfallentschädigung ausdrücklich eine Absage erteilt hat. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung unmissverständlich ausgeführt, dass sich im Falle der berechtigten Anmietung eines Mietwagens der dem Geschädigten zu zahlende Schadensersatzbetrag nicht nach der pauschalisierten Entschädigung für entgangene Gebrauchsvorteile, sondern nach den im konkreten Fall objektiv erforderlichen Mietwagenkosten bemisst.

bb)

Alternativ zu der genannten, jedoch abzulehnenden Bemessungsmethode beruft sich der Kläger auf die Ausführungen in dem - der Kammer aus anderen Verfahren bekannten - Privatgutachten der Sachverständigen Prof. Dr. N. und Prof. Dr. K. vom August 2004 über die Bewertung von Kosten und Risiken in der Fahrzeugvermietung unter besonderer Berücksichtigung des Normaltarifs. Zusätzlich nimmt er auf verschiedene Kalkulationsdiagramme Bezug. Die Beklagte hält demgegenüber nicht nur die vorgelegten Kalkulationsdiagramme, sondern auch die in den genannten Gutachten durchgeführte Musterkalkulation für unzutreffend und beruft sich insbesondere auf ein im Jahr 1996 von Prof. Dr. A. (NZV 1996, 49 ff.) erstattetes Privatgutachten. Auch wenn grundsätzlich gemäß § 287 Abs. 1 ZPO die Möglichkeit besteht, den erstattungsfähigen Mietzins auf der Grundlage der allgemein gehaltenen Gutachten der Sachverständigen N./K. einerseits sowie des Sachverständigen A. andererseits unter angemessen kritischer Würdigung der dort jeweils vorgesehenen Zu- und Abschläge zu beurteilen, ist hierfür im Streitfall kein Raum. Voraussetzung für eine solche Vorgehensweise wäre nämlich, dass der Kläger substantiiert vorträgt und belegt, dass die in dem von ihm herangezogenen Gutachten N./K. vorausgesetzten Grundannahmen auch im Streitfall zutreffen. Die Kammer hat den hierfür vom Kläger zu verlangenden Vortrag im Hinweisbeschluss vom 29.06.2005 im Einzelnen dargelegt. Der Kläger hat hierzu jedoch nicht ergänzend vorgetragen. Nach alledem ist der Kammer mangels ausreichender Tatsachengrundlage die Möglichkeit verwehrt, eventuell betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Zuschläge gemäß § 287 Abs. 1 ZPO im Wege der Schätzung zu ermitteln.

b)

Der Kläger hat jedoch auf der Grundlage der ihm im Beschluss der Kammer vom 29.06.2005 erteilten Hinweise ergänzend dargelegt, dass ihm in Anbetracht seiner konkreten Situation und unter Anwendung der vom Bundesgerichtshof im Jahre 1996 aufgestellten Grundsätze die Anmietung eines günstigeren Ersatzfahrzeugs nichts zuzumuten war.

aa)

Der Kläger hat unwiderlegt vorgetragen, dass ihm von der Autovermietung G. in V. bedeutet worden sei, es würden die in der Gegend üblichen Mietwagenpreise abgerechnet. Unstreitig existieren am Anmietungsort keine weiteren Autovermietungen. Zwischen den Parteien steht lediglich im Streit, ob hinsichtlich der Ermittlung der üblichen Mietwagenpreise nur auf den nahe gelegenen Wohnort des Klägers, nämlich M., abzustellen ist oder auf die Anmietungssituation in der etwas weiter entfernt liegenden Stadt P. Der Kammer ist aus einer Vielzahl vorangegangener Verfahren bekannt, dass im Raum M. unfallgeschädigten Verkehrsteilnehmern ausschließlich Ersatzfahrzeuge unter Zugrundelegung des so genannten Unfallersatztarifs bzw. eines Tarifs, der der Höhe nach diesem entspricht, angeboten werden. Dabei wird der Mietwagenbedarf im Raum M. nicht durch eigentliche Vermietungsfirmen, sondern durch Autohäuser gedeckt. Der Vermietungsmarkt in M. wird letztlich durch vier Unternehmen geprägt, nämlich (wird ausgeführt). Der Kläger hat die von diesen Firmen zum Anmietungszeitpunkt verlangten Unfallersatztarife durch Vorlage entsprechender Tariflisten näher belegt (AS I 51 ff. und II 141 ff.). Bei sämtlichen 4 in M. (Wohnort des Klägers) ansässigen Autovermietungsfirmen wären bei einer Mietdauer von 13 Tagen, der Gewährung von Vollkaskoschutz und bei Anmietung eines in die Gruppe 5 einzustufenden Pkws (in diese Gruppe fällt das unfallgeschädigte Fahrzeug des Klägers) Mietwagenkosten angefallen, die mit dem von der Autovermietung G. berechneten Gesamtbetrag vergleichbar sind. Bei der Autovermietung C. wäre insoweit ein Betrag von 2.606,52 EUR angefallen (AS I 53). Das Autozentrum D. GmbH hätte einen Bruttobetrag von 2.636,39 EUR in Rechnung gestellt (AS I 51). Bei dem Unternehmen Auto S. GmbH wären ebenfalls 2.636,39 EUR angefallen (AS I 55). Am günstigsten wäre noch eine Anmietung bei der Autovermietung C. ausgefallen, bei der ein Betrag in Höhe von 2.564,10 EUR brutto in Rechnung gestellt worden wäre (AS I 57). Vergleicht man demgegenüber den dem Kläger tatsächlich in Rechnung gestellten Betrag von 2.641,32 EUR, so ergibt sich, dass die in M. verlangten Mietwagenpreise nur unwesentlich günstiger gewesen wären.

