Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. März 2009
Aktenzeichen: 28 W (pat) 102/08

(BPatG: Beschluss v. 18.03.2009, Az.: 28 W (pat) 102/08)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patentund Markenamts vom 26.9.2006 und vom 9.6.2008 aufgehoben.

2.

Wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 447 804 wird die teilweise Löschung der angegriffenen Marke 303 14 513 für folgende Waren und Dienstleistungen angeordnet:

"Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmuse; Früchte in Alkohol; Früchtescheiben; Fruchtgelees; Früchte mit Alkohol; Ingwerkonfitüre; Joghurt; Kakaobutter; kandierte Früchte; Konfitüren; Marmeladen; Milch; Milchgetränke mit überwiegendem Milchanteil; Milchprodukte; Sesamsamenpastete; Milchmischgetränke mit überwiegendem Milchanteil; Fruchtquarkspeisen; Trinkmilch; Marzipanund Nougaterzeugnisse; Backwaren (fein); Biskuits; Bonbons; Brioches (Gebäck); Butterkeks; Eiscreme; Erdnusskonfekt; Fondants (Konfekt); Gebäck; Geleefrüchte (Süßwaren); Halwah; Joghurteis (Speiseeis); Kakao; Kakaoerzeugnisse; Kakaogetränke; Karamellen; Kekse; Kleingebäck; Konfekt; Zuckerwaren; Kuchen, Kuchenverzierungen, essbar; Lebkuchen; Makronen; Malzbiskuits; Mandelkonfekt; Marzipan; Marzipanrohmasse; Müsli; Pastillen (Süßwaren); Petits Fours; Pfefferkuchen; Pfefferminzbonbons; Konditorwaren; Schokoladenwaren; Pralinen; Schokolade; Schokoladengetränke; Sorbets (Speiseeis); Speiseeis; Torten; Waffeln; Zuckermandeln; Zuckerwaren als Christbaumschmuck; Zuckerwaren; Konfekt; Speisen aus der asiatischen Küche, nämlich Süßspeisen; Müsli-Riegel; Zerealien; Lieferung von Speisen zum sofortigen Verzehr; Verpflegung von Gästen; Catering; Verpflegung von Gästen in Kantinen; Partyservice, nämlich Organisation und Durchführung von Partys und Festen und Herstellung und Bereitstellung von Nahrungsmitteln, insbesondere Mahlzeiten und Buffets für Partys, soweit in Klasse 43 enthalten; Betrieb einer Bar; Verpflegung von Gästen in Restaurants, Schnellimbissrestaurants, Snackbars und in Selbstbedienungsrestaurants; Verpflegung von Gästen in Cafes; Verpflegung von Gästen in Cafeterias; Betrieb eines Bistros; Catering, nämlich Lunchund Getränkeservice".

3. Kosten werden nicht auferlegt.

Gründe

I.

Die Wortmarke 303 14 513 Reviloist am 19. März 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt angemeldet und am 9. Februar 2004 eingetragen worden und zwar für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 30, 39 und 43.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch aus der IR-Marke 447 804 REVILLON die seit 16. Oktober 1979 im internationalen Register eingetragen ist und in Deutschland u. a. Schutz genießt für die folgenden Waren der Klasse 30:

chocolat, confiserie.

Mit Schriftsatz vom 24. August 2004 hat die Markeninhaberin gegenüber der Widersprechenden die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patentund Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, mit der Begründung zurückgewiesen, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke sei nicht, bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die in der mündlichen Verhandlung ihren Widerspruch auf die im Tenor genannten Waren beschränkt hat. Mit dieser Maßgabe beantragt sei, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die angegriffene Marke insoweit zu löschen.

Sie hat im Beschwerdeverfahren weitere Benutzungsunterlagen vorgelegt und zur Benutzungslage vorgetragen. Im Übrigen hält sie die Streitmarken im Umfang des beschränkten Widerspruchs für verwechselbar.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen und dieser die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Sie hält die Nichtbenutzungseinrede aufrecht und rügt die im Beschwerdeverfahren eingereichten Benutzungsunterlagen als verspätet. Zwischen den einander gegenüberstehenden Marken bestehe auch keine Verwechslungsgefahr.

