Kammergericht:
Beschluss vom 16. September 2003
Aktenzeichen: 1 W 67/02

Tenor

In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem am 28. Juni 2001 vor dem Landgericht Berlin geschlossenen vollstreckbaren Vergleich von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus in Höhe weiterer 133,88 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 22. August 2001 festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde bei einem Wert bis 1.500 Euro zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben nach einem Wert bis 2.000 Euro die Klägerin zu 92 %, die Beklagte zu 8 % zu tragen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RpflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig und in der Sache teilweise begründet.

Die zur Festsetzung angemeldeten und im angefochtenen Beschluss voll abgesetzten Verkehrsanwaltsgebühren der Klägerin hat die Beklagte der Klägerin in Höhe von 133,88 Euro (261,48 DM) zu erstatten. Ein weitergehender Anspruch auf Kostenerstattung besteht jedoch nicht. Im Einzelnen:

1. Verkehrsanwaltskosten

Die Erstattungsfähigkeit der Verkehrsanwaltskosten gemäß § 52 BRAGO beurteilt sich nach der Rechtslage vor der Änderung der Postulationsfähigkeit in § 78 Abs. 1 ZPO zum 1. Januar 2000 und der zum damaligen Recht ergangenen ständigen Rechtsprechung des Senats, weil die Kosten vor diesem Zeitpunkt entstanden sind. Danach sind zusätzliche Kosten für die Einschaltung eines Verkehrsanwalts, der als Bevollmächtigter der auswärtigen Partei deren Verkehr mit dem Prozessbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts führt, nur ausnahmsweise in voller Höhe als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und damit als erstattungsfähig anzuerkennen (§ 91 Abs. 1 ZPO). Voraussetzung ist, dass es der Partei aus besonderen Gründen nicht zumutbar war, ihren Prozessbevollmächtigten selbst unmittelbar zu informieren (Senat, JurBüro 1970, 1092). Anderenfalls sind grundsätzlich nur die durch die Einschaltung des Verkehrsanwalts ersparten Kosten einer Informationsreise der Partei zu ihrem Prozessbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts zu erstatten. Im Berufungsverfahren gelten noch strengere Maßstäbe als in erster Instanz. Da eine tatsächliche und rechtliche Würdigung durch ein Urteil bereits vorliegt (Baumbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 91 Rn. 229), kommt die Erstattung von Korrespondenzanwaltsgebühren € auch in Höhe der ersparten Reisekosten € nur unter der weiteren Einschränkung in Betracht, dass sich die tatsächliche Grundlage des Rechtsstreits gegenüber der ersten Instanz wesentlich verändert hat (Senat, JurBüro 1978, 1206 und JurBüro 1983, 1401).

a) Besondere Gründe, welche in erster Instanz die volle Erstattung der geltend gemachten Gebühr der Münchener Verkehrsanwältin rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Klägerin aus persönlichen Gründen, etwa wegen Alters oder einer Behinderung, nicht in der Lage gewesen sein soll, ihren Berliner Prozessbevollmächtigten über den Sachverhalt selbst zu informieren. Der Hinweis der Klägerin, sie habe eine unter juristischen Aspekten qualifizierte Aufbereitung des Sachverhalts und der tatsächlichen Anspruchsgrundlagen nicht leisten können, geht fehl. Die rechtliche Aufarbeitung eines Sachverhalts ist nicht die Aufgabe eines Verkehrsanwalts, sondern allein die des Prozessbevollmächtigten.

Zu beanstanden ist jedoch, dass das Landgericht im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. Dezember 2001 die Kosten der im ersten Rechtszug eingeschalteten Verkehrsanwältin in voller Höhe abgesetzt hat. Denn diese Kosten sind insoweit erstattungsfähig, als mit der Einschaltung eines Verkehrsanwalts erstattungsfähige Kosten einer Informationsreise der Klägerin zu ihrem Prozessbevollmächtigten in Berlin erspart wurden (Senat, JurBüro 1970, 1092). Insoweit weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sie ein schutzwürdiges Interesse an einem persönlichen Gespräch mit ihrem Berliner Anwalt hatte. Der dem Prozessbevollmächtigten zu unterbreitende Sachverhalt war nicht so einfach gelagert, dass die Klägerin einen in Berlin ansässigen Anwalt ausschließlich schriftlich bzw. telefonisch hätte informieren können. Die Höhe dieser Kosten ist anhand der Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 4. Dezember 2001 zu schätzen. Den damals eingereichten Belegen zufolge betrugen die Kosten für einen Flug von München nach Berlin und zurück einschließlich Bus bzw. Taxi vom und zum Flughafen insgesamt 545,50 DM. Hiervon hat die Beklagte der Klägerin 48 %, mithin 261,84 DM = 133,88 Euro zu erstatten.