bb)

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Kläger nicht gehalten, auch den Anmietungsmarkt in P. zu erforschen. Dem Geschädigten, der - wie hier der Kläger - auf die umgehende Anmietung eines Ersatzfahrzeugs angewiesen ist, kann nicht angelastet werden, dass er sich an ein namhaftes Vermietungsunternehmen in der Nähe des Unfallorts wendet und nicht aus Kostenersparnisgründen günstigere Mietwagenfirmen in einer größeren Stadt aufsucht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Geschädigte - wie hier - nachvollziehbar darlegt, dass nach den ihm zur Verfügung stehenden Informationen ein deutlicher Preisunterschied zwischen den Angeboten in P. und in M. bzw. V. nicht ohne weiteres erkennbar war. Stellt man auf die individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Klägers ab und berücksichtigt man zudem, dass ihm - soweit ersichtlich - die Diskrepanz zwischen Unfallersatztarifen und Normaltarifen bzw. die unterschiedlichen Preisgestaltungen in P. und M./V. nicht bewusst waren, so folgt aus den vom Bundesgerichtshof im Jahre 1996 aufgestellten Grundsätzen (BGHZ 132, 373 ff.), dass dem Kläger der in Rechnung gestellte erhöhte Tarif abzüglich 5 % Eigenersparnis zu ersetzen ist. Da für das Fahrzeug des Klägers unstreitig Vollkaskoschutz bestand, ist ihm auch der in dem verlangten Mietzins enthaltene Kostenanteil für die Gewährung von Vollkaskoschutz zu erstatten (vgl. hierzu auch BGH, NJW 2005, 1041 ff., 1043). Die dem Kläger in Rechnung gestellten Mietwagenkosten sind auch nicht deswegen zu kürzen, weil ausweislich der Rechnung der Autovermietung G. vom 05.12.2003 ein Pauschalpreis nach HUK 6 in Ansatz gebracht wurde. Zwar ist mit der Beklagten davon auszugehen, dass das unfallbeschädigte klägerische Fahrzeug in die Gruppe 5 einzustufen ist. Aus den vorgelegten Vergleichslisten der Autovermietungsfirmen in M. ergibt sich jedoch, dass dort für die Anmietung eines Fahrzeugs der Gruppe 5 keine wesentlich geringeren Mietwagenkosten angefallen wären. Dem Kläger kann auch nicht angelastet werden, dass er bei der Autovermietung G. nicht ein günstigeres, klassentieferes Fahrzeug in Anspruch genommen hat. Denn er hat bei seiner Anhörung von dem Amtsgericht Maulbronn überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass er und seine Ehefrau aufgrund gesundheitlicher Probleme im Knie- bzw. Beinbereich auf ein geräumiges Fahrzeug angewiesen waren. Er war daher nicht unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, ein kleineres Fahrzeug in Anspruch zu nehmen und hierdurch die Mietwagenkosten so zu verringern, dass diese deutlich unter den Anmietungspreisen für ein Fahrzeug der Gruppe 5 in M. gelegen hätten.

cc)

Dem Kläger kann schließlich auch nicht angelastet werden, dass er sich Bedenken gegen die Angemessenheit der in Rechnung gestellten Mietwagenkosten verschlossen hat. Wie sich aus dem vorgelegten Mietvertrag (AS I 189) ergibt, waren die konkret anfallenden Mietwagenpreise dort nicht ausgewiesen worden. Dem Kläger war jedoch - so seine glaubhaften Ausführungen anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Maulbronn - bedeutet worden, es würden nur die üblicherweise in der Gegend abgerechneten Mietwagenkosten in Ansatz gebracht. Bei dem Vermietungsunternehmen handelte es sich auch um ein namhaftes, im Telefonbuch als Autovermietungsfirma ausgewiesenes Unternehmen. Es bestehen zudem keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger im November 2003 auch nur ansatzweise die Diskrepanz zwischen den Normaltarifen und den so genannten Unfallersatztarifen bewusst war.

