Landgericht Paderborn:
Urteil vom 6. September 2011
Aktenzeichen: 6 O 16/11

(LG Paderborn: Urteil v. 06.09.2011, Az.: 6 O 16/11)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,--, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs selbst oder durch Dritte ein als „Weinbrand“ gekennzeichnetes Produkt anzubieten, zu vertreiben, zu bewerben und/oder sonst wie in den Verkehr zu bringen, wenn das in dem Produkt enthaltene Ethanol nicht ausschließlich aus Trauben stammt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Bei dem Kläger handelt es sich um einen eingetragenen Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck in der Interessenvertretung der Spirituosenhersteller und Spirituosenimporteure in Deutschland und die Wahrnehmung der Verbraucherinteressen im Hinblick auf die kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke und den Schutz vor irreführender Werbung für alkoholhaltige Getränke insbesondere durch Aufklärung und Beratung besteht (§ 2 der Satzung). Den Vorstand stellen Herr ….. vom Unternehmen …. von der .. und Frau ... Daneben ist weiteres Mitglied der der selbst umsatzmäßig rund 90 % aller Spirituosenhersteller und -Importeuren in Deutschland repräsentiert und dem selbst Landesgruppen/-verbände und Fördermitglieder angeschlossen sind.

Die Beklagte firmierte früher als …, vormals ….. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Groß- und Einzelhandel mit Handelswaren aller Art einschließlich Im- und Export insbesondere in und aus den GUS-Staaten. Sie vertreibt u.a. das Produkt "….", und zwar u.a. in den der … angehörenden …. Märkten.

Der Kläger behauptet, das Produkt "….", jeweils 5 Jahre und 8 Jahre alt, der Beklagten - damals noch firmierend unter ….. GmbH - chemisch untersuchen lassen zu haben. Das Institut …. sei dabei in zwei Gutachten vom 23.11.2010 für beide Proben zu folgender Beurteilung gelangt:

"Die vorliegende Probe wurde auftragsgemäß einer Untersuchung der Kohlenstoff-Isotopen unterzogen.

Der Befund ergibt, dass das im Produkt enthaltene Ethanol zu 44 % (bzw. für das 8 Jahre alte Produkt zu 45 %) aus der Vergärung von C4-Zucker (Rohrzucker, Zucker aus Maisstärke oder Hirse) resultiert. Bei Weinbrand aus Armenien müsste das gesamte Ethanol allerdings aus Trauben stammen. Das Produkt ist deshalb als Weinbrand aus Armenien nicht verkehrsfähig"

Im Rechtstreit legt der Kläger zwei weitere Gutachten des Instituts …. vom 22.03.2011 über die Begutachtung des nunmehr unter der geänderten Firmenbezeichnung der Beklagten von ihr vertriebenen Produkts "Weinbrand …." 5 und 8 Jahre vor, in denen das Institut als Befund wiedergibt, dass das im Produkt enthaltene Ethanol zu ca. 44 % (bzw. bei dem 8 Jahre alten Weinbrand zu 55 %) aus der Vergärung von C4-Zucker resultiert.

Der Kläger hat die Beklagte am 21.12.2010 abgemahnt. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 27.12.2010 um eine verlängerte Stellungnahmefrist wegen der Weihnachtsfeiertage gebeten. Desweiteren heißt es in dem Schreiben:

"Unabhängig davon wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie uns Kopien der Untersuchungsergebnisse überlassen könnten, damit wir feststellen können, auf welche Produkte Sie sich beziehen. Unsere Mandantschaft würde selbstverständlich die Produkte erneut untersuchen lassen. Bei den bisherigen Untersuchungen sind derartige "Mängel", die Sie benannt haben, nicht festgestellt worden. Hier muss mit dem Lieferanten Rücksprache gehalten werden, wie es zu der Beanstandung gekommen sein könnte."

Eine weitere Stellungnahme der Beklagten ist (offenbar) nicht erfolgt.