b) Korrespondenzanwaltskosten für die zweite Instanz sind der Klägerin von der Beklagten weder voll noch zum Teil zu erstatten, auch nicht in Höhe einer ersparten weiteren Informationsreise der Partei zu ihrem Prozessbevollmächtigten. Eine Partei ist gehalten, sich auf eine einzige Informationsreise zu beschränken, und muss das persönliche Informationsgespräch mit dem Prozessbevollmächtigten unter Einbeziehung und Mitnahme aller prozesserheblichen schriftlichen Unterlagen denkbar umfassend vorbereiten. Die Kosten für eine weitere Informationsreise sind nur dann als notwendig anzusehen, wenn nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils eine Veränderung der tatsächlichen Grundlage des Rechtsstreits eingetreten ist und aus diesem Grund eine neue Erörterung des Streitstoffs erforderlich wird (Senat, JurBüro 1978, 1206 und JurBüro 1983, 1401). Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor und wird auch von der Klägerin nicht aufgezeigt.

c) Die Verkehrsanwaltskosten, die nach Zurückverweisung in die erste Instanz entstanden sind und dem mit der sofortigen Beschwerde gestellten Antrag zufolge weiterhin geltend gemacht werden, sind gleichfalls nicht € auch nicht zum Teil € erstattungsfähig. Es handelte sich nach den unter b) dargelegten Grundsätzen nicht um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung, weil die Zurückverweisung keine Veränderung der tatsächlichen Grundlage des Rechtsstreits mit sich gebracht hat.

2. Kosten des vorprozessualen Privatgutachtens und der Kostenvoranschläge

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die Kosten für das vorprozessuale Privatgutachten und die eingeholten Kostenvoranschläge zu erstatten. Diese Kosten dürfen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie als materiellrechtliche Schadensersatzansprüche im Prozess geltend gemacht worden waren und € durch die Abgeltungsklausel € in den am 28. Juni 2001 geschlossenen Prozessvergleich mit einbezogen sind (vgl. OLG München, NJW 1997, 1294). Die Parteien haben in diesem Vergleich zu Ziffer 1) vereinbart, dass die Beklagte an die Klägerin "zum Ausgleich jedweder gegenseitiger Ansprüche aus dem Umzug der Klägerin" die Vergleichssumme zahlt. Das schließt die Geltendmachung der Kosten für das vorprozessuale Privatgutachten und die eingeholten Kostenvoranschläge im Verfahren der Kostenfestsetzung ebenso aus, wie wenn der materiell-rechtliche Anspruch auf Zahlung dieser Kosten tituliert worden wäre (vgl. OLG München, a.a.O.).

Auch aus der Kostenquote des Vergleiches vom 28. Juni 2001 geht hervor, dass der Kläger hinsichtlich der ursprünglich eingeklagten Kosten für das Gutachten (2.112 DM) und den Kostenvoranschlag (365 DM) von insgesamt 2477 DM unterlegen war, es also bei der Abweisung des materiellen Anspruchs auf Ersatz dieser Kosten durch das Kammergericht bleiben sollte. Mithin würde die Berücksichtigung dieser Vorbereitungskosten im Kostenfestsetzungsverfahren entgegen der im Prozessvergleich vom 28. Juni 2001 getroffenen Regelung dazu führen, dass die Beklagte einen weiteren Betrag der Klageforderung zu zahlen hätte.

Unter diesen Umständen kommt es auf die weitere Frage, ob der Klägerin im vorliegenden Fall ein prozessualer Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für das Sachverständigengutachten und den eingeholten Kostenvoranschlag zusteht, nicht mehr an. Es kann dahinstehen, ob diese Aufwendungen im Hinblick auf einen sich konkret abzeichnenden Prozess veranlasst wurden und als "Kosten des Rechtsstreits" im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden können (vgl. BGH, NJW 2003, 1398).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.






KG:
Beschluss v. 16.09.2003
Az: 1 W 67/02


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