Die Markeninhaberin ist wie angekündigt im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und hat im Umfang des in der mündlichen Verhandlung beschränkten Widerspruchs in der Sache auch Erfolg; denn bezüglich der jetzt noch beschwerdegegenständlichen Vergleichswaren kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke verwechselbar nahe.

1. Die von der Markeninhaberin erhobene Nichtbenutzungseinrede ist nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG zulässig. Die Widerspruchsmarke war im Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 12. März 2004 bereits länger als 5 Jahre im Register eingetragen. Daher musste die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke sowohl für die Zeit vom 12. März 1999 bis zum 12. März 2004 als auch für den Zeitraum von 5 Jahren vor der mündlichen Verhandlung am 18. März 2009 glaubhaft machen. Der Sachvortrag der Widersprechenden und die von ihr zur Glaubhaftmachung eingereichten Unterlagen genügen diesen Anforderungen im Hinblick auf die jetzt noch beschwerdegegenständlichen Waren der angegriffenen Marke.

Zur Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung hatte die Widersprechende bereits vor dem DPMA eine eidesstattliche Versicherung ihres Generaldirektors vom 8. März 2005 vorgelegt. Darin erklärt dieser, die Widerspruchsmarke sei in Deutschland im Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2004 laufend für "Schokoladenspezialitäten" benutzt worden. Im genannten Zeitraum hätten sich die Umsätze mit den so gekennzeichneten Waren in Deutschland auf mindestens ... Tonnen bzw. ... Euro belaufen. Diese von offensichtlich kompetenter Stelle abgegebene Erklärung zusammen mit den Angaben im Einzelnen reichen für die Glaubhaftmachung einer andauernden ernsthaften wirtschaftlichen Benutzung der Widerspruchsmarke i. S. v. §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 26 Abs. 1 MarkenG im Inland aus, und zwar für beide der hier maßgeblichen Benutzungszeiträume. Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin hat die Widersprechende alle maßgeblichen Umstände einer rechtserhaltenden Markenbenutzung glaubhaft gemacht. Es war darüber hinaus entbehrlich, weitere Benutzungsunterlagen, insbesondere Rechnungen oder Kataloge, einzureichen. Soweit sich die Argumentation der Beteiligten hierauf bezieht, bedarf es -weil nicht entscheidungserheblich -keiner Auseinandersetzung damit.

Die mit der eidesstattlichen Versicherung übersandte Abbildung einer Warenverpackung für Schokoladestäbchen mit Himbeergeschmack zeigt die konkrete Art der Benutzung der älteren Kennzeichnung als Dachoder Firmenmarke neben der weiteren das spezielle Produkt betreffenden Kennzeichnung "Les Finesses de Chocolat". Insoweit stellt dies eine verkehrsübliche Mehrfachkennzeichnung dar, die die Herkunftsfunktion der älteren Marke innerhalb der Verpackungsgestaltung zum Ausdruck bringt. Soweit die zumindest auf der Vorderseite und auf der oberen Schmalseite angebrachte Widerspruchsmarke in einer sechseckigen Umrahmung mit dem Zusatz "CHOCOLATIER" und einem floralen Ornament auf der Ware erscheint, stellen diese Hinzufügungen entgegen der Ansicht der Markeninhaberin rein beschreibende oder ausschmückende Zusätze dar, die den kennzeichnenden Charakter der Marke "REVILLON" im Sinne des § 26 Abs. 3 MarkenG nicht verändern.

Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin und der Auffassung der Prüfungsstelle muss bei der Angabe von Umsatzzahlen weder der (jeweils) gesamte fünfjährige Benutzungszeitraum abgedeckt noch das (jeweils) letzte Jahr betroffen sei. Vielmehr genügt die Glaubhaftmachung einer ernsthaften Markenverwendung für eine begrenzte Zeit innerhalb des (jeweils) relevanten Benutzungszeitraum (Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Auflage, § 43 Rdn. 52). Der Vorwurf einer lediglich pauschalen Angabe von Umsatzzahlen geht damit ins Leere. Die in der eidesstattlichen Versicherung enthaltenen Umsatzangaben nach Gewicht (... Tonnen) und Geldbetrag (...Euro) zusammen mit der Erklärung, dass die Marke in der Bundesrepublik Deutschland laufend benutzt wurde, betreffen die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG geforderten Zeiträume. Was den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG angeht, der vom Tag der mündlichen Verhandlung