Der Kläger behauptet, die Testkäufe in verschiedenen der …. angehörenden ….-Märkten getätigt zu haben. Er bezieht sich im Übrigen auf die vorgelegten Gutachten des Instituts …. vom 23.11.2010 und 22.03.2011.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,--, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs selbst oder durch Dritte ein als "Weinbrand" gekennzeichnetes Produkt anzubieten, zu vertreiben, zu bewerben und/oder sonst wie in den Verkehr zu bringen, wenn das in dem Produkt enthaltene Ethanol nicht ausschließlich aus Trauben stammt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt die Klagebefugnis des Klägers in Abrede und bestreitet ausdrücklich, dass das angeblich vom Institut …. untersuchte Produkt von ihr importiert oder vertrieben worden sei. Das könne sie anhand der mitgeteilten Daten nicht feststellen. Die Etiketten für die Flaschen seien zwar in ihrem Auftrag gedruckt worden und in der Regel sollten sie auch nicht von Dritten verwendet werden. Allerdings habe es in der Vergangenheit immer wieder Fälle gegeben, wo Dritte ihre Produkte kopiert hätten, um so an dem guten Ruf, den diese Produkte innerhalb der überwiegend osteuropäischen Käuferschichten hätten, zu partizipieren. Der Kläger möge insoweit mitteilen, wann und wo er die Waren erworben habe, damit sie überprüfen könne, ob diese Ladengeschäfte überhaupt von ihr beliefert worden seien oder ob sich vielmehr der Verdacht erhärten würde, dass die Produkte von einem Dritten eingeführt worden seien.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und im übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG i.V.m. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 LMKV i.V.m. VO. Nr. 110/2008 zu.

Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sieht die Kammer in Anbetracht der Mitglieder des Klägers als zweifelsfrei gegeben an. Der Kläger trägt auch selbst vor, dass die Gerichte einschließlich des Bundesgerichtshofs in den vergangenen Jahren seine Aktivlegitimation immer wieder geprüft und bestätigt hätten.

Die Klage ist auch in der Sache begründet.

Die Beklagte handelt hinsichtlich des von ihr vertriebenen und beworbenen Produkts "Weinbrand ……" unlauter.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 LMKV sind Lebensmittel in Fertigverpackungen mit einer Verkehrsbezeichnung nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 bis 4 LMKV zu versehen. Ist eine solche Verkehrsbezeichnung in einer Rechtsvorschrift festgelegt, so ist diese zwingend zu verwenden. Bei Weinbrand handelt es sich um eine Spirituose, für die die anzugebende Verkehrsbezeichnung in der VO 110/2008 festgelegt ist. Nach Anhang II Nr. 5 der VO 110/2008 ist Brandy oder Weinbrand eine Spirituose, die aus Branntwein mit oder ohne Zusatz von Weindestillat gewonnen wird. Das bedeutet, dass der gesamte Alkohol (Ethanol) aus Wein, also aus Trauben gewonnen werden muss, damit das Erzeugnis als Weinbrand bezeichnet werden darf. Das ist nach den vorgelegten Gutachten des Instituts ….., die die Beklagte substantiiert nicht angreift, zweifelsfrei nicht der Fall.

Soweit die Beklagte in Zweifel zieht, die von dem Institut …. untersuchten Proben in den Vertrieb gebracht zu haben, ist dieser Einwand nicht begründet.

Die Flaschenetiketten der untersuchten Erzeugnisse sind Bestandteil der Gutachten. Sie weisen die Beklagte unter ihrer früheren bzw. jetzigen Firmenbezeichnung als Importeur aus. Sie muss sich deshalb zu Recht vom Kläger als Importeurin der von diesem im Handel erworbenen Proben behandeln lassen.

Den sich aus den Angaben auf den Flaschenetiketten ergebenden Anschein, die Proben importiert und in den Verkehr gebracht zu haben, hat die Beklagte nicht ausgeräumt. Ihre nicht näher substantiierte Behauptung, dass es in der Vergangenheit Fälle gegeben habe, wo Dritte ihre Produkte kopiert hätten, um so an deren guten Ruf zu partizipieren, genügt insoweit nicht. Sämtliche untersuchten Proben weisen die nach der Los-Kennzeichnungs-Verordnung (LKV) vorgeschriebene Losnummer auf, die, wie mit den Parteien im Termin mündlich erörtert, dem Zweck dient, die Herkunft im Verkehr gelangter Lebensmittel zweifelsfrei nachverfolgen zu können. Der Beklagten hätte es deshalb oblegen, die von ihr zurückzuhaltende Gegenprobe (§ 43 LFGB) der begutachteten Losnummern ihrerseits durch einen zugelassenen Gegenprobengutachter untersuchen zu lassen, um die Feststellungen des Instituts … zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern. Mit Anwaltsschrift vom 27.12.2010 (K8) hat die Beklagte auch angekündigt, so verfahren zu wollen, hat eine Untersuchung der Gegenprobe aber offenbar nicht veranlasst.

Nach alledem ist die Kammer von dem behaupteten Wettbewerbsverstoß überzeugt. Der Klage war demgemäß zu entsprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

…. ….. …..






LG Paderborn:
Urteil v. 06.09.2011
Az: 6 O 16/11


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