Nach alledem kann der Kläger Ausgleich in Höhe von weiteren 994,01 EUR beanspruchen.

c)

Der aus § 249 BGB resultierende Schadenersatzanspruch des Klägers ist jedoch nicht auf Zahlung der noch ausstehenden Forderung gerichtet. Der Kläger hat diesen Betrag nämlich bislang nicht an die Autovermietung G. geleistet. Vielmehr hat diese ihm den noch ausstehenden Betrag vorerst gestundet. Der dem Kläger zu ersetzende Schaden besteht damit in der Belastung mit einer Verbindlichkeit gegenüber der Autovermietung G. Dementsprechend steht ihm gemäß § 249 BGB ein Anspruch auf Freistellung von dieser Verbindlichkeit zu (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Auflage, vor § 249 Rdn. 46). Da der Kläger nicht vorgetragen hat, eventuelle Ansprüche gegen die Beklagte an die Autovermietung G. abgetreten zu haben, hat sich der Freistellungsanspruch nicht auf diesem Wege in einen Geldanspruch umgewandelt (vgl. zu dieser Situation BGH, NJW 1978, 1314; vgl. ferner Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 15.09.2004 - 1 S 11/04). Der Freistellungsanspruch des Klägers ist auch nicht gemäß § 250 Satz 2 BGB in einen Zahlungsanspruch übergegangen. Denn der Kläger hat gegenüber der Beklagten keine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ausgesprochen. Die bloße Aufforderung, Geldersatz zu leisten, genügt regelmäßig nicht den Anforderungen des § 250 BGB (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Auflage, § 250 Rdn. 2). Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung war im Streitfall auch nicht entbehrlich, da die Beklagte die Leistung von Schadenersatz oder die Vornahme einer Naturalrestitution nicht ernsthaft und endgültig verweigert hat (vgl. hierzu die Rechtsprechungsnachweise bei Palandt/Heinrichs a.a.O.). Die Beklagte hat zwar den Ausgleich weiterer Mietwagenkosten im Hinblick auf die Preisunterschiede zwischen dem so genannten Normaltarif und dem Unfallersatztarif abgelehnt. Darin ist aber noch keine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung zu erblicken. Denn es oblag zunächst dem Kläger, die Erforderlichkeit der abgerechneten Mietwagenkosten im Einzelnen substantiiert und konkret darzulegen. Dieser Verpflichtung ist er erst im Verlaufe des Rechtsstreits nachgekommen. Anders als in dem vom Landgericht Zwickau (NZV 2003, 585 ff.) entschiedenen Fall konnte damit auf die in § 250 BGB vorgesehene Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht verzichtet werden.

Dem Kläger war daher nicht die begehrte Zahlung zu bewilligen, vielmehr war ihm - als Weniger zu seinem Zahlungsverlangen - ein Anspruch auf Freistellung von der gegenüber der Firma G. bestehenden Verbindlichkeit in Höhe von 994,01 EUR zuzusprechen.

d)

Soweit der Kläger gesetzliche Verzugszinsen seit 08.01.2004 verlangt, steht ihm ein solcher Anspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB nicht zu. Da der Kläger nicht Leistung an sich selbst verlangen kann, befindet sich die Beklagte mit einer solchen Zahlungsverpflichtung nicht in Verzug. Folglich könnte der Kläger allenfalls Freistellung von möglichen Verzugsschadensansprüchen der Firma G. verlangen. Anhaltspunkte dafür, dass solche Ansprüche geltend gemacht werden, bestehen jedoch nicht. Der Kläger hat vielmehr vorgetragen, ihm sei die ausstehende Forderung derzeit gestundet worden.

e)

Dagegen kann der Kläger gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB Ausgleich der außergerichtlich angefallenen Unkostenpauschale (§ 26 BRAGO) in der geltend gemachten Höhe von 12,75 EUR beanspruchen. Diese Pauschale ist nicht auf die im Gerichtsverfahren erneut anfallende Unkostenpauschale anzurechnen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Beklagte hat zwar die Zulassung der Revision im Hinblick auf den von der Kammer erwogenen und zur Anwendung gebrachten Vertrauensschutz beantragt. Die auf den Rechtsgedanken des § 242 BGB beruhende Gewährung von Vertrauensschutz ist jedoch im Wesentlichen eine von den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalls abhängende Tatrichterfrage, die revisionsrechtlicher Prüfung weitgehend entzogen ist. Ob und unter welchen Voraussetzungen die unechte Rückwirkung von Gerichtsurteilen aus Gründen des Vertrauensschutzes einzuschränken ist, hat der Bundesgerichtshof in anderen Fällen bereits hinreichend geklärt. Offen ist derzeit lediglich die Frage, ob diese Erwägungen in ähnlicher Weise auch auf die Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen angewendet werden können. Hierbei treten jedoch keine neuen Rechtsfragen auf, die in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vertrauensschutz noch keine Rolle gespielt haben. Ein revisionsrechtlicher Klärungsbedarf besteht folglich nicht. Die Kammer verkennt zwar nicht, dass es - insbesondere auch aus Sicht der Beklagten - wünschenswert wäre, wenn der Bundesgerichtshof alle im Zusammenhang mit der Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen auftretenden Fragen abschließend klärt. Dies erfüllt aber noch nicht die Anforderungen, an die nach der Bestimmung der § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung einer Revision geknüpft ist.






LG Karlsruhe:
Urteil v. 28.10.2005
Az: 1 S 17/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/63cf2c914b58/LG-Karlsruhe_Urteil_vom_28-Oktober-2005_Az_1-S-17-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share