(18. März 2009) ab 5 Jahre in die Vergangenheit reicht und somit am 18. März 2004 beginnt, so liegen die auch das Jahr 2004 umfassenden Umsatzangaben zum größten Teil noch innerhalb dieses Zeitraums (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O.). Zweifel an einer ernsthaften Benutzung der Widerspruchsmarke entbehren damit auch insoweit jeglicher Grundlage.

2. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Markenrechtsrichtlinie, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese jeweils hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 (Nr. 25) "Lloyd"; GRUR Int. 2004, 843, 845 (Nr. 29) "Matratzen Concord"; BGH GRUR 2006, 60, 62 (Nr. 17) "coccodrillo"). Bei der Bewertung der Verwechslungsgefahr ist auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere zwischen der Ähnlichkeit der Marken einerseits und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen andererseits. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 18 f.) "PICASSO"; vgl. auch BGH GRUR 2006, 859, 860 (Nr. 16) "Malteserkreuz").

Gemessen an diesen Grundsätzen und bezogen auf die nach Beschränkung des Widerspruch einander gegenüberstehenden Waren ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen zu bejahen. Die Widerspruchsmarke verfügt von Haus aus in Bezug auf die hier einschlägigen Waren mangels erkennbarer beschreibender Anklänge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Bei der Entscheidung über die Verwechslungsgefahr sind auf Seiten der Widerspruchsmarke die benutzten "Schokoladenspezialitäten" zu berücksichtigen, die den geschützten Warenbegriffen "chocolat, confiserie" zuzuordnen sind. Zwischen diesen und den Waren der jüngeren Marke, soweit sie nach Beschränkung des Widerspruchs noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, besteht nach allen für die Prüfung der Warenähnlichkeit wesentlichen Kriterien Ähnlichkeit bis hin zur Warenidentität, da die Waren in ihrer Beschaffenheit (Herstellung aus oder unter Verwendung von Schokolade) bzw. ihrem Verwendungszweck als Zutat bei der Herstellung von Schokolade(waren) erhebliche Übereinstimmungen aufweisen.

Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Warenidentität oder -ähnlichkeit muss die jüngere Marke zur prioritätsälteren einen deutlichen Abstand einhalten. Dieser Anforderung genügt die angegriffene Marke nicht, denn sie kommt der Widerspruchsmarke in einem hohen Maße verwechselbar nahe. So stimmen die Vergleichszeichen in klanglicher Hinsicht weitgehend überein, wobei der fehlende Endkonsonant in der angegriffenen Marke klanglich ebenso wenig ins Gewicht fällt wie die Verdoppelung des Buchstabens L in der Widerspruchsmarke. Auffallend starke Übereinstimmungen finden sich auch in schriftbildlicher Hinsicht. Aus diesen Gründen ist die angegriffene Marke in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu löschen.

3. Der Antrag der Markeninhaberin die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Widersprechenden aufzuerlegen, ist zurückzuweisen, da Umstände, die eine Kostenauferlegung i. S. v. § 71 Abs. 1 MarkenG aus Billigkeitsgründen erforderlich machen würden, nicht ersichtlich sind. Für ein Abweichen vom Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt, bedarf es besonderer Umstände, die entgegen der Ansicht der Markeninhaberin vorliegend weder mit dem Ausgang des Verfahrens vor dem DPMA begründet werden können noch mit der von ihr behaupteten Verfahrensverzögerung durch die nicht annähernd gleichzeitige Vorlage der Benutzungsunterlagen seitens der Widersprechenden. Ein mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbarendes Verhalten, das eine Kostenauferlegung nach sich ziehen könnte, liegt erst recht nicht in der bloßen Einlegung eines Rechtsmittels durch die Beschwerdeführerin.

Stoppel Schell Martens Me






BPatG:
Beschluss v. 18.03.2009
Az: 28 W (pat) 102/08


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